17. Wahlperiode 24.02.2017 17/14907 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ulrich Leiner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 28.11.2016 Überleitung des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) in vollstationären Einrichtungen Die Überleitung des PSG II auf die Personalschlüssel in der stationären Pflege führt bei manchen Einrichtungen dazu, dass unterschiedliche Personalschlüssel je Pflegegrad zustande kommen. Dabei kommt es dazu, dass mit zunehmendem Anteil von Bewohnern mit eingeschränkter Alltagskompetenz die Stellenschlüssel je Pflegegrad vergleichsweise schlechter ausfallen. Die Landespflegesatzkommission hat zur Umsetzung des 2. Pflegestärkungsgesetzes für vollstationäre Pflegeeinrichtungen ein Informationsblatt an die Einrichtungsträger übermittelt, das die Umstellung der Personalschlüssel thematisiert. Darin heißt es auf Seite 1 in Absatz 4, dass die leistungs- und budgetneutrale Umrechnung zunächst dazu führen wird, „dass ab 01.01.2017 unterschiedliche Personalschlüssel in den Einrichtungen gelten werden. Zur Angleichung dieser werden für die Verhandlungen ab 01.01.2017 vorläufige bayernweit einheitliche Pflege-Personalschlüssel pro Pflegegrad von der Landespflegesatzkommission festgelegt . Diese werden im Rahmen der Neuverhandlungen ab 2017 angewandt und führen aufgrund der gesetzlichen Vorgabe eines einrichtungseinheitlichen Eigenanteils (EEE) zu einrichtungsindividuellen Pflegepersonalschlüsseln“. Ich frage die Staatsregierung: 1. Beziehen sich die im Informationsblatt auf Seite 1 in Absatz 4 erwähnten Neuverhandlungen ab 2017 auch auf Einrichtungen, die bereits bestehende Vergütungsvereinbarungen besitzen und einen neuen Antrag auf Pflegesatzvereinbarungen stellen, oder trifft diese Regelung lediglich Einrichtungen, welche ab 01.01.2017 neu eröffnen? 2. Wie ist es möglich, dass vorläufig einheitliche Pflegepersonalschlüssel zu einrichtungsindividuellen Pflegepersonalschlüsseln führen? 3. Was geschieht, wenn der PSG-II-Zuschlag (bis 30.09.2016 befristet) die Unterschiede bezüglich der individuellen Personalschlüssel nicht ausgleichen konnte? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 4. Vor dem Hintergrund, dass stationäre Einrichtungen ihre Personalstärke in der Pflege anhand der individuellen Personalschlüssel fixieren (müssen) und die Festlegung von bayernweit einheitlichen Personalschlüsseln die Personalstärke quasi über Nacht erhöhen oder reduzieren würde, frage ich die Staatsregierung, wie der Übergang von individuellen zu bayernweit einheitlichen Personalschlüsseln in der Praxis erfolgen soll? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 22.12.2016 Vorbemerkung: Die Pflegesätze sowie die Pflegepersonalschlüssel auszuhandeln und festzulegen ist ausschließlich Aufgabe der Selbstverwaltung – bestehend aus Kostenträgern und Leistungserbringern – in der Landespflegesatzkommission. Die Staatsregierung ist daran in keiner Weise beteiligt und hat in der Landespflegesatzkommission weder ein Antrags - noch ein Mitspracherecht. 1. Beziehen sich die im Informationsblatt auf Seite 1 in Absatz 4 erwähnten Neuverhandlungen ab 2017 auch auf Einrichtungen, die bereits bestehende Vergütungsvereinbarungen besitzen und einen neuen Antrag auf Pflegesatzvereinbarungen stellen, oder trifft diese Regelung lediglich Einrichtungen, welche ab 01.01.2017 neu eröffnen? Wie bereits bisher sollen auch künftig bayernweit einheitliche Personalschlüssel die Grundlage jeglicher Verhandlungen bilden – unabhängig davon, ob eine Pflegeeinrichtung neu eröffnet oder ob die bisherige Vereinbarung ausläuft –. Die Landespflegesatzkommission hat in ihrer Sitzung am 05.12.2016 folgende neue bayerneinheitliche Personalschlüssel vereinbart : • Durchschnittspersonalschlüssel 1 : 2,4 • Pflegegrad 1 1 : 6,7 • Pflegegrad 2 1 : 4,02 • Pflegegrad 3 1 : 2,7 • Pflegegrad 4 1 : 1,99 • Pflegegrad 5 1 : 1,8 Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/14907 Diese Personalschlüssel wird die Selbstverwaltung ab dem 01.01.2017 den ab dann zu führenden Verhandlungen zu Grunde legen. Ab dem 01.07.2017 sollen die nun festgelegten Personalschlüssel anhand der Entwicklung der Einstufungen der Bewohner und des Leistungsspektrums in mehreren Schritten evaluiert werden. 