17. Wahlperiode 23.03.2017 17/14982 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ludwig Hartmann, Ulrich Leiner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 12.12.2016 Qualitätskontrolle bei individuell hergestellten Krebsmedikamenten in Apotheken Ein Apotheker aus Bottrop steht im Verdacht, jahrelang massenhaft Krebsmedikamente beim Zusammenmischen zu niedrig dosiert zu haben, die zuständige Staatsanwaltschaft ermittelt bereits. Er soll in mindestens 40.000 Fällen Infusionen zur Krebsimmuntherapie abweichend von den individuellen ärztlichen Verordnungen zu gering dosiert haben . Dabei habe er auch gegen diverse Rechtsvorschriften verstoßen und womöglich viele Patient(innen) gefährdet. Auch den Krankenkassen ist ein finanzieller Schaden entstanden . Viele Krebspatient(innen) auch in Bayern sind jetzt verunsichert. Wir fragen die Staatsregierung, ob ihr Kenntnisse zu folgenden Fragen vorliegen: 1. Wie viele Apotheken in Bayern stellen spezielle Krebsarzneimittel wie Infusionen zur Behandlung von Krebserkrankungen individuell her bzw. mischen diese selbst? a) Wer ist für die Qualitätskontrolle dieser individuellen Medikamentenherstellung in den unter 1. genannten Apotheken im Freistaat zuständig? b) Was beinhaltet diese Qualitätskontrolle genau? c) Auf welche Rechtsgrundlage beziehen sich die Kontrollen der zuständigen Behörden? 2. Wie oft wurden bei den unter 1. genannten Apotheken in den letzten fünf Jahren Kontrollen durch die zuständigen Behörden durchgeführt (jährlich, einzeln nach Apotheke aufgeschlüsselt, oder wenn dies nicht möglich ist, dann im jährlichen Durchschnitt)? a) In welchen Abständen sollten diese Apotheken nach den rechtlichen Vorgaben der Arzneimittelüberwachung daraufhin überprüft werden, ob die Medikamente die verschriebenen Wirkstoffe in der richtigen Dosierung enthalten? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. b) In welchen Abständen fanden diese Kontrollen in den letzten fünf Jahren statt (jährlich aufgeschlüsselt , je nach Onkologie-Schwerpunktapotheke, oder wenn dies nicht möglich ist, dann im jährlichen Durchschnitt )? 3. Wie werden diese individuell zusammengestellten Medikamente auf eine korrekte Dosierung der verschriebenen Wirkstoffe überprüft? a) Wie werden diese individuell zusammengestellten Medikamente auf eine korrekte Lagerung und auf ihre Haltbarkeit überprüft? b) Wie viel Personal stand den Kontrollbehörden in den letzten fünf Jahren speziell für die Überprüfung von individuellen Medikamentenmischungen zur Verfügung (bitte nach Behörde jährlich aufschlüsseln)? 4. Wie viele dieser individuell zusammengestellten Medikamentenmischungen werden von den Onkologie -Schwerpunktapotheken in Bayern jährlich an Patient(innen) und Patienten gegeben (bitte jährliche Zahlen der letzten fünf Jahre angeben)? 5. Gab es im Zuge der Qualitätskontrollen individuell hergestellter Medikamente in den letzten fünf Jahren im Freistaat Auffälligkeiten? a) Wenn ja, wo? b) Was wurde genau bemängelt und gegen welche Rechtsvorschriften wurde verstoßen? c) Wurden diese strafrechtlich verfolgt? 6. Wohin können sich Ärztinnen/Ärzte oder Patient(inn) en wenden, wenn sie einen Verdachtsfall bezüglich nicht korrekt dosierten, über die Haltbarkeit hinaus verwendeten oder falsch gelagerten individuell zusammengestellten Medikamenten haben? a) Wie häufig gab es in den letzten fünf Jahren Beschwerden über nicht korrekt dosierte, über die Haltbarkeit hinaus verwendete oder falsch gelagerte individuell zusammengestellte Medikamente seitens Ärztinnen/ Ärzten, Patient(inn)en, Verbänden usw. beim Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) oder untergeordneten Behörden? b) Wie wurde diesen Beschwerden von behördlicher Seite in den konkreten Fällen nachgegangen? Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/14982 Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 10.01.2017 Vorbemerkung der Staatsregierung: Patientenindividuelle Zubereitungen in der Onkologie (z. B. Zytostatika oder Antikörperlösungen) zur zeitnahen Applikation werden in der Regel auf Verschreibung durch den Arzt in spezialisierten aber trotzdem meist ortsnahen Apotheken unter aseptischen Bedingungen (im Reinraum) hergestellt. Patientenindividuelle Zubereitungen in der Onkologie können arzneimittel- und apothekenrechtlich auch in Krankenhausapotheken oder bei Lohnherstellern mit einer Herstellungserlaubnis nach § 13 des Arzneimittelgesetzes (AMG) im Auftrag von Apotheken aus Fertigarzneimitteln hergestellt werden. Die speziellen Anforderungen an die aseptische Herstellung von Arzneimitteln müssen in allen Fällen erfüllt werden. Die Abgabe patientenindividueller Zubereitungen ist aber nur öffentlichen Apotheken gestattet. Als Ausnahme des Absprache- und Zuweisungsverbots im § 11 Abs. 1 des Apothekengesetzes (ApoG) kann die Abgabe aber nicht nur an den Patienten selbst, sondern auch an den behandelnden Arzt direkt erfolgen (§ 11 Abs. 2 ApoG). In jedem Fall trägt der abgebende Apotheker die Verantwortung für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von rezepturmäßig hergestellten Arzneimitteln. Im Fall einer Lohnherstellung muss das im Herstellungsbetrieb gefertigte Arzneimittel die abgebende Apotheke zur Prüfung (z. B. Plausibilitätskontrolle) körperlich durchlaufen. Der abgebende Apotheker trägt auch die Verantwortung für die Information und Beratung des behandelnden Arztes (§ 11a Abs. 2 Satz 3 der Apothekenbetriebsordnung – ApBetrO). Die Verantwortlichkeiten sind in einem schriftlichen Vertrag klar festzulegen. Für die hier in Rede stehende Herstellung in öffentlichen Apotheken wurden 2012 mit der Einfügung des neuen § 35 (Herstellung von Arzneimitteln zur parenteralen Anwendung ) in die Apothekenbetriebsordnung die Anforderungen spezifiziert und verschärft, insbesondere hinsichtlich des Einsatzes qualifizierten Personals und adäquater Räumlichkeiten , einer geeigneten Ausstattung für die Herstellung, validierter Verfahren für alle kritischen Herstellungsschritte und der Aufzeichnung der Umgebungskontaminationen sowie der Inprozesskontrollen. Die ebenfalls neu geforderte Plausibilitätsprüfung der ärztlichen Verordnung muss insbesondere auch patientenindividuelle Faktoren sowie die Regeldosierung und die daraus möglicherweise resultierende individuelle Dosis beinhalten . Insbesondere muss die Herstellungsanweisung auch eine Kontrolle der Berechnungen, der Einwaagen und der einzusetzenden Ausgangsstoffe durch eine zweite Person oder durch validierte elektronische Verfahren vorsehen. Jede einzelne Herstellung ist ausführlich zu dokumentieren. 1. Wie viele Apotheken in Bayern stellen spezielle Krebsarzneimittel wie Infusionen zur Behandlung von Krebserkrankungen individuell her bzw. mischen diese selbst? Das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege führt zur Zahl der Apotheken, die patientenindividuelle Zubereitungen für Krebspatienten selbst herstellen, keine eigene Statistik. Die aktuelle Abfrage der ehrenamtlichen Pharmazieräte in Bayern zu den im jeweiligen Zuständigkeitsbereich ansässigen Apotheken erbrachte im Ergebnis derzeit 45 Apotheken in Bayern, die patientenindividuelle Zubereitungen für Krebspatienten selbst herstellen. a) Wer ist für die Qualitätskontrolle dieser individuellen Medikamentenherstellung in den unter 1. genannten Apotheken im