Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 30.11.2016 Vorbemerkung: Die in Rede stehende Anlage wurde in den Jahren 2008 bis 2015 umfangreich ohne immissionsschutzrechtliche Genehmigung geändert und erweitert und erhielt deshalb im Mai 2015 vom Landratsamt Passau eine Stilllegungsanordnung für die geänderten Anlagenteile. Die vom Landratsamt geforderten Antragsunterlagen wurden in den gesamten 7 Jahren nie vollständig vorgelegt. Die Anlage wurde auch nach der Stilllegung weiterbetrieben, obwohl der Sofortvollzug mehrfach gerichtlich bestätigt wurde. Vollstreckungsmaßnahmen (Zwangsgelder) wurden festgesetzt und eingetrieben . Der Betreiber hatte zwischenzeitlich (von Mai 2015 bis 07.07.2016) Gelegenheit, einen immissionsschutzrechtlich genehmigungsfähigen Antrag vorzulegen. Die Prüfung der mehrmals überarbeiteten Antragsunterlagen ergab jedoch in der Folge, dass die Anlage in der beantragten Form nicht genehmigungsfähig ist. Derzeit betreibt das Landratsamt Passau in Absprache mit der Regierung von Niederbayern die Stilllegung der Anlage bis zum 31.12.2016. 1. Gibt es für die verschiedenen Anlagen der STF Unternehmens -Group jeweils eine wasserrechtliche Genehmigung zur Einleitung in die Oberflächenentwässerung der Gemeinde Aicha vorm Wald? Die Einleitung von Niederschlagswasser in eine gemeindliche Entwässerungseinrichtung stellt keinen gestattungspflichtigen Gewässerbenutzungstatbestand nach § 9 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) dar. Eine Erlaubnis wurde hierfür nicht erteilt. 2. Gibt es für die verschiedenen Anlagen der Unternehmensgruppe jeweils einen genehmigten Anschluss an das Abwassersystem der Gemeinde Aicha vorm Wald? Auch der Anschluss an eine gemeindliche Entwässerungseinrichtung erfüllt keinen Benutzungstatbestand nach § 9 WHG. Über eine Anschlussmöglichkeit entscheidet die jeweilige Betreibergemeinde. 3. a) Wann und wie oft kam es zu Verunreinigungen des Oberflächenwassergrabens entlang der Staatsstraße (St) 2127, des Regenüberlaufbeckens, des Bärnbachs oder privater Grundstücke durch das Einleiten ungereinigter Produktionsabwässer? b) Um welche Schadstoffe handelte es sich jeweils? Die Fragestellung unterstellt, dass in jedem Falle von Verunreinigungen die STF Unternehmens-Group als Verursacher anzunehmen ist. Der Nachweis ist jedoch schwer zu führen: Die Leitungsführung des gemeindlichen Kanalnetzes ist in 17. Wahlperiode 03.02.2017 17/14618 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Rosi Steinberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 31.10.2016 Gewässerverunreinigung Aicha vorm Wald Laut Presseberichten hat die STF Unternehmens-Group, Industriestr. 1–3, Aicha vorm Wald, über Jahre hinweg bis jetzt genehmigungsbedürftige Anlagen nach § 4 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) bzw. nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ohne die erforderlichen Genehmigungen betrieben. Zudem soll die Unternehmensgruppe ungereinigte Produktionsabwässer in die gemeindliche Kanalisation, in das Regenrückhaltebecken neben der Staatsstraße 2127, in den Bärnbach und letztendlich in den Vorfluter (Gaißa) eingeleitet haben. Ich frage die Staatsregierung: 1. Gibt es für die verschiedenen Anlagen der STF Unternehmens -Group jeweils eine wasserrechtliche Genehmigung zur Einleitung in die Oberflächenentwässerung der Gemeinde Aicha vorm Wald? 2. Gibt es für die verschiedenen Anlagen der Unternehmensgruppe jeweils einen genehmigten Anschluss an das Abwassersystem der Gemeinde Aicha vorm Wald? 3. a) Wann und wie oft kam es zu Verunreinigungen des Oberflächenwassergrabens entlang der Staatsstraße (St) 2127, des Regenüberlaufbeckens, des Bärnbachs oder privater Grundstücke durch das Einleiten ungereinigter Produktionsabwässer? b) Um welche Schadstoffe handelte es sich jeweils? 4. Durch wen wurden die jeweiligen Verunreinigungen gemeldet? 5. Welche Behörden wurden bei den einzelnen Fällen eingeschaltet? 6. a) Welche Folgen hatten die jeweiligen Verunreinigungen für den/die Verursacher b) finanziell? c) ordnungsrechtlich? 7. Welche Kosten fielen jeweils zur Beseitigung der Verunreinigungen an und wer ist dafür aufgekommen? 8. Welche Auflagen wurden jeweils erlassen und wie und von wem wurde die Einhaltung dieser Auflagen kontrolliert ? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/14618 großen Teilen unbekannt und mehrfach überbaut worden. Nach Aufforderung durch das Landratsamt führte die Gemeinde Aicha vorm Wald am 17.11.2016 eine Kamerabefahrung des Netzes durch, um Erkenntnisse über die Leitungsführung , den Zustand der Leitung und damit über mögliche Verursacher umweltrelevanter Schadensfälle zu gewinnen. Eine Auswertung dieser Kamerabefahrung steht noch aus. Weder der Straßenentwässerungsgraben noch das Regenrückhaltebecken nördlich der Staatsstraße (St) 2117 sind als Gewässer i. S. des WHG zu betrachten, sondern als Abwasseranlage(n) (vgl. Sieder-Zeitler-Dahme, Kommentar WHG, Anm. 48 zu § 2). Eine schädliche Gewässerveränderung i. S. d. § 3 Nr. 10 WHG tritt (erst) ein, wenn der Bärnbach als Vorfluter beeinträchtigt ist. Die Gemeinde Aicha vorm Wald ist Betreiberin der dortigen gemeindlichen Abwasseranlage; ihr ist die Einleitung von Oberflächenwasser aus der Abwasseranlage als Benutzungstatbestand zuzurechnen. Der Gemeinde obliegt die Verpflichtung, die Einleitungen in das gemeindliche Abwassernetz zu überwachen und ggf. unzulässige Einleitungen zu unterbinden. Das Verbot der Einleitung von Stoffen, die sich schädlich auf die Umwelt, insbesondere Gewässer auswirken, ist in § 15 der Entwässerungssatzung der Gemeinde Aicha vorm Wald, die Befugnis zur Anordnung entsprechender Maßnahmen einschl. Verwaltungszwang in § 21 und die Ahndung von Verstößen in § 20 der Satzung verankert. In der Vergangenheit sind mehrfach „Schadensfälle“ – aufgenommen von verschiedenen Behörden − bekannt geworden , zumeist ohne Beeinträchtigung des Vorfluters, weil das Regenrückhaltebecken mit einer Tauchwand ausgestattet ist, die aufschwimmende feste und flüssige Stoffe vor der Einleitung zurückhält. Angesichts der unklaren Leitungsführung der gemeindlichen Abwasseranlage lässt sich ein Verursacher nur schwer zuordnen. Die Vorfälle in der jüngsten Vergangenheit, auf die sich die Fragestellung bezieht, sind derzeit noch Gegenstand polizeilicher/staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen. In den Monaten Mai und Juli 2016 wurden von den Strafverfolgungsbehörden im Rahmen laufender Ermittlungsverfahren Probenahmen beim Wasserwirtschaftsamt Deggendorf veranlasst und beauftragt. Die Ergebnisse stehen derzeit lediglich den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung. Eine weitere Probenahme mit Ortseinsicht fand am 28.10.2016 statt, daran nahmen das Landratsamt und das Wasserwirtschaftsamt teil. Ein Ergebnis dieser Beprobung liegt noch nicht vor. 4. Durch wen wurden die jeweiligen Verunreinigungen gemeldet? Meldungen von Störereignissen ergingen an unterschiedliche Behörden (Wasserwirtschaftsamt, Polizei, Landratsamt ). Sie erfolgten teilweise durch unbekannte Personen, im Rahmen der Gewässeraufsicht oder durch Privatpersonen/ Unternehmen, deren Namen der Behörde bekannt sind. 5. Welche Behörden wurden bei den einzelnen Fällen eingeschaltet? Bei Beteiligung des Landratsamts Passau wurde regelmäßig das Wasserwirtschaftsamt Deggendorf eingeschaltet, zusätzlich beim Verdacht einer Straftat die Polizei. 6. a) Welche Folgen hatten die jeweiligen Verunreinigungen für den/die Verursacher b) finanziell? c) ordnungsrechtlich? Ein Verursacher war nicht eindeutig zu ermitteln. Daher konnten anfallende Kosten nicht von einem Verursacher erhoben werden. 7. Welche Kosten fielen jeweils zur Beseitigung der Verunreinigungen an und wer ist dafür aufgekommen ? Die Kosten evtl. anfallender Beseitigung waren durch die Gemeinde Aicha vorm Wald als Anlagenbetreiberin zu tragen . Sie sind im Einzelnen nicht bekannt. 8. Welche Auflagen wurden jeweils erlassen und wie und von wem wurde die Einhaltung dieser Auflagen kontrolliert? Auflagen i. S. v. Art. 36 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) sind isoliert – ohne zugrunde liegenden Verwaltungsakt − nicht möglich. Sofern Anordnungen gemeint sind, die einen Verursacher zu Maßnahmen verpflichten sollen, ist allein die Gemeinde Aicha vorm Wald zum Erlass solcher Verfügungen befugt (vgl. § 21 der Entwässerungssatzung der Gemeinde Aicha vorm Wald). In gleicher Weise obliegt der Gemeinde Aicha vorm Wald auch der Vollzug ihres Ortsrechts, mithin auch der Entwässerungssatzung . Soweit bekannt, ergingen keine Anordnungen seitens der Gemeinde Aicha vorm Wald, da ein Verursacher nicht eindeutig zu ermitteln war.