5. Erwartet die Staatsregierung eine Steigerung der Kosten durch die Vergütung von Ansprüchen nach § 52a UrhG, wenn eine bayerische Hochschule dem neuen Rahmenvertrag beitritt? 5.1 Wenn ja, aus welchen Mitteln sollen die bayerischen Hochschulen die Steigerung der Kosten begleichen? Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 06.12.2016 1. Wie gestaltet sich die aktuelle Rechtslage zur Nutzung von Auszügen aus urheberrechtlich geschützten Werken an Hochschulen für Lehre und Forschung sowohl in Bezug auf analoge Kopien wie auch digitale Vervielfältigung und Bereitstellung? Der Frage, in welchem Umfang Auszüge von urheberrechtlich geschützten Werken an Hochschulen für Forschung und Lehre genutzt werden dürfen, widmen sich insbesondere §§ 52a und 53 UrhG: Dabei befasst sich § 53 UrhG (insbesondere dessen Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 2) damit, inwieweit natürliche Personen Vervielfältigungen von Werken oder von deren Teilen für Forschung, Lehre und Hochschulprüfungen herstellen dürfen, während § 52a UrhG die öffentliche Zugänglichmachung solcher Werke bzw. ihrer Teile in Forschung und Lehre an Hochschulen regelt. Beiden Normen ist gemeinsam, dass die Nutzer nicht-kommerzielle Zwecke verfolgen müssen. Lehrveranstaltungen, für die ein besonderes Entgelt erhoben wird, sowie die Auftragsforschung sind somit nicht erfasst. Grundsätzlich wird im vorliegenden Zusammenhang weder bei § 53 noch bei § 52a UrhG zwischen analogen und digitalen Vervielfältigungen unterschieden . Ferner ergänzt § 52a Abs. 3 UrhG die Vorgaben des § 53 UrhG. Soweit für eine nach § 52a Abs. 1 UrhG zulässige öffentliche Zugänglichmachung Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützter Werke oder Werkteile erforderlich sind, dürfen diese auch dann erfolgen, wenn die Voraussetzungen des § 53 UrhG nicht gegeben sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu § 52a UrhG (Urteil vom 28.11.2013, Az. I ZR 76/12) dürfen Auszüge von Sprachwerken in Forschung und Lehre einem bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen (Lehrveranstaltungsteilnehmer/-innen und/oder Forscher/- innen) zugänglich gemacht werden, wenn: • es sich um maximal 12 Prozent und nicht mehr als 100 der überwiegend mit Text bedruckten Seiten des Werks handelt, 17. Wahlperiode 03.02.2017 | berichtigt 06.02.2017 17/14680 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Verena Osgyan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 03.11.2016 Rahmenvertrag des Bundes und der Länder mit der VG WORT Von Hochschulen und Studierendenvertretungen wird die Befürchtung geäußert, dass der zum 1. Januar 2017 in Kraft tretende neue Rahmenvertrag des Bundes und der Länder mit der Verwertungsgesellschaft WORT (VG WORT) zur Vergütung von Ansprüchen nach § 52a Urheberrechtsgesetz (UrhG) auch wegen dem erwartbaren Erfassungsaufwand durch die Einzelabrechnung zu gravierenden Beeinträchtigungen in der Lehre führen wird. Deshalb frage ich die Staatsregierung: 1. Wie gestaltet sich die aktuelle Rechtslage zur Nutzung von Auszügen aus urheberrechtlich geschützten Werken an Hochschulen für Lehre und Forschung sowohl in Bezug auf analoge Kopien wie auch digitale Vervielfältigung und Bereitstellung? 1.1 Wie und wodurch hat sich die Rechtslage in den letzten fünf Jahren verändert? 