Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 15.12.2016 Ein Jahr Antisalafismusnetzwerk: Wo steht das Bayerische Präventions- und Deradikalisierungsnetzwerk gegen Salafismus? Vor einem Jahr hat die Staatsregierung das Bayerische Präventions- und Deradikalisierungsnetzwerk gegen Salafismus gegründet. Darum frage ich die Staatsregierung: 1. Welche Maßnahmen hat das Netzwerk gegen Salafismus bereits in die Praxis umgesetzt (einzelne Angebote in den Teilbereichen Prävention, Deradikalisierung, etc. bitte detailliert auflisten und die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bzw. der erreichten Personen angeben)? 2.1 Wie bewertet die Staatsregierung die Finanz- und Personalausstattung des Netzwerks gegen Salafismus und der daran beteiligten öffentlichen Stellen und zivilgesellschaftlichen Träger? 2.2 Stehen der Fachstelle zur Prävention religiös begründeter Radikalisierung des Vereins Ufuq e.V. genügend Personal und öffentliche Finanzmittel zur Verfügung, um die übernommenen Aufgaben zu erfüllen? 2.3 Stehen der Beratungsstelle Bayern des Violence Prevention Network e.V. genügend Personal und öffentliche Finanzmittel zur Verfügung, um die übernommenen Aufgaben zu erfüllen? 3. Wie bewertet die Staatsregierung die Abstimmung und den Informationsaustausch zwischen den am Netzwerk beteiligten Stellen, insbesondere ressortübergreifend zwischen den beteiligten Staatsministerien? 4.1 Mit wie vielen Deradikalisierungsfällen war die Beratungsstelle Bayern des Violence Prevention Network seit ihrer Gründung befasst (bitte nach Monaten aufschlüsseln )? 4.2 Wie erfolgreich war bislang die Arbeit der Beratungsstelle Bayern des Violence Prevention Network, insbesondere gemessen daran, ob sich Betroffene vom Salafismus abgewandt haben? 5.1 Wie gedenkt die Staatsregierung den Bekanntheitsgrad der Beratungsstellen des Netzwerks in der Öffentlichkeit zu steigern? 5.2 Warum wird die neue Webseite des Netzwerks (www. antworten-auf-salafismus.de) ausschließlich in deutscher Sprache angeboten, nicht aber auch in bestimmten Fremdsprachen (Türkisch, Arabisch, etc.), um zum Beispiel auch Eltern von Betroffenen anzusprechen, die nicht oder nicht gut deutsch sprechen? 5.3 Warum ist die Telefonhotline der Beratungsstelle Bayern des Violence Prevention Network e.V. bislang nicht werktäglich nach 16 Uhr und nicht am Wochenende erreichbar? 6.1 In welchem Umfang wenden sich Angehörige von Betroffenen an das Präventions- und Deradikalisierungsnetzwerk , insbesondere im Bereich Deradikalisierung? 6.2 Bietet das Netzwerk besondere Präventions- und Deradikalisierungsangebote für Frauen und Mädchen an (bitte detailliert die Angebote darlegen)? 6.3 Wie gedenkt die Staatsregierung auch gleichaltrige Freunde und Bekannte der Betroffenen dazu zu bewegen , sich mit ihren Informationen zu möglichen Radikalisierungsfällen an das Präventions- und Deradikalisierungsnetzwerk zu wenden? 7.1 Welche Maßnahmen hat die zentrale Koordinierungsstelle zur Bekämpfung des salafistischen bzw. islamistischen Extremismus im bayerischen Justizvollzug bislang im Bereich der muslimischen Seelsorge im bayerischen Justizvollzug ergriffen? 7.2 In wie vielen bayerischen Justizvollzugsanstalten (JVA) findet eine muslimische Seelsorge statt (bitte auch die Häufigkeit der Seelsorge in den JVA angeben )? 7.3 Wer übernimmt die muslimische Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten ? 8. Inwieweit werden die muslimischen Gemeinden bzw. islamische Organisationen in die Arbeit des Netzwerkes mit einbezogen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 13.03.2017 17/15003 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/15003 Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 16.01.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz, dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst und dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Um der Radikalisierung junger Menschen speziell aus dem salafistischen Bereich entgegenzuwirken, arbeitet Bayern seit 2015 verstärkt ressortübergreifend im neu geschaffenen „Bayerischen Präventions- und Deradikalisierungsnetzwerk gegen Salafismus“ zusammen. Für die ressortübergreifende und interdisziplinäre Abstimmung der staatlichen Maßnahmen sowie für die inhaltliche Steuerung und strategische Ausrichtung des gesamten Netzwerkes ist die interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) mit Vertretern des Innen-, Justiz-, Kultus- und Sozialministeriums zuständig. Das bayerische Netzwerk besteht aus zwei Säulen und deckt damit systematisch die beiden Bereiche Prävention und Deradikalisierung ab. Prävention setzt an, bevor eine Radikalisierung erkennbar ist und richtet sich an alle gesellschaftlichen Gruppen. Dementsprechend liegt die Präventionsarbeit im Verantwortungsbereich aller betroffenen Ressorts. In diesem Kontext greifen Maßnahmen der allgemeinen Prävention1 und der spezifischen Prävention2. Deradikalisierung erfolgt hingegen anlass- und personenbezogen bei Vorliegen eines Radikalisierungsprozesses bzw. im Falle einer bereits erfolgten Radikalisierung.3 1. Welche Maßnahmen hat das Netzwerk gegen Salafismus bereits in die Praxis umgesetzt (einzelne Angebote in den Teilbereichen Prävention, Deradikalisierung , etc. bitte detailliert auflisten und die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bzw. der erreichten Personen angeben)? Im Rahmen des Netzwerkes wurde seit 2015 bereits eine Reihe von Maßnahmen ergriffen. Sie wurden 2016 fortgeführt , ausgebaut und ressortübergreifend an die aktuellen Entwicklungen angepasst. Der als Anlage beigefügte Sachstandsbericht „Salafismusprävention in Bayern“ (Stand: Januar 2017) gibt einen Überblick über die wesentlichen Maßnahmen der Prävention und Deradikalisierung im jeweiligen Geschäftsbereich der beteiligten Ressorts. Das Netzwerk hat seit seiner Gründung über 4.000 Fachkräfte (vor allem Multiplikatoren), Angehörige und Betroffene im Rahmen von Vorträgen, Veranstaltungen, Fortbildungen und Beratungsleistungen erreicht. Nachfolgend werden gemeinsame Maßnahmen und Projekte des Netzwerks im Jahr 2016 exemplarisch aufgeführt. • Internetauftritt „Antworten auf Salafismus“ Wichtige Bestandteile einer nachhaltigen Präventionsarbeit sind die umfassende Information und Aufklärung über den Salafismus und seine verschiedenen Erscheinungsformen sowie das Aufzeigen von Hilfs- und Beratungsangeboten für all jene, die regelmäßig mit Jugendlichen zusammenarbeiten oder in Kontakt stehen. Die Internetplattform „Antworten auf Salafismus“ gibt verlässliche Informationen über das Phänomen und verlinkt zu Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern. Zielgruppe der Internetplattform sind in erster Linie Behörden, interessierte Bürger, Familie, Freunde, soziales Umfeld von (gefährdeten) Jugendlichen, die auf der Suche nach Information und ggf. Unterstützung sind. Die Plattform ist am 24.11.2016 unter www.antworten-auf-salafismus.de öffentlichkeitswirksam online gegangen. Dieses Online-Angebot ist in Deutschland einmalig und stößt bisher auf äußerst positive Resonanz. • Werbekampagne des Netzwerks Mittels einer Werbekampagne wirbt das Netzwerk gezielt für den Internetauftritt. Es wird mit typischen Fragen von verschiedenen Zielgruppen aus ganz unterschiedlichen Perspektiven geworben, auf die das Internetportal Antworten bietet. Im Rahmen der Kampagne wurde diesen Fragen ein Gesicht gegeben werden. Da die Kampagnengesichter bisher auf sehr positive Resonanz gestoßen sind, wurden die Gesichter auch auf Plakate gedruckt, die flächendeckend in Bayern an alle Zielgruppen verteilt werden. Die Gesichter finden sich außerdem auf Rollups wieder, die auf Veranstaltungen des Netzwerks und bei geeigneten Anlässen wie dem Tag der offenen Tür der Staatsregierung aufgestellt werden, um auf das Netzwerk und auf den Internetauftritt des Netzwerks aufmerksam zu machen. Darüber hinaus kommen weitere Werbemittel zum Einsatz. • Infobroschüre über das Netzwerk Das Netzwerk stellt sich außerdem in einer Informationsbroschüre vor, in dem die Aufgaben, Strukturen, Ansprechpartner und Angebote des Netzwerks kompakt dargestellt werden. Sie ist unter dem offiziellen Broschürenportal der Staatsregierung abrufbar. • Videoclip über das Netzwerk Die Aufgaben, Strukturen, Ansprechpartner und Angebote des Netzwerks werden darüber hinaus in einem kurzen Videoclip präsentiert, der unter anderem auf der neuen Website „Antworten auf Salafismus“ abzurufen ist und auf allen Veranstaltungen und bei allen Vorträgen unserer Netzwerkpartner gezeigt wird. • Fachtag „Antworten auf Salafismus“ am 24.11.2016 Zum einjährigen Bestehen des Netzwerks zogen die vier beteiligten Minister in München eine positive Bilanz und präsentierten den neuen Internetauftritt des Netzwerks. An der Veranstaltung nahmen über 200 Fachkräfte aus den verschiedenen Zielgruppen des Netzwerks teil, die in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen als Multiplikatoren dienen. • Tag der offenen Tür der Staatsregierung am 26.11.2016 Auch am Tag der offenen Tür in der Bayerischen Staatskanzlei am 26.11.2016 war das Netzwerk mit einem eigenen Stand vertreten. Es wurden zahlreiche Informationsmaterialien des Netzwerks bzw. der Netzwerkpartner verteilt, das Netzwerk wurde per Videoclip präsentiert und die Besucher konnten sich durch den neuen Internetauftritt des Netzwerks „Antworten auf Salafismus“ klicken. Das Interesse der Bürgerinnen und Bürger war groß. 1 Allgemeine Prävention = Stärkung von Toleranz & Demokratiefähigkeit, Sensibilisierung und Vernetzung 2 Spezifische Prävention = Früherkennung & Stärkung der Handlungskompetenz von Fachkräften 3 Im Mittelpunkt stehen die Beratung von Angehörigen sowie die Beratung und Begleitung von Betroffenen (inkl. Ausstiegshilfen). Drucksache 17/15003 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 • Informationsveranstaltungen des Netzwerks bei den Regierungen Um das Beratungs- und Unterstützungsangebot des Netzwerks und die jeweiligen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner noch bekannter zu machen und möglichst flächendeckend für das Phänomen der Radikalisierung und die Hintergründe zu sensibilisieren, werden in allen Regierungsbezirken Informationsveranstaltungen für Multiplikatoren durchgeführt. Zielgruppen sind insbesondere die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Regierungen , der Helferkreise sowie die Ehrenamtskoordinatorinnen und -koordinatoren, die Verantwortlichen für die Unterbringung von Flüchtlingen sowie die Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe. Im Jahr 2016 fanden entsprechende Veranstaltungen in Unterfranken, Mittelfranken , Oberbayern, Oberfranken und in der Oberpfalz mit jeweils 150–250 Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt. Niederbayern und Schwaben folgen Anfang 2017. Darüber hinaus führten die Mitglieder des Netzwerks zahlreiche Vorträge, Informations- und Fortbildungsveranstaltungen sowie Beratungsleistungen in den verschiedensten Fachbereichen durch: Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst (StMBW) Zwischen Dezember 2015 und Juli 2017 wurden bzw. werden im Zuständigkeitsbereich des StMBW 17 regionale Fortbildungsveranstaltungen zur Prävention durchgeführt. Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (StMAS) Im Bereich der Prävention (Schwerpunkt: allgemeine Prävention ) führten das StMAS und die Fachstelle von ufuq.de in Bayern rund 50 Informations- und Fortbildungsveranstaltungen durch. Zielgruppen waren vor allem Personen aus Regierungen, Kommunen, Sozialarbeit, Jugendhilfe, Helferkreisen , Ehrenamtskoordinatoren, Maßregelvollzug sowie Schulen und Bildungseinrichtungen. Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) Das BayLfV führte im Rahmen der seit 2002 bestehenden Islamismus- bzw. Salafismusprävention Beratungsgespräche , Vorträge und Multiplikatorenschulungen für Polizeibeamte , Lehrer, Ausbildungsträger, Mitarbeiter im sozialen Bereich , im Justizvollzug und in Flüchtlingsunterkünften durch. Im Jahr 2016 fanden über 60 derartige Veranstaltungen und Maßnahmen statt. Kompetenzzentrum für Deradikalisierung im Bayerischen Landeskriminalamt Hinsichtlich der angefragten Zahlen zu Teilnehmern und erreichten Personen wird darauf hingewiesen, dass es sich bei Deradikalisierung grundsätzlich um individuelle und unterschiedlich verlaufende Prozesse handelt. Im Rahmen des Bayerischen Netzwerks für Prävention und Deradikalisierung gegen Salafismus wird die Säule Deradikalisierung seit September 2015 strukturiert umgesetzt. Dementsprechend wurden zahlreiche Deradikalisierungs- und Distanzierungsprozesse angestoßen, deren weiterer Verlauf und insbesondere deren Dauerhaftigkeit jedoch abzuwarten bleibt. Mit Stand 30.11.2016 hat das Bayer. Landeskriminalamt, Kompetenzzentrum für Deradikalisierung, insgesamt 116 Fälle bearbeitet. Darüber hinaus führte das KomZ im Bereich der Deradikalisierung im Jahr 2016 bayernweit über 30 Veranstaltungen und Vorträge durch. Zielgruppen waren Fachkräfte, Behördenmitarbeiter und interessierte Bürger. Staatsministerium der Justiz (StMJ) Durch die Zentrale Koordinierungsstelle (ZKS) für Maßnahmen gegen Salafismus/Islamismus im Justizvollzug wurden seit ihrer Gründung im Dezember 2015 zahlreiche Vorträge insbesondere im Rahmen von Fachtagungen und anstaltsinternen Fortbildungen zur Extremismusprävention und Salafismusbekämpfung gehalten. Die Vorträge und Fortbildungen der ZKS richten sich in erster Linie an Mitarbeiter der bayerischen Justizvollzugsanstalten. 