Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Inge Aures SPD vom 09.11.2016 „Leitkultur“ als Grundlage des Bayerischen Integrationsgesetzes Der Gesetzentwurf der Staatsregierung für ein Bayerisches Integrationsgesetz (BayIntG) nimmt sehr viel Bezug auf den Begriff der „Leitkultur“. Dabei gibt es bis jetzt keine vernünftige Erklärung für diesen Begriff. Daher frage ich die Staatsregierung: 1. Was genau versteht die Staatsregierung unter dem Begriff „Leitkultur“ und wie ist die genaue Definition? 2. Wenn es keine vernünftige Definition der „Leitkultur“ gibt, wie sollen dann Ausländer, die in Bayern leben wollen, auf die Einhaltung dieser „Leitkultur“ verpflichtet werden? 3. Wenn es für den Begriff der „Leitkultur“ keine konkrete Definition gibt, plant dann die Staatsregierung eine Streichung dieses Begriffs aus dem Bayerischen Integrationsgesetz? 4. a) Plant die Staatsregierung eine Aufstockung der Mittel für Integrationsmaßnahmen im zu verabschiedenden Doppelhaushalt 2017/2018? b) Wenn ja, in welcher Höhe und für welche konkreten Maßnahmen bzw. Projekte? c) Wenn nein, warum nicht? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 16.12.2016 1. Was genau versteht die Staatsregierung unter dem Begriff „Leitkultur“ und wie ist die genaue Definition ? Der Landtag hat am 09.12.2016 das Bayerische Integrationsgesetz beschlossen. Die Präambel des Bayerischen Integrationsgesetzes definiert die Leitkultur als identitätsbildenden Grundkonsens, der täglich in unserem Land gelebt wird und die kulturelle Grundordnung der Gesellschaft bildet . Die Präambel führt dazu aus: „1Bayern ist Teil der deutschen Nation mit gemeinsamer Sprache und Kultur. 2Es ist tief eingewurzelt in Werte und Traditionen des gemeinsamen christlichen Abendlandes und weiß zugleich um den jüdischen Beitrag zu seiner Identität. 3Die Würde des Menschen , die Freiheit der Person, die Gleichheit und Gleichberechtigung aller Menschen, das Recht jedes Einzelnen auf ein selbstbestimmtes, aber auch selbstverantwortliches Leben und die Unterscheidung von Staat und Religion sind als Frucht der Aufklärung tragende Grundlage unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung. 4Die nationalsozialistische Willkürherrschaft, die Verbrechen des Dritten Reichs und die Schrecken des Zweiten Weltkrieges haben gelehrt, dass allein eine grundrechtlich ausgerichtete Herrschaft des Rechts vor Terror, Diktatur und Spaltung bewahrt und Voraussetzung für Frieden und Freiheit ist. 5Jeder Einzelne ist daher zur Wahrung des Rechts und zur Loyalität gegenüber Volk und Verfassung, Staat und Gesetzen verpflichtet. 6Die demokratische Verfasstheit des Gemeinwesens bindet umgekehrt alle Staatsgewalt an die Stimme des Volkes. 7Die Solidarität mit den Schwächeren und Hilfsbedürftigen ist Gebot der Gemeinschaft wie jedes Einzelnen, setzt aber zugleich voraus, dass in erster Linie jeder zunächst selbst verpflichtet ist, Verantwortung für sich und die Seinen zu übernehmen und sein Möglichstes dazu beizutragen. 8Die Gemeinschaft kann nur leisten, was gemeinsam von allen erwirtschaftet wird, und darf daher von jedem seinen Beitrag erwarten. 9Ganz Bayern ist geformt von gewachsenem Brauchtum, von Sitten und Traditionen. 10Die freiheitliche Lebenswei se in einer offenen und pluralen Gesellschaft erfordert gleichermaßen gegenseitige Toleranz und Achtung der kulturellen Prägung unseres Landes. 11In den zurückliegenden Jahrzehnten ist es so zur neuen Heimat für viele geworden, die sich hier eingebracht und eingelebt haben. 12Das lange geschichtliche Ringen unserer Nation und unseres ganzen Kontinents um Einheit, Recht, Frieden und Freiheit verpflichtet auf das errungene gesamteuropäische Erbe und das Ziel eines gemeinsamen europäischen Weges . 