Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian Streibl FREIE WÄHLER vom 20.10.2016 Reichsbürgerbewegung in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Wie viele Personen werden der Reichsbürgerbewegung in Bayern zugeordnet? b) Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse darüber vor, ob es insoweit Unterschiede in den einzelnen Bundesländern gibt? 2. Wie unterstützt die Staatsregierung die kommunalen Verwaltungen im Umgang mit Reichsbürgern? 3. Wie unterstützt die Staatsregierung die Bediensteten der Landesverwaltung im Umgang mit Reichsbürgern? 4. Gibt es ein messbares Mehraufkommen an Klagen an bayerischen Gerichten im Zuge des Erstarkens der Reichsbürgerbewegung? 5. Gibt es bereits Angebote der politischen Bildung seitens der Staatsregierung, um die Expansion von Reichsbürger-Verschwörungstheorien gerade über soziale Netzwerke entgegenzutreten? 6. Gibt es bereits Präventionsarbeit im Rahmen des Unterrichts an Schulen? 7. a) Lassen sich die Mehrkosten durch Reichsbürgerfälle in Verwaltungen und an Gerichten beziffern? b) Wenn ja, welche Mehrkosten entstehen dem Freistaat jährlich? 8. a) Wie begegnet das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz der Reichsbürgerbewegung? b) Stimmt das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz sich insoweit in seinem Vorgehen mit den Verfassungsschutzbehörden der anderen Bundesländer ab? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 30.11.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat (StMFLH), dem Staatsministerium der Justiz (StMJ), dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (StMAS) und dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst (StMBW) wie folgt beantwortet : Vorbemerkung: Zur Thematik der sogenannten Reichsbürgerbewegung in Bayern wird das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport voraussichtlich im Februar 2017 einen umfassenden Bericht abgeben. Auf die Beschlüsse des Landtags, jeweils vom 26.10.2016, wird hingewiesen (Drs. 17/13858 und 17/13859). Zur Erstellung eines entsprechenden Lagebilds erfolgen derzeit bei den bayerischen Sicherheitsbehörden intensive Ermittlungen, Sammlungen und Auswertungen von Erkenntnissen . Die nachfolgenden Ausführungen geben deshalb den derzeit bei den bayerischen Sicherheitsbehörden vorliegenden Sachstand wieder. 1. a) Wie viele Personen werden der Reichsbürgerbewegung in Bayern zugeordnet? Bis zu dem tragischen Ereignis in Georgensgmünd am 19.10.2016 war aus der Reichsbürgerszene lediglich die „Exil-Regierung Deutsches Reich“ Beobachtungsobjekt des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz (BayLfV). Auf die Landtagsdrucksache 17/11736 vom 05.08.2016 wird insoweit verwiesen. Mit Wirkung zum 21.10.2016 wurde die Gruppierung „Bundesstaat Bayern“ vom BayLfV zum Beobachtungsobjekt erklärt. Darüber hinaus hat das BayLfV am 26.10.2016 die Beobachtung auf alle aktiven Gruppierungen der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ und Einzelpersonen, sogenannte „Selbstverwalter“, im Sinne eines Sammelbeobachtungsobjekts ausgeweitet. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Erklärung zum Beobachtungsobjekt und der vorliegenden Schriftlichen Anfrage können von den bayerischen Sicherheitsbehörden noch keine konkreten Angaben darüber gemacht werden, wie viele Personen der Reichsbürgerbewegung zugerechnet werden können. Ein erstes Lagebild zur Reichsbürgerbewegung wird die Staatsregierung in einer Sitzung des Ausschusses für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport Anfang des Jahres 2017 vorstellen. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 27.01.2017 17/14596 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/14596 b) Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse darüber vor, ob es insoweit Unterschiede in den einzelnen Bundesländern gibt? Bislang weichen die von den Verfassungsschutzbehörden der Länder angegebenen Zahlen zum Teil stark voneinander ab. Dies ist vor allem mit der unterschiedlichen Praxis bei der Beobachtung von einzelnen Gruppierungen aus der Reichsbürgerbewegung zu erklären. Die „Exil-Regierung Deutsches Reich“ wird in allen Ländern beobachtet. In einigen Ländern sind darüber hinaus auch weitere Gruppierungen der Reichsbürgerbewegung Gegenstand der Beobachtung . Auf Initiative des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr (StMI) wurde eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gegründet, die sich mit den Problemstellungen und bisherigen Erkenntnissen der Reichsbürgerbewegung befassen wird. 2. Wie unterstützt die Staatsregierung die kommunalen Verwaltungen im Umgang mit Reichsbürgern? 3. Wie unterstützt die Staatsregierung die Bediensteten der Landesverwaltung im Umgang mit Reichsbürgern ? Über sämtliche Qualifikationsebenen hinweg werden seit Jahren für staatliche und kommunale Bedienstete Fortbildungen zum Umgang mit schwierigem Parteiverkehr wie z. B. sogenannten Reichsbürgern sowie mit schwierigen Kommunikations- und Konfliktsituationen angeboten. Hierunter fallen sowohl die Angebote der Bayerischen Verwaltungsschule (BVS) und der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege, Fachbereich Allgemeine Innere Verwaltung sowie interne Fortbildungsprogramme der Behörden, z. B. der Regierungen. Zudem soll am 08.02.2017 im Rahmen der Reihe „Tag des Sicherheitsrechts“ eine Fachtagung der Bayerischen Akademie für Verwaltungsmanagement (BAV) und der BVS stattfinden, die sich spezifisch dem Phänomen „Reichsbürger und Germaniten – Herausforderung für die öffentliche Verwaltung“ widmet. Zielgruppe sind hier insbesondere Führungskräfte und Mitarbeiter/-innen der kommunalen Verwaltung , insbesondere aus Ordnungsämtern, Bürgerämtern, Kfz- und Fahrerlaubnisbehörden, Meldebehörden sowie Bürgermeister/-innen. Darüber hinaus bietet die Deutsche Richterakademie, deren Veranstaltungen grundsätzlich auch allen bayerischen Verwaltungsrichtern offenstehen, vom 02. bis 05.05.2017 eine Fortbildungsveranstaltung zum Umgang mit querulatorischen Persönlichkeiten und Einschätzung von Drohverhalten an. Die Kommunen können sich im Rahmen der Art. 108 Gemeindeordnung (GO), Art. 94 Landkreisordnung (LKrO) und Art. 90 Bezirksordnung (BezO) von den staatlichen Aufsichtsbehörden beraten lassen. Zuletzt wurden sie durch ein Schreiben des StMI vom 02.11.2016 für die Thematik sensibilisiert und in die Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden eingebunden. Die Gemeinden als Pass- und Personalausweisbehörden wurden 2013 und 2014 durch das StMI über den Umgang mit Mitgliedern diverser Gruppierungen wie z. B. Reichsbürger informiert. Insbesondere wurde auf die Beachtung der Ausweispflicht gemäß § 1 Personalausweisgesetz (PAuswG) und die Ahndung von vorsätzlichen Verstößen hingewiesen. Aufgrund des aktuellen Anlasses wurden die Pass-, Personalausweis-, Sicherheits- und Meldebehörden mit Schreiben vom 24.10.2016 erneut hinsichtlich des Umgangs mit Reichsbürgern, Germaniten und ähnlichen Gruppierungen sensibilisiert. Es ist geplant, die Thematik auch in der nächsten gemeinsamen Dienstbesprechung mit den Regierungen zum Pass-/Personalausweis- und Melderecht zu behandeln. Die Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) stellt in ihrem Internetportal unter der Rubrik „Erste Hilfe“ Informationen und Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Organisationen der Reichsbürgerbewegung zur Verfügung. Bei Bedarf berät die BIGE betroffene staatliche und