Freistaat zuständig? b) Was beinhaltet diese Qualitätskontrolle genau? c) Auf welche Rechtsgrundlage beziehen sich die Kontrollen der zuständigen Behörden? Gemäß § 2 Abs. 2 der Arzneimittelüberwachungszuständigkeitsverordnung (ZustVAMÜB) vom 8. September 2013 (GVBl S. 586, BayRS 2121-2-1-1-G), die durch § 1 Nr. 157 der Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286) geändert worden ist, sind die Kreisverwaltungsbehörden zuständig für die arzneimittelrechtliche Überwachung und die Entgegennahme der Anzeigen nach § 67 Abs. 5 AMG bei öffentlichen Apotheken, soweit deren Betrieb nicht der Herstellungserlaubnispflicht nach § 13 AMG und /oder nicht der Großhandelserlaubnispflicht nach § 52a AMG unterliegt. Die Kreisverwaltungsbehörden sind gemäß § 3 Abs. 1 ZustVAMÜB auch zuständig für den Vollzug des Apothekengesetzes (ApoG), sowie der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), soweit sich nicht aus Abs. 2 und 3 ZustVAMÜB etwas anderes ergibt. Sie bedienen sich hierbei der Pharmazieräte nach Art. 5 Abs. 5 des Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetzes (GDVG). Gemäß der Bekanntmachung des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 7. Januar 2016 (Az. 34- G8623.6-2015/1-8) zum Vollzug arzneimittel- und apothekenrechtlicher Vorschriften bei öffentlichen Apotheken hat die zuständige Behörde unter besonderer Berücksichtigung möglicher Risiken in angemessenen Zeitabständen und in angemessenem Umfang sowie erforderlichenfalls auch unangemeldet Inspektionen durchzuführen und wirksame Folgemaßnahmen festzulegen. Die Apotheken sind in der Regel alle zwei Jahre vor Ort zu besichtigen. In Abhängigkeit insbesondere von der Größe der Apotheke, vom Umfang der Tätigkeiten (Versandhandel , Krankenhausversorgung, Heimversorgung, patientenindividuelle Verblisterung, patientenindividuelle Parenteraliaherstellung), von im Rahmen bisher durchgeführter Besichtigungen festgestellten Abweichungen, von bisherigen Erkenntnissen zur Zuverlässigkeit der Apothekenleitung sowie zur Funktionalität des Qualitätsmanagementsystems kann die Häufigkeit der Besichtigungen erhöht oder das Zeitintervall zwischen den Besichtigungen ausgedehnt werden. Die Besichtigung dient der Überprüfung der formellen, personellen, räumlichen, einrichtungsbezogenen und organisatorischen Bedingungen, unter denen das Betreiben von Apotheken statthaft ist, und bezieht sich in der Regel auf den gesamten Betrieb, d. h. alle Betriebsräume, auch außerhalb der Raumeinheit. Die Pharmazierät(innen) und Pharmazieräte werden im Rahmen der Zuständigkeit der Kreisverwaltungsbehörde tätig, für die sie Sachverständige sind. Die zuständige Behörde hat auch Arzneimittelproben amtlich untersuchen zu lassen. Im Rahmen der Überwachung können Proben aus dem Haupt- und Nebensortiment sowie von Werbematerial gezogen werden. Bei der Probenahme kann zwischen Verdachts- Drucksache 17/14982 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 und Beschwerdeproben sowie Planproben im Rahmen eines Probenplans unterschieden werden. Neben Fertigarzneimitteln können insbesondere Arzneimittel aus eigener Herstellung (Rezeptur, Defektur), von Lohnherstellern (im Rahmen des § 21 Abs. 2 Nr. 1b AMG oder § 11 Abs. 3 ApoG) für Apotheken hergestellte Arzneimittel sowie deren Ausgangsstoffe und Zwischenprodukte als Proben gezogen werden, um diese entsprechend § 64 Abs. 3 Satz 3 AMG amtlich untersuchen zu lassen. Die Proben sind an das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) einzusenden. Insgesamt handelt es sich bei der Arzneimittel- und Apothekenüberwachung um stichprobenartige Überprüfungen der formellen, personellen, räumlichen, einrichtungsbezogenen und organisatorischen Bedingungen. 