2. Welche Informationen liegen der Staatsregierung zu den Ergebnissen des im Wintersemester 2014/15 an der Universität Osnabrück durchgeführten Pilotprojekts zur Einzelerfassung von Textauszügen in der Lehre nach § 52a UrhG, auch im Hinblick auf das Verhältnis von Aufwand der Einzelerfassung in der Lehre und Höhe der daraus resultierenden Zahlungspflichten, vor? 3. Wie bewerten die in den Bereichen Hochschule, Wissenschaft und Forschung relevanten Verbände den neuen Rahmenvertrag? 3.1 Welche bayerischen Hochschulen planen, dem neuen Rahmenvertrag des Bundes und der Länder mit der VG WORT beizutreten, und welche lehnen dies ab? 3.2 Wie begründen die bayerischen Hochschulen ihre Ablehnung gegen den neuen Rahmenvertrag? 4. Welche Konsequenzen erwartet die Staatsregierung für die Lehre – insbesondere hinsichtlich des Arbeitsaufwands der Lehrenden –, wenn Hochschulen dem neuen Rahmenvertrag beitreten? 4.1 Welche Konsequenzen erwartet die Staatsregierung für die Lehre – insbesondere auch im Hinblick auf die Digitalisierung der Lehre –, wenn Hochschulen dem neuen Rahmenvertrag nicht beitreten? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/14680 • die Zugänglichmachung Forschungszwecken und/oder zumindest der Vertiefung oder Ergänzung des Lehrstoffs dient und • die Werke oder Werkteile vom Rechteinhaber nicht zu angemessenen Bedingungen (unschwer auffindbar, unproblematisch verfügbar, angemessene Lizenzgebühr) zum Download im Netz angeboten werden. Sind die genannten Bedingungen gegeben, müsse bei der Zugänglichmachung auch nicht verhindert werden, dass Texte (unter den Voraussetzungen des § 53 UrhG) gespeichert oder ausgedruckt werden können. § 52b UrhG, der sich mit der Wiedergabe von Werken an elektronischen Leseplätzen u. a. in öffentlichen Bibliotheken für Forschungs- und Studienzwecke befasst, regelt zwar nicht speziell die Wiedergabe an Hochschulen. Von der Regelung werden jedoch im Regelfall auch Hochschulbibliotheken und vergleichbare öffentlich zugängliche Einrichtungen erfasst. Auch die Vorgaben des § 52b UrhG können deshalb bei der Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken in Lehre und Forschung an Hochschulen zu beachten sein. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 16.04.2015, Az. I ZR 69/11) gilt das Vervielfältigungsrecht nach § 52a Abs. 3 UrhG entsprechend, wenn Vervielfältigungen erforderlich sind, um Werke oder Werkteile an elektronischen Leseplätzen i. S. d. § 52b UrhG zur Verfügung zu stellen. Nutzer der Leseplätze dürfen die zur Verfügung gestellten Werke oder Werkteile unter den Voraussetzungen des § 53 UrhG vervielfältigen. 1.1 Wie und wodurch hat sich die Rechtslage in den letzten fünf Jahren verändert? § 52a UrhG wurde 2003 geschaffen und seitdem nicht geändert . Ein Recht auf Vervielfältigung zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch existierte bereits in früheren Fassungen des Urheberrechtsgesetzes. Die heutige Fassung dieses Rechts in § 53 UrhG ist das Ergebnis der Gesetzesänderungen von 2003 (BGBl I, S. 1774) und 2007 (BGBl I, S. 2513). § 52b UrhG wurde erst mit dem erwähnten Änderungsgesetz von 2007 geschaffen. Der 2014 aufgehobene § 137 k UrhG hatte eine zunächst nur befristete Geltung des § 52a UrhG vorgesehen. Abgesehen von der „Entfristung“ des § 52a UrhG ist die Rechtslage innerhalb der letzten fünf Jahre somit gleich geblieben . Insbesondere durch seine Urteile vom 28.11.2013 (Az. I ZR 76/12) und vom 16.04.2015 (Az. I ZR 69/11) hat der BGH allerdings der Rechtspraxis maßgebliche Impulse für die Auslegung der §§ 52a und 52b UrhG gegeben. Überlegungen , die Privilegierungen für Forschung und Lehre enthaltenden Regelungen des UrhG zu einer „Wissenschaftsschranke “ zusammenzuführen, haben bisher noch nicht zu einem konkreten Gesetzentwurf geführt. 