Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Markus Ganserer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 28.09.2016 Barrierefreiheit im Geltungsbereich des Personenbefördungsgesetzes Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) sieht in § 8 Abs. 3 Satz 3 eine Frist zur Erreichung einer vollständigen Barrierefreiheit im öffentlichen Personennahverkehr bis zum 1. Januar 2022 vor. Diese Frist gilt nicht, sofern im Nahverkehrsplan Ausnahmen konkret benannt und begründet werden. In diesem Zusammenhang frage ich die Staatsregierung: 1. Wie ist der Stand der Erreichung der vollständigen Barrierefreiheit im öffentlichen Personennahverkehr? 2. Welche ÖPNV-Aufgabenträger haben in ihren Nahverkehrsplänen Ausnahmen von der oben genannten Frist benannt? 3. Welche Ausnahmen wurden jeweils konkret benannt? 4. Wie wurden diese Ausnahmen begründet? 5. Inwieweit hat die Staatsregierung von den Möglichkeiten des § 62 Abs. 2 PBefG, aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen den in § 8 Abs. 3 Satz 3 genannten Zeitpunkt abweichend festzulegen sowie Ausnahmetatbestände zu bestimmen, die eine Einschränkung der Barrierefreiheit rechtfertigen, Gebrauch gemacht? 6. Wie stellt die Staatsregierung sicher, dass bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit im öffentlichen Personennahverkehr erreicht wird? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 31.10.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integ ration wie folgt beantwortet: 1. Wie ist der Stand der Erreichung der vollständigen Barrierefreiheit im öffentlichen Personennahverkehr ? Zur Beantwortung dieser Frage wird auf den Bericht des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 12. Februar 2016 zum Beschluss des Bayerischen Landtags vom 12. November 2015 betreffend „Barrierefreiheit einfach machen II: Bericht über die Planungen der Staatsregierung“ (LT-Drs. 17/9017) verwiesen. 2. Welche ÖPNV-Aufgabenträger haben in ihren Nahverkehrsplänen Ausnahmen von der oben genannten Frist benannt? Oberbayern: Landkreis Berchtesgadener Land Stadt Waldkraiburg Niederbayern: Landkreis Landshut Oberpfalz: Zweckverband Nahverkehr Amberg-Sulzbach (Aufgabenträgerzusammenschluss ) Mittelfranken: keine Oberfranken: Stadt Coburg Landkreis Coburg Unterfranken: keine Schwaben: Gebiet des Augsburger Verkehrsverbunds, AVV (Landkreise Augsburg, Aichach-Friedberg, Dillingen/Altlandkreis Wertingen , Städte Augsburg und Gersthofen) Landkreis Donau-Ries Landkreis Neu-Ulm Teilweise datieren die Nahverkehrspläne aus der Zeit vor der Änderung des § 8 Abs. 3 Satz 3 PBefG und werden im Hinblick auf die Barrierefreiheit gegenwärtig von den ÖPNV- Aufgabenträgern überarbeitet. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 07.02.2017 17/14151 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/14151 3. Welche Ausnahmen wurden jeweils konkret benannt? 4. Wie wurden diese Ausnahmen begründet? Die Antworten zu 3. und 4. wurden in der anliegenden Tabelle zusammengestellt. 5. Inwieweit hat die Staatsregierung von den Möglichkeiten des § 62 Abs. 2 PBefG, aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen den in § 8 Abs. 3 Satz 3 genannten Zeitpunkt abweichend festzulegen sowie Ausnahmetatbestände zu bestimmen, die eine Einschränkung der Barrierefreiheit rechtfertigen, Gebrauch gemacht? Von dieser Möglichkeit hat die Staatsregierung bisher keinen Gebrauch gemacht. 6. Wie stellt die Staatsregierung sicher, dass bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit im öffentlichen Personennahverkehr erreicht wird? Die Staatsregierung hat sich zum Ziel gesetzt, im Bereich der S-Bahnen alle Bahnhöfe der S-Bahn München bis 2023 und der S-Bahn Nürnberg bis 2018 barrierefrei auszubauen. Außerhalb des S-Bahnbereichs wird angestrebt, über das Bayern-Paket 2013–2018 weitere 13 Stationen barrierefrei auszubauen. Das Engagement des Freistaats soll auch über 2018 hinaus fortgesetzt werden. Mit einem Anteil von 94 % (Quelle: Verband deutscher Verkehrsunternehmen e.V.) stellen barrierefreie Niederflurbusse im ÖPNV den weitaus überwiegenden Teil der Fahrzeugflotte und bieten allen Fahrgästen einen erleichterten Einstieg. Der bereits hochgradig barrierefreie Fahrzeugpark