Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Eva Gottstein FREIE WÄHLER vom 14.11.2016 Beschäftigungspolitik im Zusammenhang mit der Asylund Flüchtlingsthematik Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie viele Fälle sind der Staatsregierung bekannt, in denen die jeweils zuständige Agentur für Arbeit aufgrund einer Unterschreitung des ortsüblichen Arbeitsentgelts einen Beschäftigungsantrag einer Asylbewerberin bzw. eines Asylbewerbers abgelehnt hat? 2. Wie schätzt die Staatsregierung die Tatsache ein, dass aufgrund des in Frage 1 genannten Umstandes vonseiten der Agentur für Arbeit Beschäftigungsanträge von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern abgelehnt werden? 3. Welche Möglichkeiten bestehen für gewillte Asylbewerberinnen und Asylbewerber und Betriebe, gegen einen derartigen Ablehnungsbescheid vorzugehen bzw. Einspruch einzulegen? 4. Wie werden bayerische Betriebe bei der Beschäftigung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern vonseiten des Freistaates unterstützt? 5. Wie viele Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Bayern befinden sich derzeit in einem Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnis (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken )? 6. In welchen Berufssegmenten werden die meisten diesbezüglichen Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnisse abgeschlossen (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken )? 7. Ist die sogenannte „3+2“-Regelung, die im Zuge des Bundesintegrationsgesetzes eingeführt wurde, in der jetzigen Auslegung der Staatsregierung der Integration von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt nach Einschätzung der Staatsregierung förderlich? 8. Für welche weiteren (Neu-)Regelungen setzt sich die Staatsregierung (auch auf Bundesebene) ein, um die Integration von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und Flüchtlingen in den bayerischen Arbeitsmarkt zu intensivieren ? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 06.02.2017 Die Schriftliche Anfrage der Frau Abgeordneten Eva Gottstein wird im Einver nehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr und dem Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie wie folgt beantwortet: 1. Wie viele Fälle sind der Staatsregierung bekannt, in denen die jeweils zuständige Agentur für Arbeit aufgrund einer Unterschreitung des ortsüblichen Arbeitsentgelts einen Beschäftigungsantrag eines Asylbewerbers abgelehnt hat? Der Staatsregierung liegen hierzu keine Daten vor. Laut Auskunft der Regionaldirektion Bayern (RD Bayern) mussten im Zeitraum Januar bis Oktober 2016 vonseiten der Bundesagentur für Arbeit in Bayern in 623 Fällen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie für Geduldete die Zustimmung zur Beschäftigungsaufnahme aufgrund der Beschäftigungsbedingungen verweigert werden. Die Prüfung der Beschäftigungsbedin gungen umfasst Arbeitsentgelt und Arbeitszeit. Eine weitere Differenzierung nach den jeweiligen Untergruppen wird nicht vorgenommen, sodass eine exakte Zahl zu den Ab lehnungen aufgrund der Unterschreitung des ortsüblichen Arbeitsentgelts nicht verfügbar ist. 2. Wie schätzt die Staatsregierung die Tatsache ein, dass aufgrund des in Frage 1 genannten Umstandes vonseiten der Agentur für Arbeit Beschäftigungsanträge von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern abgelehnt werden? Wie die Bundesagentur für Arbeit – RD Bayern mitteilt, kann nach § 39 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG) eine Zustimmung nur erteilt werden, wenn der Ausländer nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare inländische Beschäftigte beschäftigt werden soll. Mit dieser Regelung soll zum einen der/die ausländische Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen vor Ausbeutung geschützt werden. Zum ande ren muss ein Verdrängungseffekt zuungunsten bevorrechtigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verhindert werden. Die Arbeitsbedingungen umfassen die für ein Arbeitsverhältnis geltenden, im Arbeitsver trag geregelten wesentlichen Bedingungen. Zu den Arbeitsbedingungen gehört unter anderem die Höhe des Arbeitsentgelts. Ist die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber weder tarifgebunden noch liegt ein Branchenmindestlohn vor, wird für die Prüfung der ortsübliche Lohn für vergleichbare Tätigkeiten zugrunde gelegt. Als Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 28.03.2017 17/15302 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/15302 absolute Untergrenze der Entlohnung gilt der allgemeine gesetzliche Mindestlohn. Sowohl aus rechtlicher als auch aus fachlicher Sicht teilt die Staatsregierung die Auffas sung der RD Bayern. 