Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Christian Magerl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 08.11.2016 PFT-Belastung im Trinkwasser im Landkreis Altötting Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Bei welchen Trinkwasserbrunnen im Landkreis Altötting wurde in den letzten fünf Jahren eine PFT1-Belastung nachgewiesen (bitte Angabe nach Bezeichnung des Brunnens, Gemeindegebiet, Fördermenge, höchstes Messergebnis, Datum dieser Messung, Angaben bitte als Einzelwerte PFOA2 sowie „PFT“ in Summe = [PFOS3+PFOA +PFHxS4])? b) Bei welchen Brunnen wurden Gegenmaßnahmen ergriffen und wer hat diese finanziert? 2. a) Wie wird sich die PFOA-Belastung bei den Trinkwasserbrunnen im Landkreis Altötting voraussichtlich in den nächsten Jahren entwickeln? b) Kann das Wasser dieser Brunnen durch Wasseraufbereitungsmaßnahmen (wie z. B. Aktivkohleeinsatz) ausreichend gereinigt werden? 3. a) Gibt es Brunnen im Landkreis Altötting, die aufgrund der PFOA-Belastung in den nächsten Jahren von der Abschaltung bedroht sind? Wenn ja, welche? b) Wer finanziert notwendige Wasserreinigungs- oder Ersatzbaumaßnahmen ? 4. Gibt es PFOA-Konzentrationen und/oder Ausgangslagen , bei denen die Staatsregierung den Neubau von Brunnen einer weiteren Nutzung der oberflächennahen Grundwasserzonen (in Verbindung mit Filteranlagen ) vorziehen würde? Wenn ja, welche? 5. a) Wie hoch liegen derzeit der Leitwert der deutschen Trinkwasserkommission und der EU-Zielwert für PFOA im Trinkwasser? b) Mit welcher Reduzierung des Leitwertes rechnet die Staatsregierung aufgrund der derzeit geführten Diskussionen in fachspezifischen Gremien/Kommissionen und zu welchen Konsequenzen würde dies für die betroffenen Förderbrunnen führen? 6. Wie ist der aktuelle Stand bei der Einführung eines gesetzlichen Grenzwertes und wie setzt sich die Staatsregierung dafür ein? 7. a) Steht die Staatsregierung auch in Fällen, wie z. B. beim Förderbrunnen im Altöttinger Forst, der aufgrund seiner niedrigen Nitratwerte zum Mischen für mit höherem Nitratgehalt belastete Brunnen dient und durch den Anstieg der PFOA-Konzentration jetzt selbst problematisch ist und in der Konsequenz eine Filterung des Wassers durchgeführt werden muss, hinter den Forderungen des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU), die oberflächennahe Grundwasserförderung einer Förderung von Tiefenwasser vorzuziehen? b) Welche Gefährdungen würden bei einer alternativ durchgeführten intensiven Tiefenwasserförderung im Hinblick auf die Vermischung mit kontaminiertem Oberflächengrundwasser auftreten? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 08.12.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege wie folgt beantwortet : 1. a) Bei welchen Trinkwasserbrunnen im Landkreis Altötting wurde in den letzten fünf Jahren eine PFT1-Belastung nachgewiesen (bitte Angabe nach Bezeichnung des Brunnens, Gemeindegebiet, Fördermenge , höchstes Messergebnis, Datum dieser Messung, Angaben bitte als Einzelwerte PFOA2 sowie „PFT“ in Summe = [PFOS3+PFOA +PFHxS4])? Bei folgenden öffentlichen Trinkwasserbrunnen im Landkreis Altötting wurde in den letzten fünf Jahren PFT im Grundwasser nachgewiesen: Beobachtete PFOA-Maxima (Stand 21.11.2016) Bezeichnung d. Brunnens Versorgungsbereich Fördermenge (genehmigt) PFOA [µg/l] Datum d. Messung Br. I Neuötting Alt-/Neuötting 1.400.000 m³/a 0,119 18.08.2016 Br. II Neuötting Alt-/Neuötting 0,27 18.08.2016 Br. I Kastl Kastl 550.000 m³/a 0,475 19.08.2016 Br. II Kastl Kastl 0,14 30.05.2012 Br. I Alzgern Inn-Salzachgruppe 480.000 m³/a 0,509 05.07.2016 Br. II Alzgern Inn-Salzachgruppe 0,567 05.07.2016 Br. Forstkastl (Öttinger Forst III) Burgkirchen 990.000 m³/a 0,347 06.07.2016 Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 30.01.2017 17/14761 Bayerischer Landtag 1 PFT = Perfluorierte Tenside 2 PFOA = Perfluoroctansäure 3 PFOS = Perfluoroctansulfomat 