2. Wie oft wurden bei den unter 1. genannten Apotheken in den letzten fünf Jahren Kontrollen durch die zuständigen Behörden durchgeführt (jährlich, einzeln nach Apotheke aufgeschlüsselt, oder wenn dies nicht möglich ist, dann im jährlichen Durchschnitt )? Das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege führt zur Zahl der Kontrollen der Apotheken, die patientenindividuelle Zubereitungen für Krebspatienten selbst herstellen, keine eigene Statistik. Diese Apotheken sind aber, wie alle öffentlichen Apotheken in Bayern, in der Regel alle zwei Jahre vor Ort zu besichtigen. Die von den sonstigen Apothekenbetriebsräumen durch Schleusen abzutrennenden Herstellungsräume für die aseptische Herstellung patientenindividueller Zubereitungen (für die zudem eine Raumeinheit mit den sonstigen Apothekenbetriebsräumen nicht gefordert ist) werden meist in gesonderten Inspektionen besichtigt. Unter den ehrenamtlichen Pharmazieräten in Bayern wurde zu den Kontrollintervallen der im jeweiligen Zuständigkeitsbereich ansässigen Apotheken, die patientenindividuelle Zubereitungen für Krebspatienten selbst herstellen, eine Abfrage durchgeführt. Nach den bislang eingegangenen Antworten wurden o. g. Apothekenbereiche in den letzten 5 Jahren im Rahmen der Regelüberwachung alle 3 Jahre inspiziert. Zusätzliche Abnahmeinspektionen neuer Räume und Einrichtungen für die aseptische Herstellung patientenindividueller Zubereitungen werden in der Regel durch hauptamtliche Sachverständige der Regierungen von Oberbayern bzw. Oberfranken unterstützt. Falls erforderlich werden diese auch bei anlassbezogenen Kontrollen hinzugezogen. a) In welchen Abständen sollten diese Apotheken nach den rechtlichen Vorgaben der Arzneimittelüberwachung daraufhin überprüft werden, ob die Medikamente die verschriebenen Wirkstoffe in der richtigen Dosierung enthalten? Gemäß § 5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Arzneimittelgesetzes (AMGVwV) stellen die für die Arzneimittelüberwachung und -untersuchung zuständigen Behörden einen Probenplan auf, der die routinemäßige Probenahme (Planprobe) sowie die besondere Probenahme (Schwerpunktprobe) von Arzneimitteln, Wirkstoffen und anderen Stoffen regelt. Dabei ist bei zugelassenen Fertigarzneimitteln eine Untersuchung alle fünf Jahre, bei neu zugelassenen Arzneimitteln im ersten Jahr nach der Zulassung anzustreben. Für die Untersuchung patientenindividuell hergestellter Arzneimittel ist weder arzneimittel- noch apothekenrechtlich ein analoges Intervall vorgesehen (siehe auch Antwort zu Frage 3). b) In welchen Abständen fanden diese Kontrollen in den letzten fünf Jahren statt (jährlich aufgeschlüsselt , je nach Onkologie-Schwerpunktapotheke, oder wenn dies nicht möglich ist, dann im jährlichen Durchschnitt)? In Bayern fand bisher keine systematische analytische Untersuchung von patientenindividuell zubereiteten Zytostatikalösungen aus öffentlichen Apotheken statt (siehe auch Antwort zu Frage 5.). 3. Wie werden diese individuell zusammengestellten Medikamente auf eine korrekte Dosierung der verschriebenen Wirkstoffe überprüft? Bei patientenindividuell hergestellten Zubereitungen in Apotheken („Rezepturen“) muss die Qualität durch das Herstellungsverfahren gewährleistet sein. Deshalb sind gemäß § 7 ApBetrO Rezepturarzneimittel nach einer vorher erstellten schriftlichen Herstellungsanweisung herzustellen, die Anforderung über die Herstellung von einem Apotheker auf Plausibilität zu prüfen und die Herstellung von der herstellenden Person zu dokumentieren. Es kann dann von einer analytischen Prüfung abgesehen werden, sofern die Qualität des Arzneimittels