Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Martin Stümpfig BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 30.09.2016 Sind US-Militärbasen in Deutschland rechtsfreie Räume ? Das Amtsgericht Ansbach verhandelte im April und im August gegen Udo Frank H. wegen Beleidigung. Der Mann hatte bei Facebook die Mitarbeiter des Ansbacher Rauschgiftdezernats beleidigt. Als einziges Beweismittel in diesem Prozess diente ein Screenshot, der überraschenderweise durch die US-Kaserne in Ansbach an die Kriminalpolizei weitergeleitet wurde. Ein US-Aufklärer vom „Department oft the Army, Headquarters , 2. Military Intelligence Bataillon“ war „im Rahmen einer dienstlichen Internetrecherche“ auf den Facebook-Account gestoßen, hatte ihn als Screenshot gesichert und der Kriminalpolizei Ansbach übermittelt. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Hat die Staatsregierung über diesen Vorgang Kenntnis ? b) Hat sie spezielle Kenntnisse darüber, ob das Durchsuchen privater Facebook-Accounts zum Aufgabenprofil von US-Aufklärern gehört? 2. Auf welchen Gebieten arbeiten US-Aufklärer der in Ansbach stationierten Einheiten und Kriminalpolizei Ansbach oder ähnliche Einrichtungen ansonsten zusammen ? 3. Inwiefern ist es für die US-Army relevant, wenn sich ein deutscher Staatsbürger über die örtlichen Behörden ärgert – in einem Fall, der nicht das Geringste mit der US-Kaserne in Ansbach zu tun hat? 4. a) Was ist das eigentliche Aufgabengebiet des Department of the Army, Headquarters, 2. Military Intelligence Bataillon? b) Was können Gründe sein, die hinter diesem Verhalten stecken? Antwort des Leiters der Staatskanzlei Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Sonderaufgaben vom 07.11.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr sowie dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. a) Hat die Staatsregierung über diesen Vorgang Kenntnis? b) Hat sie spezielle Kenntnisse darüber, ob das Durchsuchen privater Facebook-Accounts zum Aufgabenprofil von US-Aufklärern gehört? Nach dem Bericht des örtlich zuständigen Polizeipräsidiums Mittelfranken meldete sich am 13. November 2015 ein sogenannter „Local National Investigator“ (deutscher Mitarbeiter ) des 2nd Military Intelligence Bataillon der US-Army telefonisch und eigeninitiativ bei der Kriminalpolizeiinspektion Ansbach und teilte mit, dass Mitarbeiter des Rauschgiftdezernats auf der Facebook-Seite des späteren Beschuldigten , Herrn Udo Frank H., teilweise massiv beleidigt wurden. Nach Mitteilung der US-Botschaft fiel dem deutschen Mitarbeiter während seiner Recherchen am 12. November 2015 besagte Internetseite auf. Er brachte diese aus eigener Initiative den deutschen Behörden zur Kenntnis, weil er dies für seine Pflicht als deutscher Staatsbürger hielt. Er hatte, so die US-Botschaft, hierfür keinen Auftrag seiner Vorgesetzten. Die Facebook-Seite war öffentlich zugänglich und konnte somit von jedermann eingesehen werden. Daraufhin wurde bei der örtlich und sachlich zuständigen Polizeiinspektion Ansbach ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beleidigung eingeleitet, das am 16. Dezember 2016 der zuständigen Staatsanwaltschaft Ansbach zugeleitet wurde. Bezüglich des in der Vorbemerkung zur Schriftlichen Anfrage thematisierten Screenshots der Facebook-Seite von Udo Frank H. wird darauf hingewiesen, dass der in dem diesbezüglichen Ermittlungsverfahren als Beweismittel verwendete Screenshot tatsächlich nicht von dem Mitarbeiter der US-Army stammt. Vielmehr wurde die beweiserhebliche Facebook-Seite nach Eingang der telefonischen Mitteilung durch Beamte der Kriminalpolizeiinspektion Ansbach eigenständig aufgerufen und gesichtet, woraufhin auf der öffentlich zugänglichen Facebook -Seite von Udo Frank H. tatsächlich die mitgeteilten Beleidigungen festgestellt wurden. Der daraufhin gefertigte Ausdruck der Facebook-Seite, der im weiteren Ermittlungsverfahren als Beweismittel diente, wurde eigenhändig von Beamten der Kriminalpolizeiinspektion Ansbach gefertigt. Zu diesem Zeitpunkt lagen bei der Polizei noch keine schriftlichen Aufzeichnungen des „Local National Investigator“ des 2nd Military Intelligence Bataillon der US-Army vor. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.12.2016 17/14062 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/14062 Erst mit Schreiben vom 1. Dezember 2015 teilte besagter Angehöriger der US-Army dem zuständigen polizeilichen Sachbearbeiter ergänzend mit, dass er „im Rahmen einer dienstlichen Internetrecherche“ am 12. November 2015 auf das Profil des Beschuldigten U. H. gestoßen sei. Er übermittelte dabei seinerseits einen Screenshot. Das Polizeipräsidium Mittelfranken stellte mit Schreiben vom 19. November 2015 Strafantrag gegen den Beschuldigten . Die acht Mitarbeiter des „Rauschgiftdezernats“ der Kriminalpolizeiinspektion Ansbach stellten mit Schreiben vom 8. bzw. 9. Dezember 2015 ebenfalls Strafantrag gegen den Beschuldigten. Die Staatsanwaltschaft Ansbach erhob mit Anklageschrift vom 22. Dezember 2015 Anklage zum Amtsgericht in Ansbach wegen Beleidigung in acht tateinheitlichen Fällen. Das Amtsgericht Ansbach hat die Anklage sodann mit Beschluss vom 3. Februar 2016 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor dem Strafrichter eröffnet . Am 6. April 2016 fand vor dem Amtsgericht Ansbach – Strafrichter – die öffentliche Hauptverhandlung statt. Der Angeklagte wurde hier wegen Beleidigung in acht tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt , wobei eine Strafaussetzung zur Bewährung versagt wurde. Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft mit Schriftsatz vom 6. April 2016 Berufung sowie die Verteidigerin des Angeklagten mit Schriftsatz vom 6. April 2016 Rechtsmittel ein. Am 9. August 2016 fand sodann vor dem Landgericht Ansbach die Berufungshauptverhandlung statt. Im Rahmen einer Verständigung beschränkte der Beschuldigte sein Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch. Das Urteil des Amtsgerichts Ansbach vom 6. April 2016 wurde vom Landgericht Ansbach daraufhin im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass die erkannte Freiheitsstrafe von 3 Monaten zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist seit dem 17. August 2016 in Rechtskraft erwachsen. Die Mitarbeiter des 2nd Military Intelligence Bataillon haben u. a. die Aufgabe, Bedrohungen, die sich gegen die US- Stationierungsstreitkräfte richten, im Vorfeld zu erkennen. I. Ü. s. Antwort zu Frage 4. 2. Auf welchen Gebieten arbeiten US-Aufklärer der in Ansbach stationierten Einheiten und Kriminalpolizei Ansbach oder ähnliche Einrichtungen ansonsten zusammen? Nach Mitteilung des Polizeipräsidiums Mittelfranken finden in mehrmonatigem Abstand Dienstbesprechungen zwischen Angehörigen des 2nd Military Intelligence Bataillon der US- Army und des Criminal Investigation Command (CID) der US-Streitkräfte mit Vertretern des Polizeipräsidiums Mittelfranken statt. Ziel dieser Besprechungen ist es, einen Informationsaustausch über die aktuelle Sicherheitslage zu gewährleisten. Eine darüber hinausgehende, regelmäßige Zusammenarbeit findet nicht statt. 3. Inwiefern ist es für die US-Army relevant, wenn sich ein deutscher Staatsbürger über die örtlichen Behörden ärgert – in einem Fall, der nicht das Geringste mit der US-Kaserne in Ansbach zu tun hat? Gegenstand von Landtagsanfragen können nur Bereiche sein, für die die Staatsregierung als Verfassungsorgan verantwortlich ist. Der parlamentarische Informationsanspruch erstreckt sich nicht auf Gegenstände, die keinen Bezug zum Verantwortungsbereich der Regierung gegenüber dem Landtag haben, insbesondere weil sie sich außerhalb der Zuständigkeit der Staatsregierung befinden. Dies korrespondiert mit der Kontrollfunktion des Bayerischen Landtags auf Handlungen der Exekutive, vgl. auch § 71 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag (BayLTGeschO) und VerfGHE 54, 62 ff. 4. a) Was ist das eigentliche Aufgabengebiet des Department of the Army, Headquarters, 2. Military Intelligence Bataillon? b) Was können Gründe sein, die hinter diesem Verhalten stecken? Das 2nd Military Intelligence Bataillon ist Teil der 66th Military Intelligence Brigade und dient als vorgesetzte Dienststelle der Außenstelle Ansbach. Seine Aufgabe ist die multidisziplinäre Informationsgewinnung auf der jeweiligen Gefechtsebene zur Unterstützung der Bedürfnisse der US-Army Europa. Das Bataillon entsendet auf entsprechenden Befehl entsprechende Einheiten zur Unterstützung des gesamten Spektrums militärischer Operationen. Die Außenstelle Ansbach unterstützt darüber hinaus den Schutz der Garnison mit Maßnahmen der Spionageabwehr . Aufgabe der deutschen Mitarbeiter dieser Einheit ist die Suche nach möglichen Gefahren für die US-Streitkräfte; sie leisten sprachliche Unterstützung und sorgen für den Informationsaustausch mit den örtlichen Behörden im Rahmen der Vorschriften des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut . Über die Gründe des Verhaltens des betroffenen Mitarbeiters der US-Streitkräfte soll nicht spekuliert werden. Jedoch soll Folgendes angemerkt werden: Indem hier auf Informationen von einem öffentlichen, für jeden Facebook-Nutzer zugänglichen Profil hingewiesen wurde, hat der deutsche Mitarbeiter der US-Army die Möglichkeiten genutzt, die jedermann in Deutschland zur Verfügung stehen. Darüber hinaus hat er genau das getan, wozu im Rahmen der „Hate- Speech“-Debatte auch die Bürger in Deutschland bereits von offiziellen Stellen aufgefordert wurden, nämlich beleidigende , menschenverachtende Äußerungen im Netz zur Anzeige zu bringen, damit deren Urheber auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.