kommunale Stellen auch vor Ort. Für derartige Beratungen steht bei der BIGE ein speziell auch zum Thema „Reichsbürger“ geschulter Mitarbeiter bereit. Die Bayerische Polizei verfolgt in ihrer Aus- und Fortbildung einen ganzheitlichen Ansatz und keine Fokussierung auf nur ein einzelnes Phänomen, da eine spezielle Schwerpunktsetzung den Blick auf das gesamte Spektrum der polizeilichen Arbeit verengen würde. Demzufolge werden Polizeivollzugsbeamte in Bayern im Rahmen der fächerübergreifenden Ausbildung darauf vorbereitet , dass sie beruflich und ggf. auch privat auf Bürger treffen, die aus politisch-ideologischen, religiösen oder sonstigen Gründen die freiheitlich demokratische Grundordnung und die davon abgeleitete Rechtsordnung in Teilen oder im Extremfall sogar ganz ablehnen. Um dies bereits im Ansatz erkennen und darauf nicht nur mit polizeilichen Mitteln, sondern auch argumentativ reagieren zu können, erhalten die Polizeibeamten eine weitgehende politische und staatsbürgerliche Bildung. Sie bekommen Hintergrundwissen zu aktuell gängigen Formen von Extremismus und zum Ablauf von Radikalisierungsprozessen vermittelt. Sie werden sensibilisiert , dass das Grundgesetz eine Werteordnung darstellt , an die sich jeder Bürger unabhängig von persönlichen Präferenzen zu halten hat und die es zu verteidigen gilt. Die Thematik „Staatschutz“ insbesondere mit den dort integrierten Bereichen „Rechtsextremismus“ und „Rolle der Polizei in der NS-Zeit“ sind Inhalt der Polizeiausbildung. Ebenso werden Themen wie „Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ und „rechtsextremes Liedgut“ behandelt . Dabei wird stark auf Aktualität Wert gelegt, wozu im Rahmen der Ausbildung auch tagespolitische Ereignisse diskutiert und ggf. in einen geschichtlichen Kontext gebracht werden. Durch Einbindung von Fachstellen, insbesondere der BIGE, fließen die aktuellsten Erkenntnisse zum Bereich des Extremismus in die Aus- und Fortbildung bei der Bayerischen Polizei ein. Darüber hinaus findet in zahlreichen anderen rechtlichen oder einsatzpraktischen Fächern eine Verknüpfung mit den vorgenannten Inhalten und Zielen statt. Im zentralen Fortbildungsprogramm für die Bayerische Polizei, insbesondere in den Seminaren „Staatsschutz N“ und „Staatsschutz F“, wird das Thema Rechtsextremismus unterrichtet. Diese Seminare vermitteln den Beamten nicht nur einschlägiges Hintergrundwissen zum Themenkreis Rassismus und Extremismus, sondern zeigen auch Präventionsansätze und Handlungsempfehlungen auf. Mit dem Kriminal-Basis-Seminar werden die Teilnehmer in praxisnaher Unterweisung auf die Lösung spezifischer Probleme kriminalpolizeilicher Arbeit vorbereitet. Im Jahresfortbildungsprogramm des Bayerischen Landeskriminalamts ist der Themenschwerpunkt durch die „Arbeitstagung Staatsschutzdienststellen“ und „Arbeitstagungen operativer Staatsschutz“ abgebildet. Im Rahmen Drucksache 17/14596 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 dieser Arbeitstagungen werden neueste Erkenntnisse aus dem Bereich des Rechtsextremismus sowie Bekämpfungsmöglichkeiten vorgestellt. Die Tagung ist somit ein wichtiger Teil der Fortbildung der Spezialisten und dient gleichzeitig dem unmittelbaren Erfahrungsaustausch innerhalb der Bayerischen Polizei. Auf nationaler Ebene ist das an der Deutschen Hochschule der Polizei im Rahmen des Jahresfortbildungsprogramms veranstaltete Seminar „Politisch motivierte Kriminalität“ zu nennen. Die Seminare ermöglichen den länderübergreifenden Austausch unserer Führungskräfte. Zudem steht in den polizeiinternen Medien ein umfangreiches Informationsangebot zum Themenkreis des Extremismus mit den entsprechenden Präventionsansätzen allen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bereit, um