3. Welche Möglichkeiten bestehen für gewillte Asylbewerberinnen und Asylbewerber und Betriebe, gegen einen derartigen Ablehnungsbescheid vorzugehen bzw. Einspruch einzulegen? Nach Auskunft der RD Bayern muss ein Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis bei der zuständigen Ausländerbehörde gestellt werden. Die Bundesagentur für Arbeit habe im Rahmen einer Zustimmungsanfrage zur Beschäftigung lediglich eine Mitwirkungs pflicht. Das heißt, die Bundesagentur für Arbeit prüfe die individuellen Beschäftigungsbedingungen , beurteile (nur bei Vorrangbezirken) die Arbeitsmarktlage und teile das Ergeb nis der Ausländerbehörde mit. Diese erteile dann den für die Antragstellerin bzw. den Antragsteller maßgeblichen Bescheid. Die Zustimmung oder Ablehnung durch die Bundesagentur für Arbeit stelle mangels unmittelbarer Außenwirkung keinen Verwaltungsakt dar, sodass hiergegen nicht unmittelbar ein Widerspruch eingelegt werden könne. Der Betroffene könne jedoch gegen den Bescheid der Ausländerbehörde mit Rechtsmitteln vorgehen. 4. Wie werden bayerische Betriebe bei der Beschäftigung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern vonseiten des Freistaates unterstützt? Das Programm „Fit for Work“ ist ein maßgebliches Element der „Allianz für eine starke Berufsbildung in Bayern“ und richtet den Fokus auf leistungsschwächere oder benachteiligte Jugendliche. Mit den Maßnahmen des Programms „Fit for Work“ werden bayerische Unternehmen gefördert, wenn sich diese auch für Jugendliche öffnen, die wegen Bil dungsoder Qualifizierungsdefiziten nur geringe Chancen auf dem Ausbildungsstellen markt haben. Gefördert wird die betriebliche Ausbildung einer bzw. eines Jugendlichen mit einem Zuschuss zu den Kosten der Ausbildungsvergütung in Höhe von bis zu 4.400 Eu ro. Die Maßnahme „Fit for Work – Chance Ausbildung“ stellt dafür im Förderzeitraum 2014 bis 2020 jährlich 3,9 Mio. Euro aus dem Europäischen Sozialfonds bereit, um die Ausbil dungschancen von jungen Deutschen und Jugendlichen aus EU-Mitgliedsstaaten zu stärken. Von der Förderung profitieren auch Jugendliche aus Drittstaaten, soweit sich diese mit gesichertem Aufenthaltsstatus in Bayern aufhalten , also auch anerkannte junge Asylbewerberinnen und Asylbewerber. Ergänzend fördert die Maßnahme „Fit for Work für Geflüchtete “ aus Landesmitteln mit jährlich rd. 2,5 Mio. Euro die Betriebe, die junge Asylbewerberinnen und Asylbewerber mit guter Bleibeperspekti ve oder Geduldete ausbilden. Die Förderung greift für Ausbildungsverhältnisse, die ab dem 1. August 2016 begonnen haben. Mit 3,45 Mio. Euro werden Jobbegleiter für Flüchtlinge (Anerkannte Asylbewerberinnen und Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive und Geduldete) von der Staatsregierung gefördert. Sie sollen als Lotsen, Netzwerker und Partner für Flüchtlinge und Unternehmen fungie ren und so auch die Zusammenarbeit der Beteiligten vor Ort verbessern . Gleichzeitig soll der Jobbegleiter aber auch für soziale Fragen und Probleme im Zusammenhang mit der beruflichen Integration zur Verfügung stehen und kann nach der Beschäftigungsaufnah me eine Nachbetreuung durchführen. Dadurch werden sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer unterstützt. 41 Jobbegleiter wurden bereits genehmigt (Stand: Dezem ber 2016). 5. Wie viele Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Bayern befinden sich derzeit in einem Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnis (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken)? 