Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Eva Gottstein FREIE WÄHLER vom 05.10.2016 Erkennen gefälschter Pässe Ich frage die Staatsregierung: 1. In wie vielen Fällen haben Polizeibeamte in Bayern Flüchtlinge mit gefälschten Papieren aufgegriffen? 2. Welche Folgen hat es, wenn ein Flüchtling in Deutschland mit gefälschten Papieren reist und damit Asyl beantragt ? 3. Wie werden die bayerischen Polizeibeamten geschult, um gefälschte Pässe erkennen zu können? a) Wer hält diese Schulungen? b) Wie ist sichergestellt, dass stets alle neuen Entwicklungen und Erkenntnisse in die Schulungen einbezogen werden? 4. Gibt es diese Schulungen auch für andere bayerische Behörden? a) Wenn ja, für welche? b) Wie sieht der Schulungsplan aus? 5. Haben auch Bundesbehörden ein Interesse angemeldet , diesbezüglich von den bayerischen Behörden zu lernen? a) Falls nein, wäre in dem Fall, dass ein solches Interesse bestehen sollte, die Teilnahme von Bundesbeamten an den Schulungen möglich? 6. Wie steht die Staatsregierung dazu, dass offenbar beim BAMF in zahlreichen Fällen gefälschte Pässe nicht erkannt wurden? a) Welche diesbezüglichen Schritte plant die Staatsregierung ? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 19.12.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt beantwortet: 1. In wie vielen Fällen haben Polizeibeamte in Bayern Flüchtlinge mit gefälschten Papieren aufgegriffen? Zur Beantwortung dieser Frage wurde durch das Bayer. Landeskriminalamt eine Recherche in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) vorgenommen. In dieser Ausgangsstatistik werden polizeilich bekannt gewordene und durch die Polizei endbearbeitete Straftaten zum Zeitpunkt der Vorgangsabgabe an die Staatsanwaltschaft erfasst. Der Begriff „Polizeilicher Aufgriff“ wird dahingehend interpretiert, dass ein polizeilich bekannt gewordener Sachverhalt die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nach sich gezogen hat, das an die PKS gemeldet wurde. Dies müssen nicht zwingend polizeiliche Initiativaufgriffe sein, vielmehr ist es auch möglich, dass einzelne Ermittlungsverfahren auch durch die Mitteilung anderer Behörden eingeleitet wurden. In der PKS werden Fälschungen von amtlichen Dokumenten , die der strafrechtlichen Norm des § 267 StGB unterfallen , unter dem PKS-Summenschlüssel 540001 „Sonstige Urkundenfälschung gem. § 267 StGB“ zusammengefasst. Eine statistische Auswertung, was im Einzelfall gefälscht wurde, ist auf Grundlage der in der PKS gespeicherten Daten nicht möglich. Folglich kann es vorkommen, dass unter den nachfolgend aufgeführten Urkundenfälschungen auch solche sind, die keine amtlichen Ausweise oder Dokumente betreffen. Alle aufgeführten Delikte wurden von Zuwanderern begangen . Unter den bundesweit einheitlich definierten Begriff „Zuwanderer“ fallen Personen mit dem Aufenthaltsstatus Asylbewerber, Duldung, Kontingentflüchtling, Bürgerkriegsflüchtling und unerlaubter Aufenthalt. Die folgende Aufstellung zeigt die in den Jahren 2014 und 2015 an die PKS Bayern gemeldeten Fälle, einschließlich der durch die Bundespolizei an die bayerische PKS gemeldeten Fälle: Jahr Schlüssel der Tat Straftat Anzahl gesamt davon durch Bundespolizei gemeldet 2015 540001 Sonstige Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB 1.439 859 2014 540001 Sonstige Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB 1.250 824 Für das laufende Jahr 2016 liegen uns aus der PKS noch keine abschließend qualitätsgesicherten und damit validen Daten vor. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 17.02.2017 17/14896 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/14896 2. Welche Folgen hat es, wenn ein Flüchtling in Deutschland mit gefälschten Papieren reist und damit Asyl beantragt? Zum einen hat die Einreise bzw. die Asylbeantragung eines Flüchtlings mit gefälschten amtlichen Dokumenten strafrechtliche Folgen. Seitens der Bayer. Polizei erfolgt bei allen bekannt gewordenen Fällen eine Anzeigenerstattung des vorliegenden Deliktes wie z. B. Urkundenfälschung bei der zuständigen Staatsanwaltschaft. Dies geschieht unabhängig davon, ob der Tatverdächtige angibt, Flüchtling zu sein oder ob dieser Asyl beantragen will oder bereits beantragt hat. Auch die Ausländerbehörden bringen bekannt gewordene Fälle bei der Polizei zur Anzeige. Zum anderen ergeben sich Sanktionen in leistungsrechtlicher Hinsicht. Wenn ein Ausländer im Asylverfahren über seine Staatsangehörigkeit täuscht oder diese Angaben verweigert , kann dies leistungsrechtliche Sanktionen zur Folge haben, sofern der Tatbestand des § 1a Abs. 5 Asylbewerberleistungsgesetz erfüllt ist. Hier sind insoweit die konkreten Umstände im Einzelfall maßgeblich. Bis zur Nachholung der Mitwirkungshandlung erhält die betreffende Person dann grundsätzlich nur noch Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege. Ein unbegründeter Asylantrag wird gem. § 30 Abs. 3 Nr. 1 Asylgesetz als offensichtlich unbegründet abgelehnt, wenn das Vorbringen auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird. In der Vorlage eines gefälschten Passes oder sonstiger Identitätspapiere kann auch eine Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit gesehen werden, die nach § 30 Abs. 3 Nr. 2 Asylgesetz ebenfalls zu einer offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrags führen kann. Die Zuständigkeit für das Asylverfahren liegt allein beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. 3. Wie werden die bayerischen Polizeibeamten geschult , um gefälschte Pässe erkennen zu können? a) Wer hält diese Schulungen? Die Beamten, die sich zur Ausbildung der 2. Qualifikationsebene (2. QE) bei der Bayer. Bereitschaftspolizei befinden, werden in mehreren Unterrichtseinheiten durch Polizeifachlehrer beschult. Studierende für den Einstieg oder Aufstieg in die 3. QE werden im Rahmen ihres Studiums an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern – Fachbereich Polizei – u. a. mit 6 Stunden durch das BLKA, SG 533, Arbeitsbereich Dokumentenkriminalität, unterrichtet . Beim Fortbildungsinstitut der Bayer. Polizei (BPFI) in Ainring werden ein- bzw. zweiwöchige Seminare zu den Themen Schleierfahndung bzw. Fahndung und Kontrolle angeboten, welche auch das Erkennen von Dokumentenfälschungen beinhalten. Insbesondere Beamte, deren Dienststellen mit Fahndungsaufgaben betraut sind, werden zudem durch die Dokumentenmultiplikatoren der Bayer. Polizei im Rahmen des Dienstunterrichts sowie in der Praxis fortgebildet bzw. stehen diesen bei aktuellen Fragestellungen zur Verfügung. b) Wie ist sichergestellt, dass stets alle neuen Entwicklungen und Erkenntnisse in die Schulungen einbezogen werden? Alle neuen Entwicklungen und Erkenntnisse werden durch den Arbeitsbereich Dokumentenkriminalität tagesaktuell durch das BLKA in das Dokumenteninformationssystem der Bayer. Polizei (DOKIS) eingestellt und sind dort über das Intranet der Bayer. Polizei für jeden Polizeibeamten abrufbar. Darüber hinaus werden durch das BLKA jährlich zwei Arbeitstagungen für die Multiplikatoren veranstaltet. 