sie für die Thematik weiter zu sensibilisieren. Die sogenannten Reichsbürger beschäftigen auch die Justiz schon seit Längerem, zum Beispiel durch Störungen in Gerichtsverhandlungen, bei Widerstand gegen Maßnahmen von Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern oder in Zuschriften. Das Staatsministerium der Justiz hat Störungen und Bedrohungen durch sogenannte Reichsbürger von Anfang an sehr ernst genommen und bereits eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen bzw. auf den Weg gebracht , um die Kolleginnen und Kollegen vor Ort bestmöglich zu schützen und zu unterstützen: – Besonders wichtig für die Bediensteten sind effektive rechtliche und praktische Hilfestellungen gegen die typischen Störstrategien. Die bereits seit 2012 bestehenden , erst im vergangenen Jahr fortgeschriebenen internen Hinweise zum Umgang mit schwierigen Verfahrensbeteiligten wurden auch im Jahr 2016 erneut umfassend überarbeitet. Die Hinweise widmen sich eingehend dem Phänomen der sogenannten Reichsbürger und ihren spezifischen Störstrategien. Sie wollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Gerichten und Behörden für die Thematik sensibilisieren und ihnen für typische Fallkonstellationen rechtliche und praktische Hilfestellungen im Umgang mit solchen Situationen geben. Damit soll vermieden werden, dass es zu Überrumpelungssituationen kommen kann. Dabei wird selbstverständlich berücksichtigt, dass Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im unmittelbaren Zusammenhang mit der Durchführung einer Gerichtsverhandlung allein der Sitzungspolizeigewalt des Vorsitzenden obliegen und damit unter die richterliche Unabhängigkeit fallen. Angesichts des zunehmend aggressiven Auftretens auch bei Gericht wurden nun vor allem auch die Handlungsoptionen des Gerichts und der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung und mögliche präventive und repressive Ordnungsmaßnahmen verstärkt in den Blick genommen. Die zunächst in erster Linie für die Justiz entwickelten Hinweise sind zudem erstmals ressortübergreifend angelegt . An der Fortschreibung unter Federführung des StMJ waren neben Vertretern der ordentlichen Gerichtsbarkeit , der Staatsanwaltschaften und Gerichtsvollzieher sowie des StMI erstmals auch Vertreter des StMAS, des StMFLH sowie der Verwaltungs-, Arbeits-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit beteiligt. Gemeinsames Ziel ist es, die Hinweise in ganz Bayern allen Gerichten und Behörden zur Verfügung zu stellen, sodass alle mit einer gemeinsamen Strategie und nach den gleichen Grundsätzen gegen schwierige Verfahrensbeteiligte vorgehen können. Eine weitere Aktualisierung infolge des brutalen Angriffes in Georgensgmünd ist bereits in Arbeit. – Die Thematik Reichsbürger wurde schon seit mehreren Jahren in bestehenden Aus- und Fortbildungen stark intensiviert . Seit 2014 ist die Sensibilisierung für dieses Thema Gegenstand des Trainings zur Gefahrerkennung und Deeskalation in der Ausbildung der Gerichtsvollzieher. In der Ausbildung der Justizwachtmeister werden künftig die praktischen Übungen zu Zugangskontrollen, insbesondere zum Umgang mit angeblichen Ausweispapieren sowie mit Foto- und Filmaufnahmen, verstärkt. In der Ausbildung der Justizfachwirte ist geplant, die Anwärter künftig im Fach Schlüsselkompetenzen für den Umgang mit schwierigen Verfahrensbeteiligten zu sensibilisieren. In der Ausbildung der Rechtspfleger wird die Problematik im Rahmen des Unterrichts zum Thema „Zwangsversteigerung “ behandelt. Zudem wurden neue Fortbildungsveranstaltungen eingeführt, die sich speziell mit dem Thema Reichsbürger befassen (beispielsweise eintägige Fortbildung zum Umgang mit „Störungen in der gerichtlichen Verhandlung“ für