2.1 Wie bewertet die Staatsregierung die Finanz- und Personalausstattung des Netzwerks gegen Salafismus und der daran beteiligten öffentlichen Stellen und zivilgesellschaftlichen Träger? Die für eine effektive Präventions- und Deradikalisierungsarbeit gegen Salafismus erforderlichen Finanz- und Personalmittel wurden im Doppelhaushalt 2017/2018 entsprechend berücksichtigt und im Vergleich zum Jahr 2016 deutlich aufgestockt . Damit steht ein solider Grundstock für den kontinuierlichen und bedarfsgerechten Ausbau und die Weiterentwicklung der Maßnahmen des Netzwerks zur Verfügung. 2.2 Stehen der Fachstelle zur Prävention religiös begründeter Radikalisierung des Vereins Ufuq e.V. genügend Personal und öffentliche Finanzmittel zur Verfügung, um die übernommenen Aufgaben zu erfüllen? Für die Arbeit der Fachstelle ufuq.de in Augsburg wurden im Jahr 2016 130 Tsd. Euro Bundesmittel aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und 129 Tsd. Euro Landesmittel zur Verfügung gestellt. Für das Jahr 2017 sind 130 Tsd. Euro Bundesmittel aus „Demokratie leben!“ sowie 182 Tsd. Euro Landesmittel im Rahmen einer Fehlbedarfsfinanzierung eingeplant. Damit können die Aufgaben von ufuq.de erfüllt und ein am Bedarf orientierter Ausbau der Fachstelle sichergestellt werden. 2.3 Stehen der Beratungsstelle Bayern des Violence Prevention Network e.V. genügend Personal und öffentliche Finanzmittel zur Verfügung, um die übernommenen Aufgaben zu erfüllen? Durch die zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel werden aktuell drei Berater der Beratungsstelle Bayern sowie deren Sitz in München finanziert. Die übernommenen Aufgaben können derzeit mit den öffentlichen Finanzmitteln durch Violence Prevention Network e.V. erfüllt werden. 3. Wie bewertet die Staatsregierung die Abstimmung und den Informationsaustausch zwischen den am Netzwerk beteiligten Stellen, insbesondere ressortübergreifend zwischen den beteiligten Staatsministerien ? Für die ressortübergreifende und interdisziplinäre Abstimmung der staatlichen Maßnahmen sowie für die inhaltliche Steuerung und strategische Ausrichtung des gesamten Netzwerkes ist die interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) mit Vertretern des Innen-, Justiz-, Kultus- und Sozialministeriums zuständig. Die IMAG bildet das Scharnier zwischen den beiden Säulen Prävention und Deradikalisie- Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/15003 rung und gewährleistet damit, dass sich die Präventionsund Deradikalisierungsangebote gegenseitig ergänzen. Als federführendes Ministerium organisiert das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (StMI) regelmäßige IMAG-Sitzungen, um die Maßnahmen der am Netzwerk beteiligten Stellen laufend aufeinander abzustimmen und an die aktuellen Entwicklungen anzupassen. Darüber hinaus findet ein reger – anlassbezogener sowie anlassunabhängiger – Informationsaustausch zwischen allen am Netzwerk beteiligten Stellen statt. 4.1 Mit wie vielen Deradikalisierungsfällen war die Beratungsstelle Bayern des Violence Prevention Network seit ihrer Gründung befasst (bitte nach Monaten aufschlüsseln)? Im Folgenden wird die Anzahl von im Jahr 2016 neu gemeldeten Deradikalisierungsfällen, welche in Bayern durch Violence Prevention Network e.V. betreut wurden oder noch betreut werden, nach dem Monat des Falleingangs aufgeschlüsselt : – März 2016: 16 – April 2016: 14 – Mai 2016: 10 – Juni 2016: 14 – Juli 2016: 10 – August 2016: 11 – September 2016: 12 – Oktober 2016: 5 – November 2016: 10 Insgesamt wurden der Beratungsstelle Bayern von Violence Prevention Network e.V. damit bislang 102 Deradikalisierungsfälle gemeldet. 4.2 Wie erfolgreich war bislang die Arbeit der Beratungsstelle Bayern des Violence Prevention Network , insbesondere gemessen daran, ob sich Betroffene vom Salafismus abgewandt haben? Nach Einschätzung des Bayerischen Landeskriminalamtes konnte bei bisher sieben Personen eine nachhaltige Distanzierung bzw. Deradikalisierung ausgelöst werden, bei ca. 20 Personen konnte ein Fortschreiten des Radikalisierungsprozesses verhindert werden. 5.1 Wie gedenkt die Staatsregierung den Bekanntheitsgrad der Beratungsstellen des Netzwerks in der Öffentlichkeit zu steigern? Um die Angebote von ufuq.de noch bekannter zu machen, wurden auf die Website des Netzwerks www.antworten-aufsalafismus .de wichtige Informationen wie Aufgaben, Ziele und Ansprechpartner von ufuq.de eingestellt. Darüber hinaus wurde von dort auf die Website von ufuq.de verlinkt. Unter www.ufuq.de/bayern können Interessierte unter anderem umfangreiches Informationsmaterial für die pädagogische Praxis abrufen. Neben der Internetpräsenz tragen insbesondere die Schriften, Flyer und Handreichungen von ufuq.de, die Informationsbroschüren des Bayerischen Netzwerks für Prävention und Deradikalisierung gegen Salafismus sowie die Informations- und Sensibilisierungsveranstaltungen der Netzwerkpartner zur Steigerung der Bekanntheit der Fachstelle für religiös begründete Radikalisierung bei. Nicht zuletzt sind es die vielen praxisorientierten, in ganz Bayern angebotenen Präventionsmaßnahmen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ufuq.de, die den Bekanntheitsgrad der Fachstelle steigern. Violence Prevention Network e.V. betreibt als zivilgesellschaftlicher Träger eigenständig Öffentlichkeitsarbeit. Es gibt einen eigenen Flyer der Beratungsstelle Bayern, welcher bei allen Veranstaltungen des Netzwerkes und Vorträgen des Kompetenzzentrums für Deradikalisierung oder von Violence Prevention Network e.V. in Bayern ausgegeben wird. Zudem betreibt die Beratungsstelle Bayern von Violence Prevention Network e.V. eine eigene Internetseite www.beratungsstellebayern .de. Auf dieser Internetseite werden Interessenten explizit über die Themen Kontakt, Angebote, Ziele und Zielgruppen der Beratungsstelle aufgeklärt. Zudem finden sich auf der Internetseite des Bayerischen Netzwerks für Prävention und Deradikalisierung gegen Salafismus, www.antworten-auf-salafismus.de, umfangreiche Informationen zu allen Netzwerkpartnern, so auch zu Violence Prevention Network e.V., wieder. Des Weiteren wird im Rahmen der polizeiinternen Öffentlichkeitsarbeit und der externen Öffentlichkeitsarbeit des Kompetenzzentrums für Deradikalisierung auf die Zusammenarbeit mit Violence Prevention Network e.V. in Bayern eingegangen, wobei insbesondere die Möglichkeit der Unterstützung Betroffener, ihres Umfelds und ihrer Familien durch Violence Prevention Network e.V. beworben wird. Darüber hinaus thematisiert das Bayer. Landeskriminalamt im Rahmen der eigenen Presse- und Medienarbeit (Presseanfragen, Social Media) regelmäßig das aktuelle Deradikalisierungsprogramm und nutzt die sich bietenden Gelegenheiten aktiv, um auf die zur Verfügung stehenden Ansprechpartner, einschließlich Violence Prevention Network e.V. hinzuweisen. Auch auf der Homepage der Bayerischen Polizei wird auf das Angebot von Violence Prevention Network e.V. hingewiesen. 5.2 Warum wird die neue Website des Netzwerks (www.antworten-auf-salafismus.de) ausschließlich in deutscher Sprache angeboten, nicht aber auch in bestimmten Fremdsprachen (Türkisch, Arabisch, etc.), um zum Beispiel auch Eltern von Betroffenen anzusprechen, die nicht oder nicht gut deutsch sprechen? Der Aufbau einer solch umfassenden und komplexen Website erfordert einen hohen Aufwand. Primäres Ziel war es daher, mit einem deutschen Internetauftritt möglichst zeitnah online zu gehen, um allen Interessierten und Betroffenen umfassende und verlässliche Informationen zum Thema Salafismus zu geben sowie eine breite Palette von Beratungs-, Unterstützungs - und Förderangeboten zu präsentieren. In einem zweiten Schritt werden nun die wichtigsten Inhalte der Seite in bestimmte Fremdsprachen übersetzt und online gestellt werden. Darüber hinaus ist derzeit eine Übersetzung der vom StMI herausgegebenen Broschüre „Salafismus – Prävention durch Information“ in die gängigen Sprachen der Hauptherkunftsregionen in Bearbeitung. Die fremdsprachigen Exemplare sollen dann unter anderem auf der Website „Antworten auf Salafismus“ oder über das offizielle Broschürenportal der Staatsregierung abgerufen werden können. 5.3 Warum ist die Telefonhotline der Beratungsstelle Bayern des Violence Prevention Network e.V. bislang nicht werktäglich nach 16 Uhr und nicht am Wochenende erreichbar? Die gegenwärtig zur Verfügung stehende Erreichbarkeit der Mitarbeiter von Violence Prevention Network e.V. hat bislang zu keinen bekannten Engpässen geführt. Drucksache 17/15003 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 6.1 In welchem Umfang wenden sich Angehörige von Betroffenen an das Präventions- und Deradikalisierungsnetzwerk , insbesondere im Bereich Deradikalisierung ? Von den insgesamt 102 an Violence Prevention Network e.V. gemeldeten Fällen werden in 46 Fällen (auch) Angehörige betreut bzw. beraten. Eine statistische Erfassung der Anrufe Angehöriger wird seitens Violence Prevention Network e.V. nicht durchgeführt. 6.2 Bietet das Netzwerk besondere Präventions- und Deradikalisierungsangebote für Frauen und Mädchen an (bitte detailliert die Angebote darlegen)? Prävention: Die Idee, Mädchen und Frauen in der präventiven Arbeit stärker zu berücksichtigen, wurde vom StMAS bereits aufgegriffen . Mütter sind innerhalb der Familien wichtige Ansprechpartnerinnen in der Präventionsarbeit, um einerseits Werte an die Kinder weiterzugeben und andererseits richtig zu reagieren, wenn Kinder und Jugendliche gefährdet sind. Es ist geplant, in sog. Mütterinitiativen Mütter besonders zu sensibilisieren und zu befähigen, ihr Wissen über Radikalisierung und die Gefahren von Salafisten an andere Mütter weiterzugeben. Im europäischen Ausland gibt es bereits gute Erfahrungen mit diesem Präventionsmodell für Angehörige . In Deutschland wurde das Projekt bisher nicht umgesetzt , Bayern ist hier mit einer Implementierung in 2017 Vorreiter. Darüber hinaus sind Initiativen geplant, bei denen verstärkt der Frage nachgegangen wird, welche Rollen Mädchen und Gender-Aspekte in der Salafismusprävention spielen und welche genderreflektierten Ansätze ggf. in den Blick genommen werden müssen, um ein weiteres Erstarken von religiös begründetem Extremismus zu verhindern. Hierzu soll in der ersten Jahreshälfte 2017 eine Fachveranstaltung stattfinden. Deradikalisierung: Durch die Beschäftigung einer Mitarbeiterin mit einer sozialpädagogischen Ausbildung in der Beratungsstelle Bayern von Violence Prevention Network e.V. wird sichergestellt, dass für weibliche Betreuungsfälle ein frauen- bzw. mädchenspezifisches Angebot formuliert werden kann. Durch die interdisziplinäre und multiprofessionelle Ausrichtung des Kompetenzzentrums für Deradikalisierung werden auch von dort aus genderspezifische Beratungs- und Betreuungsangebote für Frauen und Mädchen erarbeitet und angeboten. 6.3 Wie gedenkt die Staatsregierung auch gleichaltrige Freunde und Bekannte der Betroffenen dazu zu bewegen, sich mit ihren Informationen zu möglichen Radikalisierungsfällen an das Präventionsund Deradikalisierungsnetzwerk zu wenden? Wichtige Voraussetzung dafür, dass sich das Umfeld von Betroffenen an das Präventions- und Deradikalisierungsnetzwerk wendet, ist eine breite Information über die jeweiligen Angebote und Ansprechpartner in Bayern. Dazu gehört auch der Hinweis, dass mit den vonseiten der Anfragenden übermittelten Daten und Informationen stets vertrauensvoll umgegangen und – soweit keine unmittelbare Sicherheitsrelevanz gegeben ist – die Anonymität der Hilfesuchenden gewahrt wird. Dies ist insbesondere für die beiden zivilgesellschaftlichen Beratungsstellen ufuq.de und Violence Prevention Network e.V. Grundlage für deren Beratungsarbeit. Um eventuelle Hemmschwellen zu überwinden und das Umfeld von Betroffenen zu motivieren, Beratungs- und Unterstützungsleistungen in Anspruch zu nehmen, ist zudem die Präsenz vor Ort besonders wichtig. Im Rahmen der kommunalen Netzwerke gegen Salafismus, die bayernweit aufgebaut werden sollen, werden die kommunalen Akteure, die einen direkten Zugang zu „gefährdeten Gruppen“ haben, aus den Bereichen Schule, Sozial- und Jugendarbeit, Polizei und Politik unter anderem befähigt, „Symptome“ von Radikalisierung frühzeitig zu erkennen, und dafür sensibilisiert, bei der Durchführung entsprechender Präventionsmaßnahmen auch das Umfeld der Betroffenen mit einzubeziehen. Der enge Austausch vor Ort bildet eine wichtige Schnittstelle zwischen Prävention und Sicherheit. Zudem wird auch auf der neuen Internetplattform www. antworten-auf-salafismus.de mit vertraulichen Angeboten und Maßnahmen für die Präventions- und Deradikalisierungsarbeit des Netzwerks geworben. Die begleitende Werbekampagne (siehe Antwort auf Frage 1) spricht die verschiedenen Zielgruppen direkt an. Perspektivisch soll das informative Online-Angebot durch ein spezifisch präventives Online-Angebot für Jugendliche ergänzt werden. 