Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 02.11.2016 Erkennbarkeit von zivilen Polizeibeamtinnen und -beamten Während des Amoklaufs am 22. Juli 2016 rund um das Olympiaeinkaufszentrum in München kursierten in den Medien Meldungen, es seien bis zu drei Attentäter in der Landeshauptstadt unterwegs. Für diese Nachricht, die sich letztendlich als Falschmeldung herausstellte, waren maßgeblich zivile Einsatzkräfte der bayerischen Polizei mitursächlich , die nicht als Polizistinnen erkennbar waren. Mit Schriftlicher Anfrage vom 4. August 2016 betreffend den Einsatz der Münchner Polizei am 22. Juli 2016 hatte ich die Staatsregierung gefragt, wie der Einsatz von Zivilpolizistinnen und -polizisten im Rahmen von potenziellen terroristischen Angriffen und Amokläufen geregelt ist (siehe Drs. 17/13129). Eine konkrete rechtliche Vorschrift dazu gebe es nicht, so die Antwort der Staatsregierung. Die Staatsregierung teilte lediglich mit, dass eine Entscheidung über den Einsatz sowohl von uniformierten als auch zivilen Polizisten „vom jeweiligen Polizeiführer lageangepasst“ getroffen werden würde. Des Weiteren bestünde allgemein bei potenziellen terroristischen Angriffen und Amokläufen der taktische Bedarf, insbesondere für verdeckte Maßnahmen, zivile Polizeibeamtinnen und -beamte einzusetzen, was in konzeptionellen Überlegungen der Präsidien der Bayerischen Polizei Niederschlag finden würde. Was die Staatsregierung nicht erwähnt: Gemäß der bundesweit gültigen Polizeidienstvorschrift 100 (PDV 100), die auf die Innenministerkonferenz zurückgeht, zählt zu den Einsatzgrundsätzen, die auch bei Amoktaten Anwendung finden, die Vorgaben des Leitfadens LF 371. Dort ist ausdrücklich geregelt, dass die Beamtinnen und Beamten für ihre Erkennbarkeit z. B. durch eine Signalweste sorgen sollen , falls sie zivile Bekleidung tragen. An anderer Stelle des LF 371 heißt es ergänzend, dass die Erkennbarkeit von Einsatzkräften in ziviler Bekleidung sicherzustellen ist. Darum frage ich die Staatsregierung: 1. Warum hat die Staatsregierung eine offenkundig unvollständige Antwort auf meine Schriftliche Anfrage vom 04.08.2016 erteilt, die nicht auf die PDV 100 eingeht? 2. Warum haben das zuständige Staatsministerium und die Einsatzkräfte der Bayerischen Polizei nicht nach der bundesweit abgestimmten Vorschrift der PDV 100 gehandelt, insbesondere während des Amoklaufs in München am 22. Juli 2016? 3. Wird in Zukunft nach den Vorgaben der PDV 100 zur Erkennbarkeit von Polizeibeamtinnen und -beamten in Zivilbekleidung agiert werden? 4. Gibt es landesspezifische bayerische Regelungen zur Erkennbarkeit von Polizeibeamtinnen und -beamten in Zivilbekleidung, wie zum Beispiel Führungs- und Einsatzanordnungen ? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 24.12.2016 Zu 1.: In der Schriftlichen Anfrage vom 4. August 2016 betreffend Einsatz der Münchner Polizei am 22. Juli 2016 lautete die Fragestellung zu 3.1: Wie ist der Einsatz von Zivilpolizist(inn)en im Rahmen von potenziellen terroristischen Angriffen und Amokläufen (zum Beispiel in konkreten Amtsanweisungen) geregelt? und die Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt: Zunächst ist anzumerken, dass in der Erstphase eines derartigen Einsatzes, welche zwangsläufig von einem hohen Kräftebedarf gekennzeichnet ist, sowohl alle zur Verfügung stehenden uniformierten als auch zivilen Polizeibeamten eingesetzt werden. Eine Entscheidung hinsichtlich der Kräftedisposition wird vom jeweiligen Polizeiführer lageangepasst getroffen. Des Weiteren besteht allgemein bei potenziellen terroristischen Angriffen und Amokläufen der taktische Bedarf, insbesondere für verdeckte Maßnahmen , zivile Polizeibeamte einzusetzen, was in konzeptionellen Überlegungen der Präsidien der Bayerischen Polizei Niederschlag findet. Auf die Drs. 17/13129 vom 18.11.2016 wird verwiesen. Ausweislich der Formulierung zielte die Fragestellung nicht explizit auf die Erkennbarkeit von Zivilkräften, sondern auf den generellen Einsatz von zivilen Kräften bei derartigen Lagen ab. Gleichwohl ist selbstverständlich die Thematik der Erkennbarkeit auch ein Aspekt des Einsatzes von Zivilkräften . Zu 2. bis 4.: Die Polizeidienstvorschrift (PDV) 100, welche aufgrund ihres polizeitaktischen Inhalts als „Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft ist, ist eine bundesweite Dienstvorschrift, die sich ausweislich ihrer Bezeichnung mit „Führung und Einsatz der Polizei“ befasst. Hier werden neben allgemeinen auch Aussagen zu speziellen Einsatzlagen und Einsatzgrundsätzen getroffen. Sie verweist dabei unter anderem auf die Notwendigkeit von einerseits der Erkennbarkeit von Zivilkräften und andererseits verdecktem Vorge- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 17.02.2017 17/14911 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/14911 hen. Hier ist, insbesondere unter Berücksichtigung der konkreten Einsatzsituation und damit einhergehend -taktik, eine Abwägung im Einzelfall erforderlich. Um welche Einsatzlage es sich handelt, ist in der Anfangsphase nur sehr schwer und manchmal, wie bei der Einsatzlage am 22. Juli 2016 in München, erst nach Stunden ersichtlich. Dies führt in der Nachbetrachtung zwangsläufig zu einer kenntnisreicheren Betrachtung, die so in der Einsatzlage selbst nicht oder noch nicht möglich war. Die Bayer. Polizei agiert grundsätzlich nach den Vorschriften der PDV 100, dennoch ist, insbesondere vor dem Hintergrund der hohen Dynamik und Komplexität derartiger Einsatzlagen, nicht auszuschließen, dass im Einzelfall gegebenenfalls vom Rahmen der PDV 100 abgewichen wurde. Taktische Bedürfnisse, insbesondere zur Abwehr drohender Gefahren für das Leben von Menschen, können im Einzelfall das Bedürfnis der Erkennbarkeit in den Hintergrund setzen.