Richter, zweitägige Tagung zu „Gefahrenerkennung , Konfliktbewältigung und Deeskalation“ für Gerichtsvollzieher mit Rollenspielen). Die Problematik wird außerdem in bestehende Tagungsformate integriert. – Seit mehreren Jahren wird die Thematik in verschiedenen (auch länder- und ressortübergreifenden) Gremien und auf allen Ebenen bei Dienstbesprechungen mit den Leiterinnen und Leitern der Behörden und Gerichte behandelt, um Erfahrungen auszutauschen, zu sensibilisieren und die Stärkung örtlicher Maßnahmen zu erreichen. – Das Staatsministerium der Justiz unterstützt gefährdete und betroffene Bedienstete, beispielsweise beim Umgang mit Bedrohungen oder im Falle von durch Reichsbürger unberechtigt geltend gemachten Forderungen gegen Bedienstete. – Wenn und soweit strafrechtlich relevantes Verhalten im Raum steht, verfolgen die bayerischen Staatsanwaltschaften dieses mit Nachdruck und aller Konsequenz. Im Bereich des StMFLH ist der Umgang mit den Bürgerinnen und Bürgern ein fester Bestandteil der Aus- und Fortbildung der Beschäftigten. Bereits in der Ausbildung für den Einstieg in der 2. als auch in der 3. Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen Schwerpunkt Steuer bzw. Staatsfinanz werden diese Inhalte im Fach „Sozialwissenschaftliche Grundlagen des Verwaltungshandelns“ behandelt. Die allgemein vermittelten Grundsätze sind auf alle schwierigen Personen und Situationen übertragbar. Spezielle Themenkomplexe werden in der Fortbildung vertieft. Beispielsweise werden Seminare zur Gesprächsführung in schwierigen Situationen, Gesprächs- und Verhandlungsführung , Konfliktmanagement und sogar Gewaltprävention und Selbstverteidigung angeboten. Für Bereiche mit hohem Kundenkontakt und eventuell hohem Konfliktpotenzial werden spezifizierte Schulungen durchgeführt; z. B. in der Vollstreckungsstelle der Finanzämter und im Bereich der Steuerfahndung. Allen Bediensteten der Steuerverwaltung werden bereits seit Anfang 2014 durch das Bayerische Landesamt für Steuern ausführliche Hinweise zum Umgang mit Personen zur Verfügung gestellt, die sich auf das Nichtbestehen der Bundesrepublik Deutschland berufen. Zudem unterstützen die Vorgesetzten und Amtsleiter betroffene Beschäftigte und verständigen im Bedarfsfall die Polizei. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/14596 4. Gibt es ein messbares Mehraufkommen an Klagen an bayerischen Gerichten im Zuge des Erstarkens der Reichsbürgerbewegung? Die bayerischen Verwaltungsgerichte können eine Zunahme der Verfahren von sogenannten Reichsbürgern überwiegend nicht bestätigen. Lediglich das Verwaltungsgericht Regensburg stellt eine tendenzielle Zunahme der Verfahren fest (insgesamt ca. 30 Verfahren in den Jahren 2015 und 2016). Die Verfahren sind auf eine relativ große Anzahl von Rechtsgebieten verteilt, wobei zum Teil einzelne Kläger mit einer größeren Anzahl von Verfahren in den unterschiedlichsten Rechtsgebieten vertreten sind. Der Justizgeschäftsstatistik in Zivilsachen lässt sich nicht entnehmen, ob Klagen von Angehörigen der sogenannten Reichsbürgerbewegung eingereicht wurden. Ein etwaiges Mehraufkommen ist damit nicht messbar. Beim Landesamt für Finanzen, das für die Vertretung der Behörden des Freistaats vor den Zivilgerichten zuständig ist, ist bisher kein erhöhtes Klageaufkommen zu beobachten. Mit den Klagen in Besteuerungsverfahren von Reichsbürgern sind in Bayern erstinstanzlich die Finanzgerichte München und Nürnberg befasst. Spezielle Aufzeichnungen zu einschlägigen Klagen werden nicht geführt. Bei den Arbeits- und Sozialgerichten ist kein messbarer Mehraufwand entstanden. Die Anzahl der Klagen von Reichsbürgern liegen bisher im mittleren einstelligen Bereich. 