7.1 Welche Maßnahmen hat die zentrale Koordinierungsstelle zur Bekämpfung des salafistischen bzw. islamistischen Extremismus im bayerischen Justizvollzug bislang im Bereich der muslimischen Seelsorge im bayerischen Justizvollzug ergriffen? Mit Unterstützung der ZKS konnten in mehreren Justizvollzugsanstalten zusätzliche muslimische Seelsorger vermittelt werden. So wird derzeit beispielsweise in drei Justizvollzugsanstalten (Aichach, Augsburg-Gablingen und demnächst Landsberg a. Lech) der Einsatz von deutschsprachigen muslimischen Seelsorgern eines verbandsunabhängigen Projekts („Muslimische Seelsorge Augsburg – MUSA“) erprobt. Ergänzend steht die Leiterin der ZKS in einem regen fachlichen Austausch mit verschiedenen Akteuren (u. a. mit islamischen Gemeindevertretern, universitären bzw. wissenschaftlichen Einrichtungen). Darüber hinaus werden auch auf interministerieller Ebene weitere Möglichkeiten des Ausbaus geprüft. Darüber hinaus nahm die Leiterin der ZKS im Jahr 2016 an Expertenanhörungen der Deutschen Islam Konferenz (DIK) teil, um auf dem Wege des „best practice“ Möglichkeiten des Ausbaus der muslimischen Seelsorge im bayerischen Justizvollzug zu erörtern. Dabei zeigte sich, dass deutschlandweit ein Bedarf am Ausbau der muslimischen Seelsorge besteht; der bayerische Justizvollzug hat diesen Bedarf frühzeitig erkannt und mit der ZKS eine auch über Bayern hinaus anerkannte Stelle geschaffen, welche die Justizvollzugsanstalten bei der Rekrutierung zusätzlicher muslimischer Seelsorger nachhaltig unterstützt. Zusätzlich zu den bisherigen Anstrengungen der ZKS sind für das Jahr 2017 ergänzend sog. „Closed Workshops“ in Zusammenarbeit mit verschiedenen Einrichtungen (etwa mit der Universität Erlangen) beabsichtigt. Dabei sollen im Rahmen eines fachlichen Austausches mit Vertretern ausgewählter zivilgesellschaftlicher Träger und islamischer Gemeinden Möglichkeiten des Einsatzes adäquater muslimischer Seelsorger erörtert werden. Ziel ist es, auf diese Weise geeignete Ansprechpartner zu finden und deren seel- Seite 6 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/15003 sorgerischen Angebote in weiteren Justizvollzugsanstalten einzusetzen. 7.2 In wie vielen bayerischen Justizvollzugsanstalten (JVA) findet eine muslimische Seelsorge statt (bitte auch die Häufigkeit der Seelsorge in den JVA angeben)? 7.3 Wer übernimmt die muslimische Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten? Ganz allgemein kann festgehalten werden, dass in den bayerischen Justizvollzugsanstalten die religiösen und kulturellen Belange inhaftierter Muslime ebenso wie die Belange von Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften stets geachtet und durch viele verschiedene Maßnahmen unterstützt werden. Dazu gehört neben einer seelsorgerischen Betreuung durch ehrenamtlich tätige muslimische Geistliche , dass den Gefangenen in den Gefangenenbüchereien der Anstalten der Koran in ausreichender Menge und in verschiedensten Sprachen ebenso zur Verfügung gestellt wird wie ergänzende Bücher- oder Zeitschriftenspenden von konsularischen Vertretungen. Zudem werden der Besitz und die Nutzung religiöser Gegenstände wie Gebetsteppiche oder Gebetsketten von den Justizvollzugsanstalten in der Regel gestattet. Dies vorweggestellt, sind in den bayerischen Justizvollzugsanstalten ehrenamtlich tätige muslimische Seelsorger wie folgt vertreten (Stand: 31.10.2016): Justizvollzugsanstalt Zahl der dort zugelassenen ehrenamtlichen muslimischen Seelsorger Amberg 1 Ansbach 3 Aschaffenburg 1 Bamberg 2 St. Georgen-Bayreuth 1 Bernau 1 Ebrach 2 Hof 1 Kempten 1 Kronach 3 Landsberg a. Lech 1 Laufen-Lebenau 1 Memmingen 1 München 3 Neuburg a. d. Donau 3 Neuburg-Herrenwörth 1 Niederschönenfeld 1 Nürnberg 3 Regensburg 1 Traunstein 1 Würzburg 2 Die jeweils tätigen Imame sind zumeist Mitglieder der örtlichen Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB). In den Justizvollzugsanstalten Aichach und Augsburg- Gablingen wird derzeit der Einsatz von deutschsprachigen Seelsorgerinnen des verbandsunabhängigen Projekts „Muslimische Seelsorge Augsburg – MUSA“ pilotiert. Nach den ersten positiven Erfahrungen in beiden Justizvollzugsanstalten soll der Einsatz von Seelsorgern des Projekts MUSA zukünftig auch in der Justizvollzugsanstalt Landsberg a. Lech pilotiert werden. Hierfür steht diese Anstalt bereits im Austausch mit den Projektverantwortlichen von MUSA. Die Justizvollzugsanstalten Bad Reichenhall, Erding, Erlangen, Garmisch-Partenkirchen, Kaisheim, Landshut, Mühldorf am Inn, Passau, Schweinfurt, Straubing und Weiden i. d. Opf. verfügen derzeit über keinen muslimischen Seelsorger. Im Bedarfsfall kann allerdings durch die dort tätigen katholischen und evangelischen Anstaltsseelsorger ein Kontakt zu einem zuverlässigen muslimischen Imam außerhalb der Justizvollzugsanstalt oder einer benachbarten Justizvollzugsanstalt hergestellt werden. In der Justizvollzugsanstalt Ingolstadt als Einrichtung des offenen Vollzugs wird eine religiöse Betreuung – unabhängig von der Glaubensrichtung – nur im Bedarfsfall angeboten. Der bayerische Justizvollzug unternimmt erhebliche Anstrengungen , die seelsorgerische Betreuung der muslimischen Gefangenen weiter auszubauen. Die Häufigkeit der Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten wird hier nicht statistisch erfasst und hängt sowohl vom jeweiligen konkreten Bedarf der Gefangenen als auch der Verfügbarkeit der ehrenamtlich tätigen muslimischen Seelsorger ab. 8. Inwieweit werden die muslimischen Gemeinden bzw. islamische Organisationen in die Arbeit des Netzwerkes mit einbezogen? Das Netzwerk setzt verstärkt auf eine Einbindung von und eine Zusammenarbeit mit muslimischen Akteuren auf lokaler Ebene, da die Vernetzung von relevanten Akteuren vor Ort neben deren Sensibilisierung ein wesentliches Kriterium für das Gelingen von Prävention darstellt. Dies bestätigen auch die positiven Erfahrungen in Bayern aus der Vergangenheit. Hier sind in erster Linie die kommunalen Netzwerke gegen Salafismus in Bayern zu nennen. Ziel dieser kommunalen Netzwerke ist es unter anderem, die Akteure vor Ort, in den Städten und Gemeinden zu vernetzen. Dazu zählen auch die muslimischen Gemeinden bzw. islamische Organisationen . Gleiches gilt für die im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ in bisher 21 Städten, Gemeinden und Landkreisen in Bayern errichteten lokalen „Partnerschaften für Demokratie“ (PFD), die Handlungskonzepte zur Förderung von Demokratie und Vielfalt umsetzen und dabei auch gemeinsam mit muslimischen Verbänden Maßnahmen und Projekte zur Prävention gegen Radikalisierung durchführen. Beispielhaft für die Beteiligung muslimischer Verbände bei der Präventionsarbeit ist das Projekt „Dialog FÜR Demokratie “, in dem Jugendliche in ihrem Demokratieverständnis gestärkt werden sollen. An dem Projekt, das unter dem Dach des Bayerischen Jugendrings und mit Unterstützung der Eugen-Biser-Stiftung durchgeführt wird, wirken neben christlichen Jugendorganisationen auch muslimische Jugendverbände mit. Im Rahmen von vertrauensbildenden Maßnahmen zwischen muslimischen Einrichtungen und der Bayerischen Polizei werden seitens des Kompetenzzentrums für Deradikalisierung muslimische Gemeinden über das Hilfsangebot im Bereich der Deradikalisierung informiert, mit dem Ziel, Unterstützung durch lokale muslimische Gemeinden und Moscheen sowie deren Imame beim Kampf gegen Radikalisierungen zu erhalten. www.antworten-auf-salafismus.de Sachstandsbericht Salafismusprävention in Bayern Stand: Januar 2017 - 2 - Inhalt I. VORBEMERKUNG ............................................................................................................................................. 3 II. BAYERISCHES NETZWERK FÜR PRÄVENTION UND DERADIKALISIERUNG GEGEN SALAFISMUS ......................... 5 1. KONZEPT DES BAYERISCHEN NETZWERKS FÜR PRÄVENTION UND DERADIKALISIERUNG .......................................................... 5 2. INTERMINISTERIELLE ARBEITSGRUPPE (IMAG) .............................................................................................................. 6 3. GEMEINSAME MAßNAHMEN UND PROJEKTE DES NETZWERKS .......................................................................................... 7 III. BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR ARBEIT UND SOZIALES, FAMILIE UND INTEGRATION ..................... 10 1. FACHSTELLE ZUR PRÄVENTION RELIGIÖS BEGRÜNDETER RADIKALISIERUNG IN BAYERN IN TRÄGERSCHAFT VON UFUQ.DE ............ 10 2. SCHULUNG VON MULTIPLIKATOREN .......................................................................................................................... 11 3. KOMMUNALE NETZWERKE ZUR SALAFISMUSPRÄVENTION .............................................................................................. 12 4. PROJEKTE ZUR ALLGEMEINEN UND SPEZIFISCHEN PRÄVENTION ....................................................................................... 13 5. INFORMATIONS- UND BERATUNGSANGEBOT ............................................................................................................... 14 IV. BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND KULTUS, WISSENSCHAFT UND KUNST ................ 15 1. MODELLVERSUCH „ISLAMISCHER UNTERRICHT“ .......................................................................................................... 15 2. KOMPETENZNETZWERK DER „REGIONALBEAUFTRAGTEN FÜR DEMOKRATIE UND TOLERANZ“ ................................................ 15 3. LANDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNGSARBEIT ..................................................................................................... 16 V. BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN, FÜR BAU UND VERKEHR .................................................. 17 1. VERTRAUENSBILDENDE MAßNAHMEN ZW. POLIZEI UND MUSLIMISCHEN EINRICHTUNGEN ................................................... 17 2. VERMITTLUNG INTERKULTURELLER KOMPETENZEN INNERHALB DER BAYER. POLIZEI ............................................................ 18 3. MAßNAHMEN DER POLIZEILICHEN KRIMINALPRÄVENTION ............................................................................................. 19 4. KOMPETENZZENTRUM FÜR DERADIKALISIERUNG IM BLKA ............................................................................................. 20 5. PRÄVENTION DURCH AUFKLÄRUNG UND BERATUNG DURCH DAS BAYLFV ......................................................................... 22 VI. BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ ........................................................................................ 25 1. ZENTRALE KOORDINIERUNGSSTELLE FÜR MAßNAHMEN GEGEN SALAFISMUS/ISLAMISMUS IN JUSTIZVOLLZUGSANSTALTEN ......... 25 2. FORTBILDUNG DER RICHTER UND STAATSANWÄLTE ...................................................................................................... 27 3. VERHINDERUNG VON PARALLELJUSTIZ ....................................................................................................................... 28 - 3 - I. Vorbemerkung Die jüngsten islamistisch motivierten Gewalttaten und Terroranschläge in Deutschland und Europa haben gezeigt, dass auch Deutschland im Fokus des internationalen islamistischen Terrorismus steht. Dabei ist der Salafismus die gegenwärtig am schnellsten wachsende islamistische Bewegung in Deutschland. Er liefert den Nährboden für Extremismus und Gewalt; er ist dynamisch , jugendaffin und radikalisierend. Fast alle bisher in Deutschland identifizierten islamistischterroristischen Netzwerkstrukturen und Einzelpersonen waren salafistisch geprägt oder haben sich in salafistischen Milieus entwickelt. Die registrierten Ausreisezahlen in der Bundesrepublik befinden sich trotz einer sich abzeichnenden verringerten Ausreisedynamik ins syrisch-türkische Jihadgebiet auf einem anhaltend hohen Niveau. Der Salafismus bildet hierbei die ideologische Grundlage für Radikalisierungsprozesse bis hin zur Ausreise am Jihad. Neben dem sicherheitspolitisch notwendigen repressiven Bekämpfungsansatz ist ein ganzheitlicher präventiver Ansatz unumgänglich. Wir müssen dem Terrorismus den Nährboden entziehen, indem wir gezielt „Antworten auf Salafismus“ geben. Umfassende Präventionsarbeit bietet einen vielversprechenden Ansatz, um Radikalisierungsprozesse möglichst zu verhindern und unsere Gesellschaft immun zu machen gegen den Einfluss von Extremisten. Das ist Aufgabe aller demokratischen Kräfte. Staat und Gesellschaft sind gemeinsam gefordert, die Entstehung und Ausbreitung von Extremismus zu verhindern. Dies schließt die Sicherheitsbehörden ebenso mit ein wie Bereiche der Bildungsarbeit, Maßnahmen aus dem Bereich der Integrations- und Sozialpolitik sowie der Jugendarbeit oder den Strafvollzug. Extremistische Ideologien wie der Salafismus dürfen keinen Platz in unserer offenen und pluralistischen Gesellschaft haben. Bayern arbeitet seit Sommer 2015 verstärkt ressortübergreifend in einem Netzwerk gegen Salafismus zusammen, das die Bereiche Prävention und Deradikalisierung systematisch abdeckt. An diesem umfassenden Ansatz sind das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, das Staatsministerium der Justiz, das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst und das Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration beteiligt. Darüber hinaus sind auch zivilgesellschaftliche Träger Partner des Netzwerkes. Das Netzwerk bietet im Internet unter www.antworten-auf-salafismus.de allen Interessierten und Betroffenen umfassende Informationen zum Thema Salafismus, eine breite Palette von Beratungs -, Unterstützungs- und Förderangeboten. - 4 - Der folgende Bericht wird vom Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, dem Staatsministerium der Justiz, dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst und dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration gemeinsam vorgelegt und gibt einen Einblick in das Bayerische Netzwerk für Prävention und Deradikalisierung gegen Salafismus sowie einen Überblick über die wesentlichen Maßnahmen der Prävention und Deradikalisierung im jeweiligen Geschäftsbereich. - 5 - II. Bayerisches Netzwerk für Prävention und Deradikalisierung gegen Salafismus 1. Konzept des Bayerischen Netzwerks für Prävention und Deradikalisierung Die Extremismusprävention ist ein weites Feld. Sie umfasst vielschichtige Ansätze und vielfältige Maßnahmen, die sich an den jeweiligen Zielgruppen orientieren. Mit der Einrichtung des Netzwerks wurden bereits bestehende Präventionsmaßnahmen in den verschiedenen Ressorts miteinander vernetzt und aufeinander abgestimmt sowie lageanpasst sukzessive ausgebaut. Außerdem wurde ein bayerisches Beratungsangebot im Bereich der Prävention sowie der Deradikalisierung geschaffen. Das bayerische Konzept gegen Salafismus besteht aus den beiden Säulen Prävention und Deradikalisierung und deckt damit beide Bereiche systematisch ab. Säule 1: Prävention setzt an, bevor eine Radikalisierung erkennbar ist, und richtet sich an alle gesellschaftlichen Gruppen. In diesem Kontext greifen Maßnahmen der allgemeinen und spezifischen Prävention. Bei der allgemeine Prävention geht es in erster Linie um eine möglichst flächendeckende Stärkung von Toleranz und Demokratiefähigkeit (Stichwort: Werteerziehung). Wichtig sind hierbei außerdem Sensibilisierungsmaßnahmen sowie die Vernetzung relevanter Akteure vor Ort (z.B. in Form von kommunalen Netzwerken). Im Rahmen der spezifischen Prävention werden relevante Berufsgruppen – wie Lehrkräfte, Ausbildungsträger, soziale Akteure der Kinder- und Jugendhilfe, Mitarbeiter in Flüchtlingseinrichtungen oder auch Mitarbeiter der Justiz und Polizei – fachlich geschult, um Radikalisierungsprozesse möglichst frühzeitig zu erkennen und entsprechende Handlungskompetenzen zu entwickeln . Dies erfolgt im Rahmen von Beratungsgesprächen, Vortragsveranstaltungen und Multiplikatorenschulungen . Säule 2: Deradikalisierung erfolgt anlass- und personenbezogen bei Vorliegen eines Radikalisierungsprozesses bzw. im Falle einer bereits erfolgten Radikalisierung. Im Mittelpunkt stehen hierbei die Beratung von Angehörigen, Beratung und Begleitung von Betroffenen im frühen Stadium eines Radikalisierungsprozesses sowie Ausstiegshilfen für bereits radikalisierte Personen. - 6 - Zivilgesellschaftliche Träger in Bayern: In der Präventions- und Deradikalisierungsarbeit sind zivilgesellschaftliche Träger wichtige Partner . Denn Betroffene wollen sich mit ihren Fragen und Ängsten nicht immer gleich direkt an die Sicherheitsbehörden wenden. Die Hemmschwelle ist oft zu groß. Um den Betroffenen und deren Umfeld den Zugang zum Angebot zu erleichtern, kooperieren wir in Bayern daher mit zwei zivilgesellschaftlichen Trägern. Beide verfügen über jahrelange Erfahrung und ein fundiertes Expertenwissen in der Prävention bzw. Deradikalisierung gegen Salafismus. Im Bereich der Prävention findet eine Zusammenarbeit mit dem zivilgesellschaftlichen Träger Ufuq e.V. statt, dessen landesweite Fachstelle zur Prävention von religiös begründeter Radikalisierung vielfältige Maßnahmen im Bereich der Prävention, insbesondere der allgemeinen Prävention , anbietet. Für den Bereich der Deradikalisierung wurde mit der Beratungsstelle Bayern des zivilgesellschaftlichen Trägers Violence Prevention Network e.V. (VPN) ein Beratungs- und Betreuungsangebot für Betroffene und Angehörige sowie Ausstiegsbegleitung geschaffen. Kommunale Vernetzung: Ein Ziel des Netzwerkes ist es, möglichst flächendeckend Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen anzubieten und die verschiedenen Akteure vor Ort miteinander zu vernetzen. Die kommunale Ebene spielt dabei eine wichtige Rolle, weil hier eine Vielzahl an Akteuren erreicht, sensibilisiert und vernetzt werden kann. Dadurch wird gewährleistet, dass die landesweiten Beratungsangebote vor Ort bekannt gemacht und gezielt in der Arbeit vor Ort in Anspruch genommen werden. Radikale Einstellungen fallen selten erst durch gewalttätiges Verhalten auf, sondern sind oft sehr früh im Alltagsverhalten zu erkennen. Lokale Netzwerke mit Akteuren aus den Bereichen Schule, Sozial- und Jugendarbeit, Polizei und Politik müssen daher befähigt werden, "Symptome" von Radikalisierung frühzeitig zu erkennen und Jugendliche gemeinsam vor einer möglichen Radikalisierung zu schützen. Die derzeitigen kommunalen Modellprojekte (Augsburg, Nürnberg) sollen auch auf andere Regierungsbezirke ausgedehnt werden, um das Präventionsnetzwerk in die Fläche zu bringen. 2. Interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) Die zum Aufbau des Netzwerks eingesetzte Interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) stimmt die staatlichen Maßnahmen ressortübergreifend aufeinander ab und ist zudem für die inhaltliche Steuerung und strategische Ausrichtung des gesamten Netzwerkes zuständig. Sie bildet das Scharnier zwischen den beiden Säulen Prävention und Deradikalisierung. Diese institutionalisierte Form der Zusammenarbeit von Vertretern aus vier Ressorts zur Koordinierung eines Netzwerks , das die Bereiche Prävention und Deradikalisierung gegen Salafismus systematisch ab- - 7 - deckt, ist in dieser Form bislang einmalig in Deutschland. Die Leitung der Arbeitsgruppe liegt beim Innenministerium. Zusammensetzung der IMAG: • Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (Leitung der IMAG) • Bayerisches Staatsministerium der Justiz • Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst • Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration • Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit • Kompetenzzentrum für Deradikalisierung im Bayerischen Landeskriminalamt • Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz Die IMAG übernimmt o die inhaltliche Steuerung und strategische Ausrichtung des Netzwerks o die ressortübergreifende Abstimmung von staatlichen Maßnahmen o die Koordinierung der Zusammenarbeit der Netzwerkpartner o die Organisation von Veranstaltungen des Netzwerks o die Koordinierung von gemeinsamen Projekten des Netzwerks Sie fungiert außerdem als o Ansprechpartner für Fragen zum Bayerischen Netzwerk für Prävention und Deradikalisierung gegen Salafismus (z.B. bei Presseanfragen, Bürgeranfragen oder Landtagsanfragen) o Vertretung Bayerns in bundesweiten Gremien zum Thema Salafismusprävention 3. Gemeinsame Maßnahmen und Projekte des Netzwerks Im Rahmen des Netzwerks wurden seit 2015 bereits vielfältige Maßnahmen ergriffen. Sie wurden 2016 fortgeführt, ausgebaut und ressortübergreifend an die aktuellen Entwicklungen angepasst. Nachfolgend werden einige öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen aufgeführt, die von den Netzwerkmitgliedern gemeinsam realisiert wurden. • Internetauftritt „Antworten auf Salafismus“ Wichtige Bestandteile einer nachhaltigen Präventionsarbeit sind die umfassende Information und Aufklärung über den Salafismus und seine verschiedenen Erscheinungsformen so- - 8 - wie das Aufzeigen von Hilfs- und Beratungsangeboten für all jene, die regelmäßig mit Jugendlichen zusammenarbeiten oder in Kontakt stehen. Die Internetplattform „Antworten auf Salafismus“ gibt verlässliche Informationen über das Phänomen und verlinkt zu Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern. Zielgruppe der Internetplattform sind in erster Linie Behörden, interessierte Bürger, Familie, Freunde, soziales Umfeld von (gefährdeten) Jugendlichen, die auf der Suche nach Information und ggf. Unterstützung sind. Die Plattform ist am 24. November 2016 unter www.antworten-aufsalafismus .de öffentlichkeitswirksam online gegangen. Dieses Online-Angebot ist in Deutschland einmalig und stößt bisher auf äußerst positive Resonanz. • Werbekampagne des Netzwerks Mittels einer Werbekampagne wirbt das Netzwerk gezielt für den Internetauftritt. Es wird mit typischen Fragen von verschiedenen Zielgruppen aus ganz unterschiedlichen Perspektiven geworben, auf die das Internetportal Antworten bietet. Im Rahmen der Kampagne wurde diesen Fragen ein Gesicht gegeben werden. Da die Kampagnengesichter bisher auf sehr positive Resonanz gestoßen sind, wurden die Gesichter auch auf Plakate gedruckt, die flächendeckend in Bayern an alle Zielgruppen verteilt werden. Die Gesichter finden sich außerdem auf Rollups wieder, die auf Veranstaltungen des Netzwerks und bei geeigneten Anlässen wie dem Tag der offenen Tür der Bayerischen Staatsregierung aufgestellt werden, um auf das Netzwerk und auf den Internetauftritt des Netzwerks aufmerksam zu machen. Darüber hinaus kommen weitere Werbemittel zum Einsatz. • Infobroschüre über das Netzwerk Das Netzwerk stellt sich außerdem in einer Informationsbroschüre vor, in dem die Aufgaben , Strukturen, Ansprechpartner und Angebote des Netzwerks kompakt dargestellt werden . Sie ist unter dem offiziellen Broschürenportal der Bayerischen Staatsregierung abrufbar • Videoclip über das Netzwerk Die Aufgaben, Strukturen, Ansprechpartner und Angebote des Netzwerks werden darüber hinaus in einem kurzen Videoclip präsentiert, der unter anderem auf der neuen Website „Antworten auf Salafismus“ abzurufen ist und auf allen Veranstaltungen und bei allen Vorträgen unserer Netzwerkpartner gezeigt wird. • Fachtag „Antworten auf Salafismus“ am 24.11.2016 Zum einjährigen Bestehen des Netzwerks zogen die vier beteiligten Minister in München eine positive Bilanz und präsentierten den neuen Internetauftritt des Netzwerks. An der - 9 - Veranstaltung nahmen über 200 Fachkräfte aus den verschiedenen Zielgruppen des Netzwerks teil, die in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen als Multiplikatoren dienen. • Tag der offenen Tür der Bayerischen Staatsregierung am 26.11.2016 Auch am Tag der offenen Tür in der Bayerischen Staatskanzlei am 26.11.2016 war das Netzwerk mit einem eigenen Stand vertreten. Es wurden zahlreiche Informationsmaterialien des Netzwerks bzw. der Netzwerkpartner verteilt, das Netzwerk wurde per Videoclip präsentiert und die Besucher konnten sich durch den neuen Internetauftritt des Netzwerks „Antworten auf Salafismus“ klicken. Das Interesse der Bürgerinnen und Bürger war groß. • Informationsveranstaltungen des Netzwerks bei den Regierungen Um das Beratungs- und Unterstützungsangebot des Netzwerks und die jeweiligen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner noch bekannter zu machen und möglichst flächendeckend für das Phänomen der Radikalisierung und die Hintergründe zu sensibilisieren , werden in allen Regierungsbezirken Informationsveranstaltungen für Multiplikatoren durchgeführt. Zielgruppen sind insbesondere die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Regierungen , der Helferkreise sowie die Ehrenamtskoordinatorinnen und -koordinatoren, die Verantwortlichen für die Unterbringung von Flüchtlingen sowie die Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe. Im Jahr 2016 fanden entsprechende Veranstaltungen in Unterfranken , Mittelfranken, Oberbayern, Oberfranken und in der Oberpfalz mit jeweils 150-250 Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt. Niederbayern und Schwaben folgen Anfang 2017. - 10 - III. Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration Prävention hat die Aufgabe, gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das friedvolle Zusammenleben ermöglichen Dazu gehört auch, möglichst schon Kinder und Jugendliche gegen radikale und menschenverachtende Ideologien stark zu machen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen, bevor andere es tun. Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration fördert deswegen Ansätze und Projekte, die sich konkret diesem Ziel verschreiben. Das umfasst universelle, nicht anlassbezogene Programme und Maßnahmen für die Gesamtgesellschaft ebenso wie die Arbeit mit besonders radikalisierungsgefährdeten Zielgruppen sowie die Beratung und Fortbildung von Fachkräften und Multiplikatoren. Auch nicht phänomenspezifische Ansätze wirken präventiv weit im Vorfeld einer möglichen Radikalisierung . Dazu gehören insbesondere Angebote und Maßnahmen der Jugendhilfe, welche positiv auf die Lebensbedingungen insbesondere von sozial benachteiligten jungen Menschen einwirken. Im Bereich der Jugendbildung unterstützen zahlreiche Jugendverbände sowie die Jugendringe die demokratische Grundhaltung ihrer Mitglieder intensiv und treten extremistischen Positionen entgegen. Zahlreiche Veranstaltungen und die Arbeit in den Strukturen der Jugendarbeit tragen zum demokratischen Verständnis junger Menschen bei. Auch im Bereich der Integrationsarbeit setzen Maßnahmen präventiv an, ohne speziell gegen Salafismus gerichtet zu sein. So handelt es sich beim Projekt „Heroes“ um ein Präventionsprojekt , das sich in Bayern an derzeit vier Standorten gezielt gegen Unterdrückung im Namen der Ehre wendet und dazu beiträgt, patriarchale Rollenbilder zu überwinden. 