Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Markus Ganserer, Martin Stümpfig BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 13.12.2016 Fahrgastschonend bauen Eisenbahnbaumaßnahmen werden meist „baustellenoptimiert “ durchgeführt. Das Bauprojekt wird, für sich betrachtet, so günstig wie möglich durchgeführt. Die derzeit laufende Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV II) hat die sparsame Mittelverwendung durch die Deutsche Bahn (DB) Netz AG an oberste Stelle gesetzt. Das führt dazu, dass jedes einzelne Projekt dann durch das zuständige Eisenbahn-Bundesamt freigegeben wird, wenn es für sich betrachtet wirtschaftlich optimiert ist. Die Auswirkungen auf die Fahrgäste werden nur marginal betrachtet. Es werden beispielsweise eher kostengünstige Vollsperrungen vorgenommen als teurere, aber schonendere Eingleisigkeiten in Kauf genommen. Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit des Systems Schiene leiden, wenn im Schienennetz gebaut wird. Baustellen senken die Zufriedenheit der Fahrgäste und verschlechtern das Image des Schienenverkehrs. Für die Verkehrsunternehmen sind sie nachteilig, weil diese bei Verspätungen regelmäßig Pönalen aufgrund ihrer Verkehrsverträge zahlen müssen. In diesem Zusammenhang fragen wir die Staatsregierung: 1. Wie beurteilt die Staatsregierung die bestehenden Anreizsysteme für DB Netz AG, einen pünktlichen Betrieb auf ihrem Netz zu ermöglichen? 2. Inwieweit sollte nach Ansicht der Staatsregierung eine eher „volkswirtschaftliche“ Betrachtungsweise von Bauprojekten , die alle Folgekosten (Schienenersatzverkehr, möglicher Mehreinsatz an Fahrzeugen und Personal, entgangene Trasseneinnahmen, entgangene Fahrgeldeinnahmen , mögliche langfristig entstehende Fahrgastverluste etc.) miteinbezieht, in einer neu zu verhandelnden LuFV III implementiert werden? 3. Wie beurteilt die Staatsregierung direkte Vertragsbeziehungen zwischen der Bayerischen Eisenbahngesellschaft mbH (BEG) und DB Netz, um direkt auf die Qualität des Eisenbahnnetzes Einfluss nehmen zu können und netzbedingte Störungen nicht mehr gegenüber den Eisenbahnverkehrsunternehmen pönalisieren zu müssen? 4. Gab es aus Sicht der Staatsregierung bei der Erneuerung von zwölf Weichen im Gleisdreieck westlich von Laim in den bayerischen Herbstferien vom 29. Oktober bis 6. November 2016 keine andere Möglichkeit, als die Strecke zwischen Hauptbahnhof und Laim komplett zu sperren, was zu Umleitungen und Zugausfällen im Nah- und Fernverkehr führte? 5. Inwieweit wurden DB-Fahrausweise zwischen Heimeranplatz bzw. Moosach und Hauptbahnhof anerkannt? 6. Gab es aus Sicht der Staatsregierung bei Bauarbeiten zwischen Nürnberg und Ansbach vom 28. November bis 14. Dezember keine andere Möglichkeit, als den S-Bahn- Verkehr auf einen Stundentakt zu beschränken? 7. Warum gab es so gut wie keinen Ersatz für die ausgefallenen S-Bahnen? 8. Inwieweit werden bei überfüllten Schienenersatzverkehren Taxikosten erstattet? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 23.01.2017 1. Wie beurteilt die Staatsregierung die bestehenden Anreizsysteme für DB Netz AG, einen pünktlichen Betrieb auf ihrem Netz zu ermöglichen? 