5. Gibt es bereits Angebote der politischen Bildung seitens der Staatsregierung, um die Expansion von Reichsbürger-Verschwörungstheorien gerade über soziale Netzwerke entgegenzutreten? Die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit (LZ) betreut verschiedene präventive Angebote und Programme, die sich gegen politischen Extremismus wenden und v. a. die Schulen in ihrem Einsatz für Demokratie und Toleranz stärken . Im Sinne einer adressatenbezogenen Primärprävention werden dabei v. a. Akteure tätig, die mit den schulischen und erzieherischen Rahmenbedingungen vertraut sind; dies sind die Lehrkräfte und Schulleitungen bzw. – auf dem hier in Rede stehenden Gebiet – die Regionalbeauftragten für Demokratie und Toleranz, die in ganz Bayern die Schulen in ihrer Auseinandersetzung mit den Gefahren des politischen Extremismus unterstützen. Sie arbeiten dabei sehr eng mit der BIGE und, wo nötig, mit dem BayLfV zusammen. Dabei werden selbstverständlich insbesondere auch die digitalen Formen und Verbreitungswege extremistischer Propaganda thematisiert. Die Rolle, die das Internet v. a. für rechtsextremistische Gruppierungen hat, steht dabei im Mittelpunkt. Exemplarisch hierfür kann eine Veranstaltung angeführt werden, die die Landeszentrale gemeinsam mit den Regionalbeauftragten , dem LfV und der BIGE am 26.10.2016 in Würzburg durchgeführt hat. Dabei wurden ca. 60 Lehrkräften verschiedener Schulen und Schularten sowohl die Bedrohungen dargelegt, die derzeit von rechtsextremistischer Seite ausgehen, wie auch die Herangehensweisen erläutert, mit denen die Verantwortlichen in den Schulen die Jugendlichen in ihrer Resistenz gegenüber diesen Bedrohungen stärken können. Dabei wurden selbstverständlich ausführlich auch die Organisation der sogenannten Reichsbürger und ihre Internetstrategie dargestellt und problematisiert . Zur allgemeinen Information zum Thema steht bei der Landeszentrale die Publikation „Handbuch Rechtsextremismus “ (Virchow/Langebach/Häusler, 2016) zur Verfügung. In einer mehrtägigen Informations- und Diskussionsveranstaltung („Den Wind aus den Segeln nehmen. Über den Umgang mit rechtsradikalen und rechtspopulistischen Anschauungen in der Schule, in Gedenkstätten/Museen und auf dem Sportplatz“), die in Kooperation mit dem Museumspädagogischen Zentrum (MPZ) und der FC Bayern Erlebniswelt am 05. und 06.10.2016 in München stattfand, vermittelten Expert(inn)en aus den verschiedensten Bereichen der schulischen, sportpädagogischen, künstlerischen und staatlichen Jugend- bzw. Präventionsarbeit den 80 Teilnehmern (Lehrerinnen, Sportbetreuer/-innen, Museumspädagog (inn)en) ihre Erfahrungen. Mitglieder der BIGE kamen hier ebenso zu Wort wie Kommunalpolitiker, Streetworker , Theatermacher, Sozialpädagogen, Trainer, Wissenschaftler , Schauspieler und Antiaggressionstrainer. Diese Tagung, die wegen des großen Erfolgs Fortsetzungen finden wird, befasste sich mit rechtsextremistischen bzw. ausgeprägt rechtspopulistischen Gruppierungen in der Realität und im Internet, zu diesen gehören auch die Reichsbürger. Ideologische Kennzeichen (verbreiteter Antisemitismus, „Grenzen von 1937“) wurden ebenso erörtert wie offenbar vorhandene Zugänge zu Waffen bzw. zu Fälscherwerkstätten („Reisepässe“, „Personalausweise“). 