1. Fachstelle zur Prävention religiös begründeter Radikalisierung in Bayern in Trägerschaft von ufuq.de Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (StMAS) hat im Herbst 2015 eine landesweite Fachstelle zur Prävention religiös begründeter Radikalisierung eingerichtet. Die Fachstelle in Trägerschaft des Vereins ufuq.de wird zu gleichen Teilen aus Bundes - und Landesmitteln finanziert. Sie setzt an, bevor sich junge Menschen von radikalen Predigern angezogen fühlen und bietet pädagogische Hilfestellungen zum Umgang mit Salafismus. Damit verfügt Bayern über einen beim StMAS angebundenen zivilgesellschaftlichen Träger im Bereich der Primärprävention. Der Verein ufuq.de (Berlin) (Bedeutung: arabisch „Horizont“/„Perspektive“) ist ein anerkannter Träger der freien Jugendhilfe. Ufuq.de Berlin wurde im Jahr 2007 gegründet und hat sich bun- - 11 - desweit als Ansprechpartner für die pädagogische Praxis zu den Themen Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus etabliert. Die Fachstelle bietet pädagogischen Fachkräften, Einrichtungen und weiteren Multiplikatorinnen und Multiplikatoren Beratung und Fortbildungen im Themenfeld Islam, Islamismus, Salafismus und Islamfeindlichkeit sowie zu Ansätzen der präventiven pädagogischen Arbeit an. Neben Jugendeinrichtungen oder Jugendverbänden können sich auch Schulen, religiöse Einrichtungen oder Behörden wie die Justiz oder das Jobcenter mit Beratungs- und Fortbildungsanliegen im Rahmen der bestehenden Kapazitäten an die Fachstelle wenden. Diese breit angelegte Vernetzung wird angestrebt, um Fachkräfte, die in ganz verschiedenen Bereichen mit Jugendlichen arbeiten, zu erreichen und mit präventionsrelevanten Angeboten zu unterstützen. Ab Anfang 2017 wird die Fachstelle neben der pädagogischen Unterstützung von Fachkräften schrittweise auch junge Teamerinnen und Teamer einsetzen, die dann im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten direkt mit Jugendlichen in Jugendeinrichtungen oder an Schulen arbeiten. Themenfelder der Workshops werden unter anderem sein: Islam und Demokratie, Salafismus, Islamfeindlichkeit , Geschlechterrollen. Darüber hinaus steht ufuq.de für Beratungen rund um Fragen von Prävention und Radikalisierung zur Verfügung – und verweist ggf. an Träger weiter, deren Angebote auch die Arbeit mit einzelnen bereits radikalisierten Jugendlichen (Deradikalisierung) umfasst. Erreichbarkeit: Fachstelle zur Prävention von religiös begründeter Radikalisierung in Bayern ufuq.de Schaezlerstr. 32 86152 Augsburg bayern@ufuq.de 2. Schulung von Multiplikatoren Relevante Multiplikatorengruppen, vor allem aus der Arbeit mit Jugendlichen im außerschulischen Bereich (Jugendsozialarbeiter an Schulen, Migrationsberatungsstellen) wurden bereits in der Vergangenheit zum Thema Salafismus beschult. Ein Ziel war es, in Abgrenzung zum Salafismus auch Hintergrundwissen über muslimische Milieus in Deutschland zu vermitteln. Radikalisierung wurde dabei vor allem soziologisch als ein Aspekt von Jugendkultur in speziellen islamischen Sub-Milieus betrachtet. Durch Schulungen zur Unterscheidung zwischen der religiösen Praxis und radikalen Interpretationen soll der gesellschaftlichen Polarisierung und (unbewussten) Ausgrenzung über Aufklärung und Sensibilisierung entgegengewirkt werden (vgl. Konzept der - 12 - Deutschen Islam Konferenz 2013). Diese punktuellen Maßnahmen werden aktuell systematisch in Aus- und Fortbildungsmaßnahmen eingebettet. 3. Kommunale Netzwerke zur Salafismusprävention Die kommunale Ebene spielt eine zentrale Rolle in der Präventionsarbeit. Mithilfe von kommunalen Netzwerken, die sich mit dem Phänomen des Salafismus auseinandersetzen, können Gesamtkonzepte für die spezifische Situation vor Ort entwickelt werden. In solche kommunalen Präventionsnetzwerke sollen alle eingebunden werden, die einen direkten Zugang zu gefährdeten Gruppen haben. Polizei, Jugend- und Sozialarbeit sind in ständigem Austausch und bilden damit vor Ort eine wichtige Schnittstelle zwischen Prävention und Sicherheit. • Augsburg: Augsburg ist sowohl eine von insgesamt 21 bayerischen Kommunen, die spezielle Maßnahmen im Bereich der Muslimfeindlichkeit und der Salafismusprävention im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ ergreifen als auch Modellkommune im Bayerischen Präventions- und Deradikalisierungsnetzwerk gegen Salafismus. Als solche arbeitet Augsburg auch eng mit der dort ansässigen Fachstelle gegen religiös motivierte Radikalisierung in Bayern in Trägerschaft des Vereins ufuq.de zusammen (s. oben) und treibt den Ausbau wichtiger Netzwerkstrukturen vor Ort maßgeblich voran. Das neue Projekt „Aufbau von kleinräumigen Netzwerken in Augsburg zur Prävention von Salafismus“ startete am 1. September 2016. Sein vorrangiges Ziel ist die Vernetzung in kleinräumigen Bezirken (nicht stadtweit), da es in kleinen Einheiten einfacher ist, eine vertrauensvolle Verständigung und Zusammenarbeit aufzubauen, die dazu führt, dass sich die beteiligten Akteure mit dem Netzwerk identifizieren. Mithilfe von Informations- und Fortbildungsmaßnahmen soll über religiös begründete Radikalisierung aufgeklärt und bei regelmäßigen Treffen gegenseitige Vorurteile abgebaut werden. Zudem soll eine aktive und Öffentlichkeits- und Medienarbeit zu einer Versachlichung der gesellschaftlichen Diskurse in diesem sehr emotional-geprägten Themenfeld beitragen. Projektträger ist die Geschäftsstelle des Kriminalpräventiven Rates der Stadt Augsburg. • Nürnberg: Das „Nürnberger Präventionsnetzwerk gegen gewaltbereiten Salafismus“ startete am 1. Juni 2016 und bündelt die bestehenden Beratungs- und Präventionsangebote im Bereich Salafismus in Nürnberg, identifiziert Ressourcen und Defizite, gewinnt Partner und entwickelt konkrete Projekte zur Sensibilisierung und Prävention. Zur Zielgruppe zählen junge Menschen, Multiplikatoren, religiöse und soziale Bezugspersonen. Die Gesamtkoordination erfolgt im städtischen Menschenrechtsbüro, was einen breiten Zugang zu den bedeutendsten Akteuren in diesem Themenfeld sicherstellt. - 13 - In Augsburg und Nürnberg haben sich die Präventionsnetzwerke bereits bewährt. Der Ansatz soll nun bayernweit ausgerollt und so in die Fläche getragen werden. 4. Projekte zur allgemeinen und spezifischen Prävention a. „Aktiv gegen Vorurteile“ Das Projekt „Aktiv gegen Vorurteile“ hat den Abbau von Vorurteilen und die Förderung der Toleranz zum Ziel. In gemeinsamen Medienprojekten geben Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund innovative und kreative Antworten auf menschenfeindliche Einstellungen wie Islamfeindlichkeit , Antisemitismus oder die Abwertung von Asylbewerbern. Im Zuge dessen greifen sie Vorurteile von und über Jugendliche unterschiedlichster Herkunft auf und entwickeln Ideen für ein gelingendes Zusammenleben. In jeweils dreitägigen Medienprojekten entstehen so über den Zeitraum eines Jahres ca. 12 Videoclips , die sich gegen Gleichgültigkeit und Gedankenlosigkeit werden, die aufrütteln wollen und dazu aufrufen, Vorurteile kritisch zu hinterfragen und zu korrigieren. Von Jugendradioredaktionen in ganz Bayern werden außerdem mehr als 30 Radiobeiträge zum Thema produziert und ausgestrahlt . b. „Krass! Hauptsache radikal“ Im Mittelpunkt des Impulstheaterstücks „Krass! Hauptsache radikal“ stehen die „Lust“ am Krass-sein in jugendlichen Szenen von Hooligans über Jihad-Girls, IS-Krieger und Gangstas bis hin zu Neonazis. Ihre Styles, ihre Ästhetik, ihre Sounds und ihre Sprache verweisen auf neue Formen einer jugendlichen Protestkultur, die in ihrer Radikalität und ihrer extremen Gewaltbereitschaft oft ratlos macht und nach Antworten verlangt. Vor diesem Hintergrund und auf der Basis von O-Tönen, Recherchematerial, Interviews und biografisch -dokumentarischen Fragmenten entstand ein Theaterstück, das mobil in Schulen aufgeführt und thematisch sowohl vor- als auch nachbereitet wird. Dafür wurde ein Gesamtpaket entwickelt , ohne welches das Stück nicht buchbar ist: Im Vorfeld müssen die Lehrkräfte an einer Fortbildungsveranstaltung teilnehmen. Die Nachbereitung besteht aus einem 90-minütigem Workshop, der von Sozial- und Theaterpädagoginnen und -pädagogen jeweils pro Klasse abgehalten wird. c. „MUSA – Muslimische Seelsorge Augsburg“ Das Projekt „MUSA – Muslimische Seelsorge Augsburg“ möchte Muslimen unabhängig von Geschlecht , Alter oder Herkunft in schwierigen Lebenssituationen den Rückhalt geben, der durch - 14 - den Wandel traditioneller Strukturen häufig verloren geht. Durch die qualifizierten und flächendeckenden Angebote werden außerdem salafistischer Propaganda und Agitation vorgebeugt. Seit 2013 arbeiten Sunniten, Schiiten und Aleviten unterschiedlicher Herkunft und Sprache an den Augsburger Kliniken im Sinne der gemeinsamen Aufgabe zusammen. Sie wurden jeweils in 148 Schulungsstunden für ihren Einsatz qualifiziert und versehen ihre Begleitung im Sinne der islamischen Geschwisterlichkeit durch psychosoziale Beratung, sowie, wenn dies gewünscht ist, durch religiöse oder spirituelle Hilfestellung. MUSA bietet dies für Patienten sowie deren Angehörige in der Muttersprache an und ist auch Ansprechpartner der Einrichtungen in religions- bzw. kultursensiblen Fragen. Das Projekt wird nun auch auf andere Bereiche ausgeweitet: Angebote für Flüchtlinge, auch für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, sind ebenso in Vorbereitung wie die Zusammenarbeit mit Trägern der Notfallseelsorge, der Hospize und der Justizvollzugsanstalten. Im Jahr 2016 hat der mittlerweile vierte Ausbildungslehrgang zur Qualifizierung von Seelsorgern begonnen. Damit stehen insgesamt 53 ausgebildete Kräfte für ihre Arbeit im Krankenhaus, in Justizvollzugsanstalten und mit Flüchtlingen zur Verfügung. 5. Informations- und Beratungsangebot Wichtige Bestandteile einer nachhaltigen Präventionsarbeit sind auch die umfassende Information und Aufklärung über den Salafismus und seine verschiedenen Erscheinungsformen sowie das Aufzeigen von Hilfs- und Beratungsangeboten für all jene, die regelmäßig mit Jugendlichen zusammenarbeiten oder in Kontakt stehen. Beidem trägt das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration Rechnung, indem es in Zusammenarbeit mit den anderen Netzwerkpartnern das Internetportal www.antworten-auf-salafismus.de erarbeitet hat, auf dem seit Dezember 2016 alle wichtigen Hintergrundinformationen und Anlaufstellen abrufbar sind. Perspektivisch soll dieses informative Online-Angebot durch ein spezifisch präventives Online -Angebot für Jugendliche ergänzt werden. Zusammen mit den Netzwerkpartnern wurden bayernweit bisher mehrere Tausend Personen aus Regierungen, Kommunen, Sozialarbeit, Helferkreisen, Ehrenamtskoordinatoren sowie Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe über Fortbildungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen erreicht . Die Fachstelle für religiös begründete Radikalisierung ufuq.de hat allein im zweiten Halbjahr 2016 über 1.000 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren unter anderem aus den Bereichen Schule sowie Kinder- und Jugendhilfe erreicht. - 15 - IV. Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst Die Prävention gegen fundamentalistische und speziell auch salafistische Bestrebungen ist Teil des breit angelegten Konzepts des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst zur Gewaltprävention, die eine fundierte Werteerziehung, die Stärkung der Kinder und Jugendlichen in ihrer Selbst- und Sozialkompetenz und die Entwicklung von Kompetenzen für gewaltlose Konfliktbewältigung umfasst. Die von hier aus ins Leben gerufene Initiative „Werte machen stark.“ umfasst inzwischen viele Handlungsfelder, darunter gerade auch die Gewaltprävention , die Vermittlung kultureller und interkultureller Kompetenzen, den Dialog zwischen den Kulturen und Generationen, die Übernahme sozialer Verantwortung und auch die Prävention gegen Radikalismus und Fundamentalismus. Seit dem Schuljahr 2015/2016 wird die Wertevermittlung an den Sprachunterricht im Fach Deutsch als Zweitsprache insbesondere für Neuankömmlinge aus anderen Kulturkreisen gekoppelt. 1. Modellversuch „Islamischer Unterricht“ Einen Beitrag zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Grundlagen der Weltreligion des Islam leistet der bis 2019 verlängerte Modellversuch „Islamischer Unterricht“, der derzeit an 260 bayerischen Schulen eingerichtet ist. Zum Schuljahr 2016/2017 wird eine Ausweitung auf bis zu 400 Schulen angestrebt. Das Unterrichtsangebot hilft muslimischen Kindern und Jugendlichen, innerhalb der religiösen und kulturellen Traditionen des Islam zu einer reflektierten religiösen Kompetenz zu gelangen. Die systematische Einbeziehung interreligiöser und persönlichkeitsbildender Inhalte stellt ein Gegengewicht zu einseitiger bzw. fundamentalistischer Indoktrination dar. Die Evaluation von 2014 hat die signifikante Wirksamkeit und die hohe Akzeptanz des Islamischen Unterrichts bei den muslimischen Familien bescheinigt. 