Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 09.11.2016 Sicherheit von Nasslager und Zwischenlager der Atomkraftwerke Gundremmingen Zur präzisen Darstellung des Sachverhalts sei folgende Vorbemerkung erlaubt: Gerade gegen Ende der Laufzeit gefährlicher Anlagen erhöht sich die Häufigkeit von Unfällen und Störfällen. Es besteht die Gefahr, dass gegen Ende der Betriebszeit Wartungsarbeiten vernachlässigt werden und bei Personalfluktuation erforderliches Personal nicht mehr in ausreichendem Umfang ersetzt bzw. geschult und weitergebildet wird. Allein im vergangenen Jahr gab es in Gundremmingen fünf meldepflichtige Ereignisse und nun schon wieder eines. Nicht nachzuvollziehen ist, weshalb 1.422 Uralt-Brennelemente im Reaktorblock B und 1.878 Uralt-Brennelemente im Reaktorblock C seit über 15 Jahren billigst im Nasslager geparkt werden und der Betreiber offenbar nicht bereit ist, Geld in die Hand zu nehmen, um Risiken zu minimieren. Weitere Risiken ergeben sich aus den Insolvenzrisiken der Betreiber, der Zeitdifferenz zwischen den Genehmigungszeiten von Zwischenlager und Nasslager und der Fertigstellung eines betriebsfähigen Endlagers und der Veränderung der Sicherheitslagen. Mit dem Wegfall der Brennelementesteuer ab 2017 wird der Weiterbetrieb der risikoreichen Alt-AKWs sogar noch wirtschaftlich gefördert. Der Betrieb des Zwischenlagers ist derzeit bis 2046 genehmigt . Zu befürchten ist, dass bis dahin kein Endlager zur Verfügung stehen wird. Ich frage aus diesem Anlass die Staatsregierung: 1. Inwieweit überprüft die bayerische Atomaufsicht die Personalplanung der Betreiber der Atomkraftwerke Gundremmingen , um sicherzustellen, dass bis zum letzten Betriebstag und darüber hinaus ausreichendes und ausreichend qualifiziertes Personal zur Verfügung steht? Wie wird sichergestellt, dass im Fall eines Bemessungserdbebens das betriebliche Beckenkühlsystem weiterhin funktionsfähig bleibt, auch wenn Systeme der Zwischen- und Nebenkühlwasserversorgung sowie die Notstromversorgung durch dieses außer Funktion gesetzt werden? 2. Wer haftet bei der Insolvenz der Betreiber der Atomkraftwerke Gundremmingen für die Betriebsrisiken der Atomkraftwerke, des Inhalts des Nasslagers und des Zwischenlagers? In welcher Höhe fielen in den letzten 3 Jahren jeweils am Standort Gundremmingen Brennelementesteuern an? 3. Inwieweit hat die bayerische Atomaufsicht mögliche Risiken in Zusammenhang mit Gaskraftwerksplanungen in der näheren Umgebung der Atomkraftwerke Gundremmingen geprüft, wurde die Atomaufsicht in entsprechende Bebauungsplanänderungen durch die Gemeinden in der dortigen Umgebung eingebunden, wie bewertet die Atomaufsicht mögliche Auswirkungen eines möglichen schweren Störfalls an den angedachten jeweiligen Gaskraftwerkstandorten auf Zwischenlager, Nasslager und Reaktoren? 4. Wie viele Castoren von welchem Castortyp (zum Beispiel 65er, 96er und andere) befinden sich derzeit im Zwischenlager Gundremmingen, wie viele werden in den kommenden Monaten hinzukommen, um abgebrannte Brennelemente aus den Nasslagern aufzunehmen, und wie viele wären zusätzlich erforderlich, um alle in den Nasslagern lagernde Brennelemente aufzunehmen? 5. Wie unterscheiden sich die unterschiedlichen bisher eingesetzten oder zum Einsatz vorgesehenen Castorbehältertypen in Bezug auf Lagerfähigkeit und Transportfähigkeit , bis zu welchen Terminen ist jeweils der Einsatz der unterschiedlichen verwendeten Castoren zugelassen, und wo wird im Verlauf der kommenden 100 Jahre jeweils eine Einrichtung zur Verfügung stehen, in der es möglich ist, abgebrannte Brennelemente aus defekten Castorbehältern in neue umzupacken? 6. Wie lange ist der Weiterbetrieb der beiden Nasslager zulässig , wie viele defekte Brennelemente lagern dort und was ist jeweils der Grund bei den einzelnen über fünf Jahre im Nasslager befindlichen Brennelementen dafür, dass sie bislang nicht in Castorbehälter umgepackt worden sind? 7. Von welcher Zeitdifferenz zwischen Ende der Genehmigung der Nasslager, dem Ende der Genehmigung der Zwischenlager und der Genehmigung und des Betriebs eines Endlagers geht die Staatsregierung derzeit aus? Wie lange könnten die Nasslager nach Beendigung des Reaktorbetriebs weitergeführt werden, gibt es bezüglich Nasslager und Zwischenlager einheitliche Sicherheitsstandards der unterschiedlichen Bundesländer? 