Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Christian Magerl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 06.03.2014 Hochwasserschutz durch Polder Das Hochwasser im Juni 2013 hat in Bayern nach erster Schätzung Schäden in Höhe von insgesamt rund 1,3 Milliarden Euro verursacht. Allein in Niederbayern beläuft sich die Schadensumme auf rund 510 Millionen Euro. Am 03.12.13 wurde deshalb in der Kabinettssitzung das bayerische Flutpolderkonzept vorgestellt. Insbesondere gesteuerte Flutpolder werden als hoch effektive Maßnahmen des Hochwasserschutzes dargestellt, weil sie die Hochwasserspitze reduzieren. Bei genauer Betrachtung stellt sich allerdings heraus, dass die Flutpolder nur bei extremem Hochwasser in Betrieb gehen. Es kann also durchaus sein, dass in Passau Meldestufe 3 oder 4 erreicht wird, ohne dass die Polder geflutet werden. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Wie oft wurde in den letzten 20 Jahren in Passau durch die Donau die Meldestufe 3, bei der einzelne Gebäude überflutet werden, überschritten? b) Wie oft wurde in den letzten 20 Jahren in Passau durch die Donau die Meldestufe 4, bei der bebaute Gebiete in größerem Umfang überflutet werden, überschritten? 2. Welche Jährlichkeit hatten die jeweiligen Überschreitungen der Meldestufen 3 und 4 in Passau? 3. Bei jeweils welchen der oben genannten Überschreitungen der Meldestufen in Passau wären die Auslösewerte zur kompletten Flutung der geplanten Polder a) Riedensheim? b) Katzau? c) Öberauer Schleife erreicht worden? 4. Wie hoch sind jeweils die Kosten der geplanten Polder Riedensheim, Katzau, Feldolling und Öberauer Schleife? 5. Wie viele Kubikmeter Retentionsraum wurden bisher im Rahmen des natürlichen Rückhaltes als Retentionsraum reaktiviert (bitte für jede Flussgebietseinheit getrennt auflisten)? 6. Welche Maßnahmen ergreift die Staatsregierung, um der Erhöhung des Abflusses aus der landwirtschaftlichen Fläche (durch Grünlandumbruch und Bodenverdichtung ) entgegenzuwirken? 7. Soll der natürliche Rückhalt im Rahmen des Aktionsprogrammes 2020plus gegenüber der bisherigen Planung erweitert werden? 8. Wie hoch sind die durchschnittlichen Kosten für den Rückhalt von 1 Mio. cbm a) durch natürlichen Rückhalt? b) durch gesteuerte Polder? c) durch Deichrückverlegung? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 03.04.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Frage 6) wie folgt beantwortet: 1. a) Wie oft wurde in den letzten 20 Jahren in Passau durch die Donau die Meldestufe 3, bei der einzelne Gebäude überflutet werden, überschritten? In Passau wurde in den letzten 20 Jahren die Meldestufe 3 durch die Donau 16-mal überschritten. b) Wie oft wurde in den letzten 20 Jahren in Passau durch die Donau die Meldestufe 4, bei der bebaute Gebiete in größerem Umfang überflutet werden, überschritten? In Passau wurde in den letzten 20 Jahren die Meldestufe 4 durch die Donau 8-mal überschritten. 2. Welche Jährlichkeit hatten die jeweiligen Überschreitungen der Meldestufen 3 und 4 in Passau? Die jeweiligen Überschreitungen hatten nachfolgende Jährlichkeiten : – Hochwasser 05/1999: 5–10 Jahre – Hochwasser 03/2002: 10–20 Jahre – Hochwasser 08/2002: 50 Jahre – Hochwasser 08/2005: 10–20 Jahre – Hochwasser 06/2013: >100 Jahre Alle weiteren Überschreitungen der Meldestufen 3 und 4 (Frage 1) hatten Jährlichkeiten zwischen 1–5 Jahre. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 23.05.2014 17/1520 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/1520 3. Bei jeweils welchen der oben genannten Überschreitungen der Meldestufen in Passau wären die Auslösewerte zur kompletten Flutung der geplanten Polder a) Riedensheim b) Katzau c) Öberauer Schleife erreicht worden? Aufgrund des derzeit vorhandenen Ausbaugrads eines Großteils der unterhalb Straubing liegenden Deiche (etwa HQ30) wäre der Flutpolder Öberauer Schleife beim Hochwasser 06/2013 geflutet worden. Beim Hochwasser 05/1999 wären die Auslösewerte (HQ100) für die Flutpolder Riedensheim und Katzau aufgrund des Hochwasserabflusses zwischen Lech- und Naab-/Regenmündung erreicht worden . Für diesen Fall kann eine Flutung der beiden Polder angenommen werden. 4. Wie hoch sind jeweils die Kosten der geplanten Polder Riedensheim, Katzau, Feldolling und Öberauer Schleife? Riedensheim rd. 30 Mio. € Katzau rd. 35 Mio. € (geschätzt) Feldolling rd. 55 Mio. € Öberauer Schleife rd. 33 Mio. € (geschätzt) 5. Wie viele Kubikmeter Retentionsraum wurden bisher im Rahmen des natürlichen Rückhaltes als Retentionsraum reaktiviert (bitte für jede Flussgebietseinheit getrennt auflisten)? Im Rahmen des Hochwasserschutz-Aktionsprogramms 2020 wurde zwischen 2001 und 2010 in ganz Bayern rd. 24 Mio. m3 Retentionsraum reaktiviert. Eine Auswertung nach Flussgebietseinheiten liegt nicht vor. Eine Auflistung nach Regierungsbezirken stellt sich wie folgt dar: Oberbayern: rd. 7,0 Mio. m3 Niederbayern: rd. 12,3 Mio. m3 Oberpfalz: rd. 0,6 Mio. m3 Oberfranken: rd. 2,2 Mio. m3 Mittelfranken: rd. 0,4 Mio. m3 Unterfranken: rd. 0,4 Mio. m3 Schwaben: rd. 1,1 Mio. m3 6. Welche Maßnahmen ergreift die Staatsregierung, um der Erhöhung des Abflusses aus der landwirtschaftlichen Fläche (durch Grünlandumbruch und Bodenverdichtung) entgegenzuwirken? Der Rückhalt von Niederschlagswasser ist zentraler Bestandteil eines zukunftsweisenden Hochwasserschutzes. Je mehr Regenwasser von den Böden aufgenommen werden kann und somit nicht oberflächlich abläuft, umso weniger Wasser gelangt über die Vorfluter in Fließgewässer. Folglich stellt jede bodenschonende Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen, etwa durch Minimalbodenbestellung oder eine ganzjährige Bodenbedeckung, einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Aufnahmefähigkeit des Bodens dar. Ein oberflächiges Abfließen von Regenwasser führt häufig zu Oberbodenabtrag und gleichzeitig Nährstoffaustrag in die Oberflächengewässer. Es liegt somit im Eigeninteresse des Bewirtschafters, dies zu verhindern. Dafür gibt es eine Vielzahl von Maßnahmen, angefangen von der Nutzungsart, der Bewirtschaftungsrichtung, der Art der Bodenbearbeitung bis hin zur Bewirtschaftungsweise. Im Rahmen von Cross-Compliance (CC) sind seit 2010 die landwirtschaftlichen Flächen nach dem Grad der Erosionsgefährdung eingeteilt (Erosionsgefährdungskataster). Bezüglich Wassererosion gibt es die Klassen CCWasser 1 und bei hoher Erosionsgefährdung CCWasser 2. Daraus leiten sich dann entsprechende Auflagen ab. Ergänzend dazu besteht auf freiwilliger Basis die Möglichkeit , im Rahmen des KULAP entsprechende Fördermaßnahmen zum Erosionsschutz, wie z. B. Mulchsaatverfahren, Winterbegrünung oder die Anlage von Grünstreifen in Anspruch zu nehmen. Die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) unterstützen die Landwirte bei der Umsetzung dieser Maßnahmen durch entsprechende Aussagen im Rahmen der gemeinwohlorientierten Pflanzenbauberatung und bei Beratung, Beantragung und Umsetzung der angebotenen KULAP-Maßnahmen und im Rahmen