2. Kompetenznetzwerk der „Regionalbeauftragten für Demokratie und Toleranz“ Auf diesen festen Grundsockel schulischer Erziehungsarbeit aufsetzend hat das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst ergänzend eine neuartige Initiative gestartet, um möglichen Fehlentwicklungen auf dem Gebiet des Extremismus und Fundamentalismus von Anfang an gezielt entgegenzusteuern: Im Jahr 2009 wurde das Kompetenznetzwerk der „Regionalbeauftragten für Demokratie und Toleranz“ eingerichtet, um die Schulen in ihrer Erziehungsarbeit zu Demokratieverständnis und Toleranz und der Prävention gegen extreme Haltungen zu unterstützen. Die bei den neun Staatlichen Schulberatungsstellen angesiedelten Regionalbeauftragten dienen Schülern, Eltern, Lehrkräften und Schulleitungen als kompetente Ansprechpartner für verhaltens- - 16 - orientierte Prävention im Bereich des Extremismus und sind zuständig für die Durchführung von Beratungsgesprächen mit Lehrkräften, Eltern und betroffenen Jugendlichen. Sie sind aber auch zuständig für den Aufbau und die Pflege eines Netzwerks im jeweiligen Bezirk – z.B. mit Vertretern der Jugendhilfe, der Polizei sowie mit Vereinen – und die Mitwirkung an regelmäßig organisierten Angeboten der Lehrerfortbildung. Die Arbeit der Regionalbeauftragten zielt dabei grundsätzlich darauf ab, die Schulen präventiv und informierend zu begleiten, gleichzeitig aber auch den beteiligten Eltern, Lehrkräften und Schülern im Sinne von Erziehungshilfe zur Seite zu stehen, falls bemerkt wird, dass bei einem Schüler Haltung oder Verhalten mit extremistisch grundierter Devianz wahrgenommen wird. In diesem Fall greift die schulpsychologische Professionalität der Regionalbeauftragten, denen es um die gedeihliche Entwicklung des einzelnen Jugendlichen und seines Umfeldes geht und die den Betroffenen bei der Bewältigung der gefährlichen Situation helfen. 3. Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit organisiert in Abstimmung mit weiteren hier zuständigen Organisationseinheiten des Staatsministeriums für Bildung, Kultus, Wissenschaft und Kunst die inhaltliche und methodische Aus- und Fortbildung der Regionalbeauftragten. Diese erfolgt auch in Zusammenarbeit mit externen, auf diesem Gebiet in besonderer Weise ausgewiesenen Partnern. Die Zielsetzung ist eine praxisnahe Auseinandersetzung mit islamistischen Erscheinungsformen und möglichen Strukturen an Schulen. Hierzu vermittelt das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz detailliertes Hintergrundwissen. Die Regionalbeauftragten haben bei einschlägigen Fortbildungsveranstaltungen bekundet, dass sie das Thema des Salafismus zunehmend beschäftigt. Die Landeszentrale wird nunmehr in Abstimmung mit dem Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr sowie dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz bei der angestrebten Fortführung des Fortbildungs -Programms der Regionalbeauftragten die Bedrohung von Jugendlichen durch salafistische Strömungen berücksichtigen. Eine erste Erörterung der hier möglichen Vorgehensweisen ist im Rahmen einer Fortbildung für die Regionalbeauftragten mit der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung (ALP) im September 2016 erfolgt. Weitere Schritte hin zu einer effektiven Fortbildung wurden festgelegt: So fanddie jährliche Fortbildung der Regionalbeauftragten im Herbst 2016 mit einem zeitlichen und inhaltlichen Schwerpunkt „Salafismus“ statt. Darüber hinaus wurde inzwischen erneut ein dreijähriges Coaching der Regionalbeauftragten beauftragt, das sich u.a. mit den pädagogisch-didaktischen Herausforderungen auf dem Gebiet der Salafismus- Prävention befasst. Die professionelle Beratung der Schulen bei der Salafismus-Prävention durch die Regionalbeauftragten greift seit dem Schuljahr 2016/17. - 17 - V. Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr 1. Vertrauensbildende Maßnahmen zw. Polizei und muslimischen Einrichtungen Vertrauensbildende Maßnahmen zwischen Polizei und muslimischen Einrichtungen sind eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung präventiver Maßnahmen. Nach den Anschlägen in London 2005 wurde auf Bundesebene zwischen den Sicherheitsbehörden und muslimischen Verbänden vertrauensbildende Maßnahmen thematisiert und u. a. die Einsetzung einer entsprechenden Arbeitsgruppe beschlossen. Diese Arbeitsgruppe hat ein Konzept mit Handlungsempfehlungen zur Vertrauensförderung zwischen muslimischen Verbänden und Sicherheitsbehörden erstellt, das vor allem die Benennung von Ansprechpartnern, die Organisation und Durchführung von regionalen Vortrags- und Informationsveranstaltungen zum wechselseitigen Austausch, die Bereitstellung und Verteilung von Informationsmaterial und die Intensivierung der Aus- und Fortbildung von Bediensteten der Sicherheitsbehörden beinhaltet. In Umsetzung des Konzeptes werden in Bayern auf regionaler Ebene zahlreiche Einzelmaßnahmen mit dem Ziel der Vertrauensbildung zwischen Polizei und muslimischen Einrichtungen, wie regelmäßige Kooperationsgespräche, die Benennung von gegenseitigen Ansprechpartnern zur Förderung des Vertrauens z. B. durch speziell geschulte „Moschee-Kontaktbeamte (MKB)“, ein Angebot von regionalen Vortrags- und Informationsveranstaltungen und gegenseitige Einladungen zu Veranstaltungen geselliger, kultureller oder auch religiöser Art, durchgeführt. Die im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eingerichtete „Clearingstelle Präventionskooperation " wirbt im Auftrag der Deutschen Islamkonferenz seit 2008 ebenfalls dafür, den Dialog zwischen Moscheevereinen und Polizei aufzunehmen und zu intensivieren. Aufgabe der Clearingstelle ist, den Dialog durch Nennung von gegenseitigen Ansprechpartnern und Experten zu unterstützen. Alle Verbände der Bayerischen Polizei haben mindestens einen Vertreter benannt . Um vor dem Hintergrund der Zunahme von Radikalisierungsprozessen, wie sie sich beispielsweise durch zunehmende Ausreisebewegungen zur Teilnahme am bewaffneten Jihad zeigen, noch intensiver entgegen zu wirken, werden seitens der Bayerischen Polizei vertrauensbildende Maßnahmen im Dialog zwischen Polizeibehörden und muslimischen Vereinen und Einrichtungen verstärkt . So fand beispielsweise im Februar 2015 ein Workshop für Polizeibeamte statt, die sich als Ansprechpartner für die Umsetzung der Maßnahmen einsetzen. - 18 - 2. Vermittlung Interkultureller Kompetenzen innerhalb der Bayer. Polizei Eine leistungsfähige und bürgerorientierte Polizeiarbeit ist die Grundlage für ein funktionierendes Gemeinwesen und ein wichtiger Standortfaktor für ein sicheres Bayern. Als Dienstleister für die Öffentlichkeit steht die Bayerische Polizei besonders vor der Herausforderung, bei der Aufgabenerfüllung auf die Bedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen eingehen zu können. Dabei stellt die „Interkulturelle Kompetenz“ für die Bayerische Polizei eine Kernkompetenz für das verantwortungsvolle Handeln in einer sich verändernden Gesellschaft dar, deren Bedeutung schon früh erkannt wurde. So werden seit 2003 entsprechende Maßnahmen konzeptionell, unter Einbindung der Fachdienststellen und der Fachstellen für Aus- und Fortbildung, umgesetzt. Heute nehmen die Thematiken „Interkulturelle Kompetenz“, Ausländer- und Asylrecht, Staatskunde und politische Bildung, aktuelle Phänomene des islamischen Extremismus, Hintergrundwissen zum islamischen Kulturkreis, Beherrschung der englischen Sprache, abgestimmt auf die jeweilige Qualifizierungsebene, bereits in der Ausbildung einen festen Platz ein. Neben rechtlichen und einsatztaktischen Aspekten werden dabei auch die Hintergründe und Auswirkungen von Migration sowie die Bedeutung und Möglichkeiten interkultureller Kommunikation dargestellt. In Fächern wie „Soziologie“, „Psychologie“ und „Berufsethik“ wird auf die Grundwerte menschlichen Zusammenlebens, die Entstehung und den Umgang mit Stereotypen und Vorurteilen, die Bedeutung sozialer Gruppen und die Bildung von sozialen Urteilen und Wertvorstellungen auch in Bezug auf fremde Kulturen eingegangen. Im zentralen Fortbildungsprogramm der Bayer. Polizei wird das Thema in verschiedenen Seminaren in unterschiedlichen Stundenansätzen behandelt, so z. B. im Kriminal-Basis-Seminar, in den Staatsschutzseminaren und in den Seminaren zur Qualifizierung unserer Führungskräfte. Die spezifischen Unterrichtsinhalte vermitteln unseren Beamtinnen und Beamten die Fähigkeit, interkulturelle Situationen und Zusammenhänge wahrzunehmen und sie mit ihren Problemstellungen zu erfassen, das eigene Bedingungs-, Bezugs- und Wertesystem zu sehen und eigene Einstellungen, das eigene Verhalten und Handeln kritisch reflektieren zu können, sowie Konflikte im interkulturellen Kontext wahrzunehmen und bearbeiten zu können. Sowohl unsere Ausbildung, als auch die Inhalte unserer Fortbildungsseminare werden regelmäßig evaluiert und ggf. angepasst. Mit der anhaltenden Zuwanderung und der Aufnahme einer Vielzahl von Flüchtlingen haben wir speziell in diesem Zusammenhang ein eigenes Fortbildungskonzept für die Bayer. Polizei erarbeitet , das sich der vielschichtigen Herausforderungen annimmt. Im Rahmen dieses Konzepts haben wir im Juli 2016 in zwei Großveranstaltungen Basiswissen zum Themenkreis „Herausfor- - 19 - derungen für die Polizei durch die Asyl- und Flüchtlingssituation“ vermittelt und Multiplikatoren zur Durchführung von Tagesveranstaltungen und Dienstunterrichten in den Verbänden beschult. In den zentral veranstalteten Seminaren wurde auch der „Umgang mit Kulturen“ unterrichtet, damit unsere Einsatzkräfte höhere Handlungskompetenz in kulturell schwierigen Interaktionssituationen erreichen. 2017 sollen in Ainring zwei Seminare veranstaltet werden, die sich insbesondere dem Themenfeld ‚Interkulturelle Kompetenz‘ vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise widmen. Ein spezielles E-Learning Programm ist zudem in Vorbereitung. Zur Koordination der Aus- und Fortbildungskonzepte der polizeilichen Bildungsträger veranstaltete das Präsidium der Bayer. Bereitschaftspolizei, unter Einbindung von Vertretern der Universität Bamberg, im Oktober 2016 eine Fachtagung zum Themenfeld „Vermittlung Interkultureller Kompetenz aus pädagogisch-psychologischer Sicht“. Auf nationaler Ebene ist besonders das spezifische Fortbildungsangebot der Deutschen Hochschule der Polizei zu benennen, dass die Thematik im Rahmen des funktionsbezogenen Seminars „Interkulturelle Kompetenz – Fortbildungskonzepte und Anwenderpraxis aus den Bundesländern “ wissenschaftlich aufgreift und Führungskräften der Bayer. Polizei einen länderübergreifenden Austausch ermöglicht Weiterhin sind auf nationaler Ebene die vom BKA angebotenen Staatsschutzseminare zu benennen , die von Beamten der Bayer. Fachdienststellen ebenfalls besucht werden. Im Jahr 2015 wurde die Thematik im 37. Seminar für Leiterinnen und Leiter von Polizeibehörden zum Schwerpunktthema „Islamismus – Möglichkeiten und Grenzen der Prävention“ diskutiert. Dabei wurde auch das für die Aus- und Fortbildung unserer Beamtinnen und Beamten zur Verfügung stehende Medienpaket „Mitreden! Kompetent gegen Islamfeindlichkeit, Islamismus und jihadistische Internetpropaganda“ des ProPK präsentiert. Einzelne Bayer. Polizeivollzugsbeamte besuchten auch auf europäischer Ebene fachspezifische Seminare von MEPA und CEPOL zum Thema „De-Radikalisierung“ und „Migration“. 3. Maßnahmen der Polizeilichen Kriminalprävention „Islamistischer Extremismus/Terrorismus“ ist ein eigenständiges Themenfeld der Rahmenkonzeption für die Polizeiliche Kriminalprävention in Bayern, das fakultativ durch die Kriminaldienststellen der Verbände umgesetzt wird. - 20 - Seit 2014 wird das Fortbildungsseminar „Kriminalprävention Islamismus“ angeboten, das für spezifische Fachkräfte der Schutz- und Kriminalpolizei ausgerichtet ist. Neben der Vermittlung von Grundlagen- und Hintergrundwissen, werden Polizeibeamte mittels des Seminars in die Lage versetzt, Radikalisierungsmerkmale und -verläufe bei Jugendlichen zu erkennen und geeignete eigene Präventionsmaßnahmen zu treffen bzw. interne und externe Netzwerke einzubinden. Im Zuge „vertrauensbildender Maßnahmen“ zwischen Sicherheitsbehörden und Muslimen kommt zudem den übrigen Themenfeldern der Polizeilichen Kriminalprävention, wie etwa Jugendkriminalität , Verhalten als Opfer von Straftaten, Suchtprävention und der sicherheitstechnischen Prävention eine wichtige Rolle zu. Der Beitrag zur Vertrauensbildung zwischen Polizei und muslimischer Wohnbevölkerung erfolgt hierbei im Wesentlichen durch Vortragstätigkeiten von Präventionsbeamten sowie Bereitstellung der Publikationen des Programms Polizeilicher Kriminalprävention (ProPK.). ProPK deckt hinsichtlich des islamistischen Extremismus Themen ab, die sowohl die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Moscheevereinen, die interne sowie die externe Präventionsarbeit umfassen. Dabei werden verschiedene Medienkanäle, wie Druckmedien, Kurzfilme oder das Internet genutzt. Zur Thematik „Transfer Interkultureller Kompetenz“ wurden seitens des ProPK unter bayerischer Mitwirkung zur bundesweiten Verwendung Medien erstellt, die auch bayernweit für vertrauensbildende Maßnahmen bei Muslimen und Vertretern muslimischer Organisationen zum Einsatz kommen und sich zur Unterstützung der Präventionsarbeit bewährt haben. Die einzelnen Medienpakete sind auch Thema in der Aus- und Fortbildung. Hier ist z.B. auch das Medienpaket „Mitreden ! Kompetent gegen Islamfeindlichkeit, Islamismus und jihadistische Internetpropaganda“ zu nennen, welches als Medium der Präventionsarbeit durch Polizeibeamte und polizeiexterne Präventionskräfte Verwendung findet. 