Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Claudia Stamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 26.09.2016 Steuervermeidung von Unternehmen in Bayern Die Entscheidung der EU-Kommission, von Apple 13 Mrd. Euro Steuern nachzufordern, hat das Thema Steuervermeidung erneut auf die Agenda gehoben. Steuerexperten monieren seit Jahren, dass Bayern dank fehlender Betriebsprüfer selbst zu einer Art Steueroase wird. Schließlich ist Bayern auch die Heimat vieler multinationaler Konzerne, die einen Firmensitz in bekannten Steueroasen unterhalten, wie die Bahamas, Bermudas oder der US-Bundesstaat Delaware , oder gezielt Steuern vermeiden, indem sie Gewinne in Länder mit niedrigen Unternehmenssteuern verlagern. Zur Praxis der Unternehmensbesteuerung in Bayern frage ich die Staatsregierung: 1. Betriebsstätten a) Wie viele Betriebsstätten ausländischer Unternehmen sind in Bayern derzeit angemeldet und wie viele davon wurden in den letzten 10 Jahren geprüft? b) Wie hoch waren die Steuereinnahmen aus Körperschaftsteuern , die den Betriebsstätten zugerechnet wurden, jeweils in den letzten 5 Jahren? c) Haben ausländische Unternehmen mit Betriebsstätten in Bayern über das Bundeszentralamt für Steuern oder direkt von einem bayerischen Finanzamt verbindliche Auskünfte (tax rulings) erhalten, die diese Unternehmen gegenüber inländischen Unternehmen steuerlich besserstellen? 2. Steuervermeidung bayerischer Unternehmen a) Wie hoch sind die Verlustvorträge bayerischer Unternehmen jeweils für die vergangenen fünf Jahre? b) Wie hoch beziffert die Staatsregierung die entgangenen Steuereinnahmen, die durch die Gewinnverlagerung von multinationalen bayerischen Unternehmen (mit Firmenhauptsitz in Bayern) ins Ausland entstanden sind (aufgeschlüsselt auf die letzten 5 Jahre)? 3. Betriebsprüfungen a) Wie viele Betriebsprüfer/-innen sind derzeit bei bayerischen Finanzämtern jeweils in Voll- oder Teilzeit beschäftigt ? b) Wie entwickelte sich die Stellenzahl für Betriebsprüfer/ -innen in den letzten zehn Jahren? c) Welche Einnahmen wurden als Ergebnis von Steuerprüfungen und Steuerfahndungen in den letzten zehn Jahren erzielt? Antwort des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 05.12.2016 1. Betriebsstätten a) Wie viele Betriebsstätten ausländischer Unternehmen sind in Bayern derzeit angemeldet und wie viele davon wurden in den letzten 10 Jahren geprüft ? Zum Stand 01.01.2016 sind 2.012 für die Betriebsprüfung relevante inländische Betriebsstätten ausländischer Unternehmen (ausländische Kapitalgesellschaft, ausländische Personengesellschaft bzw. sonstige ausländische Rechtsform ) erfasst, davon sind 610 Betriebsstätten für die Betriebsprüfung uneingeschränkt bedeutsame Großbetriebe. In den letzten zehn Jahren1 wurden 1.031 Fälle von der Betriebsprüfung bearbeitet, bei 690 wurde eine Außenprüfung angeordnet und durchgeführt. Daneben sind 3.176 inländische Betriebsstätten ausländischer Unternehmen als Kleinstbetriebe erfasst, die nur in seltenen Ausnahmefällen für eine Außenprüfung geeignet sind. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass für bestimmte beschränkt Steuerpflichtige eine abgeltende Quellensteuer erhoben wird. b) Wie hoch waren die Steuereinnahmen aus Körperschaftsteuern , die den Betriebsstätten zugerechnet wurden, jeweils in den letzten 5 Jahren? Die Steuerfestsetzungen für die Jahre 2014 und 2015 für die der inländischen Besteuerung unterliegenden Betriebsstätten ausländischer Unternehmen sind noch nicht abgeschlossen . Eine valide Aussage über das Volumen der für diese beiden Jahre festzusetzenden Körperschaftsteuer kann demnach nicht getroffen werden. Für die Jahre 2011 bis 2013 ergibt eine Sonderauswertung der Steuerveranlagungen der genannten Unternehmen ein Volumen an festgesetzter Körperschaftsteuer von 210 Mio. € im Jahr 2011, 190 Mio. € im Jahr 2012 und 230 Mio. € im Jahr 2013. c) Haben ausländische Unternehmen mit Betriebsstätten in Bayern über das Bundeszentralamt für Steuern oder direkt von einem bayerischen Finanzamt verbindliche Auskünfte (tax rulings) erhalten, die diese Unternehmen gegenüber inländischen Unternehmen steuerlich besserstellen? Verbindliche Auskünfte nach § 89 Abgabenordnung haben keinen Regelungscharakter, sondern bescheinigen nur verbindlich die geltende Rechtslage. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 03.03.2017 17/14893 Bayerischer Landtag 1) Zeitraum 01.01.2007 bis August 2016. Für den Zeitraum vor dem 01.01.2007 liegen die angefragten Statistikdaten nicht vor. Im Jahr 2016 begonnene, aber bis August 2016 nicht abgeschlossene Außenprüfungen sind nicht enthalten. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/14893 2. Steuervermeidung bayerischer Unternehmen a) Wie hoch sind die Verlustvorträge bayerischer Unternehmen jeweils für die vergangenen fünf Jahre? Unternehmen werden als Personenunternehmen (Personengesellschaften , Einzelunternehmen) oder in der Rechtsform einer Körperschaft (GmbH, AG) geführt. Die Besteuerung des Gewinns von Personenunternehmen findet im Rahmen der persönlichen Einkommensteuerveranlagung des Gesellschafters oder Einzelunternehmers bei dem Finanzamt statt, an dem dieser seinen Wohnsitz hat. Eine nach Unternehmensbeteiligungen differenzierte Feststellung von Verlustvorträgen durch die Wohnsitzfinanzämter der Gesellschafter erfolgt nicht. Deshalb ist keine Aussage zur Entwicklung von Verlustvorträgen bayerischer Unternehmen möglich, die als Personenunternehmen betrieben werden. Bei den in Bayern der Körperschaftsteuer unterliegenden Unternehmen betrug das Gesamtvolumen des Verlustvortrags bei der Körperschaftsteuer im Jahr 2011 114,0 Mrd. €, im Jahr 2012 115,8 Mrd. € und im Jahr 2013 123,5 Mrd. € (maßgebend ist jeweils der festgestellte Betrag zum Ende des Wirtschaftsjahrs). Der Anteil Bayerns am bundesweiten Verlustvortragsvolumen von Körperschaften ist mit rd. 17 Prozent im Vergleich zum Steueraufkommen unterdurchschnittlich . Valide Aussagen für die Jahre 2014 und 2015 sind nicht möglich, da die dafür maßgebenden Veranlagungsarbeiten der Finanzämter noch nicht abgeschlossen sind. b) Wie hoch beziffert die Staatsregierung die entgangenen Steuereinnahmen, die durch die Gewinnverlagerung von multinationalen bayerischen Unternehmen (mit Firmenhauptsitz in Bayern) ins Ausland entstanden sind (aufgeschlüsselt auf die letzten 5 Jahre)? Einer der Schwerpunkte der steuerlichen Betriebsprüfung ist die Prüfung steuerlicher Auslandssachverhalte, insbesondere von Verrechnungspreisen für Leistungen zwischen verbundenen Unternehmen. Soweit die dabei zugrunde gelegten Preise nicht den Grundsätzen bei Leistungsbeziehungen zwischen fremden Dritten entsprechen, finden entsprechende Korrekturen des im Inland zu versteuernden Gewinns statt. Eine Aussage zu eventuell entgangenen Steuereinnahmen nicht bekannter Gewinnverlagerungen kann nicht getroffen werden. 3. Betriebsprüfungen a) Wie viele Betriebsprüfer/-innen sind derzeit bei bayerischen Finanzämtern jeweils in Voll- oder Teilzeit beschäftigt? An den bayerischen Finanzämtern waren zum Stichtag 01.11.2016 1.426 Betriebsprüfer/-innen in Vollzeit und 512 Betriebsprüfer/-innen in Teilzeit beschäftigt. b) Wie entwickelte sich die Stellenzahl für Betriebsprüfer/-innen in den letzten zehn Jahren? Die Planstellen der Steuerverwaltung sind im Haushaltsplan ausgewiesen, aber nicht auf einzelne Aufgabenbereiche aufgeteilt. Deshalb ist es nicht möglich, die Zahl der Stellen für einzelne Arbeitsgebiete zu nennen. Es wird auf Zahlen aus der Personalverteilungsberechnung zurückgegriffen. Die Grundlagen der Personalverteilungsberechnung wurden 2015 grundlegend geändert. Das führt dazu, dass die Ergebnisse nicht mehr vergleichbar sind, weil sie nicht nach einheitlichen Kriterien ermittelt wurden. Nach der Änderung betrug 2015 die Zahl der Stellen für Betriebsprüfer/-innen bei den Finanzämtern 1.989 und 2016 1.973,4. c) Welche Einnahmen wurden als Ergebnis von Steuerprüfungen und Steuerfahndungen in den letzten zehn Jahren erzielt? Das Mehrergebnis in der Betriebsprüfung betrug im Jahr 2006 3,8 Mrd. €, 2007 3,7 Mrd. €, 2008 2,8 Mrd. €, 2009 4,5 Mrd. €, 2010 3,7 Mrd. €, 2011 2,8 Mrd. €, 2012 5,1 Mrd. €, 2013 2,7 Mrd. €, 2014 3,1 Mrd. € und 2015 3,3 Mrd. €. Die Steuerfahndung hat 2006 761 Mio. €, 2007 271 Mio. €, 2008 393 Mio. €, 2009 400 Mio. €, 2010 422 Mio. €, 2011 544 Mio. €, 2012 317 Mio. €, 2013 407 Mio. €, 2014 226 Mio. € und 2015 340 Mio. € Mehrergebnis erzielt.