8. Welche Folgen hätte die Insolvenz der Betreiber für den Weiterbetrieb der Reaktoren, der Nasslager und des Zwischenlagers und die Fortführung der Sicherheitsmaßnahmen am Standort Gundremmingen? Auf welche finanziellen Mittel und welches Fachpersonal könnte die Staatsregierung zurückgreifen, um Sicherheitsprobleme auszuschließen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.02.2017 17/14830 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/14830 Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 13.12.2016 1. Inwieweit überprüft die bayerische Atomaufsicht die Personalplanung der Betreiber der Atomkraftwerke Gundremmingen, um sicherzustellen, dass bis zum letzten Betriebstag und darüber hinaus ausreichendes und ausreichend qualifiziertes Personal zur Verfügung steht? Wie wird sichergestellt, dass im Fall eines Bemessungserdbebens das betriebliche Beckenkühlsystem weiterhin funktionsfähig bleibt, auch wenn Systeme der Zwischen- und Nebenkühlwasserversorgung sowie die Notstromversorgung durch dieses außer Funktion gesetzt werden? Die Pflicht des Genehmigungsinhabers einer kerntechnischen Anlage zur Bereitstellung ausreichenden, geeigneten und zuverlässigen Personals ist gesetzlich im Atomgesetz (AtG), in der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) und in der atomrechtlichen Zuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung (AtZüV) geregelt. Sie wird im Weiteren im untergesetzlichen Regelwerk konkretisiert und unterliegt der atomrechtlichen Aufsicht. Sie endet erst mit der Entlassung der jeweiligen kerntechnischen Anlage aus der atomrechtlichen Überwachung. Die Aufrechterhaltung der langfristigen Nachwärmeabfuhr ist auch bei einem unterstellten erdbebenbedingten Ausfall der betrieblichen Beckenkühlsysteme sichergestellt. In einem solchen Fall erfolgt die Kühlung des Brennelementelagerbeckens mit einem der erdbebenfesten Nachkühlsysteme . 2. Wer haftet bei der Insolvenz der Betreiber der Atomkraftwerke Gundremmingen für die Betriebsrisiken der Atomkraftwerke, des Inhalts des Nasslagers und des Zwischenlagers? In welcher Höhe fielen in den letzten 3 Jahren jeweils am Standort Gundremmingen Brennelementesteuern an? Aufgrund atomgesetzlicher Verpflichtung verfügen Kernkraftwerksbetreiber zur Erfüllung gesetzlicher Schadensersatzverpflichtungen bei Schadensfällen über eine Deckungsvorsorge im Umfang von 2,5 Milliarden Euro. Für einen Schaden, der diese Summe übersteigt, haften die Betreiber mit ihrem gesamten Vermögen. Für den Vollzug des Kernbrennstoffsteuergesetzes ist das Bundesfinanzministerium (Hauptzollämter) zuständig. Insofern liegen der Staatsregierung hierzu keine Zahlen vor. 3. Inwieweit hat die bayerische Atomaufsicht mögliche Risiken in Zusammenhang mit Gaskraftwerksplanungen in der näheren Umgebung der Atomkraftwerke Gundremmingen geprüft, wurde die Atomaufsicht in entsprechende Bebauungsplanänderungen durch die Gemeinden in der dortigen Umgebung eingebunden , wie bewertet die Atomaufsicht mögliche Auswirkungen eines möglichen schweren Störfalls an den angedachten jeweiligen Gaskraftwerkstandorten auf Zwischenlager, Nasslager und Reaktoren? Das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) wurde im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange zu den genannten Vorhaben gehört. Die geplanten Vorhaben wurden im Hinblick auf ihre potenziellen Einwirkungen auf das Kernkraftwerk Gundremmingen (KRB) und das Standortzwischenlager betrachtet. Im Ergebnis haben die im Zusammenhang mit Errichtung und Betrieb der Anlagen zu unterstellenden Ereignisse keine Auswirkungen auf den sicheren Betrieb des Kernkraftwerks und des Standortzwischenlagers. 4. Wie viele Castoren von welchem Castortyp (zum Beispiel 65er, 96er und andere) befinden sich derzeit im Zwischenlager Gundremmingen, wie viele werden in den kommenden Monaten hinzukommen, um abgebrannte Brennelemente aus den Nasslagern aufzunehmen , und wie viele wären zusätzlich erforderlich, um alle in den Nasslagern lagernde Brennelemente aufzunehmen? Aktuell befinden sich 42 CASTOR V/52-Behälter des Typs B(U)F-85 sowie 6 Behälter des Typs B(U)-96 im Zwischenlager des Kernkraftwerks Gundremmingen. Nach vorliegendem Kenntnisstand plant der Betreiber des KRB II, im 1. Halbjahr 2017 vier weitere Behälter zu beladen und in das Standortzwischenlager zu verbringen. Unter Berücksichtigung der bis zum gesetzlichen Laufzeitende des Kernkraftwerks Gundremmingen noch anstehenden Brennelement (BE)-Nachladungen ergibt sich für die Einlagerung aller BE in das Standortzwischenlager ein Gesamtbedarf von etwa 130 zusätzlichen CASTOR-Behältern. 