4. Kompetenzzentrum für Deradikalisierung im BLKA Im Rahmen von Bayerns Netzwerk für Prävention und Deradikalisierung wurde zum 01.09.2015 im Bayerischen Landeskriminalamt das Kompetenzzentrum für Deradikalisierung eingerichtet. Damit wird die Säule „Deradikalisierung“ des Netzwerkes umgesetzt. Das Kompetenzzentrum kooperiert mit dem zivilgesellschaftlichen Träger Violence Prevention Network e.V. (VPN) auf Grundlage eines zivilrechtlichen Vertrages. Das Kompetenzzentrum im BLKA ist in Fragen der Deradikalisierung Ansprechpartner für Behörden in Bayern und arbeitet eng mit andern Sicherheitsbehörden, der Justiz sowie zahlreichen weiteren Akteuren zusammen. Darüber hinaus nimmt es Analysen und Bewertungen von gemel- - 21 - deten Sachverhalten zur Prüfung von sicherheitsrelevanten Aspekten sowie fallbezogene Beratungen von thematisch betroffenen Personenkreisen, z.B. Flüchtlingshelfern vor. Bei Deradikalisierungsfällen mit Sicherheitsrelevanz nimmt das Kompetenzzentrum koordinierende Funktionen wahr. Durch die multiprofessionelle und interdisziplinäre Aufstellung des Kompetenzzentrums können für den jeweiligen Einzelfall passgenaue Ansätze entwickelt werden. Dabei vereint das Kompetenzzentrum polizeiliches Fachwissen mit der Expertise aus den Bereichen Psychologie und Islamwissenschaften und kann somit unterschiedliche Perspektiven beleuchten und analysieren. Neben der Öffentlichkeitsarbeit, die im Rahmen von Bayerns Netzwerk für Prävention und Deradikalisierung umgesetzt wird, ist das Kompetenzzentrum für die polizeiinterne Aus- und Fortbildung zur Thematik verantwortlich. Weiterhin werden durch das Kompetenzzentrum anlassbezogen vertrauensbildende Maßnahmen mit muslimischen Einrichtungen im Zusammenhang mit Deradikalisierung koordiniert und im Einzelfall unterstützt. Der zivilgesellschaftliche Träger VPN unterhält in Bayern eine eigene Beratungsstelle mit Sitz in München. Die „Beratungsstelle Bayern“ arbeitet mit jungen Menschen, die islamistische Tendenzen aufweisen, mit dem Ziel Dschihad in Kriegsgebiete ausreisen möchten oder aus Syrien bzw. dem Irak zurückkehren und sich in Haft befinden. Auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge können das Beratungsangebot in Anspruch nehmen. Das Ziel der „Beratungsstelle Bayern“ ist die Radikalisierungsvermeidung bzw. Deradikalisierung junger Menschen sowie die Beratung der Angehörigen in der Ausstiegsbegleitung. Die Mitarbeiter der „Beratungsstelle Bayern“ suchen den direkten Zugang zu jungen Menschen und sprechen Gefährdete im Umfeld des Salafismus schnell vor Ort an, um Ausstiegsprozesse aus einem bereits stattgefundenen Radikalisierungsprozess zu initiieren. Flankierend schaffen die Trainer ein unterstützendes Angebot für deren Angehörige (und das nähere Umfeld), die sich im Umgang mit ihren sich entfremdenden Kindern (bzw. Schülern, Freunden etc.) hilflos und ohnmächtig fühlen. VPN arbeitet bereits seit fünfzehn Jahren mit Menschen, die wegen rechtsextremistisch oder religiös motivierter Gewalttaten inhaftiert sind sowie mit Jugendlichen, die Gefahr laufen, sich zu radikalisieren. Ein zentrales Element der Arbeit von VPN ist das Deradikalisierungsprogramm in Haft „Verantwortung übernehmen – Abschied von Hass und Gewalt“. Schon seit 2013 arbeitet VPN in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen mit Angehörigen von radikalisierten Jugendlichen , die als „Foreign Fighters“ in Kriegsgebiete ausreisen wollen oder bereits ausgereist sind. Im Rahmen von Beratungsstellen bietet VPN Deradikalisierungstrainings und Ausstiegsbegleitung für Radikalisierte an. - 22 - VPN ist ein Verbund erfahrener Fachkräfte, die seit Jahren mit Erfolg in der Deradikalisierungsarbeit und Extremismusprävention tätig sind und sich durch hohe fachliche Kompetenz auszeichnen . 5. Prävention durch Aufklärung und Beratung durch das BayLfV Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) ist seit 2002 durch verschiedene Maßnahmen und Projekte im Bereich der Islamismus- bzw. Salafismusprävention aktiv. Dazu zählen Beratungsgespräche, Vorträge und Multiplikatorenschulungen für Polizeibeamte, Lehrer, Ausbildungsträger, Mitarbeiter im sozialen Bereich, im Justizvollzug und in Flüchtlingsunterkünften . Im ersten Halbjahr 2016 wurden rund 60 derartige Veranstaltungen durchgeführt. Die Maßnahmen des BayLfV zielen darauf ab, durch eine gezielte Sensibilisierung von spezifischen (Berufs-)Gruppen, diese zur Unterscheidung zwischen Islamismus und religiösen Erscheinungsformen des Islam zu befähigen und angemessene Reaktionen auf eine mögliche islamistische Radikalisierung zu ermöglichen. Im Bereich der Aus- und Fortbildung der bayerischen Polizei führt das BayLfV seit langem systematische Schulungsmaßnahmen durch. Im Fortbildungsinstitut der bayerischen Polizei in Ainring werden regelmäßig Vorträge zum Umgang mit Muslimen, zum Islamismus allgemein oder zu konkreten Fachthemen (z.B. Salafismus) gehalten. In Einzelfällen, vor allem bei entsprechenden Nachfragen, werden bei anderen Polizeidienststellen Vorträge angeboten. Im Rahmen des Regionalprojektes „Münchner Kompetenz“ werden Kontaktbereichsbeamte (ca. 140 Polizeibeamte) des PP München fortgebildet. Es handelt sich vornehmlich um Polizeibeamte auf Polizeiinspektionen, die in direktem Kontakt zu den Bürgern stehen und auch Kontakt zu den örtlichen Moscheevereinen halten. Durch die Fortbildung werden die Beamten unterstützt, spezifische Problemfelder im Umgang mit muslimischen Mitbürgern und Moscheevereinen besser bewerten zu können. Für Radikalisierungsverläufe und die Zusammenarbeit mit Moscheevereinen , in denen Radikalisierungen oftmals frühzeitig sichtbar werden, soll sensibilisiert werden. Die Fortbildungen werden vom Verfassungsschutz und dem BLKA im Auftrag des Polizeipräsidiums München bereits seit 2007 durchgeführt. In ähnlicher Weise hält das BayLfV regelmäßig Vorträge im Bereich der Aus- und Fortbildung im Rahmen der Einsatztaktischen Ausbildung (ETA) der Bayerischen Polizei, um auch dort Sensibilität für den Umgang mit der muslimischen Bevölkerung bei Einsätzen zu schaffen. Zugleich wird ein Einblick in den Phänomenbereich Islamismus gewährt. Inzwischen werden alle Studierenden der dritten Qualifizierungsebene flächendeckend durch das BayLfV erreicht. - 23 - Bei Fortbildungen des Zentralen Psychologischen Dienstes (ZPD) für die eigenen Mitarbeiter oder auch für die sogenannten Verhandlungsgruppen (VG), deren Ziel darin besteht, die Beamten auf Amoklagen, Geiselnahmen und Terrorlagen vorzubereiten, wird seit einigen Jahren auf die Expertise des BayLfV zurückgegriffen. Hier werden Hintergründe zum Islamismus/Salafismus vermittelt und spezifische Fragen beantwortet. Das BayLfV ist ein Partner des „Kompetenzzentrums für Deradikalisierung“ (KomZ), das im BLKA angesiedelt ist. Das BayLfV bringt seine Fachexpertise im Rahmen von Fallbesprechungen in die Tätigkeit des KomZ ein. Das BayLfV ist seit 2011 mit Qualifizierungsschulungen zum Thema „Islamismus und Salafismus“ an dem Kompetenznetzwerk „Regionalbeauftragte für Demokratie und Toleranz“ beteiligt. Diese Fortbildungen wurden seit Herbst 2016 im Rahmen eines regionalen Pilotprojekts mit der Regierung von Unterfranken auf die Zielgruppe der von der Flüchtlingsthematik stark betroffenen Berufsschullehrer ausgeweitet.. Seit 2007 hat das BayLfV Sicherheitspartnerschaften mit allen Hochschulen in Bayern etabliert , was auf einen Beschluss der ständigen Konferenz der Innenminister vom November 2006 zurückging. Hintergrund waren die versuchten islamistisch motivierten Terroranschläge vom Juli 2006 in Deutschland. Bei der Partnerschaft handelt es sich primär um ein Schulungs- und Beratungsangebot für Universitäten und Hochschulen. Das BayLfV bietet für alle bayerischen Justizvollzugsanstalten (JVA’en) Fortbildungsveranstaltungen zur Sensibilisierung im Hinblick auf mögliche salafistische Radikalisierungen in JVA’en an. Ebenso bringt sich das BayLfV in die Aus- und Fortbildung in der Justizvollzugsschule Straubing ein. Damit kann ein großer Personenkreis von Multiplikatoren angesprochen werden. Die Sensibilisierungsmaßnahmen haben sich mit der Zeit institutionalisiert: Mit der Fortbildung durch Islamwissenschaftler des BayLfV werden jährlich Bedienstete der JVA’en und alle Anwärter der zweiten und dritten QE für den Justizvollzugsdienst erreicht. Darüber hinaus unterstützt das BayLfV die JVA’en durch die Bereitstellung verschiedener Hilfsmittel , wie einer „Negativliste“ von Büchern für die Bibliotheken der Anstalten, einer Broschüre über extremistische Symbole und je nach Bedarf anderer Informationen sowie Beratung im Einzelfall . Einem Teil der Personen, die während ihrer Haftzeit als Radikalisierte oder Radikalisierungsgefährdete aufgefallen sind, wird nach ihrer Entlassung ein Bewährungshelfer oder eine Bewäh- - 24 - rungshelferin zu gewiesen. Aus diesem Grund wurden Sensibilisierungsveranstaltungen zum Thema „Salafismus“ für die bayerische Bewährungshilfe initiiert. . Außerdem wurden für Mitarbeiter des Maßregelvollzugs im Jahr 2016 bereits erste Schulungsveranstaltungen durchgeführt. Seit den Attentaten vom 13.11.2015 in Paris und vom 22.03.2016 in Brüssel, nimmt die präventive Arbeit des BayLfV im Flüchtlingskontext einen hervorgehobenen Stellenwert ein. Das BayLfV sensibilisiert verstärkt Betreiber und Mitarbeiter von Flüchtlingsunterkünften und beschult Landratsämter. Perspektivisch sollen verstärkt Betreuer unbegleiteter minderjähriger Asylbewerber (UMA) beschult werden, da UMA eine besonders schutzbedürftige und gefährdete Gruppe unter den Flüchtlingen darstellen. Flyer „Falsche Freunde in der Flüchtlingshilfe?“ Im Fokus der deutschen Sicherheitsbehörden stehen aktuell auch Salafisten und andere Islamisten , die gezielt den Kontakt zu muslimischen Flüchtlingen suchen und durch vermeintliche Hilfsangebote versuchen, die Hilfsbedürftigkeit der Flüchtlinge für ihre eigene Zwecke auszunutzen und zu missbrauchen, z. B. um neue Anhänger zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund hat das BayLfV ein Faltblatt zur Sensibilisierung und Aufklärung der bayerischen Flüchtlingseinrichtungen erstellt, das über die Bedrohung der Einflussnahme von Salafisten auf hilfsbedürftige Flüchtlinge informiert. Seit der Veröffentlichung am 1. Februar 2016 wurden bereits mehrere Zehntausend Exemplare verteilt, ein Großteil davon auf Nachfrage von Behörden und Hilfsorganisationen. Der Flyer kann u.a. über die Homepage des BayLfV bezogen werden Broschüre „Salafismus – Prävention durch Information“ Das BayLfV war maßgeblich an der Erstellung der Broschüre „Salafismus – Prävention durch Information“ beteiligt. Die Broschüre des StMI zeigt die Unterschiede zwischen politischem und jihadistischem Salafismus auf. Sie informiert über Strukturen und Erscheinungsformen in Bayern. Zugleich geht die Broschüre auch auf den Radikalisierungsprozess junger Salafisten ein und informiert Eltern, Lehrer und weitere Multiplikatoren über Anzeichen einer beginnenden Radikalisierung . Sie gibt darüber hinaus Verhaltenstipps, falls sich ein Angehöriger zu radikalisieren droht und benennt Ansprechpartner. Die im Sommer 2016 aktualisierte Broschüre enthält daneben auch die wichtigsten Informationen über das „Bayerische Netzwerk für Prävention und Deradikalisierung gegen Salafismus“ und nennt die Ansprechpartner des Netzwerks mit ihren Kontaktdaten. Darüber hinaus ist derzeit eine Übersetzung der Broschüre in weitere Sprachen in Bearbeitung. Die fremdsprachigen Exemplare sollen dann unter anderem auf der Website „Antworten auf Salafismus “ oder über das offizielle Broschürenportal der Bayerischen Staatsregierung abgerufen werden können. - 25 - VI. Bayerisches Staatsministerium der Justiz 1. Zentrale Koordinierungsstelle für Maßnahmen gegen Salafismus/Islamismus in Justizvollzugsanstalten Der bayerische Strafvollzug stellt sich seit jeher entschlossen und tatkräftig den Herausforderungen bei der Bekämpfung von Extremismus und Verhinderung von extremistischen Radikalisierungsversuchen gleich welcher Art. Innerhalb der Anstalten leisten sämtliche Berufsgruppen wertvolle Beiträge im Sinne eines vernetzten Zusammenwirkens gegen islamistische bzw. salafistische Strukturen. Um Radikalisierungstendenzen von Gefangenen noch besser zu erkennen und diesen begegnen zu können sowie zur weiteren Optimierung der Unterstützungsangebote zur Deradikalisierung von bereits radikalisierter Gefangenen unternimmt der bayerische Justizvollzug konkret folgende Anstrengungen: Zum 1. Dezember 2015 wurde die Zentrale Koordinierungsstelle für Maßnahmen gegen Salafismus /Islamismus in Justizvollzugsanstalten (ZKS) im Geschäftsbereich der Abteilung Justizvollzug des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz geschaffen, die von einer Islamwissenschaftlerin geleitet wird. Das Aufgabenspektrum