im ÖPNV mit Bussen in Bayern soll durch Fortsetzung der Busförderung weiter optimiert werden. Die privaten Taxenunternehmer handeln eigenwirtschaftlich und stellen geeignete Fahrzeuge, bspw. Rollstuhltaxen, entsprechend der Nachfrage zur Verfügung. In urbanen Bereichen erfolgt dies über Bestellung und Koordinierung in den Taxizentralen. Für den Bereich des ab dem 1. Januar 2013 weitgehend liberalisierten Fernlinienbusverkehrs wurde geregelt, dass alle ab dem 1. Januar 2016 neu in Verkehr gebrachten Omnibusse barrierefrei ausgestaltet sein müssen. Nach dem 31. Dezember 2019 gilt dieses Erfordernis im Fernbuslinienverkehr für alle Omnibusse. Der Freistaat unterstützt die ÖPNV-Aufgabenträger zusätzlich bei ihrer allgemeinen Aufgabenerfüllung zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse und bei ihren Bemühungen für einen attraktiven ÖPNV im Rahmen der ÖPNV-Zuweisungen mit 51,3 Millionen € im Jahr. Mit dem Förderprogramm zur Mobilität im ländlichen Raum werden seit dem Jahr 2012 bedarfsorientierte und flexible Bedienformen insbesondere im ländlichen Raum unterstützt. Es werden bzw. wurden 64 Projekte unterstützt, die zum einen überhaupt ein ÖPNV-Angebot als Alternative zum motorisierten Individualverkehr ermöglichen oder bestehende Angebote im Linienverkehr räumlich und/oder zeitlich ergänzen. Daneben bieten die flexiblen Bedienformen durch die regelmäßig kleineren Fahrzeuge bessere Möglichkeiten zur Unterstützung des einzelnen Fahrgasts. Die Staatsregierung sieht in ihrem Entwurf für den Doppelhaushalt 2017/18 eine Fortführung des Förderprogramms vor, um gezielt den ÖPNV im ländlichen Raum zu stärken. Die Verkehrsunternehmen und Verbünde bieten in der Regel umfassende Informationen auch für besondere Zielgruppen an. Diese Informationen sind meist noch nicht in die elektronische Verbindungsauskunft integriert, sondern basieren auf einer persönlichen Betreuung per Telefon oder in Kundencentern. Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), die im Auftrag des Freistaats den Schienenpersonennahverkehr plant, bestellt und überwacht, arbeitet daran, die Verbindungsauskunft „Bayern-Fahrplan“ um entsprechende Informationen zu erweitern. Ein weiterer Baustein neben der Information zur Barrierefreiheit ist der barrierefreie Zugang zur Information. Die BEG bietet den Bayern-Fahrplan auch als Textversion an, die zum Beispiel für Vorlesegeräte von Blinden und Sehbehinderten geeignet ist. Anlage: Tabelle zur Beantwortung der Fragen 3 und 4 Aufgabenträger konkrete Ausnahme (Frage3) Begründung (Frage 4) Oberbayern LKr Berchtesgadener Land von barrierefreien Haltestellen/Fahrzeugen 85% gering frequentierte Haltestellen, fehlende Finanzmittel für flächendeckende Komplettumsetzung Stadt Waldkraiburg von barrierefreien Haltestellen/Fahrzeugen geringe Frequentierung bzw. Unterschreitung bestimmter Einwohnerzahlen, fehlende Finanzmittel für flächendeckende Umsetzung Niederbayern LKr Landshut von barrierefreien Haltestellen und Verhältnismäßigkeit der Investitionen, Frequentierung der Haltestellen Fahrzeugen in konkret definierten Einzelfällen Oberpfalz Zweckverband Nahverkehr Amberg-Sulzbach von barrierefreien Haltestellen und in bestimmten Konstellationen kann die vollständige Barrierefreiheit Fahrzeugen in konkret definierten Einzelfällen nicht oder nicht sinnvoll hergestellt werden Oberfranken Stadt/LKr Coburg von barrierefreien Haltestellen fehlender konkreter Bedarf, Verhältnismäßigkeit der Investitionen, ausgebaute Haltestelle in zumutbarer Nähe, objektive Umbauhindernisse Schwaben Gebiet des AVV derzeit keine, nach Abstimmung mit den jeweiligen objektive Umbauhindernisse, geringe Frequentierung, Verhältnismäßigkeit Fachbereichen im Rahmen der weiteren NVP möglich LKr Donau-Ries Fahrzeuge (Verstärker), Information an Haltestellen, Verstärker dienen Schülerverkehr (hier Fahrdienste für Kinder mit baulicher Zustand der Haltestellen Mobilitätseinschränkungen), objektive Umbauhindernisse LKr Neu-Ulm von barrierefreien Haltestellen und Verstärker dienen Schülerverkehr (hier Fahrdienste für Kinder mit Fahrzeugen in konkret definierten Einzelfällen Mobilitätseinschränkungen), objektive Umbauhindernisse, geringe Frequentierung