Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 04.11.2016 Die Schriftliche Anfrage wird in Abstimmung mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (StMI) sowie dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Für die Beantwortung der nachfolgenden Fragen 1 bis 7 wird davon ausgegangen, dass nach Kinderehen unter Asylbewerbern gefragt ist, in Abgrenzung zu Frage 8, in der Kinderehen in der einheimischen Bevölkerung abgefragt werden. Das Merkmal „Kinderehe” wird statistisch nicht erfasst. Die Angaben zur Anzahl von Kinderehen beruhen darauf, dass Asylsuchende im integrierten Migrantenverwaltungssystem (iMVS) sowohl als minderjährig als auch als verheiratet erfasst sind. Einschränkungen in der Aussagekraft ergeben sich dadurch , dass einerseits das Alter bei Eheschließung nicht erfasst wird und andererseits die Angaben regelmäßig nicht durch Dokumente belegt sind, sondern oft auf Angaben der Betreffenden basieren. Daher sind die Angaben nur eingeschränkt belastbar. 1. Wie stellt sich die aktuelle Situation bezüglich der „Kinderehen” in Bayern dar (bitte aufgeschlüsselt nach Altersgruppen)? Zum Stichtag 31.08.2016 waren bayernweit 170 Asylbewerber unter 18 Jahren als verheiratet registriert. Bei den unter 16-Jährigen waren es 25, bei den unter 14-Jährigen 11. 2. Aus welchen Staaten kommen diese verheirateten Minderjährigen (bitte aufgeschlüsselt nach absoluten Zahlen)? Der Staatsregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor, da hierzu keine zwingenden Angaben gemacht werden müssen (s. Vorbemerkung). Eine gesonderte Auswertung ist in der für die Bearbeitung zur Verfügung stehenden Zeit nicht leistbar. 3. Wie erfolgt die Feststellung einer derartigen „Kinderehe “ (per Dokumentennachweis, per mündlicher Aussage, etc.)? Ein bestimmtes Verfahren für die Anerkennung von im Ausland geschlossenen Ehen und allein dafür zuständige Behörden gibt es nicht. Die Frage nach der Wirksamkeit der Eheschließung muss regelmäßig von der jeweils zuständigen Behörde oder dem Gericht als Vorfrage im Zusammenhang mit der Entscheidung über eine andere Amtshandlung in ihrem Zuständigkeitsbereich in eigener Verantwortung entschieden werden. 17. Wahlperiode 13.01.2017 17/14057 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Eva Gottstein FREIE WÄHLER vom 26.09.2016 „Kinderehen“ in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie stellt sich die aktuelle Situation bezüglich der „Kinderehen “ in Bayern dar (bitte aufgeschlüsselt nach Altersgruppen )? 2. Aus welchen Staaten kommen diese verheirateten Minderjährigen (bitte aufgeschlüsselt nach absoluten Zahlen )? 3. Wie erfolgt die Feststellung einer derartigen „Kinderehe“ (per Dokumentennachweis, per mündlicher Aussage, etc.)? 4. Wie stellt sich das generelle Vorgehen der Behörden im Falle der Feststellung einer „Kinderehe“ dar? 5. In wie vielen Fällen wurde von einer Trennung der „Paare “ und einer separaten Unterbringung abgesehen? 6. Sind auch Fälle bekannt, in denen männliche Minderjährige mit weiblichen Volljährigen verheiratet wurden? 7. Besitzt die Staatsregierung Kenntnis darüber, ob auch im Freistaat Bayern sogenannte „Kinderehen“ geschlossen werden? 8. Wie viele Fälle von Eheschließungen vor Erreichen der Volljährigkeit (d.h. ein Partner ist noch minderjährig) sind der Staatsregierung unter der einheimischen Bevölkerung bekannt? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/14057 Grundsätzlich sind Eheschließungen, die im Ausland erfolgt sind, in Deutschland unter folgenden Voraussetzungen wirksam : • Das anzuwendende Recht, z. B. hinsichtlich der Ehemündigkeit , wurde gewahrt (wobei das anzuwendende Recht regelmäßig das ausländische Recht sein wird, Art. 13 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch – EGBGB), • Die Eheschließung kann durch eine (ggf. legalisierte) ausländische öffentliche Urkunde über die Eheschließung nachgewiesen werden- • Es darf kein Verstoß gegen den sog. „ordre public” (Art. 