17. Wahlperiode 23.03.2017 17/15008 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Martina Fehlner, Georg Rosenthal SPD vom 24.11.2016 Der Spessart als dritter Nationalpark in Bayern – Teil 2 Es war ein überraschender Vorstoß von Umweltministerin Ulrike Scharf, als sie im vergangenen Sommer plötzlich Rhön und Spessart als mögliche Standorte für einen dritten Nationalpark in Bayern ins Gespräch brachte. Mit 171.000 Hektar Fläche ist der Naturpark Bayerischer Spessart eine sehr vielseitige Kulturlandschaft. Nach den Vorgaben der Staatsregierung ist davon auszugehen, dass der Nationalpark überwiegend in einem möglichst geschlossenen Gebiet der Staatsforsten im Hochspessart und des Forstbetriebs Rothenbuch eingerichtet werden könnte. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Sind im Spessart Veränderungen in der Zusammensetzung des Waldbestandes sowie Auswirkungen auf die Artenvielfalt zu erwarten, wenn eine Bewirtschaftung durch den Menschen ausgesetzt wird? b) Wie beurteilt die Staatsregierung die zeitgleich unter anderem durch das Spessartprojekt betriebene Bewerbung des Spessart als europäische Kulturlandschaft ? c) Welche Vorteile sieht die Staatsregierung in einem Nationalpark gegenüber der Ausweisung begrenzter, unbewirtschafteter Naturschutzzonen? 2. a) Welche Programme des Landes sowie nationale und evtl. europäische Förderprogramme stehen zur Verfügung , um den vorhandenen Wald des Naturparks in einen Nationalpark umzugestalten? b) Mit welchen zusätzlichen Mitteln rechnet die Staatsregierung , um die Infrastruktur für den Fremdenverkehr in der Region auszubauen? c) Können die Arbeitsplätze der Forstwirtschaft im Spessart nach einer möglichen Nationalparkausweisung, analog der Umsetzung im Bayerischen Wald, in der Nationalparkregion erhalten werden? 3. a) Welche weiteren Schritte sind geplant (soweit bekannt bitte mit genauen Zeitangaben), um eine Entscheidung zu treffen? b) Auf welche Weise möchte die Staatsregierung die Bürger in die Entscheidung einbinden? c) Wann bzw. in welchem Umfang plant die Regierung, den Dialogprozess mit Informations veranstaltungen, Dialogforen und Bürgerbeteiligung in den Regionen zu starten, da die Entscheidung abhängig vom Interesse der betreffenden Regionen fallen sollte und dafür eine umfassende Information und Moderation des Dialoges von Beginn des Prozesses nötig ist? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 4. a) Wie hoch ist der prozentuale Anteil von Nationalparken an der Gesamtfläche Bayerns? b) Welchen Wert strebt die Staatsregierung kurz-, mittelund langfristig an? 5. a) Wird ein dritter Nationalpark in Bayern finanziell ähnlich ausgestattet sein wie die ersten beiden? b) Mit wie vielen Arbeitsplätzen ist in der Nationalparkverwaltung zu rechnen? c) Gibt es Prognosen über Impulse auf dem Arbeitsmarkt in der Region, die darüber hinausgehen? 6. a) Ist ein Ausbau der touristischen Infrastruktur bzw. der Angebote im Spessart für die Naherholung vorgesehen ? b) Wenn ja, in welcher Form? 7. a) Inwieweit sind die Übernachtungszahlen in den Regionen Bay. Wald und Berchtesgaden nach Ausweisung zum Nationalpark im Vergleich zu vorher gestiegen ? b) Ist im Spessart mit ähnlichen Impulsen zu rechnen? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 17.01.2017 1. a) Sind im Spessart Veränderungen in der Zusammensetzung des Waldbestandes sowie Auswirkungen auf die Artenvielfalt zu erwarten, wenn eine Bewirtschaftung durch den Menschen ausgesetzt wird? Der sog. „Prozessschutz“ in der Kernzone eines Nationalparks bedeutet, dass natürliche Vorgänge ungestört ablaufen dürfen. Artenreichtum und biologische Vielfalt können im Gebiet eines Nationalparks wegen seiner dynamischen Prozesse , seiner Strukturvielfalt und seines Totholzangebots zunehmen. Vor allem gefährdete Arten der Roten