4 PFHxS = Perfluorhexansulfonsäure Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/14761 Beobachtete Summenmaxima PFOA+PFOS+PFHxS (Stand 21.11.2016) Bezeichnung d. Brunnens Versorgungsbe - reich Fördermenge (genehmigt) PFOS+PFOA +PFHxS [µg/l] Datum d. Messung Br. I Neuötting Alt-/Neuötting 1.400.000 m³/a 0,119 18.08.2016 Br. II Neuötting Alt-/Neuötting 0,27 18.08.2016 Br. I Kastl Kastl 550.000 m³/a 0,475 19.08.2016 Br. II Kastl Kastl 0,14 30.05.2012 Br. I Alzgern Inn-Salzachgruppe 480.000 m³/a 0,509 05.07.2016 Br. II Alzgern Inn-Salzachgruppe 0,567 05.07.2016 Br. Forstkastl (Öttinger Forst III) Burgkirchen 990.000 m³/a 0,347 06.07.2016 b) Bei welchen Brunnen wurden Gegenmaßnahmen ergriffen und wer hat diese finanziert? Die Inn-Salzachgruppe hat Maßnahmen zur PFT-Entfernung (Aktivkohlefilterung) aus dem Trinkwasser ergriffen. Die dafür erforderliche Anlagentechnik wurde von der Infra- Serv Gendorf GmbH und dem Landkreis Altötting finanziert. Der Betrieb und die Unterhaltung der Anlage werden über die Wassergebühren des Zweckverbandes Inn-Salzach gedeckt. Pro Kubikmeter Wasser fallen dadurch Kosten in Höhe von etwa 0,08 €/m³ an. Die Stadt Neuötting hat ihre Brunnen vom Netz genommen und wird derzeit aus den Brunnen der Stadt Altötting versorgt. Die Gemeinde Kastl hat ihren Brunnen I vom Netz genommen und betreibt derzeit nur noch den Brunnen II. 2. a) Wie wird sich die PFOA-Belastung bei den Trinkwasserbrunnen im Landkreis Altötting voraussichtlich in den nächsten Jahren entwickeln? Vorläufige, auf einer numerischen Modellierung der Grundwasserströmung beruhende Prognosen zeigen für die nächsten Jahre einen weiteren Anstieg der PFOA-Konzentration im obersten Grundwasserstockwerk. b) Kann das Wasser dieser Brunnen durch Wasseraufbereitungsmaßnahmen (wie z. B. Aktivkohleeinsatz ) ausreichend gereinigt werden? Grundsätzlich können per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) durch Aktivkohlefiltration oder Ionenaustauschverfahren aus dem Wasser entfernt werden. Untersuchungen des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU) haben gezeigt, dass nach derzeitigem Stand der Technik die Aktivkohlefiltration die wirtschaftlichste und effizienteste Methode darstellt . Bereits seit 2009 wird dieses Verfahren der Trinkwasseraufbereitung mit dem Ziel der Entfernung von PFOA bei einem Wasserversorger im Landkreis Altötting angewandt. Mit diesem Verfahren lässt sich auch der aktualisierte Trinkwasserleitwert für PFOA in Höhe von 0,1 μg/l zuverlässig einhalten. 3. a) Gibt es Brunnen im Landkreis Altötting, die aufgrund der PFOA-Belastung in den nächsten Jahren von der Abschaltung bedroht sind? Wenn ja, welche? Eine Überschreitung des Leitwertes für PFOA von 0,1 µg/l wird für alle in der Antwort auf Frage 1 genannten Brunnen erwartet, sie führt aber nicht zwingend zur Abschaltung der betroffenen Brunnen. Die Träger der Wasserversorgung und die örtlichen Behörden arbeiten derzeit gemeinsam an einem tragfähigen Zukunftskonzept für die Wasserversorgung der betroffenen Region. b) Wer finanziert notwendige Wasserreinigungs- oder Ersatzbaumaßnahmen? Die Frage der Finanzierung notwendiger Investitionen zur Umsetzung eines Zukunftskonzeptes ist noch nicht entschieden . Der Verursacher hat aber dem Vernehmen nach die Übernahme der Kosten in Aussicht gestellt. 4. Gibt es PFOA-Konzentrationen und/oder Ausgangslagen , bei denen die Staatsregierung den Neubau von Brunnen einer weiteren Nutzung der oberflächennahen Grundwasserzonen (in Verbindung mit Filteranlagen) vorziehen würde? Wenn ja, welche? Überschreitet der PFOA-Gehalt des genutzten Grundwassers die von der Trinkwasserkommission empfohlenen Leitwerte , ist die Errichtung einer weiteren Aufbereitungsanlage zur PFOA-Entfernung oder die Mischung mit Wasser aus unbelasteten Wasservorkommen eine denkbare Lösung. Für die Mischung kann auch Wasser aus neu errichteten Brunnen genutzt werden. Alle infrage kommenden Varianten werden bei der Erstellung eines Zukunftskonzeptes diskutiert und gegeneinander abgewogen. 