6 EGBGB) vorliegen: Wenn die ausländische Eheschließung mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere mit den Grundrechten, offensichtlich unvereinbar ist, ist sie unwirksam. Die Beurteilung eines Verstoßes gegen die wesentlichen Grundsätze des deutschen Rechts kann nur im Einzelfall erfolgen. Die Staatsregierung geht grundsätzlich davon aus, dass in Fällen von Ehen unter 14-Jähriger in Deutschland auch im Hinblick auf eine eventuelle Strafbarkeit gem. § 176 des Strafgesetzbuches – StGB (sexueller Missbrauch von Kindern) ein Verstoß gegen den deutschen „ordre public” vorliegt. Fehlerhafte Ehen sind nach deutschem Recht regelmäßig allerdings nicht ex tune nichtig, sondern nur ex nunc aufhebbar. Antragsberechtigt für das gerichtliche Aufhebungsverfahren ist neben den Ehegatten bzw. ggf. einem gesetzlichen Vertreter gem. § 1316 Abs. 1 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB( die zuständige Verwaltungsbehörde , in Bayern die Regierung von Mittelfranken. Hinsichtlich der Dokumentenprüfung wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 4. Wie stellt sich das generelle Vorgehen der Behörden im Falle der Feststellung einer „Kinderehe“ dar? Kommt ein unter 14-jähriges Kind in Begleitung seines „Ehepartners ” nach Deutschland, so ist dieser Fall im Rahmen der Erstaufnahme dem örtlichen Jugendamt zur Kenntnis zu bringen. Im Hinblick auf eine eventuelle Strafbarkeit gem. § 176 StGB (sexueller Missbrauch von Kindern) ist das Kind in Obhut zu nehmen und beim Familiengericht die Bestellung eines Vormunds zu beantragen. Im Übrigen siehe Antwort zur Frage 3. 5. In wie vielen Fällen wurde von einer Trennung der „Paare“ und einer separaten Unterbringung abgesehen ? Aus Gründen des Kinderschutzes ist der „Ehepartner” eines unter 14-jährigen Kindes nicht als dessen Begleitperson anzusehen und eine separate Unterbringung zwingend, vgl. auch Antwort zu Frage 4. Im Übrigen liegen der Staatsregierung hierzu keine Erkenntnisse vor (s. Vorbemerkung). 6. Sind auch Fälle bekannt, in denen männliche Minderjährige mit weiblichen Volljährigen verheiratet wurden ? Der Staatsregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor, da Angaben zum Familienstand nicht verpflichtend sind (s. Vorbemerkung). 7. Besitzt die Staatsregierung Kenntnis darüber, ob auch im Freistaat Bayern sogenannte „Kinderehen” geschlossen werden? Eine Ehe kann in Deutschland grundsätzlich nur bei einem deutschen Standesamt geschlossen werden. Für Personen , die hinsichtlich der materiellen Ehevoraussetzungen deutschem Recht unterliegen (deutsche Staatsangehörige, aber auch anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte mit deutschem Personalstatut), setzt die Ehemündigkeit im Regelfall die Volljährigkeit voraus; nur bei mindestens 16-Jährigen kann hiervon durch das Familiengericht befreit werden. Erkenntnisse darüber, ob bzw. inwieweit minderjährige Ausländer nach deren Heimatrecht Ehen im Freistaat Bayern geschlossen haben, liegen nicht vor. 8. Wie viele Fälle von Eheschließungen vor Erreichen der Volljährigkeit (d. h. ein Partner ist noch minderjährig ) sind der Staatsregierung unter der einheimischen Bevölkerung bekannt? Daten und Erhebungen zur Zahl der Eheschließungen von Minderjährigen in Bayern liegen nicht vor. Bekannt sind im Rahmen der Fortschreibung des Bevölkerungsstandes durch das Landesamt für Statistik nachfolgende Daten zur Zahl verheirateter minderjähriger Deutscher in Bayern zum Stichtag 31.12.2015: Verheiratete Personen Alter in Jahren bis 14 14 bis 15 15 bis 16 16 bis 17 17 bis 18 gesamt unter 18 männlich – – – – – – weiblich – 1 – 1 6 8 gesamt – 1 – 1 6 8 Berücksichtigt sind nur Ehen, die melderechtlich auch erfasst wurden. Bei der weiblichen deutschen Person, die in der Altersgruppe „14 bis 15“ als verheiratet angegeben ist, dürfte davon auszugehen sein, dass es sich um einen Fall handelt, in dem die deutsche Staatsangehörigkeit erst nach der Eheschließung erworben worden ist.