Liste profitieren hiervon. Wissenschaftliche Untersuchungen haben in Waldnationalparken eine ungleich höhere Artenvielfalt als in Wirtschaftswäldern nachgewiesen. Vonseiten des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) wird durch eine Einstellung der Bewirtschaftung im Spessart in der Prozessschutzzone eine Verschiebung des Baumartenspektrums zulasten der viele Arten beherbergenden Eiche in Richtung Buche angenommen. Auf der anderen Seite würden neue Lebensräume – auch in den verbleibenden Eichenanteilen – durch den Verzicht auf Nutzung entstehen, da die Eichen dann ihre volle Lebenszeit bis hin zum Zerfallsstadium durchlaufen können. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/15008 b) Wie beurteilt die Staatsregierung die zeitgleich unter anderem durch das Spessartprojekt betriebene Bewerbung des Spessart als europäische Kulturlandschaft ? Die Bewerbung des Spessarts als europäische Kulturlandschaft und ein möglicher Nationalpark im Spessart schließen sich nicht aus. Der Naturpark Spessart umfasst über 170.000 ha Fläche. Nationalparke sollen gemäß Art. 13 des Bayerischen Naturschutzgesetzes eine Mindestfläche von lediglich 10.000 ha haben. c) Welche Vorteile sieht die Staatsregierung in einem Nationalpark gegenüber der Ausweisung begrenzter , unbewirtschafteter Naturschutzzonen? Ein Nationalpark ist ein Schutzgebiet, auf dessen Gebiet die unterschiedlichen Entwicklungsphasen auf großer Fläche räumlich nebeneinander und möglichst ungestört von Randeinflüssen ablaufen können. Kleinere unbewirtschaftete Naturschutzflächen können eine ergänzende Funktion übernehmen, jedoch Nationalparke nicht ersetzen. Neben dem Naturschutz dienen Nationalparke der wissenschaftlichen Umweltbeobachtung, der naturkundlichen Bildung und dem Naturerlebnis der Bevölkerung. Aufgrund der besonderen Erlebnisqualität üben Nationalparke eine hohe Faszination und Anziehungskraft auf Menschen aus. Das Qualitätsmerkmal Nationalpark bildet eine Premiummarke im Naturtourismus und ist wesentlicher Werbeträger und damit ein Konjunkturprogramm für die jeweilige Region . 2. a) Welche Programme des Landes sowie nationale und evtl. europäische Förderprogramme stehen zur Verfügung, um den vorhandenen Wald des Naturparks in einen Nationalpark umzugestalten? Ein Nationalpark ist Teil der Bayerischen Staatsverwaltung und wird dementsprechend aus dem Staatshaushalt finanziert . So erhält eine Nationalparkverwaltung Personal und Haushaltsmittel, um ihre Aufgaben zu übernehmen. Ein Nationalpark bedeutet eine erhebliche Attraktivitätssteigerung für eine Region. Die damit einhergehende Wertschöpfung verbleibt in der Region. Zielsetzung eines Nationalparks ist es, die Natur sich selbst zu überlassen und nicht mehr durch den Menschen einzugreifen. Bei der Gebietsauswahl für einen Nationalpark ist daher darauf zu achten , dass ein Gebiet für die Zielsetzung eines Nationalparks grundsätzlich geeignet ist. b) Mit welchen zusätzlichen Mitteln rechnet die Staatsregierung, um die Infrastruktur für den Fremdenverkehr in der Region auszubauen? Da es zum jetzigen Zeitpunkt noch zu keiner Festlegung auf ein Gebiet für einen möglichen dritten Nationalpark gekommen ist, können hierzu noch keine Aussagen getätigt werden. c) Können die Arbeitsplätze der Forstwirtschaft im Spessart nach einer möglichen Nationalparkausweisung , analog der Umsetzung im Bayerischen Wald, in der Nationalparkregion erhalten werden? Die Waldfläche im bayerischen Spessart beträgt über alle Besitzarten hinweg rund 100.000 Hektar. Für einen Nationalpark sind als Mindestfläche 10.000 Hektar erforderlich. Dementsprechend verbliebe der Großteil der Spessartwälder weiterhin unter forstlicher Bewirtschaftung. Hinzu kommt, dass es in einem Nationalpark unterschiedliche Zonen gibt. Nur die Naturzone wird nicht