des Unterrichts an der Landwirtschaftsschule und bei Erwachsenenbildungsmaßnahmen . Ferner ist die Landwirtschaftsverwaltung auch bei Erstellung und Umsetzung der Hochwasserrisikomanagementplanung beteiligt. Dazu werden spezielle Arbeitshilfen zur hochwasserangepassten Landwirtschaft und für die Beratung der Landwirte zur hochwasserangepassten Bewirtschaftung (u. a. hinsichtlich Ertragssicherung, Wasserrückhalt, Erosion , Kontamination) erarbeitet. Die AELF werden auf dieser Basis Information und Beratung der Landwirte intensivieren, speziell in besonders gefährdeten Bereichen. Auch die Wasserberater , die zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in entsprechenden Maßnahmengebieten tätig sind, unterstützen durch die Beratungstätigkeit in ihren Bereichen die Ziele des vorbeugenden Hochwasserschutzes. Schließlich tragen die neu installierten „Gruppen Landwirtschaft und Forsten – Hochwasserschutz“ an den Regierungen durch frühzeitige Information und Kommunikation dazu bei, dass durch bessere Berücksichtigung land- und forstwirtschaftlicher Belange bei der Planung technischer Hochwasserschutzmaßnahmen und dazu notwendiger Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen weniger Betroffenheiten entstehen, die Akzeptanz der Maßnahmen bei den betroffenen Land- und Forstwirten besser wird und die Genehmigungsverfahren und Baumaßnahmen zügiger und reibungsloser ablaufen. Transparente Planungen und Genehmigungsverfahren unter verbesserter Berücksichtigung berechtigter land- und forstwirtschaftlicher Belange sind eine wichtige Voraussetzung für eine schnelle Umsetzung notwendiger Hochwasserschutzmaßnahmen. 7. Soll der natürliche Rückhalt im Rahmen des Aktionsprogrammes 2020plus gegenüber der bisherigen Planung erweitert werden? Wesentlicher Bestandteil des AP2020plus ist ein erweitertes Rückhaltekonzept. Neben technischen Rückhaltemaßnahmen wie gesteuerten Flutpoldern ist auch die Umsetzung umfangreicher Maßnahmen zum natürlichen Rückhalt wie Deichrückverlegungen oder Gewässerrenaturierungen vorgesehen . Beispielhaft können an dieser Stelle die Projekte Licca Liber (Lech nördlich von Augsburg), die Umsetzung des Gewässerentwicklungskonzeptes (GEK) Mittlere Isar (München bis Moosburg) oder die umfangreichen Deichrückverlegungen an der niederbayerischen Donau genannt werden. Drucksache 17/1520 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 8. Wie hoch sind die durchschnittlichen Kosten für den Rückhalt von 1 Mio. cbm a) durch natürlichen Rückhalt b) durch gesteuerte Polder c) durch Deichrückverlegung? Eine Angabe über durchschnittliche Kosten pro Mio. m3 für den natürlichen Rückhalt (Frage 8 a) ist nicht möglich, da die jeweiligen Verhältnisse vor Ort entscheidend sind. Für gesteuerte Flutpolder (Frage 8 b) kann als grober Anhaltswert rd. 3 – 5 Mio. € pro Mio. m3 reaktiviertem Rückhalteraum angesetzt werden (ohne ereignisbezogene Entschädigungsleistungen und Ausgleichsmaßnahmen). Bei Deichrückverlegungen (Frage 8 c) hängen die spezifischen Kosten stark vom Verhältnis der Deichlängen zur neu geschaffenen Vorlandfläche ab. Eine Angabe durchschnittlicher Kosten wird daher als nicht zweckmäßig erachtet. (Anmerkung : Zwei Beispiele umgesetzter Maßnahmen an der Donau im Bereich Straubing-Vilshofen (Deichrückverlegungen Natternberg und Parkstetten), die eher kostenmäßig ungünstige lang gezogene Flächen darstellen, liegen bei rd. 10 Mio. € pro Mio. m3 reaktiviertem Rückhalteraum – bezogen auf die Kosten der Gesamtmaßnahme.)