durch das Herstellungsverfahren , die organoleptische Prüfung des fertig hergestellten Arzneimittels und, soweit vorgesehen, durch die Ergebnisse der Inprozesskontrollen gewährleistet ist. Eine analytische Überprüfung dieser Rezepturen, in Analogie zur Chargenfreigabe bei der industriellen Herstellung, wird also gemäß § 7 ApBetrO nicht gefordert und ist meist ohne eine Schädigung, wenn nicht sogar Zerstörung des Produktes auch nicht durchführbar. Folge einer regelmäßigen analytischen Prüfung vor der Anwendung wäre oft, dass die patientenindividuellen Arzneimittel nicht mehr oder nicht mehr rechtzeitig (z. B. dauert die Prüfung auf Sterilität mehrere Tage) für den Patienten zur Verfügung stehen. Die Bildung von Rückstellmustern, die mindestens ein Jahr über den Ablauf des Verfalldatums hinaus aufbewahrt werden müssen, ist gemäß § 18 der Arzneimittelund Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV) zwar von jeder Charge eines Fertigarzneimittels in ausreichender Menge zum Zwecke einer gegebenenfalls erforderlichen analytischen Nachtestung und zum Nachweis der Kennzeichnung einschließlich der Packungsbeilage gefordert. Der Bundesgesetzgeber hat eine analoge Bildung von Rückstellmustern für patientenindividuelle Rezepturen aber nicht vorgesehen. Die bundesrechtlichen Regelungen sehen auch aus Gründen der Finanzierbarkeit (Kühllagerung, Lagerkapazität ) und wegen der meist kurzen Haltbarkeit der patientenindividuellen Zubereitungen keine Vorschrift zur Bildung von Rückstellmustern jeder einzelnen patientenindividuellen Zubereitung für eine eventuelle spätere Untersuchungsmöglichkeit vor. a) Wie werden diese individuell zusammengestellten Medikamente auf eine korrekte Lagerung und auf ihre Haltbarkeit überprüft? Die Herstellung patientenindividueller Zubereitungen in der Onkologie auf patientenindividuelle Verschreibung erfolgt Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/14982 fast immer aus in Deutschland zugelassenen Fertigarzneimitteln . Die patientenindividuellen Zubereitungen sind meist für den sofortigen oder kurzfristigen Verbrauch bestimmt. In den Gebrauchs- und Fachinformationen der zugelassenen Fertigarzneimittel werden oft die Lagerungs- und Haltbarkeitshinweise aufgeführt. Aufbrauchfristen patientenindividueller Zubereitungen in der Onkologie, die von ggf. vorhandenen Angaben des Zulassungsinhabers abweichen, bedürfen einer Bewertung durch die abgebende Apotheke in jedem Einzelfall. Der abgebende Apotheker haftet für die Qualität des abgegebenen Arzneimittels und muss die Festlegung aufgrund eigener Erkenntnisse (Stabilitätsdaten) oder anhand des aktuellen Standes von Wissenschaft und Technik (anerkannte Publikationen, sonstige Herstellerangaben) treffen. Bei der Apothekenbesichtigung wird dies (anhand der Dokumentation) überprüft. b) Wie viel Personal stand den Kontrollbehörden in den letzten fünf Jahren speziell für die Überprüfung von individuellen Medikamentenmischungen zur Verfügung (bitte nach Behörde jährlich aufschlüsseln )? Die Überwachung der Herstellung von „individuellen Medikamentenmischungen “ erfolgt bei Apotheken, Krankenhausapotheken und Herstellern mit Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG im Rahmen der Routineüberwachung und nicht durch gesondert ausgewiesenes Personal. Bei der Regierung von Oberbayern sind derzeit für die Überwachung der öffentlichen Apotheken in Oberbayern, Niederbayern, Schwaben und der Oberpfalz 15 ehrenamtliche Pharmazieräte ernannt, bei der Regierung von Oberfranken sind derzeit für die Überwachung der Apotheken in Ober-, Mittelund Unterfranken 7 ehrenamtliche Pharmazieräte ernannt. Sofern spezielle Sachkenntnisse erforderlich sind, die die ehrenamtlichen Pharmazieräte nicht besitzen, werden hauptamtliche Sachverständige der Regierungen von Oberbayern bzw. Oberfranken (vgl. Antwort zu Frage 2. hinzugezogen. 