6. In welchen Berufssegmenten werden die meisten diesbezüglichen Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnisse abgeschlossen (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken )? Eine statistische Unterscheidung nach dem jeweiligen ausländerrechtlichen Status erfolgt bei der Erhebung der Auszubildenden mit Fluchthintergrund nicht. Es ist daher nicht möglich, mitzuteilen, wie viele Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Bayern sich derzeit in einem Ausbildungsverhältnis befinden. In Bayern befanden sich Anfang Dezember 2016 nach Auskunft der Handwerkskammer für München und Oberbayern (HWK) und des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK) 4.356 Auszubildende mit Fluchthintergrund in Ausbildung. Nach Auskunft der RD Bayern könne vonseiten der Bundesagentur für Arbeit eine voll ständige Transparenz zu den in Arbeit befindlichen Asylbewerberinnen und Asylbewerbern („Bestandsbetrach tung“) nicht im Detail hergestellt werden. In Hinblick auf die Aufnahme von Arbeitsverhältnissen würden sich die Bemühungen der Bundesagentur für Arbeit nicht nur auf den Personenkreis der Asylbewerberinnen und Asylbewerber richten. Die Bundesagentur für Arbeit sei am Integrationsgeschehen von Arbeitsuchenden Ge flüchteten in zwei Phasen beteiligt : – bei der Erteilung von Zustimmungen zur Beschäftigungsaufnahme von Asylbewerberinnen und Asylbe werbern und Geduldeten sowie – bei der Integration von bereits Anerkannten , soweit diese Leistungen vonseiten des Jobcenters bezögen. Für beide Personengruppen könne auf die Zwischenbilanz des Paktes „Integration durch Ausbildung und Arbeit“ zurückgegriffen werden. Die Staatsregierung hat am 13. Oktober 2015 mit der Bayerischen Wirtschaft und der RD Bayern die Vereinbarung „Integration durch Ausbildung und Arbeit“ unterzeichnet. Ge meinsam haben sich die Vereinbarungspartner zum Ziel gesetzt, 20.000 Flüchtlingen bis Ende 2016 ein Praktikum, eine Ausbildung oder einen Arbeitsplatz anzubieten. Bis Ende 2019 sollen 60.000 Menschen in Arbeit integriert werden . Eine erste Jahresbilanz der Gesamtinitiative ist durch die Erhebung der in der Pressekonferenz von Staatsministerin für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie llse Aigner und dem Staatssekretär im Staatsministerium für Bildung und Kultur, Wissenschaft und Kunst Georg Eisenreich vom 23. September 2016 vorgestellten Zahlen erfolgt: Bis zum Herbst 2016 wurde das erste Teilziel nicht nur erreicht, die Vermittlungen waren nahezu doppelt so hoch. Bis 23. September 2016 konnten insgesamt 39.376 Flüchtlinge in Praktika, Ausbildung und Arbeit vermittelt werden. Im Einzelnen: 20.200 Flüchtlinge in Arbeit, 4.126 Flüchtlinge in Ausbildung, 15.050 Flüchtlinge in Praktika. Drucksache 17/15302 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 7. Ist die sogenannte „3+2“-Regelung, die im Zuge des Bundesintegrationsgesetzes eingeführt wurde, in der jetzigen Auslegung der Staatsregierung der Integration von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt nach Einschätzung der Staatsregierung förderlich? Die Integrationsbemühungen der Staatsregierung richten sich vorrangig an anerkannte Asylbewerberinnen und Asylbewerber und solche mit guter Bleibeperspektive. Die sogenannte „3+2“-Regelung hingegen setzt die Ablehnung des Asylantrags und da mit eine vollziehbare Ausreisepflicht voraus. Diesem Personenkreis steht unter bestimm ten Voraussetzungen ein Anspruch auf Duldung für die Dauer einer qualifizierten Berufs ausbildung zu. Dem Wunsch der Wirtschaft entsprechend dient die Neuregelung vor al lem dazu, für die Ausbildungsbetriebe mehr Rechtssicherheit zu schaffen. Den grundsätzlichen Vorrang der Durchsetzung der Ausreisepflicht gegenüber abgelehn ten Asylbewerberinnen und Asylbewerbern soll sie gerade nicht infrage stellen. Mit Schreiben vom 1. Septem ber 2016 an die Ausländerbehörden hat das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr diese Zielsetzung verdeutlicht. 8. Für welche weiteren (Neu-)Regelungen setzt sich die Staatsregierung (auch auf Bundesebene) ein, um die Integration von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und Flüchtlingen in den bayerischen Arbeitsmarkt zu intensivieren? Nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes des Bundes und der Verabschiedung des Bayerischen lntegrationsgesetzes im Jahr 2016 wird kein Bedarf an gesetzlichen (Neu-)Regelungen gesehen. Vielmehr gilt es nun, die vorhandenen Möglichkeiten und Erleich terungen bei der Integra tion in Ausbildung (z. B. die verkürzten Wartezeiten für ausbildungsunterstützende Hilfen) und Arbeit mit Leben zu füllen.