5. a) Wie hoch liegen derzeit der Leitwert der deutschen Trinkwasserkommission und der EU-Zielwert für PFOA im Trinkwasser? Der aktuell vom Umweltbundesamt empfohlene Leitwert für PFOA im Trinkwasser beträgt 0,1 µg/l. Die EU hat bisher keinen Zielwert für PFOA im Trinkwasser festgelegt (s. auch Antwort zu Frage 6). b) Mit welcher Reduzierung des Leitwertes rechnet die Staatsregierung aufgrund der derzeit geführten Diskussionen in fachspezifischen Gremien/Kommissionen und zu welchen Konsequenzen würde dies für die betroffenen Förderbrunnen führen? Der Leitwert wurde vom Umweltbundesamt (UBA) im Sept. 2016 veröffentlicht (http://www.umweltbundesamt.de/sites /default/files/medien/374/dokumente/bewertung_der_ konzentrationen_von_pfc_im_trinkwasser_-_endfassung. pdf). Eine weitergehende Absenkung des Leitwertes erwartet die Staatsregierung in nächster Zeit nicht. 6. Wie ist der aktuelle Stand bei der Einführung eines gesetzlichen Grenzwertes und wie setzt sich die Staatsregierung dafür ein? Der Staatsregierung sind weder auf nationaler noch europäischer Ebene Bestrebungen bekannt, einen gesetzlichen Grenzwert einzuführen. Wie unter Frage 5 ausgeführt, gibt es eine Empfehlung der Trinkwasserkommission zum Leitwert. Ein gesetzlicher Grenzwert würde bei Überschreitungen dieses Grenzwertes den Druck auf die Betreiber von Trinkwasserversorgungsanlagen zur Durchführung von Maßnahmen zur Reduktion der Konzentrationen bis unter den Grenzwert zwar erhöhen. Gleichzeitig würde aber der Druck für Reduzierungsmaßnahmen bei Konzentrationen unterhalb des Grenzwertes vermutlich komplett entfallen. Da es sich bei Perfluoralkysubstanzen (PFAS, frühere Bezeichnung PFT) Drucksache 17/14761 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 in jedem Fall um anthropogene, unerwünschte Verunreinigungen handelt, die auch in Konzentrationen unterhalb des Leitwertes das Trinkwasser nachteilig beeinflussen, greift derzeit das Minimierungsgebot gemäß § 6 Abs. 3 der Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001), das den Betreiber der Wasserversorgungsanlage verpflichtet, die Konzentration des Stoffes so niedrig wie möglich zu halten. Aus den genannten Gründen befürwortet die Staatsregierung die konsequente Umsetzung des Leitwertes anstelle der Einführung eines Grenzwertes. 7. a) Steht die Staatsregierung auch in Fällen, wie z. B. beim Förderbrunnen im Altöttinger Forst, der aufgrund seiner niedrigen Nitratwerte zum Mischen für mit höherem Nitratgehalt belastete Brunnen dient und durch den Anstieg der PFOA-Konzentration jetzt selbst problematisch ist und in der Konsequenz eine Filterung des Wassers durchgeführt werden muss, hinter den Forderungen des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU), die oberflächennahe Grundwasserförderung einer Förderung von Tiefenwasser vorzuziehen? Die Staatsregierung und das zum Umweltressort gehörende Landesamt für Umwelt halten auch in Fällen wie z. B. beim Förderbrunnen im Altöttinger Forst – damit ist hier wohl der Brunnen „Forst Kastl“ der Gemeinde Burgkirchen gemeint – die fachliche Forderung für richtig, dass Trinkwasser vorrangig aus oberflächennahen Grundwasservorkommen zu gewinnen ist. b) Welche Gefährdungen würden bei einer alternativ durchgeführten intensiven Tiefenwasserförderung im Hinblick auf die Vermischung mit kontaminiertem Oberflächengrundwasser auftreten? Eine Intensivierung der Entnahme von Tiefengrundwasser kann eine beschleunigte Verlagerung von oberflächennahem Grundwasser in die „Tiefe“ auslösen. Die Träger der Wasserversorgung und die örtlichen Behörden arbeiten daher gemeinsam an einem tragfähigen Zukunftskonzept, das neben der Förderung von Tiefengrundwasser auch andere Möglichkeiten der Trinkwassergewinnung beleuchtet.