5. Wie unterscheiden sich die unterschiedlichen bisher eingesetzten oder zum Einsatz vorgesehenen Castorbehältertypen in Bezug auf Lagerfähigkeit und Transportfähigkeit , bis zu welchen Terminen ist jeweils der Einsatz der unterschiedlichen verwendeten Castoren zugelassen, und wo wird im Verlauf der kommenden 100 Jahre jeweils eine Einrichtung zur Verfügung stehen, in der es möglich ist, abgebrannte Brennelemente aus defekten Castorbehältern in neue umzupacken ? Beide in Gundremmingen eingesetzten Behältertypen sind vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) verkehrs- und lagerrechtlich zugelassen, signifikante Unterschiede gibt es nicht. Die trockene Zwischenlagerung von abgebrannten BE in den CASTOR-Behältern im Standortzwischenlager ist im Rahmen des Genehmigungsverfahrens des BfS für einen Zeitraum von 40 Jahren sicherheitstechnisch bewertet. Entsprechend ist die Aufbewahrungsgenehmigung des BfS befristet. Ein Antrag auf eine eventuell erforderliche Verlängerung der Aufbewahrung der BE im Standortzwischenlager wäre von der zuständigen Genehmigungsbehörde zu prüfen. Diese ist derzeit das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE). Alle eingelagerten CASTOR-Behälter besitzen einen gültigen Transport-Zulassungsschein. Entsprechend einer Nebenbestimmung in der Aufbewahrungsgenehmigung ist der Betreiber des Standortzwischenlagers verpflichtet, die Transportfähigkeit der Behälter regelmäßig nachzuweisen. Im Rahmen der Aufbewahrungsgenehmigung ist für den unwahrscheinlichen Fall einer Undichtigkeit einer der beiden Dichtungen des CASTOR-Behälters die Reparatur des Behälters mittels Aufschweißen eines Fügedeckels zur Herstellung des genehmigungskonformen Lagerzustands genehmigt. Eine Notwendigkeit des Umpackens von Brennelementen besteht somit nicht. Drucksache 17/14830 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 6. Wie lange ist der Weiterbetrieb der beiden Nasslager zulässig, wie viele defekte Brennelemente lagern dort und was ist jeweils der Grund bei den einzelnen über fünf Jahre im Nasslager befindlichen Brennelementen dafür, dass sie bislang nicht in Castorbehälter umgepackt worden sind? Der Betrieb der Nasslager ist unbefristet genehmigt. Er wird nach Beendigung des Leistungsbetriebs noch andauern, bis alle abgebrannten BE und Brennstäbe verpackt und ausgelagert sind. Während des Leistungsbetriebs defekt gewordene Brennstäbe werden nach Ausbau aus dem betroffenen BE separat im Nasslager gelagert. Aktuell befinden sich 30 defekte Brennstäbe im Nasslager des Blocks B, 17 im Nasslager des Blocks C. Es gibt keine sicherheitstechnischen Gründe gegen eine über fünf Jahre andauernde Lagerung abgebrannter BE im Nasslager. Auf die Drucksachen 17/5396 und 17/10579 des Landtags wird verwiesen. 7. Von welcher Zeitdifferenz zwischen Ende der Genehmigung der Nasslager, dem Ende der Genehmigung der Zwischenlager und der Genehmigung und des Betriebs eines Endlagers geht die Staatsregierung derzeit aus? Wie lange könnten die Nasslager nach Beendigung des Reaktorbetriebs weitergeführt werden , gibt es bezüglich Nasslager und Zwischenlager einheitliche Sicherheitsstandards der unterschiedlichen Bundesländer? Wie in den Antworten zu den Fragen 5 und 6 ausgeführt, ist der Betrieb der Nasslager für die Aufbewahrung der abgebrannten BE im Standortzwischenlager nicht notwendige Bedingung. Die Nasslager müssen aber so lange weiter betrieben werden, bis alle darin befindlichen BE und Brennstäbe verpackt und ausgelagert sind. Bundesweit gelten identische Sicherheitsanforderungen an die Nass- und Zwischenlagerung . Diese werden von allen Anlagen erfüllt. Für Errichtung und Betrieb eines Endlagers für hoch radioaktive Abfälle ist die Bundesregierung zuständig. Bayern hat sich im Rahmen der Endlagersuchkommission dafür ausgesprochen, dass dieses Endlager unter Berücksichtigung der erforderlichen Sorgfalt schnellstmöglich in Betrieb gehen soll. 8. Welche Folgen hätte die Insolvenz der Betreiber für den Weiterbetrieb der Reaktoren, der Nasslager und des Zwischenlagers und die Fortführung der Sicherheitsmaßnahmen am Standort Gundremmingen? Auf welche finanziellen Mittel und welches Fachpersonal könnte die Staatsregierung zurückgreifen, um Sicherheitsprobleme auszuschließen? Für den Fall einer Insolvenz von Betreiberunternehmen gelten die allgemeinen rechtlichen Regelungen. Auf die einschlägigen Ausführungen der Bundesregierung in der Drucksache 17/7777 des Deutschen Bundestags wird verwiesen .