17. Wahlperiode 23.03.2017 17/15005 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Jürgen Mistol, Gisela Sengl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 08.12.2016 Haushalt der Gemeinde Nußdorf Wir fragen die Staatsregierung: 1. Trifft es zu, dass in der Gemeinde Nußdorf (Landkreis Traunstein) seit mehreren Jahren keine Jahresabschlüsse gemäß Art. 102 Gemeindeordnung (GO) mehr erstellt wurden? a) Wenn ja, seit wann ist das der Fall? b) Was sind die Gründe hierfür? 2. Hat die Gemeinde im selben Zeitraum Haushaltssatzungen gemäß Art. 65 GO erlassen und den zuständigen Rechtsaufsichtsbehörden vorgelegt? a) Wenn nein, wie ist das möglich? 3. Hat die Gemeinde in den vergangenen Jahren eine mittelfristige Finanzplanung gemäß Art. 70 erstellt? a) Wenn nein, warum nicht? 4. Wann ist (insbesondere zum ersten Mal) gegebenenfalls die Rechtsaufsicht tätig geworden? a) Wie oft war das gegebenenfalls der Fall? b) Mit welchen Maßnahmen bzw. Konsequenzen war dies unter Umständen verbunden? 5. Falls die Rechtsaufsicht nicht tätig geworden ist, was sind die Gründe hierfür? 6. Inwiefern wirken sich die fehlenden Jahresabschlüsse bzw. Haushaltssatzungen gegebenenfalls auf die Höhe der Schlüsselzuweisungen, sonstige Zuschüsse durch den Staat und Umlagesätze aus? a) Inwiefern sind dadurch gegebenenfalls die finanziellen Handlungsspielräume der Gemeinde eingeschränkt? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 15.01.2017 Die Schriftliche Anfrage wird, bzgl. Frage 6 im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, wie folgt beantwortet: 1. Trifft es zu, dass in der Gemeinde Nußdorf (Landkreis Traunstein) seit mehreren Jahren keine Jahresabschlüsse gemäß Art. 102 Gemeindeordnung (GO) mehr erstellt wurden? Es trifft zu, dass die Gemeinde Nußdorf (Landkreis Traunstein ) seit mehreren Jahren keine Jahresabschlüsse gemäß Art. 102 Gemeindeordnung (GO) mehr erstellt hat. a) Wenn ja, seit wann ist das der Fall? Die Gemeinde Nußdorf hatte im Jahr 2007 die Haushaltswirtschaft nach den Grundsätzen der doppelten kommunalen Buchführung (Doppik) eingeführt. Stand 18.11.2015 lag noch kein doppischer Jahresabschluss vor. Nach Mitteilung des Landratsamts Traunstein vom 19.12.2016 wurden zwischenzeitlich die Jahresabschlüsse bis einschl. Haushaltsjahr 2011 erstellt. b) Was sind die Gründe hierfür? Doppische Jahresabschlüsse können fundiert nur auf Grundlage der geprüften und ggf. korrigierten Eröffnungsbilanz erstellt werden. Die Eröffnungsbilanz zum 01.01.2007 wurde nach Auskunft des Landratsamts im Juli 2011 durch den Gemeinderat festgestellt und vom Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband zwischen April und September 2012 geprüft; die Aufarbeitung der darin enthaltenen Prüfungserinnerungen dauerte bis April 2016 an. Der gesamte Prozess verzögerte sich nach Auskunft des Landratsamts aufgrund – von Softwareproblemen (wegen geringer Zahl umstellender Gemeinden geringer Personalpool bei den Softwareanbietern und daher verzögerte Beseitigung von Problemen), – der Bekanntmachung der endgültigen Bewertungsrichtlinien (Grundlage für die Vermögensbewertung) erst am 29.09.2008 und – dem Umstand, dass gerade die erstmalige Erfassung und Bewertung kommunalen Vermögens (im Zuge der Umstellung auf Doppik) arbeitsaufwendig ist (vgl. auch Abschnitt I. der Bekanntmachung des Staatsministeriums des Innern vom 29. September 2008). Im Falle der Gemeinde Nußdorf war nach Auskunft des Landratsamts von mindestens 2 Personenjahren auszugehen. Die verzögerte Aufstellung von Jahresabschlüssen bei Umstellung auf Doppik im Fall der Gemeinde Nußdorf ist kein Einzelfall; auf die Antwort auf die Schriftliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Klaus Adelt vom 10.06.2016 (LT-Drs. 17/12909) wird hingewiesen. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/15005 2. Hat die Gemeinde im selben Zeitraum Haushaltssatzungen gemäß Art. 65 GO erlassen und den zuständigen Rechtsaufsichtsbehörden vorgelegt? Die Gemeinde hat seither alle Haushaltssatzungen beschlossen , diese wurden vom Landratsamt gewürdigt bzw. – soweit genehmigungspflichtige Bestandteile enthalten waren – genehmigt. a) Wenn nein, wie ist das möglich? – entfällt – 3. Hat die Gemeinde in den vergangenen Jahren eine mittelfristige Finanzplanung gemäß Art. 70 erstellt ? Die Gemeinde hat jeweils eine mittelfristige Finanzplanung erstellt; diese war dem jeweiligen Haushaltsplan beigefügt (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 und § 9 KommHV-Doppik). a) Wenn nein, warum nicht? Entfällt. 4. Wann ist (insbesondere zum ersten Mal) gegebenenfalls die Rechtsaufsicht tätig geworden? a) Wie oft war das gegebenenfalls der Fall? b) Mit welchen Maßnahmen bzw. Konsequenzen war dies unter Umständen verbunden? Die Rechtsaufsicht beim Landratsamt Traunstein hat seit dem Jahre 2011 auf die Notwendigkeit der Erstellung der Jahresabschlüsse hingewiesen und hieran in den Folgejahren immer wieder erinnert. Zusätzlich bestanden Kontakte zur Gemeinde im Rahmen der Überwachung der Erledigung von Prüfungserinnerungen des Berichts über die überörtliche Prüfung der Eröffnungsbilanz (Bericht des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands vom September 2012). Umstellung der gemeindlichen Haushaltswirtschaft von Kameralistik auf Doppik hat die Gemeinde Nußdorf vor Herausforderungen gestellt, die nach Einschätzung des Landratsamts aus glaubhaft dargelegten Gründen nicht zeitgerecht bewältigt werden konnten. 5. Falls die Rechtsaufsicht nicht tätig geworden ist, was sind die Gründe hierfür? Entfällt. 6. Inwiefern wirken sich die fehlenden Jahresabschlüsse bzw. Haushaltssatzungen gegebenenfalls auf die Höhe der Schlüsselzuweisungen, sonstige Zuschüsse durch den Staat und Umlagesätze aus? Fehlende Jahresabschlüsse bzw. Haushaltssatzungen wirken sich auf Schlüsselzuweisungen, Kreisumlage und Gewerbesteuerumlage nicht aus. Als Grundlage für Schlüsselzuweisungen und Kreisumlage dienen Steuerkraftzahlen, welche (nur) bezüglich Grundund Gewerbesteuer auf Haushaltsdaten und hier auf die (kassenwirksamen) sog. Ist-Einnahmen (vgl. § 4 FAGDV) aufbauen. Diese liegen jedoch bei der Gemeinde vor. Gleiches gilt für das Ist-Aufkommen der Gewerbesteuer als Grundlage für die Gewerbesteuerumlage (§ 6 Abs. 2 GFRG). Fehlende Jahresabschlüsse bzw. Haushaltssatzungen wirken sich auf Umlagen an Verwaltungsgemeinschaften und Schulverbandsumlagen jedenfalls so lange nicht aus, wie die Gemeinschaftsversammlung keine von Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 VGemO (Verhältnis der Einwohnerzahl) bzw. die Schulverbandsversammlung keine von Art. 9 Abs. 7 Satz 2 BaySchFG (Zahl der Verbandsschüler) abweichende Regelung trifft. Ob sich fehlende Jahresabschlüsse bzw. Haushaltssatzungen auf Umlagen an Zweckverbände auswirken, ist abhängig vom jeweiligen satzungsmäßigen Umlegungsschlüssel (Art. 19 Abs. 1 Nr. 5 KommZG). Sonstige Zuschüsse: Fehlende Jahresabschlüsse bzw. Haushaltssatzungen können sich negativ auf die Gewährung von Zuschüssen (korrekt: Zuwendungen) durch den Staat auswirken. Anträgen von Kommunen auf Gewährung von Zuwendungen sind im Falle von Projektförderungen ein Finanzierungsplan und diesem wiederum eine Übersicht über die finanziellen Verhältnisse nach Muster 2 zu Art. 44 BayHO beizufügen, soweit die Bewilligungsbehörde im Einzelfall oder für bestimmte Fälle nichts anderes vorschreibt (vgl. Nr. 3.2.1 der Verwaltungsvorschriften für Zuwendungen des Freistaates Bayern an kommunale Körperschaften (VVK) – Anlage 3 zu Art. 44 BayHO). Dieses Muster fordert auch Angaben zum Haushalt des laufenden und zu Jahresabschlüssen vergangener Jahre. Lässt die Übersicht über die finanziellen Verhältnisse mangels erforderlicher Angaben die Prüfung von Zuwendungsvoraussetzungen nicht zu, so kann dies zur Folge haben, dass einem Zuwendungsantrag nicht entsprochen werden kann. a) Inwiefern sind dadurch gegebenenfalls die finanziellen Handlungsspielräume der Gemeinde eingeschränkt ? Können für ein kommunales Projekt eingeplante staatliche Zuwendungen nicht oder nicht im geplanten Umfang gewährt werden, so schränkt dies – naturgemäß – die finanziellen Handlungsspielräume der Gemeinde im Vergleich zum Planfall ein.