bewirtschaftet. Die Naturzone kann zum Zeitpunkt der Nationalparkausweisung unterhalb von 75 Prozent liegen, dieser Mindestwert muss aber in einem Übergangszeitraum von bis zu maximal 30 Jahren sukzessive erreicht werden. In diesem Zeitraum kann auch in einem Nationalpark in einer festgelegten Entwicklungszone weiterhin Holz anfallen. Neben der Naturund Entwicklungszone können bis zu 25 Prozent, bei einem 10.000 Hektar großen Nationalpark also bis zu 2.500 Hektar , dauerhaft gemanagt werden. Sowohl im Nationalpark Bayerischer Wald als auch im Nationalpark Berchtesgaden wurden und werden die Prozessschutzflächen über einen längeren Zeitraum in ihrem Umfang entwickelt. Auch in diesen „Entwicklungszonen“ werden – von den jeweiligen Zielsetzungen abhängig – Maßnahmen durchgeführt, bei denen wiederum Holz anfallen kann, das dann ebenfalls vielfach einer Verwertung zugeführt wird. Die Versorgung der heimischen Holz- und Sägeindustrie mit dem Rohstoff Holz ist ein Aspekt, der bei der konkreten Entwicklung eines Nationalparkkonzepts in der letztendlich ausgewählten Region zu berücksichtigen ist. Welche Auswirkungen konkret die Ausweisung eines dritten Nationalparks hier haben wird, kann naturgemäß erst dann betrachtet werden, wenn die als Nationalparkgebiet vorgesehene Fläche feststeht. 3. a) Welche weiteren Schritte sind geplant (soweit bekannt bitte mit genauen Zeitangaben), um eine Entscheidung zu treffen? Der gesamte Entwicklungsprozess hin zu einem dritten Nationalpark in Bayern ist geprägt durch eine intensive Beteiligung der geeigneten Gebiete. Dies gilt sowohl für inhaltliche Fragen als auch hinsichtlich der Prozessgestaltung. Den geeigneten Gebieten bietet das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) – Zug um Zug und ohne Ausdruck eines Rankings – einen intensiven Dialog über die mögliche Einrichtung eines Nationalparks an. Eröffnet wird der Dialog jeweils durch ein erstes Gespräch mit den politisch Verantwortlichen in der Region (insbesondere mit den Landräten). Die Regionen erhalten so die Möglichkeit, ihr grundsätzliches Interesse an einem Nationalpark zu artikulieren . Zum Abschluss dieser ersten Dialogphase wird sich der Standort des dritten Nationalparks herauskristallisieren. In einem wiederum auf intensiven Dialog setzenden Prozess wird anschließend gemeinsam die „Architektur“ eines möglichen Nationalparks in der ausgewählten Region entwickelt. Dazu gehört die Abgrenzung des Gebiets mit einem inhaltlichen Konzept des Schutzgebiets genauso wie die Ausarbeitung von Impulsen für die Regionalentwicklung . Ziel ist ein auf internationalen Standards beruhendes „maßgeschneidertes“ Nationalparkkonzept für die Region. Auf der Basis dieses möglichst konkreten und auf breiter Basis erarbeiteten Konzepts wird das förmliche Ausweisungsverfahren nach § 24 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) eröffnet. Die abschließende Entscheidung über die Einrichtung eines dritten Nationalparks in Bayern trifft die Staatsregierung mit Zustimmung des Landtags. Präzise Zeitangaben können aufgrund der gewählten Vorgehensweise nur für die zum jetzigen Zeitpunkt bereits konkret geplanten Schritte gemacht werden. Im Spessart findet – als nächster Schritt nach dem bereits erfolgten Auftaktge- Drucksache 17/15008 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 spräch mit den Landräten – am 10. Februar 2017 ein Arbeitstreffen mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der an mögliche Nationalparkflächen anliegenden Kommunen statt. Auch weitere Kommunen aus der Spessartregion können teilnehmen. Eingeladen sind darüber hinaus die Landräte , die Kreisvorsitzenden des Gemeindetags sowie die regionalen Abgeordneten aus dem Landtag, dem Bundestag und dem Europäischen Parlament. Im Folgenden ist ein Runder Tisch mit Vereinen, Verbänden, Behörden