2. Welche Informationen liegen der Staatsregierung zu den Ergebnissen des im Wintersemester 2014/15 an der Universität Osnabrück durchgeführten Pilotprojekts zur Einzelerfassung von Textauszügen in der Lehre nach § 52a UrhG, auch im Hinblick auf das Verhältnis von Aufwand der Einzelerfassung in der Lehre und Höhe der daraus resultierenden Zahlungspflichten , vor? Ziel des in der Zeit vom Juli 2014 bis Mai 2015 durchgeführten Projektes war es, Kosten, Aufwand und Workflows einer Einzelerfassung des Einsatzes von Lehrmaterialien in elektronischer Form in der Regie einer Hochschule zu untersuchen, den Lizenzauswahldialog zu konzipieren, diesen prototypisch mit einer Schnittstelle zur VG WORT zu realisieren und deren Übertragbarkeit auf andere Hochschulen in Deutschland zu untersuchen. Die Ergebnisse des Pilotprojekts der Universität Osnabrück wurden in einem Abschlussbericht zusammengefasst und im Juni 2015 digital veröffentlicht1. Ergänzt wurde dieser Bericht durch eine Stellungnahme zu einer technisch vereinfachten Erfassungsmaske im Juni 20162. Die Universität Osnabrück kam aufgrund der Erprobung zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die verursachten Kosten in Form von Aufwänden bei Serviceeinrichtungen und Lehrenden die (im Pilotprojekt hypothetischen) Kosten der einzeln abgerechneten Nutzungen um ein Mehrfaches übersteigen. Im Folgenden werden einige wesentliche Ergebnisse herausgehoben : • Die technische Schnittstelle zwischen dem Lernmanagementsystem der Universität Osnabrück (StudIP) und dem Erfassungssystem der VG WORT konnte ohne großen technischen Aufwand auch unter Berücksichtigung der Anforderungen an die Datensicherheit und den Datenschutz realisiert werden. Durch Modifikationen der Eingabemaske und der Vorbelegung von Datenfeldern in der vereinfachten Version vom Juni 2016 sinkt gegenüber der ursprünglichen Ausgestaltung der unmittelbare Erfassungsaufwand . • Im Pilotierungszeitraum zwischen dem 10.10.2014 und dem 09.02.2015 wurden an der Universität Osnabrück im Dateibereich des Lernmanagementsystems insgesamt 36.749 Dokumente bereitgestellt. Unter Berücksichtigung der Meldepflicht nach § 52a UrhG und des Verrechnungssatzes von 0,008 €/Seite ergab sich ein hypothetischer Erstattungsanspruch der VG WORT i. H. v. ca. 5.000,– €. • Die elektronische Bereitstellung von Dokumenten – eine vergleichbare Entwicklung der Vorjahre vorausgesetzt – lag für den Erprobungszeitraum an der Universität Osnabrück um ca. 14 Prozent unter dem zu erwartenden Wert. Mögliche Gründe sieht sie in den zusätzlichen Aufwänden für die Lehrenden und die Serviceeinrichtungen für die Recherche nach den maßgeblichen Lizenzbedingungen und den Abgleich mit bereits erworbenen Nutzungsrechten. 3. Wie bewerten die in den Bereichen Hochschule, Wissenschaft und Forschung relevanten Verbände den neuen Rahmenvertrag? Universität Bayern e.V. und Hochschule Bayern e.V. haben ihrenMitgliedshochschulen empfohlen, dem Rahmenvertrag zur Vergütung von Ansprüchen nach § 52a UrhG nicht beizutreten . Die Entscheidung über den Beitritt trifft jede einzelne Hochschule individuell in eigener Zuständigkeit. In einer gemeinsamen Pressemitteilung vom 8. November 2016 sprechen sich der bayerische sowie der baden-württembergische Hochschulverbund (Hochschule