4. Wie viele dieser individuell zusammengestellten Medikamentenmischungen werden von den Onkologie -Schwerpunktapotheken in Bayern jährlich an Patient(innen) und Patienten gegeben (bitte jährliche Zahlen der letzten fünf Jahre angeben)? Dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege liegen keine Daten über die jährliche Anzahl „individuell zusammengestellter Medikamentenmischungen“, die von den Onkologie-Schwerpunktapotheken in Bayern abgegeben werden, vor. Unter den ehrenamtlichen Pharmazieräten in Bayern wurde zu der Anzahl der von dem im jeweiligen Zuständigkeitsbereich ansässigen Apotheken abgegebenen patientenindividuellen Zubereitungen für Krebspatienten eine Abfrage durchgeführt. Nach den bislang eingegangenen Antworten werden auf die o. g. 45 Apotheken hochgerechnet in Bayern ca. 345.000 patientenindividuelle Zytostatikazubereitungen und sonstige parenterale Lösungen pro Jahr hergestellt und abgegeben. Eine Aufschlüsselung nach jährlichen Zahlen der letzten fünf Jahre kann den Antworten nicht entnommen werden. Es besteht auch keine Verpflichtung für Apotheken, die Zahl der Herstellungen bzw. Anzahl der Herstellungsprotokolle nach der Art aufzusummieren. Nach Schätzungen der Arzneimitteluntersuchungsstelle des Landeszentrums Gesundheit Nordrhein-Westfalen (LZG.NRW) kann man von mehr als 3 Mio. patientenindividuellen Zubereitungen in der Onkologie ausgehen, die pro Jahr in deutschen Krankenhaus- und öffentlichen Apotheken hergestellt werden. Jährliche Daten der letzten fünf Jahre zu Verordnungszahlen von patientenindividuellen Zytostatika-Zubereitungen und sonstigen parenteralen Lösungen in Deutschland zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) können dem jeweiligen Arzneiverordnungs-Report des Folgejahres entnommen werden. Der Arzneiverordnungs-Report über die vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Arzneiverordnungen steht unter der Herausgeberschaft des Heidelberger Pharmakologen Prof. Dr. U. Schwabe und des Ökonomen Dr. D. Paffrath. Eine Aufschlüsselung nach Bundesländern wird nicht vorgenommen. Privatärztliche Verordnungen werden an dieser Stelle nicht erfasst. Quelle: Arzneiverordnungs- Report, (Ausgabejahr) 2012 2013 2014 2015 2016 Verordnungen im Jahr jeweils GKV 2011 2012 2013 2014 2015 Zytostatika-Zubereitungen (Mio.) 2,3 2,3 2,3 2,4 2,4 Individuell hergestellte parenterale Lösungen (Mio.) 1,0 1,0 1,0 1,1 1,1 darunter: mit monoklonalen Antikörpern (Mio.) 0,5 0,6 0,6 0,6 0,6 5. Gab es im Zuge der Qualitätskontrollen individuell hergestellter Medikamente in den letzten fünf Jahren im Freistaat Auffälligkeiten? a) Wenn ja, wo? b) Was wurde genau bemängelt und gegen welche Rechtsvorschriften wurde verstoßen? c) Wurden diese strafrechtlich verfolgt? In den letzten fünf Jahren lagen dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) keine Proben von patientenindividuell hergestellten Zubereitungen in der Onkologie vor. Dementsprechend liegen dem LGL auch keine Hinweise über Auffälligkeiten, Mängel, Verstoße gegenüber Rechtsvorschriften bzw. sich daraus ergebende strafrechtliche Verfolgungen vor. Die Abfrage der ehrenamtlichen Pharmazierät(innen) und Pharmazieräte ergab keine Feststellungen über diesbezügliche Auffälligkeiten oder Beschwerden in den letzten 5 Jahren. 