umfasst u.a.: • Fortschreibung von Handlungsstrategien für den bayerischen Justizvollzug im Umgang mit sich radikalisierenden oder bereits radikalisierten Gefangenen • Koordinierung bei salafistischen/islamistischen Verdachtsfällen im bayerischen Justizvollzug • Extremismusprävention durch Wissensmanagement im bayerischen Justizvollzug • Fachliche Begleitung und Unterstützung des Ausbaus der muslimischen Gefängnisseelsorge • Verdichtung der Zusammenarbeit mit anderen Sicherheitsbehörden. Schwerpunkte der fachlichen Unterstützung und Begleitung der Zentralen Koordinierungsstelle für Maßnahmen gegen Salafismus/Islamismus in Justizvollzugsanstalten (ZKS) sind dabei: a) Koordinierung bei islamistischen Verdachtsfällen im bayerischen Justizvollzug Die ZKS steht als direkter Ansprechpartner betroffenen Justizvollzugsanstalten zur Verfügung , um diese im Umgang mit islamistischen Verdachtsfällen zu begleiten und darüber hinaus bei der Koordinierung des Informationsaustausches zu unterstützen. - 26 - b) Stärkung des bayerischen Justizvollzugs durch Wissensmanagement Die ZKS intensiviert die bereits durchgeführten spezifischen Schulungsmaßnahmen für die bayerischen Justizvollzugsbediensteten, u.a. im Rahmen von anstaltsinternen Fortbildungen oder Fachtagungen an der Bayerischen Justizvollzugsakademie. Zusätzlich erhalten die bayerischen Justizvollzugsanstalten von der ZKS regelmäßig Übersichten , die das Erkennen von Islamismus/Salafismus und den Umgang mit diesen extremistischen Bestrebungen im Justizvollzug erleichtern sollen. Dieses Hilfsmaterial wird durch die ZKS regelmäßig aktualisiert und richtet sich an alle Bediensteten im bayerischen Justizvollzug. Darüber hinaus bietet die ZKS den bayerischen Justizvollzugsanstalten auch bei allgemeinen Fragen zum Islam bzw. Islamismus oder zu Radikalisierungsverläufen fachliche Unterstützung an. c) Einsatz von "Extremismusbekämpfungsbeauftragten - EBB" Derzeit wird in zwei Justizvollzugsanstalten (München, Nürnberg) der Einsatz speziell geschulter Extremismusbekämpfungsbeauftragter pilotiert. Diese sollen in den Justizvollzugsanstalten salafistische bzw. islamistische Rekrutierungs- und Radikalisierungstendenzen erkennen, die Umsetzung entsprechender Gegenmaßnahmen vor Ort koordinieren und den Informationsaustausch mit anderen Anstalten, Sicherheitsbehörden und weiteren Stellen (z.B. "Kompetenzzentrum für Deradikalisierung" des Bayerischen Landeskriminalamtes) weiter optimieren. Der Einsatz der EBB hat sich in der Praxis bereits bewährt. So konnte der Informationsaustausch bei Gefangenen mit salafistischen bzw. jihad-salafistischen Bezügen (u.a. Untersuchungsgefangene nach §§ 89a,b und §§ 129a,b) zwischen der betroffenen Justizvollzugsanstalt und weiteren Behörden (Zentrale Koordinierungsstelle für Maßnahmen gegen Salafismus /Islamismus, polizeilicher Staatsschutz, Verfassungsschutz, Kompetenzzentrum für Deradikalisierung des Bayerischen Landeskriminalamtes) verstärkt werden. Erkenntnisse, die sich aus der engmaschigen Beobachtung solcher Gefangener im Justizvollzug ergeben, können dadurch schnell und vertrauensvoll weitergeleitet und entsprechend bearbeitet werden. - 27 - d) Extremismusprävention durch den Ausbau der muslimischen Seelsorge Mit Unterstützung der Leiterin der Zentralen Koordinierungsstelle für Maßnahmen gegen Salafismus/Islamismus in Justizvollzugsanstalten (ZKS) konnten mehreren Justizvollzugsanstalten zusätzliche muslimische Seelsorger vermittelt werden. So wird derzeit beispielsweise in mehreren Justizvollzugsanstalten der Einsatz von deutschsprachigen muslimischen Seelsorgern eines verbandsunabhängigen Projekts ("Muslimische Seelsorge Augsburg - MUSA") erprobt. Ergänzend steht die ZKS in Justizvollzugsanstalten in einem regen fachlichen Austausch mit verschiedenen Akteuren (u.a. mit islamischen Gemeindevertretern, universitären bzw. wissenschaftlichen Einrichtungen). Darüber hinaus werden auf interministerieller Ebene weitere Möglichkeiten des Ausbaus geprüft. e) Verdichtung der Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden Um die Zusammenarbeit zwischen Justizvollzug und Sicherheitsbehörden weiter zu verstärken , steht die Zentrale Koordinierungsstelle für Maßnahmen gegen Salafismus /Islamismus in Justizvollzugsanstalten in einem engen und regelmäßigen Austausch mit diesen Behörden. Daher werden den Sicherheitsbehörden, wie umgekehrt dem Justizvollzug , gewonnene Erkenntnisse über extremistische Bezüge und extremistische Radikalisierungstendenzen übermittelt, um so der Gefahr islamistischer Radikalisierung nachhaltig entgegenwirken zu können. Als Teil einer bayerischen Gesamtstrategie zur Bekämpfung des Islamismus bzw. Salafismus konnte die Zentrale Koordinierungsstelle für Maßnahmen gegen Salafismus /Islamismus in Justizvollzugsanstalten bereits in kurzer Zeit als wichtiger Ansprechpartner innerhalb und außerhalb des bayerischen Justizvollzugs etabliert werden, der auch über die Grenzen Bayerns hinweg auf großes nationales und internationales Interesse stößt. 2. Fortbildung der Richter und Staatsanwälte Richtern und Staatsanwälten steht insbesondere die durch das StMJ in der Regel halbjährlich veranstaltete Tagung zur interkulturellen Kommunikation zur Verfügung. Dort wurden u.a. auch die Gefahren einer „Paralleljustiz" thematisiert und Hilfestellungen dazu gegeben, eine „Paralleljustiz " erkennen zu können und die vorhandenen Instrumentarien, vor allem der Strafprozessordnung , effektiv einzusetzen. Unter dem Titel "Justiz im Umgang mit anderen Kulturen - Hilfestellungen für den Justizalltag" fand vom 21. bis 23. September 2016 eine Tagung in Fischbachau statt. - 28 - Weitere Tagungen werden an der Deutschen Richterakademie angeboten: So werden in der dort jährlich durchgeführten Tagung „Aktuelle Fragen des Asyl- und Ausländerrechts", die inhaltlich durch das StMI gestaltet wird, u.a. Rechtsfragen des Ausländerextremismus thematisiert. Behandelt werden diese zudem in der Tagung „Politischer Extremismus". Weitere Hilfestellungen vermittelt die an der Deutschen Richterakademie in der Regel jährlich angebotene Tagung zu „Interkultureller Kompetenz". Im Jahr 2015 fand an der Deutschen Richterakademie zudem eine Tagung zu „Justiz und Islam" statt. Darüber hinaus erhalten die Staatsanwaltschaften regelmäßig die oben erwähnten Handlungsempfehlungen der Projektgruppe zur Zusammenarbeit von Polizei und Justiz. 3. Verhinderung von Paralleljustiz Beim Phänomen „Paralleljustiz" handelt es sich um eine Form der nicht tolerablen internen Konfliktlösung , die sich vor dem Staat versteckt, die Aufklärung von Straftaten behindert und das Wertesystem unseres Grundgesetzes nicht anerkennt, wie insbesondere die Gleichbehandlung von Mann und Frau. „Paralleljustiz" ist allerdings keine Islamismus-spezifische, sondern eine kulturspezifische Problematik. Parallelstrukturen entstehen vor allem in integrationsfernen Migrantenmilieus , unabhängig von der Religions- und Nationalzugehörigkeit. Bayern hat als erstes Land auf dieses Phänomen reagiert und bereits Ende 2011 einen Runden Tisch „Paralleljustiz" mit verschiedensten Experten eingerichtet. Die zusammen mit dem Runden Tisch erarbeiteten Maßnahmen fußen auf zwei Ansätzen: • Die bayerischen Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte werden zum Thema „Paralleljustiz" v.a. über die genannten Fortbildungsveranstaltungen sensibilisiert . Zudem hat das StMJ Ansprechpartner für „Paralleljustiz" bei den Generalstaatsanwaltschaften eingerichtet. • Das StMJ setzt präventive Maßnahmen der Vertrauensbildung um. Denn „Paralleljustiz" ist Ausdruck mangelnder Integration. Unser Rechtssystem wird nicht akzeptiert. Grund dafür sind oftmals fehlende Kenntnisse unserer Rechtsordnung begleitet von fehlendem Vertrauen in unsere Institutionen. Deshalb gibt das StMJ eine mehrsprachige Broschüre mit dem Titel „So funktioniert die deutsche Rechtsordnung" heraus, die an Menschen vor allem aus integrationsfernen Migrantenmilieus kostenlos verteilt wird, um Kenntnisse über unsere Rechtsordnung zu vermitteln, Hemmschwellen abzubauen und einer Flucht in Parallelstrukturen vorzubeugen. Seit Anfang des Jahres 2016 bietet die bayerische Justiz zudem einen Rechtsbildungsunterricht für Flüchtlinge und Asylbewerber an. Richter und Staatsanwälte gehen dabei in die Unterkünfte und Einrichtungen und vermitteln den Flüchtlingen und - 29 - Asylsuchenden die Grundlagen und Prinzipien unseres freiheitlich-demokratischen Staatswesens sowie unserer Rechtsordnung. Dieses Projekt läuft überaus erfolgreich. Auf Bayerns Initiative hin wurde im Koalitionsvertrag auf Bundesebene illegaler „Paralleljustiz" eine klare Absage erteilt. Um die Entstehung und Ausbreitung einer rechtsstaatlich problematischen „Paralleljustiz" zu verhindern , bedarf es gemeinsamer Bemühungen über die Ländergrenzen hinweg. Auf Bayerns Initiative hin wurde auf der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 6. November 2014 eine länderoffene Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz Bayerns eingerichtet. Bund und Länder müssen zusammen aktiv werden, Erkenntnisse austauschen und Knowhow bündeln, um gemeinsam effektive Lösungsstrategien gegen „Paralleljustiz" zu entwickeln. Dies gilt umso mehr, als der Erfahrungsstand in den Ländern mit dieser Thematik sehr unterschiedlich ist und es noch immer kaum empirische Erkenntnisse gibt. Die erste Sitzung der Arbeitsgruppe zur Verhinderung von „Paralleljustiz“ fand am 31. März 2015 im Justizpalast in München statt. Ein weiteres Mal traf sich die Arbeitsgruppe am 15. Oktober 2015 ebenfalls in München. Die Arbeitsgruppe hat sich als Ergebnis ihrer Tätigkeit unter anderem darauf verständigt, dass eine Information und Sensibilisierung der Justizpraxis über das Phänomen notwendig und sinnvoll ist. Die Arbeitsgruppe hat daher ein bundesweit einsetzbares Informationspapier für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zum Erkennen von und für den Umgang mit „Paralleljustiz“ erarbeitet. Neben einer Aufklärung über das Phänomen selbst geht es in diesem Papier insbesondere darum, wie die gesetzlichen Instrumente v.a. der StPO bestmöglich eingesetzt werden können, um einer „Paralleljustiz“ effektiv entgegenwirken zu können (z.B. frühe richterliche Vernehmung, objektive Beweissicherung, besonders intensive Prüfung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung und der Grenzen des Auskunftsverweigerungsrechts nach § 55 StPO etc.). Das Informationspapier soll durch die jeweiligen Landesjustizverwaltungen den in erster Linie betroffenen Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten in geeigneter Form zur Verfügung gestellt werden. Auf Anmeldung Bayerns war der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe Gegenstand der 87. Justizministerkonferenz am 12. November 2015 in Berlin. Die Justizministerinnen und Justizminister brachten mit Beschluss vom 12. November 2015 zum Ausdruck, dass sie das von der Arbeitsgruppe erstellte Informationspapier für geeignet halten, bundesweit die Justizpraxis für den Umgang mit „Paralleljustiz “ weiter zu sensibilisieren. Sie baten außerdem die Innenministerkonferenz, die Kultusministerkonferenz und die Integrationsministerkonferenz, sich der Ergebnisse der Arbeitsgruppe anzunehmen . - 30 - Impressum: Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr Odeonsplatz 3 80539 München Bayerisches Staatsministerium der Justiz (StMJ) Prielmayerstraße 7 (Justizpalast) 80335 München Postanschrift: 80097 München Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst Hauptgebäude: Salvatorstraße 2 80333 München Briefanschrift: Salvatorstraße 2 80327 München Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration Winzererstraße 9 80797 München SANFR_MdL_Schulze_-_Ein_Jahr_Antisalafismusnetzwerk_-_Salafis_Anlage.pdf I. Vorbemerkung II. Bayerisches Netzwerk für Prävention und Deradikalisierung gegen Salafismus 1. Konzept des Bayerischen Netzwerks für Prävention und Deradikalisierung 2. Interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) 3. Gemeinsame Maßnahmen und Projekte des Netzwerks III. Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration 1. Fachstelle zur Prävention religiös begründeter Radikalisierung in Bayern in Trägerschaft von ufuq.de 2. Schulung von Multiplikatoren 3. Kommunale Netzwerke zur Salafismusprävention 4. Projekte zur allgemeinen und spezifischen Prävention 5. Informations- und Beratungsangebot IV. Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst 1. Modellversuch „Islamischer Unterricht“ 2. Kompetenznetzwerk der „Regionalbeauftragten für Demokratie und Toleranz“ 3. Landeszentrale für politische Bildungsarbeit V. Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr 1. Vertrauensbildende Maßnahmen zw. Polizei und muslimischen Einrichtungen 2. Vermittlung Interkultureller Kompetenzen innerhalb der Bayer. Polizei 3. Maßnahmen der Polizeilichen Kriminalprävention 4. Kompetenzzentrum für Deradikalisierung im BLKA 5. Prävention durch Aufklärung und Beratung durch das BayLfV VI. Bayerisches Staatsministerium der Justiz 1. Zentrale Koordinierungsstelle für Maßnahmen gegen Salafismus/Islamismus in Justizvollzugsanstalten 2. Fortbildung der Richter und Staatsanwälte 3. Verhinderung von Paralleljustiz