2. Inwieweit sollte nach Ansicht der Staatsregierung eine eher „volkswirtschaftliche“ Betrachtungsweise von Bauprojekten, die alle Folgekosten (Schienenersatzverkehr , möglicher Mehreinsatz an Fahrzeugen und Personal, entgangene Trasseneinnahmen, entgangene Fahrgeldeinnahmen, mögliche langfristig entstehende Fahrgastverluste etc.) miteinbezieht, in einer neu zu verhandelnden LuFV III implementiert werden? Die aktuelle Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und DB (LuFV II) ist gegenüber den vorherigen Regelungen grundsätzlich ein großer Fortschritt, da sie Planungssicherheit schafft und wesentlich höher dotiert ist. Insofern begrüßt die Staatsregierung ausdrücklich die vermehrten Investitionen des Bundes in den Bestandserhalt des Schienennetzes. Allerdings zeigen die ersten Erfahrungen mit der LuFV II (Laufzeit 2015–2019), dass das Anreizsystem in der LuFV II zu einseitig auf den baulichen Zustand der Anlagen und die Kosten für die Bestandserneuerung optimiert ist. Dies wurde seitens der Staatsregierung bereits am 20. Juni 2016 in einem Gespräch mit dem Vorstand der DB Netz AG deutlich gemacht. In diesem Gespräch wurde vereinbart, konkrete Vorschläge zu entwickeln, wie in der folgenden LuFV-Periode (LuFV III) hinreichend starke Anreize für die Vermeidung von baubedingten Verspätungen und Zugausfällen geschaffen werden können. Die Verhandlungen zur LuFV III starten voraussichtlich noch im Jahr 2017. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 29.03.2017 17/15146 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/15146 3. Wie beurteilt die Staatsregierung direkte Vertragsbeziehungen zwischen der Bayerischen Eisenbahngesellschaft mbH (BEG) und DB Netz, um direkt auf die Qualität des Eisenbahnnetzes Einfluss nehmen zu können und netzbedingte Störungen nicht mehr gegenüber den Eisenbahnverkehrsunternehmen pönalisieren zu müssen? Die BEG plant, finanziert und kontrolliert den Schienenpersonennahverkehr in Bayern. Als Bestellerorganisation von Schienennahverkehrsleistungen hat die BEG keine direkte Vertragsbeziehung zur DB Netz AG. Für die Erbringung der Verkehrsleistung ist es Aufgabe der Eisenbahnverkehrsunternehmen , alle erforderlichen Vorleistungen zu organisieren. Aufgrund der engen betrieblich-technischen Verzahnung zwischen Infrastruktur und Fahrbetrieb bzw. Fahrzeugen (z. B. Entwicklung und Anwendung von ETCS = Europäisches Zugsteuerungssystem) ist eine unmittelbare vertragliche Beziehung zwischen der DB Netz AG und den Eisenbahnverkehrsunternehmen zwingend erforderlich. Unabhängig davon hätte die BEG keine besseren vertragsbasierten Sanktionsmechanismen als ein Eisenbahnverkehrsunternehmen , da die Infrastrukturnutzungsbedingungen gleichwohl gelten würden. 4. Gab es aus Sicht der Staatsregierung bei der Erneuerung von zwölf Weichen im Gleisdreieck westlich von Laim in den bayerischen Herbstferien vom 29. Oktober bis 6. November 2016 keine andere Möglichkeit , als die Strecke zwischen Hauptbahnhof und Laim komplett zu sperren, was zu Umleitungen und Zugausfällen im Nah- und Fernverkehr führte? Die BEG hat bei dem Bauinformationsgespräch mit der DB Netz AG am 15. Juli 2016 zur neuntägigen Totalsperrung in den Herbstferien 2016 empfohlen, einen für die Fahrgäste schonenderen Bauablauf durchzuführen. Die DB Netz AG hat die Vorschläge und Anregungen der BEG nicht angenommen , da der Umfang der Maßnahme sowie die sehr engen räumlichen Verhältnisse keine Verbesserung des Bauablaufs ermöglicht hätten und der deutliche Mehraufwand als nicht vertretbar dargestellt wurde. Die BEG hatte keine Möglichkeit, die seitens der DB getroffene Entscheidung zu ändern. 