17. Wahlperiode 24.02.2017 17/14909 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Jürgen Mistol BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 23.11.2016 Präimplantationsdiagnostik und Länderförderung künstliche Befruchtung Ich frage die Staatsregierung: 1. Auf welchen Grundlagen erfolgen die Entscheidungen der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik ? a) Wie gestaltet sich der Entscheidungsprozess? b) Nach welchen Kriterien wird eine Erbkrankheit als schwerwiegend bewertet? 2. Kommt es bzw. kam es bisher schon bei gleichen Erbkrankheiten zu unterschiedlichen Entscheidungen? a) Wenn ja, was ist die Begründung dafür? 3. Was sind konkrete psychische, soziale und ethische Gesichtspunkte, die bei einer Entscheidung berücksichtigt werden? 4. Gelten wiederholte Fehlgeburten mit genetischer Ursache oder künstliche Befruchtungen ohne fortlaufende Schwangerschaften bei Frauen ab 38 Jahren als Grund für eine Präimplantationsdiagnostik zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos , die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Totoder Fehlgeburt führen wird? 5. Wie gestaltet sich die aktuelle Statistik zu Entscheidungen der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik ? a) Werden die Fälle mit hohem Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit einschließlich der Auflistung der Erbkrankheiten und jeweiliger Entscheidung der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik (ob positives und negatives Votum) in einer Statistik dargestellt (bitte gegebenenfalls Statistik aufführen)? b) Werden Fälle mit schwerwiegender Schädigung des Embryos einschließlich der Auflistung der Gründe wie Chromosomenstörung, wiederholte Fehlgeburten mit genetischer Ursache und Alter der Frauen ab 38 Jahren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Totoder Fehlgeburt führen wird, in einer Statistik dargestellt (bitte gegebenenfalls Statistik aufführen)? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 6. Wie gestaltet sich in Bayern die Umsetzung der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Maßnahmen der assistierten Reproduktion? a) Werden alle Fördermöglichkeiten auch für unverheiratete Paare in Bayern genutzt? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 22.12.2016 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt beantwortet: 1. Auf welchen Grundlagen erfolgen die Entscheidungen der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik ? Die Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik prüft die Einhaltung der Voraussetzungen des § 3 a Abs. 2 des Embryonenschutzgesetzes (ESchG). Hierbei muss sie beurteilen, ob aufgrund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, oder des Mannes, von dem die Samenzelle stammt, oder von beiden für deren Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit besteht (§ 3 a Abs. 2 Satz 1 ESchG) oder die Vornahme der Präimplantationsdiagnostik (PID) zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos dient, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird (§ 3 a Abs. 2 Satz 2 ESchG). Der konkrete Fall ist unter Berücksichtigung aller medizinischen und psychischen, sozialen sowie ethischen Gesichtspunkte zu bewerten (§ 6 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung zur Präimplantationsdiagnostik – PIDV). a) Wie gestaltet sich der Entscheidungsprozess? Die Mitglieder der Ethikkommission sind entsprechend der Regelung in § 4 Abs. 2 Satz 1 PIDV in ihrer Meinungsbildung und Entscheidungsfindung unabhängig und nicht weisungsgebunden . Die Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik entscheidet entsprechend der Regelung in § 7 Abs. 1 ihrer Geschäftsordnung in nichtöffentlicher Sitzung oder im schriftlichen Verfahren. Nach § 6 Abs. 4 Satz 2 PIDV trifft die Ethikkommission ihre Entscheidung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der stimmberechtigten Mitglieder. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/14909 b) Nach welchen Kriterien wird eine Erbkrankheit als schwerwiegend bewertet? „Schwerwiegend“ ist eine Erberkrankung, wenn sie sich durch eine geringe Lebenserwartung oder Schwere des Krankheitsbildes und schlechte Behandelbarkeit von anderen Erbkrankheiten wesentlich unterscheidet (vgl. BT-Drs. 17/5451, S. 8). 