2. Wie ist es möglich, dass vorläufig einheitliche Pflegepersonalschlüssel zu einrichtungsindividuellen Pflegepersonalschlüsseln führen? Die Geschäftsstelle der Landespflegesatzkommission hat dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege anlässlich einer am 21.10.2016 eingegangenen E-Mail-Nachricht von Herrn MdL Leiner, in der dieser sich ebenfalls bereits nach den Auswirkungen der Überleitung nach dem PSG II auf die Personalschlüssel in der vollstationären Pflege erkundigt hatte, Folgendes mitgeteilt: „Die Umstellung auf fünf Pflegegrade sieht in einem ersten Schritt eine leistungs- und budgetneutrale Umrechnung der Pflegesätze von drei Pflegestufen in fünf Pflegegrade vor, ggf. aufsetzend auf die zuvor verhandelten Pflegesätze unter Berücksichtigung von Personal- und Sachkostensteigerungen . Die leistungs- und budgetneutrale Umrechnung der Pflegeeinrichtungen bezieht sich nicht auf die einzelnen Pflegeschlüssel und Pflegesätze in den einzelnen Pflegegraden, sondern auf die jeweilige Gesamteinrichtung. Das Pflegesatzbudget der Pflegeeinrichtungen und damit der Personalstand der Pflegeeinrichtungen bleiben nach der Umstellung zum 01.01.2017 unverändert. Die vom Gesetzgeber normierte Umstellung führt dazu, dass Pflegeeinrichtungen mit völlig identischen Pflegesätzen und Stellenschlüsseln in den Pflegestufen je nach Anteil an Bewohnern mit eingeschränkter Alltagskompetenz nach der budgetneutralen Umstellung auf Pflegegrade unterschiedliche Stellenschlüssel innerhalb der einzelnen Pflegegrade aufweisen können. Die Zusammenhänge lassen sich am einfachsten anhand eines Beispiels verdeutlichen: Pflegeeinrichtung A belegt mit 100 % Bewohnern der Pflegestufe I und 100 % Bewohnern mit eingeschränkter Alltagskompetenz Pflegeeinrichtung B belegt mit 100 % Bewohnern mit Pflegestufe I und 0 % Bewohnern mit eingeschränkter Alltagskompetenz Beide Pflegeeinrichtungen haben einen Personalschlüssel von 1 : 3 und eine Pflegevergütung von 60 Euro täglich. Nach der Umstellung ist die Pflegeeinrichtung A mit 100 % Bewohnern des Pflegegrads 3 mit einem Personalschlüssel im Pflegegrad 3 von 1 : 3 belegt, während die Pflegeeinrichtung B mit 100 % Bewohnern des Pflegegrads 2 und einem Personalschlüssel von 1 : 3 belegt ist. Bei beiden Pflegeeinrichtungen hat sich nichts am Budget und Personalumfang geändert. Allerdings weichen die Pflegesätze und Personalschlüssel innerhalb der einzelnen Pflegegrade erheblich voneinander ab. Die Pflegeeinrichtung A mit allen Bewohnern im Pflegegrad 3 hat einen Personalschlüssel von 1 : 3 und eine Pflegevergütung von 60 Euro täglich im Pflegegrad 3, während die Pflegeeinrichtung B mit allen Bewohnern im Pflegegrad 2 einen Personalschlüssel von 1 : 3 und eine Pflegevergütung von 60 Euro täglich bereits im Pflegegrad 2 aufweist. Damit erhält die Pflegeeinrichtung B nach der Umstellung auf Pflegegrade ca. 15 Euro höhere Vergütungen in den einzelnen Pflegegraden . In der Summe erhalten beide Pflegeeinrichtungen auch nach der Umstellung auf Pflegegrade für alle vorhandenen Bewohner eine Pflegevergütung von 60 Euro täglich.“ 3. Was geschieht, wenn der PSG-II-Zuschlag (bis 30.09.2016 befristet) die Unterschiede bezüglich der individuellen Personalschlüssel nicht ausgleichen konnte? Nach Aussage der Geschäftsstelle der Landespflegesatzkommission wird die Belegung innerhalb der Pflegegrade erstmals zum 01.07.2017 evaluiert und ggf. der bayernweite Personalschlüssel angepasst, wenn sich das erwartete Absinken der durchschnittlichen Pflegegrade nach Beginn der Einstufung nach den künftigen Pflegegraden abzeichnen sollte. 