5. Inwieweit wurden DB-Fahrausweise zwischen Heimeranplatz bzw. Moosach und Hauptbahnhof anerkannt ? Die BEG schließt als Aufgabenträgerin für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen sogenannte Nettoverträge ab. Mit den Nettoverträgen wird die Erlösverantwortung den Eisenbahnverkehrsunternehmen übertragen. Es kann damit unterstellt werden, dass die Eisenbahnverkehrsunternehmen kundenfreundliche Regelungen anstreben, etwa durch Absprachen mit der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) zur Anerkennung von DB-Fahrausweisen wie bei den geschilderten seltenen Fällen von in Moosach oder Heimeranplatz baubedingt endenden Regionalzügen. Die BEG hat das Thema der Anerkennung von Streckenfahrkarten der Eisenbahnverkehrsunternehmen in MVG- Verkehrsmitteln während der Bauzeiten mit ihren Vertragspartnern erörtert. Es bestand aus oben genannten Gründen Einigkeit, dass eine Anerkennung sinnvoll wäre. Allerdings sind die damit zusammenhängenden Fragen nicht einfach zu lösen. Insbesondere stellt sich die Problematik, wie die MVG an die ihr dadurch zustehenden Einnahmen aus dem Fahrscheinverkauf der DB Regio gelangt. In den vorliegenden Fällen gab es deshalb noch keine Anerkennung von DB-Fahrscheinen durch die MVG. Das Thema wird weiterverfolgt , um für künftige Projekte Lösungen zu finden. 6. Gab es aus Sicht der Staatsregierung bei Bauarbeiten zwischen Nürnberg und Ansbach vom 28. November bis 14. Dezember keine andere Möglichkeit, als den S-Bahn-Verkehr auf einen Stundentakt zu beschränken ? Die notwendige Gleiserneuerung zwischen Roßtal und Nürnberg-Stein ließ nur einen eingleisigen Betrieb zu. Neben der S-Bahn verkehren hier auch Fernverkehr im Zweistundentakt sowie ein Regionalexpress im Zweistundentakt. Durch den eingleisigen Betrieb war somit für die S-Bahn nur ein Stundentakt realisierbar. 7. Warum gab es so gut wie keinen Ersatz für die ausgefallenen S-Bahnen? Grundsätzlich ist die Reduzierung des Fahrtenangebots bei Baumaßnahmen einer Komplettsperrung vorzuziehen. Im Fall der S-Bahn Nürnberg und hier insbesondere der S4 nach Ansbach ist es aufgrund der im Vergleich zur Münchner S-Bahn abschnittsweise sehr hohen Reisegeschwindigkeit wenig sinnvoll, einzelne ausfallende S-Bahnen durch deutlich langsamere Busse zu ersetzen. Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass langsame Buszwischentakte vom Fahrgast praktisch nicht angenommen werden. Die dargestellte Form der Baustellenplanung mit der Beibehaltung eines wenn auch reduzierten Angebots erscheint daher als die beste Lösung. 8. Inwieweit werden bei überfüllten Schienenersatzverkehren Taxikosten erstattet? Die BEG fordert in den Verkehrsdurchführungsverträgen mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen, dass im Falle eines Schienenersatzverkehrs für das jeweilige Fahrgastaufkommen ausreichende Platzkapazitäten bereitgestellt werden. Es ist jedoch keine Regelung vorgesehen, die die Eisenbahnverkehrsunternehmen verpflichtet, den Fahrgästen Taxikosten bei Überfüllung des Schienenersatzverkehrs zu erstatten. Aufgrund der mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen regelmäßig abgeschlossenen Nettoverträge ist davon auszugehen, dass die Eisenbahnverkehrsunternehmen aus eigenem wirtschaftlichen Interesse eine kundenfreundliche Regelung anstreben.