2. Kommt es bzw. kam es bisher schon bei gleichen Erbkrankheiten zu unterschiedlichen Entscheidungen ? a) Wenn ja, was ist die Begründung dafür? Der Gesetzgeber hat bewusst darauf verzichtet, verschiedene Krankheiten als Indikation für eine PID aufzulisten, sondern die Aufgabe einer Ethikkommission begründet, in jedem einzelnen Fall zu bewerten, ob eine PID ausnahmsweise durchgeführt werden darf (vgl. BT-Drs. 17/5451, S. 7). Eine Indikationsliste ist demnach nicht vorgesehen. Vielmehr muss die Ethikkommission jeden Einzelfall unter Berücksichtigung der psychischen, sozialen und ethischen Gesichtspunkte bewerten . Hierbei muss auch der Gesetzeszweck beachtet werden , der die PID nur in Ausnahmefällen erlaubt. Vor diesem Hintergrund können auch Anträge, die gleiche Krankheiten betreffen, unterschiedlich bewertet werden. 3. Was sind konkrete psychische, soziale und ethische Gesichtspunkte, die bei einer Entscheidung berücksichtigt werden? Es ist in jedem Einzelfall zu beachten, dass die PID für genetisch stark vorbelastete Eltern, die zum Teil bereits ein schwer krankes oder verstorbenes Kind haben oder die nach einer Pränataldiagnostik und einer ärztlichen Beratung eine Abtreibung haben vornehmen lassen, eine Methode darstellt, ein gesundes Kind zu bekommen (vgl. BT-Drs. 17/5451, S. 2 und 7). 4. Gelten wiederholte Fehlgeburten mit genetischer Ursache oder künstliche Befruchtungen ohne fortlaufende Schwangerschaften bei Frauen ab 38 Jahren als Grund für eine Präimplantationsdiagnostik zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird? Unter „Erbkrankheiten“ versteht man nach derzeitigem Kenntnisstand monogen bedingte Erkrankungen oder Chromosomenstörungen . Sofern wiederholte Fehlgeburten mit genetischer Ursache auf Chromosomenstörungen beruhen, liegt in diesen Fällen die Indikation nach § 3 a Abs. 2 Satz 1 ESchG vor. Ob bei wiederholten Fehlgeburten bei Frauen ab 38 Jahren die Indikation nach § 3 a Abs. 2 Satz 2 ESchG erfüllt ist, kann wegen der erforderlichen Einzelfallentscheidung (s. o.) nicht pauschal beantwortet werden. 5. Wie gestaltet sich die aktuelle Statistik zu Entscheidungen der Bayerischen Ethik-Kommission für Präimplantationsdiagnostik? Bisher sind von der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik 163 Anträge entschieden worden; 135 Anträge wurden zustimmend bewertet (Stand:14.12.2016). a) Werden die Fälle mit hohem Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit einschließlich der Auflistung der Erbkrankheiten und jeweiliger Entscheidung der Kommission (ob positives und negatives Votum) in einer Statistik dargestellt (bitte gegebenenfalls Statistik aufführen)? b) Werden Fälle mit schwerwiegender Schädigung des Embryos einschließlich der Auflistung der Gründe wie Chromosomenstörung, wiederholte Fehlgeburten mit genetischer Ursache und Alter der Frauen ab 38 Jahren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird, in einer Statistik dargestellt (bitte gegebenenfalls Statistik aufführen)? Nach § 9 Abs. 1 PIDV ist beim Paul-Ehrlich-Institut eine Zentralstelle eingerichtet, die entsprechende Statistiken führt. Hierfür müssen die zugelassenen PID-Zentren nach § 8 Abs. 2 und 3 PIDV dieser Zentralstelle die in § 8 Abs. 2 PIDV aufgezählten Daten jährlich nach Ablauf des Kalenderjahres, spätestens bis zum 1. März des folgenden Jahres, in anonymisierter Form übermitteln. Die Meldung umfasst die Anzahl der Anträge auf zustimmende Bewertung zur Durchführung einer PID, die Anzahl der nach zustimmender Bewertung durchgeführten PID, die Anzahl der abgelehnten Anträge auf zustimmende Bewertung zur Durchführung einer PID und die Anzahl des jeweiligen Begründungstyps der Indikationsstellung nach § 3 a Abs. 2 ESchG, untergliedert nach Chromosomenstörungen und autosomal-dominant, autosomal -rezessiv und geschlechtsgebunden erblichen Krankheiten , einschließlich der jeweiligen genetischen Untersuchungsmethoden , die bei Durchführung der PID angewendet wurden oder angewendet werden sollten. 6. Wie gestaltet sich in Bayern die Umsetzung der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Maßnahmen der assistierten Reproduktion? a) Werden alle Fördermöglichkeiten auch für unverheiratete Paare in Bayern genutzt? Bayern beteiligt sich derzeit nicht am Förderprogramm des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend . Die Frage der Ausgestaltung der Umsetzung bzw. der Nutzung der Fördermöglichkeiten stellt sich somit derzeit nicht.