6. Gibt es bereits Präventionsarbeit im Rahmen des Unterrichts an Schulen? Präventionsarbeit gegen Extremismus jedweder Art wird im schulischen Bereich insbesondere durch die Erziehung zur Demokratie und die politische Bildung geleistet. Diese zählen zu den zentralen Aufgaben aller Schulen in Bayern und sind als schulart- und fächerübergreifende Bildungs- und Erziehungsziele in den bayerischen Lehrplänen fest verankert, im neuen LehrplanPLUS insbesondere durch das fächerübergreifende Bildungs- und Erziehungsziel der „Politischen Bildung“. Zum einen vermitteln und fördern die Lehrkräfte demokratische Verhaltensweisen und Werte in ihrem Unterricht wie auch im schulischen Leben. Die Schülerinnen und Schüler üben demokratische Spielregeln und die Übernahme von Verantwortung auf vielfältige Weise praktisch ein. Zum anderen setzen sie sich mit den Grundlagen und Grundwerten des demokratischen Zusammenlebens sowie mit Herausforderungen und Gefährdungen für die Demokratie bzw. die freiheitlich-demokratische Grundordnung (z. B. Extremismus ) auseinander. Die Schülerinnen und Schüler lernen das positive Potenzial gesellschaftlicher Vielfalt wahrzunehmen sowie Demokratie und Menschenrechte wertzuschätzen. Als kompetente Ansprechpartner für anlassbezogene verhaltensorientierte Prävention von jeglicher Form von Extremismus – auch von politisch-religiös motiviertem – stehen den Schulen die Regionalbeauftragten für Demokratie und Toleranz zur Verfügung, die an die bayernweit neun staatlichen Schulberatungsstellen angebunden sind. Sie führen Beratungsgespräche mit Lehrkräften, Eltern bzw. betroffenen Jugendlichen durch, vermitteln ggf. geeignete Experten bzw. stellen entsprechende Kontakte her und binden außerschulische Partner wie z. B. die BIGE mit ein. Sie informieren Schulen über neue Entwicklungen im Bereich des Extremismus . Hierzu werden sie kontinuierlich insbesondere zu Extremismen sowie einschlägigen gesellschaftlichen und kommunikativen Entwicklungen fortgebildet. Drucksache 17/14596 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 Aufgrund möglicher Problemstellungen durch Reichsbürger mit schulpflichtigen Kindern steht die BIGE für den schulischen Bereich zur Information und für Auskünfte über die Hintergründe und Aktivitäten der Reichsbürger zur Verfügung . 7. a) Lassen sich die Mehrkosten durch Reichsbürgerfälle in Verwaltungen und an Gerichten beziffern? b) Wenn ja, welche Mehrkosten entstehen dem Freistaat jährlich? Aufzeichnungen über Mehrkosten durch Reichsbürger werden in den Verwaltungen nicht geführt. Sie lassen sich auch nicht schätzungsweise beziffern. Darüber hinaus liegen auch keine Daten vor, anhand derer die Mehrkosten durch Reichsbürgerfälle an den bayerischen Verwaltungs-, Arbeits-, Finanz- und Sozialgerichten sowie den ordentlichen Gerichten beziffert werden könnten. 8. a) Wie begegnet das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz der Reichsbürgerbewegung? Das BayLfV hat mittlerweile die gesamte Reichsbürgerszene unter Beobachtung gestellt. Die Beobachtung erstreckt sich auf die sogenannte Reichsbürgerbewegung und die sogenannten Selbstverwalter. b) Stimmt das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz sich insoweit in seinem Vorgehen mit den Verfassungsschutzbehörden der anderen Bundesländer ab? Das BayLfV stimmt seine Arbeit mit den anderen Behörden für Verfassungsschutz in unterschiedlichen Formen ab. Dazu wurden in der Vergangenheit bundesweit auch spezielle Gremien installiert, welche die Zusammenarbeit der einzelnen Behörden weiter verbessern und intensivieren sollen. Seit der Einrichtung des Gemeinsamen Extremismus und Terrorismus Abwehrzentrums (GETZ) in Köln findet auch zum Phänomenbereich Rechtsextremismus zwischen allen Verfassungsschutzbehörden und der Polizei in unterschiedlichen Gremien ein intensivierter Informationsaustausch sowie eine gemeinsame Bewertung statt. Davon abgesehen gibt es auch anlass- und themenbezogene Fachtagungen mit Vertretern der einzelnen Behörden. Auch die Reichsbürgerbewegung ist Gegenstand der Diskussion im Rahmen solcher Gremien und Fachtagungen. Die seit Kurzem eingeführte Beobachtung der Reichsbürgerbewegung durch das BayLfV wurde nicht mit den anderen Ländern abgestimmt.