13Dieser identitätsbildende Grundkonsens wird täglich in unserem Land gelebt und bildet die kulturelle Grundordnung der Gesellschaft (Leitkultur). 14Diese zu wahren, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern und Migrantin- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 17.02.2017 17/14869 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/14869 nen und Migranten zu einem Leben in unserer Gesellschaft zu befähigen, ist Zweck dieses Gesetzes.“ Ein Abstellen ausschließlich auf gesetzliche Regelungen des Grundgesetzes oder der Bayerischen Verfassung wäre zu kurz gegriffen. Der Begriff der Leitkultur umfasst nicht nur normative Werte, sondern auch Sitten, Bräuche und Traditionen, die sich nicht in Gesetzen wiederfinden. Von dem ehemaligen Bundesverfassungsrichter Professor Ernst-Wolfgang Böckenförde stammt die Einsicht, dass der freiheitliche, säkularisierte Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann. Auf diese Aspekte wird mit dem Begriff Leitkultur gleichfalls abgestellt. In der heutigen Zeit, in der die Gesellschaft wesentlich inhomogener ist, hat dieser Satz umso mehr Bedeutung. Unsere freiheitliche demokratische Grundordnung kann nur bestehen und mit Leben gefüllt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind und gelebt werden. 2. Wenn es keine vernünftige Definition der „Leitkultur “ gibt, wie sollen dann Ausländer, die in Bayern leben wollen, auf die Einhaltung dieser „Leitkultur “ verpflichtet werden? Die Definition der Leitkultur wurde bei Beantwortung der Frage 1 wiedergegeben. 3. Wenn es für den Begriff der „Leitkultur“ keine konkrete Definition gibt, plant dann die Staatsregierung eine Streichung dieses Begriffs aus dem Bayerischen Integrationsgesetz? Die Definition der Leitkultur wurde bei Beantwortung der Frage 1 wiedergegeben. Der Landtag hat am 09.12.2016 das Bayerische Integrationsgesetz beschlossen. 4. a) Plant die Staatsregierung eine Aufstockung der Mittel für Integrationsmaßnahmen im zu verabschiedenden Doppelhaushalt 2017/2018? b) Wenn ja, in welcher Höhe und für welche konkreten Maßnahmen bzw. Projekte? c) Wenn nein, warum nicht? Für die Haushaltsjahre 2017 und 2018 sind im Kapitel 10 50, Titelgruppe 52 „Integration von dauerhaft und rechtmäßig in Bayern lebenden Zuwanderern“ insgesamt jährlich 14,3 Mio. € veranschlagt. Dies stellt eine Aufstockung gegenüber 2016 in Höhe von rd. 2,9 Mio. € und gegenüber 2015 von rd. 9,8 Mio. € dar. Die genannten Haushaltsmittel werden für direkte Integrationsmaßnahmen und -projekte, wie beispielsweise die (den Bund ergänzende) landesgeförderte Migrationsberatung, die außerschulische Hausaufgabenhilfe mit Schwerpunkt Deutschförderung sowie sogenannte „besondere Maßnahmen “ nach der Integrationsrichtlinie (lntR) verwendet. Daneben sind weitere Maßnahmen, wie die Etablierung von Integrationslotsen und die Förderung der Vermittlung von Basiswissen und Alltagskompetenzen geplant. Geplant sind für – die landesgeförderte Migrationsberatung bis zu 6,8 Mio. €, – die Förderung der Integrationslotsen 4,0 Mio. €, – die Vermittlung von Basiswissen und Alltagskompetenzen 1,28 Mio. €, – die besonderen Maßnahmen ca. 1 Mio. € und die – außerschulische Hausaufgabenhilfe ca. 0,5 Mio. € Darüber hinaus stehen im Bereich der frühkindlichen Bildung und im Bereich Arbeitsmarkt ebenfalls Millionenbeträge für die Integration zur Verfügung. Insgesamt stehen allein im Sozialhaushalt 2017/2018 für das Thema Integration mehr als 80 Millionen Euro pro Jahr bereit. Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass auch bei anderen Ressorts der Staatsregierung Mittel in hohem Umfang für Maßnahmen vorgesehen sind, die dem Bereich Integration zuzuordnen sind.