Bayern e.V. und HAW BW e.V.) gegen einen Beitritt zum Rahmenvertrag zur Vergütung von Ansprüchen nach § 52a UrhG aus. 1 Vgl. https://repositorium.uni-osnabrueck.de/bitstream/urn:nbn:de: gbv:700- 2015061913251/2/workingpaper_02_2015_virtUOS.pdf 2 Vgl. https://www.virtuos.uni-osnabrueck.de/fileadmin/documents/ stellungnahme_verbesserungsvorschl%C3%A4ge_2016_06_07. pdf Drucksache 17/14680 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 3.1 Welche bayerischen Hochschulen planen, dem neuen Rahmenvertrag des Bundes und der Länder mit der VG WORT beizutreten, und welche lehnen dies ab? Da die Hochschulen noch bis zum 31. Dezember 2016 über die Frage des Beitritts entscheiden können, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht absehbar, welche Hochschulen beitreten werden. 3.2 Wie begründen die bayerischen Hochschulen ihre Ablehnung gegen den neuen Rahmenvertrag? Viele Hochschulen bewerten das im Rahmenvertrag mit der VG WORT vereinbarte Verfahren der Einzelerfassung von Nutzungen, das auf den Vorgaben der BGH-Rechtsprechung basiert, als zu aufwendig und zu teuer. 4. Welche Konsequenzen erwartet die Staatsregierung für die Lehre – insbesondere hinsichtlich des Arbeitsaufwands der Lehrenden –, wenn Hochschulen dem neuen Rahmenvertrag beitreten? 4.1 Welche Konsequenzen erwartet die Staatsregierung für die Lehre – insbesondere auch im Hinblick auf die Digitalisierung der Lehre –, wenn Hochschulen dem neuen Rahmenvertrag nicht beitreten? Aufgrund der Erfahrungen im Rahmen des Pilotprojekts an der Universität Osnabrück hat die VG WORT 2016 ein Konzept für die Vereinfachung des Meldevorgangs entwickelt, das, wie das Projektteam der Universität Osnabrück festgestellt hat, sinnvolle technische Vereinfachungen und Ergänzungen beinhalte und tatsächliche Verbesserungen im Arbeitsablauf für den konkreten Meldevorgang biete (siehe Antwort zu Frage 2). Trotz dieser Verbesserungen konnten die Bedenken von Hochschulen (siehe Antwort zu Frage 3.2) gegen eine Einzelerfassung nicht ausgeräumt werden. Ein Verzicht auf die nach § 52a UrhG vergütungspflichtigen Nutzungen würde Einschränkungen in der digitalen Lehre mit sich bringen. 5. Erwartet die Staatsregierung eine Steigerung der Kosten durch die Vergütung von Ansprüchen nach § 52a UrhG, wenn eine bayerische Hochschule dem neuen Rahmenvertrag beitritt? Der Rahmenvertrag sieht als zu zahlende angemessene Vergütung für die öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung im Rahmen von § 52a UrhG 0,008 € netto pro Seite und Unterrichtsteilnehmer bzw. Mitarbeiter an einem Forschungsprojekt vor. Derzeit kann noch nicht gesagt werden, ob einzelne Hochschulen im Falle eines Beitritts zu dem Rahmenvertrag künftig in geringerem oder größerem Umfang von der öffentlichen Zugänglichmachung Gebrauch machen würden und ob dies letztlich zu geringeren oder höheren Kosten führen würde. Aufgrund der Erfahrungen des Pilotprojekts der Universität Osnabrück ist wohl mit einem Rückgang der Nutzungen zu rechnen . 5.1 Wenn ja, aus welchen Mitteln sollen die bayerischen Hochschulen die Steigerung der Kosten begleichen ? Da die öffentliche Zugänglichmachung für Zwecke von Unterricht und Forschung erfolgt, wären auch etwaige Steigerungen aus den Ansätzen der Hochschulen für Forschung und Lehre (TG 73 in den Stammkapiteln der Hochschulen bzw. bei den beiden Hochschulen mit Globalhaushalt, Technischer Universität München und Hochschule München, Tit. 547 40) zu bestreiten.