6. Wohin können sich Ärztinnen/Ärzte oder Patient (inn)en wenden, wenn sie einen Verdachtsfall bezüglich nicht korrekt dosierten, über die Haltbarkeit hinaus verwendeten oder falsch gelagerten individuell zusammengestellten Medikamenten haben? Gemäß der Bekanntmachung des Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit vom 10. September 2013 (Az.: 34g-G8622.3-2005/86-28) über Informationswege und Maßnahmen bei Arzneimittelzwischenfällen sind Arzneimittelzwischenfälle , deren Folge eine akute gesundheitliche Gefährdung der Allgemeinheit oder bestimmter Personen sein kann, bei Bekanntwerden der örtlich zuständigen Behörde (Regierung von Oberbayern für die Regierungsbezirke Niederbayern, Oberbayern und Schwaben und die Regierung von Oberfranken für die Regierungsbezirke Mit- Drucksache 17/14982 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 telfranken, Oberfranken, Unterfranken und Oberpfalz) unverzüglich telefonisch und zusätzlich per E-Mail oder Telefax mitzuteilen. Andere Vorschriften, insbesondere zur Mitteilung von Arzneimittelrisiken nach den Berufsordnungen der Heilberufekammern sowie die Mitteilungspflichten nach dem Arzneimittelgesetz, der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung und der Apothekenbetriebsordnung, bleiben unberührt. Patient(innen) und Patienten, Bürgerinnen und Bürger können dieselben Meldewege nutzen. a) Wie häufig gab es in den letzten fünf Jahren Beschwerden über nicht korrekt dosierte, über die Haltbarkeit hinaus verwendete oder falsch gelagerte individuell zusammengestellte Medikamente seitens Ärzt(inn)en, Patient(inn)en, Verbänden usw. beim Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) oder untergeordneten Behörden? Beschwerden über nicht korrekt dosierte, über die Haltbarkeit bzw. Aufbrauchfrist hinaus verwendete oder falsch gelagerte patientenindividuell hergestellte Zubereitungen in der Onkologie aus den letzten fünf Jahren liegen dem LGL nicht vor. b) Wie wurde diesen Beschwerden von behördlicher Seite in den konkreten Fällen nachgegangen? Selbst bei Vorliegen von unter a) benannten Beschwerden könnten zu deren Verfolgung keine Aussagen getroffen werden. Eine Auswertung der Beschwerden nach den Ursachen erfolgt nicht. Grundsätzlich gilt jedoch Folgendes: Hat die Besichtigung Mängel ergeben, ordnet die Kreisverwaltungsbehörde an, dass die Mängel innerhalb einer zu bestimmenden Frist zu beheben sind. Liegen schwere Mängel (grobe oder beharrliche Verstöße insbesondere gegen einschlägige Bestimmungen des Arzneimittel- und Apothekenrechts) vor, ordnet die Kreisverwaltungsbehörde eine kostenpflichtige Nachbesichtigung durch die Pharmazierätin oder den Pharmazierat an. In Abhängigkeit von der Bedeutung der abzustellenden Abweichungen, dem von diesen Abweichungen ausgehenden Risiko und gegebenenfalls einer für deren Beseitigung gewährten Frist soll die Nachbesichtigung nach Ablauf der zur Beseitigung der Mängel gesetzten Frist oder innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten durchgeführt werden. Die Nachbesichtigung des Betriebs soll sicherstellen, dass die im Zusammenhang mit einer vorausgegangenen Besichtigung getroffenen mündlichen oder schriftlichen Anordnungen umgesetzt werden. Wurden die Anordnungen nicht umgesetzt oder ergeben sich bei der Nachbesichtigung weitere erhebliche Mängel, so hat die Kreisverwaltungsbehörde, falls nicht die Schließung der Apotheke oder der Widerruf der Betriebserlaubnis angezeigt ist, eine weitere kostenpflichtige Nachbesichtigung anzuordnen. Ergibt sich bei der Überwachung der Verdacht einer Straftat, so ist die Sache von der zuständigen Behörde der Staatsanwaltschaft zuzuleiten. Dies gilt auch, wenn eine Ordnungswidrigkeit mit einer Straftat zusammentrifft oder Zweifel darüber bestehen, ob die Handlung eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit ist.