4. Gibt es diese Schulungen auch für andere bayerische Behörden? a) Wenn ja, für welche? Allen bayerischen Verwaltungsbehörden werden von verschiedenen Fortbildungseinrichtungen und auch von der Bayer. Polizei entsprechende Schulungen angeboten. Die Sensibilisierung hinsichtlich der Benutzung von ge- und verfälschten Dokumenten und Ausweispapieren ist regelmäßig Teil von diesbezüglichen Fachseminaren. Im Rahmen der sog. Behördenfahndung stehen die bayerischen Dokumentenmultiplikatoren auf regionaler Ebene ständig in Kontakt mit bayerischen Behörden, in deren Zuständigkeit amtliche Dokumente zu prüfen sind (insb. Melde - und Ausländerbehörden, Führerscheinstellen, Zulassungsstellen , Standesämter). Ferner bietet die Bayer. Verwaltungsschule (BVS) für Behördenmitarbeiter Tagesseminare zum Erkennen von geund verfälschten Dokumenten an, welche ebenfalls von den Experten des BLKA durchgeführt werden. Über das Bayer. Behördennetz haben alle o. g. Behörden online Zugriff auf DOKIS. Über die dort ausgewiesenen Kontaktnummern können sich die Behördenmitarbeiter sowohl an die Dokumentenmultiplikatoren als auch an die Fachdienststelle des BLKA wenden. b) Wie sieht der Schulungsplan aus? Schulungen, Informationsveranstaltungen und einzelne Unterstützungsleistungen auf regionaler Ebene werden durch die Dokumentenmultiplikatoren mit den Behörden nach Bedarf vereinbart und durchgeführt. Die BVS schreibt die Seminare in ihrem Schulungsangebot bayernweit aus. Auf Anfrage einzelner Behörden bei der BVS werden durch das BLKA auch sog. Indoorseminare bei den jeweiligen Behörden vor Ort durchgeführt. Der Inhalt der Schulungen umfasst in der Regel das Erkennen von ge- oder verfälschten Ausweispapieren anhand von Wasserzeichen, Formularnummern, UV-Licht-Reaktion, Druckqualität, Lichtbildsicherung, den Umgang und die Handhabung des behördeninternen Dokumenteninformationssystems DOKIS und anderer technischer Hilfsmittel, z. B. Dokumentenlesegeräte, sowie praktische Übungen anhand von Beispielen. 5. Haben auch Bundesbehörden ein Interesse angemeldet , diesbezüglich von den bayerischen Behörden zu lernen? a) Falls nein, wäre in dem Fall, dass ein solches Interesse bestehen sollte, die Teilnahme von Bundesbeamten an den Schulungen möglich? Alle mit der Kontrolle von Dokumenten betrauten Behörden in Deutschland können, sofern der Zugriff beim BLKA beantragt wird, die Anwendung DOKIS nutzen. Dieser erfolgt entweder online über die Deutschland-Online-Infrastruktur (DOI-Netz) oder, wenn kein Anschluss an das DOI-Netz vorhanden ist, über eine DVD, welche vom BLKA im halbjährlichen Turnus an alle Landeskriminalämter versandt und von dort an die Behörden des jeweiligen Bundeslandes weitergegeben wird. Drucksache 17/14896 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Beamte der Bundespolizei werden grundsätzlich intern geschult. Das BLKA führt auch eintägige Schulungen für Zollbeamte durch. Angestellte und Beamte von Bundesbehörden und Landesbehörden anderer Bundesländer haben schon an Schulungen der BVS teilgenommen. 6. Wie steht die Staatsregierung dazu, dass offenbar beim BAMF in zahlreichen Fällen gefälschte Pässe nicht erkannt wurden? a) Welche diesbezüglichen Schritte plant die Staatsregierung ? Als Reaktion auf die bekannt gewordenen Meldungen aus einigen Bundesländern bezüglich des Umgangs der Behörden mit ge- oder verfälschten Passdokumenten von Flüchtlingen hat Bundesinnenminister Dr. de Maizière eine umfassende Überprüfung der bestehenden Regelungen und Verfahren angeordnet. Im Ergebnis einer daraufhin durchgeführten Bund-Länder-Besprechung am 23.09.2016 unter Einbeziehung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, des Bundeskriminalamts sowie der Bundespolizei wurde festgestellt, dass gefälschte Dokumente bei Asylverfahren kein Massenphänomen sind. Des Weiteren wurde eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe beauftragt, Verfahren zu erarbeiten, mit denen sichergestellt wird, dass Erkenntnisse über gefälschte Pässe u. a. den Polizeibehörden der Länder zur Verfügung gestellt werden.