4. Vor dem Hintergrund, dass stationäre Einrichtungen ihre Personalstärke in der Pflege anhand der individuellen Personalschlüssel fixieren (müssen) und die Festlegung von bayernweit einheitlichen Personalschlüsseln die Personalstärke quasi über Nacht erhöhen oder reduzieren würde, frage ich die Staatsregierung , wie der Übergang von individuellen zu bayernweit einheitlichen Personalschlüsseln in der Praxis erfolgen soll? Zunächst erfolgt die unter Frage 2 erläuterte budgetneutrale Umstellung von Pflegestufen auf Pflegegrade. Zum weiteren Vorgehen hat die Geschäftsstelle der Landespflegesatzkommission ausgeführt: „Zusätzlich zur budgetneutralen Umrechnung erhalten die Pflegeeinrichtungen einen sog. PSG II-Zuschlag. Dieser dient jedoch nicht dazu, die systemimmanenten Verwerfungen innerhalb der Pflegegrade auszugleichen. Es ist vielmehr damit zu rechnen, dass Neuaufnahmen ab 2017 tendenziell niedrigere Pflegegrade aufweisen als die pauschal auf Pflegegrade umgestellten bereits vorhandenen Bewohner (Überleitungsregelung). Der PSG-II- Zuschlag soll Pflegeeinrichtungen in die Lage versetzen, bis zur Vereinbarung bayerneinheitlicher Personalschlüssel das Personal auch dann halten zu können, wenn der Durchschnitt der Bewohner in den Pflegegraden sinkt. Dieses Risiko trifft Pflegeeinrichtungen mit einem höheren Anteil der Bewohner mit eingeschränkter Alltagskompetenz mehr als Pflegeeinrichtungen mit einem niedrigen Anteil. Pflegeeinrichtungen mit einem höheren Anteil von Bewohnern mit eingeschränkter Alltagskompetenz erhalten folglich auch einen höheren PSG II-Zuschlag. Der verbesserte Personalumfang für gerontopsychiatrische Pflegeeinrichtungen bleibt in der Summe auch nach der Umstellung bestehen, da sich der Personalumfang nicht ändert. Der vom Gesetzgeber gewünschten allgemeinen Verbesserung der Leistungen für gerontopsychiatrisch veränderte pflegebedürftige Menschen wird erst in einem zweiten Schritt Rechnung getragen. In der vollstationären Pflege bedeutet dies: Die Summe des Pflegepersonals in Bayern, das sich bei der Umstellung der Pflegesätze nach den bisherigen Standardschlüsseln in Bayern errechnet, wird aufgeteilt auf die Bewohner in den einzelnen Pflegegraden in Bayern. Bei der Aufteilung wird die gesetzlich vorgegebene einheitliche Zuzahlung berücksichtigt . Aus der Personalmenge des aufgeteilten Pflegepersonals lassen sich bayernweit einheitliche Personalschlüssel ermitteln. Drucksache 17/14907 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Ab dem Jahr 2017 wird anhand einer individuell vereinbarten prospektiven Belegung der Pflegeeinrichtungen nach Pflegegraden und der bayernweiten Personalschlüssel die Summe des in den einzelnen Pflegeeinrichtungen vorzuhaltenden Gesamtpersonals ermittelt. Dieses Personal wird in Abhängigkeit zu den individuell vereinbarten Personalkosten des Pflegepersonals so auf die Bewohner in den Pflegegraden aufgeteilt, dass sich die vom Gesetzgeber vorgeschriebene einheitliche Zuzahlung in den Pflegegraden 2 bis 5 errechnet. Aus der Aufteilung des Personals auf die Pflegegrade errechnen sich für jede Pflegeeinrichtung individuelle Personalschlüssel , die in der Summe des Personals den bayernweiten Personalschlüsseln entsprechen. Erst nach Vereinbarung dieser Stellenschlüssel ab dem Jahr 2017 tritt der vom Gesetzgeber gewünschte Effekt der Besserstellung der Pflegeeinrichtungen mit einem höheren Anteil gerontopsychiatrisch veränderter pflegebedürftiger Bewohner ein, da gerontopsychiatrisch veränderte pflegebedürftige Menschen aufgrund des neuen Begutachtungsassessments (NBA) höhere Pflegwgrade aufweisen. Demzufolge verfügen künftig Pflegeeinrichtungen mit durchschnittlich höheren Pflegegraden über die besseren Personalschlüssel, in höheren Pflegegraden auch über mehr Personal als Pflegeeinrichtungen mit durchschnittlich niedrigeren Pflegegraden. In einem dritten Schritt wird die Belegung innerhalb der Pflegegrade erstmals zum 01.07.2017 evaluiert und ggf. der bayernweite Personalschlüssel angepasst, wenn sich das erwartete Absinken der durchschnittlichen Pflegegrade abzeichnen sollte.“