etc. geplant. b) Auf welche Weise möchte die Staatsregierung die Bürger in die Entscheidung einbinden? c) bzw. in welchem Umfang plant die Regierung den Dialogprozess mit Informationsveranstaltungen, Dialogforen und Bürgerbeteiligung in den Regionen zu starten, da die Entscheidung abhängig vom Interesse der betreffenden Regionen fallen sollte und dafür eine umfassende Information und Moderation des Dialoges von Beginn des Prozesses nötig ist? Den geeigneten Gebieten bietet das StMUV – Zug um Zug und ohne Ausdruck eines Rankings – einen intensiven Dialog über die mögliche Einrichtung eines Nationalparks an. Eröffnet wird der Dialog jeweils durch ein erstes Gespräch mit den politisch Verantwortlichen in der Region (insbesondere mit den Landräten). Die Regionen erhalten so die Möglichkeit , ihr grundsätzliches Interesse an einem Nationalpark zu artikulieren. Dieser Dialogprozess ist im Spessart bereits gestartet. Als Auftakt habe ich am 22. November 2016 ein erstes Gespräch mit den Landräten der Landkreise Aschaffenburg, Main-Spessart und Miltenberg geführt. Auf Fachebene sind bereits weitere Gespräche (u. a. mit dem Spessartbund und dem Verband der Spessartforstberechtigten) erfolgt. Ergänzend wird auf die Antwort zu Teilfrage 3 a verwiesen. Die Gestaltung des weiteren Dialogprozesses wird mit der Region gemeinsam entwickelt. 4. a) Wie hoch ist der prozentuale Anteil von Nationalparken an der Gesamtfläche Bayerns? Die Gesamtfläche Bayerns beträgt (gerundet) 7.000.000 ha. Die beiden Nationalparke Bayerischer Wald und Berchtesgaden umfassen zusammen 45.000 ha. Das sind 0,64 Prozent der Gesamtfläche Bayerns. b) Welchen Wert strebt die Staatsregierung kurz-, mittel- und langfristig an? Der angestrebte dritte Nationalpark in Bayern soll gemäß Art. 13 des Bayerischen Naturschutzgesetzes eine Mindestfläche von 10.000 ha haben. 5. a) Wird ein dritter Nationalpark in Bayern finanziell ähnlich ausgestattet sein wie die ersten beiden? Ein dritter Nationalpark wird u. a. abhängig von seiner Größe und den konkreten Herausforderungen angemessen mit Personal und Mitteln ausgestattet werden. b) Mit wie vielen Arbeitsplätzen ist in der Nationalparkverwaltung zu rechnen? Siehe Antwort zu Frage 5 a – Teil 2. In der Nationalparkverwaltung Berchtesgaden sind rund 90 Mitarbeiter beschäftigt und in der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald rund 200 Mitarbeiter. c) Gibt es Prognosen über Impulse auf dem Arbeitsmarkt in der Region, die darüber hinausgehen? Eine Region wird durch einen Nationalpark wirtschaftlich gestärkt . Durch einen neuen Nationalpark entstehen Arbeitsplätze vor Ort und eine hohe Wertschöpfung, die unmittelbar in der Region verbleibt. Allein die beiden bestehenden Nationalparke Bayerns im Bayerischen Wald und in Berchtesgaden zählen im Jahr zusammen knapp 3 Millionen Besucher. Das bringt den beiden Regionen eine Nettowertschöpfung von über 68 Millionen Euro – Geld, das in den Regionen bleibt. 6. a) Ist ein Ausbau der touristischen Infrastruktur bzw. der Angebote im Spessart für die Naherholung vorgesehen? b) Wenn ja, in welcher Form? Ein Nationalpark soll unter anderem auch dem Naturerlebnis der Bevölkerung sowie der naturkundlichen Bildung dienen. Da noch nicht feststeht, welche Region für eine nähere Betrachtung bezüglich eines möglichen dritten Nationalparks herangezogen wird, können dazu noch keine näheren Aussagen getätigt werden. 7. a) Inwieweit sind die Übernachtungszahlen in den Regionen Bay. Wald und Berchtesgaden nach Ausweisung zum Nationalpark im Vergleich zu vorher gestiegen? b) Ist im Spessart mit ähnlichen Impulsen zu rechnen ? Für die Beantwortung dieser Fragen sind umfangreiche Datenrecherchen erforderlich, die in der Kürze der Zeit nicht leistbar sind. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/15008