17. Wahlperiode 23.03.2017 17/14979 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Klaus Adelt SPD vom 06.12.2016 Kommunale Daseinsvorsorge sozial denken I: Energiearmut in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Ist der Staatsregierung bekannt, wie häufig im letzten Jahr eine Stromsperre gegenüber Personenhaushalte in Bayern verhängt wurde (bitte aufgeschlüsselt nach Bezirken, Landkreisen und kreisfreien Städten)? 1.2 Ist der Staatsregierung bekannt, wie viel Stromsperren dabei pro tausend Einwohner verhängt wurden? 2.1 Hat die Staatsregierung eine Vermutung, auf welche Ursachen sich die Tatsache zurückführen lässt, dass Bürgerinnen und Bürger ihre Stromrechnungen nicht mehr bezahlen können? 2.2 Inwieweit spielt nicht ausreichend (energetisch) sanierter Wohnungsbau dabei eine Rolle? 3.1 Welche Möglichkeiten hat der Freistaat bzw. welche Fördermöglichkeiten gibt es in Bayern, um einkommensschwache Haushalte bei der Bewältigung ihrer Stromkosten zu unterstützen? 3.2 Welche Möglichkeiten haben Kommunen bzw. welche Fördermöglichkeiten gibt es, um einkommensschwache Haushalte bei der Bewältigung ihrer Stromkosten zu unterstützen ? 3.3 Welche Möglichkeiten hat der Freistaat bzw. welche Fördermöglichkeiten gibt es in Bayern, einkommensschwache Haushalte bei der Einsparung des Stromverbrauchs zu unterstützen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Antwort des Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie vom 12.01.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt beantwortet: 1.1 Ist der Staatsregierung bekannt, wie häufig im letzten Jahr eine Stromsperre gegenüber Personenhaushalten in Bayern verhängt wurde (bitte aufgeschlüsselt nach Bezirken, Landkreisen und kreisfreien Städten)? Nein. Für Bayern liegen diesbezüglich keine Daten vor. Deutschlandweit ging die Anzahl der Stromsperren laut Monitoringbericht von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt im Jahr 2015 auf 331.272 zurück (von 351.802 im Jahr 2014). 1.2 Ist der Staatsregierung bekannt, wie viel Stromsperren dabei pro tausend Einwohner verhängt wurden? Nein. Für Bayern liegen diesbezüglich keine Daten vor. Im bundesdeutschen Durchschnitt waren es im Jahr 2015 pro tausend Einwohner 4,03 Stromsperren. 2.1 Hat die Staatsregierung eine Vermutung, auf welche Ursachen sich die Tatsache zurückführen lässt, dass Bürgerinnen und Bürger ihre Stromrechnungen nicht mehr bezahlen können? Bayern geht es wirtschaftlich sehr gut. Und das kommt bei den Bürgerinnen und Bürgern an: Die Arbeitslosenquote in Bayern betrug im November 3,2 Prozent. Das ist ein historischer Tiefststand. In Bayern herrscht in vielen Regionen praktisch Vollbeschäftigung. Hinzu tritt das hohe Lohnniveau . Die Arbeitnehmer in Bayern haben mit rd. 34.500 Euro um 6 Prozent höhere durchschnittliche Bruttolöhne als im deutschlandweiten Durchschnitt. Bayern hat zudem mit nur 3,6 Prozent auch die niedrigste Quote von Hartz-IV-Empfängern in allen Ländern. In Deutschland ist die Quote mit 7,9 Prozent mehr als doppelt so hoch. Und nicht zuletzt hatte Bayern auch bei den Menschen, die mit einem niedrigen Einkommen zurechtkommen müssen (sog. Armutsgefährdungsquote = weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoäquivalenzeinkommens ), mit 11,6 Prozent im Jahr 2015 den niedrigsten Wert aller Länder. Ursache ist also nicht die wirtschaftliche Lage im Freistaat Bayern. Problem sind vielmehr die hohen Haushaltsstrompreise in Deutschland. Deutschland gehörte hier mit durchschnittlich 28,69 Ct/kWh auch im Jahr 2016 zu den drei europäischen Ländern mit den höchsten Haushaltsstrompreisen . Verursacht wird dieser hohe Wert nicht durch die Börsenstrompreise, sondern durch die staatlichen Abga- Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/14979 ben und Umlagen. Hier ist insbesondere die EEG-Umlage (EEG = Erneuerbare-Energien-Gesetz) zu nennen, die mit 6,35 Ct/kWh im Jahr 2016 höher lag als der Preisanteil für Stromerzeugung und Vertrieb (6,11 Ct/kWh). Im Jahr 2017 steigt die EEG-Umlage auf 6,88 Ct/kWh und auch in den Folgejahren ist mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. Hier muss der Bund im Interesse des Wirtschaftsstandorts , aber vor allem auch aus sozialpolitischen Gründen gegensteuern . Ein von Bayern gefordertes Gesamtkonzept für eine Strompreisbremse hat das zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) bislang nicht verfolgt, auch mit der Begründung, man sehe hierfür keine wirkliche Veranlassung. Deshalb hat die Bayerische Staatsministerin für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie Ilse Aigner nicht nur einen kurzfristig umsetzbaren Vorschlag zur dauerhaften Begrenzung der EEG-Umlage über einen sog. Streckungsfonds gemacht, sondern darüber hinaus einen Beschluss der Wirtschaftsministerkonferenz erwirkt, mit dem der Bundesminister für Wirtschaft und Energie Sigmar Gabriel aufgefordert wird, ein wirksames Gesamtkonzept für eine Begrenzung des Strompreises zu erarbeiten. Die Umgestaltung der Förderung der erneuerbaren Energien zu mehr Markt- und Systemintegration und damit hin zu sinkenden Kosten sowie einer gerechteren Kostenverteilung nach Angebot und Nachfrage ist und bleibt für die Staatsregierung eine der wichtigsten Herausforderungen der nächsten Monate, um die Energiewende weiterhin erfolgreich zu gestalten . 2.2 Inwieweit spielt nicht ausreichend (energetisch) sanierter Wohnungsbau dabei eine Rolle? Die Möglichkeiten einer Stromeinsparung durch die Sanierung von Wohngebäuden dürfen nicht überschätzt werden. Der Anteil des Heizstromverbrauchs (z. B. Elektrospeicherheizungen /Nachtspeicherheizungen) beträgt bundesweit nur 12 Prozent des Stromverbrauchs der privaten Haushalte . Die größeren und einfacher umsetzbaren Einsparpotenziale bei den privaten Haushalten liegen im Bereich von (beweglichen ) Elektrogeräten (Warmwasserbereitung, Haushalt , Kommunikation). 3.1 Welche Möglichkeiten hat der Freistaat bzw. welche Fördermöglichkeiten gibt es in Bayern, um einkommensschwache Haushalte bei der Bewältigung ihrer Stromkosten zu unterstützen? Der Freistaat Bayern fördert keine konkret auf die Bezahlung der Stromkosten bezogenen Maßnahmen. Die Bürgerinnen und Bürger profitieren jedoch von der allgemeinen guten wirtschaftlichen Lage Bayerns. Außerdem setzt sich der Freistaat Bayern gegenüber dem BMWidafür ein, die Gesetzgebungskompetenz des Bundes in diesem Bereich stärker dazu zu nutzen, Maßnahmen zur Begrenzung der staatlich veranlassten Anteile an den Strompreisen durchzuführen. 3.2 Welche Möglichkeiten haben Kommunen bzw. welche Fördermöglichkeiten gibt es, um einkommensschwache Haushalte bei der Bewältigung ihrer Stromkosten zu unterstützen? Für Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II – Grundsicherung für Arbeitsuchende) und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII – Sozialhilfe) gilt grundsätzlich, dass für leistungsberechtigte Personen der notwendige Bedarf für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie (ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile) sowie für persönliche Bedürfnisse einschließlich Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft durch den Regelbedarf abgegolten wird. Zusätzlich werden Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe übernommen, soweit sie nicht unangemessen sind. Aus dieser gesetzlichen Systematik ergibt sich, dass Stromkosten, soweit diese nicht auf Heizung bzw. Erzeugung von Warmwasser entfallen, grundsätzlich aus dem Regelsatz zu bestreiten sind. Die Bemessung des Regelsatzes erfolgt anhand statistisch erfasster Verbrauchsangaben unterer Einkommensgruppen. Kostensteigerungen bei Strom werden somit mit gewissem zeitlichen Verzug berücksichtigt. Sofern Energieschulden bestehen, kann außerdem der zuständige Leistungsträger bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen diese Schulden übernehmen (vgl. §§ 22 Abs. 8 SGB II, 36 Abs. 1 SGB XII). Eine Schuldenübernahme erfolgt im Regelfall auf Darlehensbasis. 3.3 Welche Möglichkeiten hat der Freistaat bzw. welche Fördermöglichkeiten gibt es in Bayern, einkommensschwache Haushalte bei der Einsparung des Stromverbrauchs zu unterstützen? In Bayern gibt es eine Vielzahl von – teilweise vom Freistaat geförderten Angeboten – zur Information und Beratung (u.a. Energieagenturen, Kommunen, Messen, Broschüren) für die Verbraucher. Der Bund unterstützt zusätzliche Angebote : Stromsparchecks, Förderung des Austauschs von Kühlschränken , kostenlose Beratungsangebote und -initiativen. Die umzusetzenden Maßnahmen sind oft geringinvestiv (z. B. Steckerleiste, LED-Beleuchtung) oder – vor allem im Zuge eines anstehenden Gerätetauschs – schnell amortisierend .