Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 14.12.2016 Bildung und Arbeit für Menschen mit Migrationshintergrund in Bayern – Teil 2 Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Seit wann und in welchen Umfang werden die Sprachfeststellungen in den Kindertageseinrichtungen Bayerns durchgeführt (bitte die Orte der entsprechenden Kindertageseinrichtungen nennen)? 1.2 Wer führt diese durch (bitte auch Art und Weise nennen )? 1.3 Welche wissenschaftlichen Paradigmen liegen diesen zugrunde? 2.1 Seit wann gibt es den „Vorkurs Deutsch“? 2.2 Warum wird dieser Kurs nicht in allen Kindertageseinrichtungen Bayerns angeboten? 2.3 Weshalb wird der „Vorkurs Deutsch“ bei Kindern mit zumindest einem deutschsprachigen Elternteil bei entsprechendem Förderbedarf nur empfohlen, während er bei Kindern, deren Eltern beide nicht deutschsprachig sind, verpflichtend ist (§ 5 Abs. 2 des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes (BayKiBiG), und wäre hier eine bedarfsgerechte Verpflichtung sinnvoll? 3.1 Stehen für Kinder mit Fluchthintergrund ausreichend KITA-Plätze zur Verfügung? 3.2 Falls nein, wie könnte ein bedarfsgerechtes Angebot erreicht werden? 3.3 Wie wird bei den derzeit üblichen Vergabekriterien der Kindertagesstätten sichergestellt, dass Kinder mit Sprachförderbedarf einen Platz bekommen, auch wenn bspw. ein Elternteil nicht arbeitet? 4. Gibt es Studien darüber, welche Bevölkerungsgruppen das Betreuungsgeld nicht in Anspruch nehmen (falls ja, bitte die Ergebnisse mit angeben)? 5.1 Sind genügend ausgebildete Lehrkräfte für die Sprachkurse und Integrationskurse in Bayern vorhanden? 5.2 Warum werden für die Sprachkursförderung 2017 nur noch 8 Millionen Euro und 2018 nur noch 3 Millionen Euro, statt 17 Millionen Euro wie im Jahr 2016, vorgesehen ? 5.3 Geht die Staatsregierung davon aus, dass der Bedarf an Sprachkursen in den nächsten Jahren sinken wird (sollte dem so sein, bitte die Überlegungen nennen, die dieser Annahme zugrunde liegen)? 6.1 Welche Angebote gibt es für Erwachsene, die sich in einem Beschäftigungsverhältnis befinden, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern und fachspezifische Sprachkenntnisse zu erwerben, um beruflich voranzukommen ? 6.2 Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, ihre Angestellten auf derartige Angebote aufmerksam zu machen bzw. sie dazu zu verpflichten? 6.3 Was sind die genauen Inhalte des Kurses „Leben in Bayern“? 7.1 Wie viele offene Ausbildungsstellen gibt es derzeit in Bayern? 7.2 Wie viele Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund haben derzeit noch keinen Ausbildungsplatz (bitte getrennt auflisten)? 7.3 Wie kann eine Abdeckung der entstandenen Lücke (Ausbildungsplatz und Ausbildungsplatzsuchende) behoben werden? 8.1 Ist die Staatsregierung der Meinung, dass die vorhandenen arbeitsmarkttechnischen Instrumente gerade bei den jüngeren Menschen mit Migrationshintergrund greifen? 8.2 Wenn ja, in welchem Umfang? 8.3 Wie könnte hier nachgebessert bzw. motiviert werden? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 01.02.2017 1.1 Seit wann und in welchen Umfang werden die Sprachfeststellungen in den Kindertageseinrichtungen Bayerns durchgeführt (bitte die Orte der entsprechenden Kindertageseinrichtungen nennen )? Mit Neufassung der Ausführungsverordnung zum Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (AVBayKi- BiG) zum 1. September 2008 ist der Einsatz der Sprachstandserhebungsbögen „Sismik“ (§ 5 Abs. 2 AVBayKiBiG) und „Seldak“ (§ 5 Abs. 3 AVBayKiBiG) verbindlich vorgegeben . Der Einsatz der Beobachtungsbögen ist gleichzeitig nach Art. 19 Nr. 10 des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes (BayKiBiG) Fördervoraussetzung für Kindertageseinrichtungen. Die Bögen werden deshalb in allen staatlich geförderten Kindertageseinrichtungen eingesetzt . Die Sprachstandserfassung in Kindertageseinrichtungen wurde zudem im Bayerischen Integrationsgesetz (BaylntG) festgelegt. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.04.2017 17/15306 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/15306 1.2 Wer führt diese durch (bitte auch Art und Weise nennen)? Die Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen erheben in der ersten Hälfte des vorletzten Kindergartenjahres bei allen Kindern den Sprachstand in der deutschen Sprache. Dabei ist der Einsatz der Bögen „Sismik“ und „Seldak“ verbindlich vorgegeben. Zur Bearbeitung der Bögen bedarf es konkreter Beobachtungssituationen, die für Sprach- und Literacy Entwicklung von Bedeutung sind. „Sismik“ und „Seldak“ werden in der Regel nicht in einem Durchgang vollständig bearbeitet. Die Begleithefte zu den Bögen veranschaulichen an konkreten Beispielen die Arbeit mit den Beobachtungsbögen . 1.3 Welche wissenschaftlichen Paradigmen liegen diesen zugrunde? Die Beobachtungsbögen „Sismik“ und „Seldak“ wurden vom Staatsinstitut für Frühpädagogik entwickelt. Sie basieren auf fundierten sprachtheoretischen Grundlagen und entsprechen den testtheoretischen Gütekriterien. „Sismik“ und „Seldak“ orientieren sich an der Sprachlernmotivation des Kindes, an seinem Interesse an Sprache und an sprachbezogenen Angeboten. Zudem werden auch strukturelle Aspekte von Sprache berücksichtigt. Insgesamt geben „Sismik“ und „Seldak“ einen guten Überblick über die individuellen Bedürfnisse eines Kindes in Bezug auf ihre Sprachentwicklung. 2.1 Seit wann gibt es den „Vorkurs Deutsch“? In Bayern wurde der „Vorkurs Deutsch“ für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache erstmals im Schuljahr 2001/2002 eingeführt. Die Sprachförderung erfolgte zunächst im Umfang von insgesamt vierzig Deutschlern-Stunden, zwischen Mai und Juli vor der Einschulung. Mit dem Schuljahr 2005/2006 wurden die Vorkurse auf 160 Stunden im gesamten letzten Kindergartenjahr ausgeweitet, durchgeführt in Kooperation von Kindertageseinrichtung und Grundschule. Seit dem Schuljahr 2008/2009 umfasst der Vorkurs Deutsch 240 Stunden. Seit Oktober 2013 besteht für alle Kinder mit zusätzlichem Unterstützungsbedarf im Deutschen als Erstoder Zweitsprache ein Vorkursangebot. 2.2 Warum wird dieser Kurs nicht in allen Kindertageseinrichtungen Bayerns angeboten? Das Bayerische Integrationsgesetz (BayIntG) sieht für alle Kindertageseinrichtungen in Bayern das Angebot eines Vorkurses Deutsch für jene Kinder vor, deren Sprachstandserhebung erwarten lässt, dass ihre Deutschkenntnisse für eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht der Grundschule nicht ausreichend sind (Art. 5 BaylntG). Alle Träger von Kindertageseinrichtungen sollen bei Bedarf Vorkurse anbieten. 2.3 Weshalb wird der „Vorkurs Deutsch“ bei Kindern mit zumindest einem deutschsprachigen Elternteil bei entsprechendem Förderbedarf nur empfohlen, während er bei Kindern, deren Eltern beide nicht deutschsprachig sind, verpflichtend ist (§ 5 Abs. 2 des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes (BayKiBiG), und wäre hier eine bedarfsgerechte Verpflichtung sinnvoll? Nach § 5 der AVBayKiBiG sind die Träger der staatlich geförderten Kindertageseinrichtungen verpflichtet, den Sprachstand von Kindern mit Migrationshintergrund und von deutschsprachig aufwachsenden Kindern zu erheben und bei Bedarf einen Vorkurs anzubieten. Für die Kinder ist die Teilnahme daran – wie der gesamte Kindergartenbesuch – freiwillig. Ob die Kinder am Vorkurs teilnehmen, wenn die Sprachstandserhebung nach dem „Sismik“ bzw. für deutschsprachige Kinder nach dem „Seldak“ einen Förderbedarf anzeigt , bleibt der Entscheidung der Eltern überlassen, wird aber in jedem Fall dringend empfohlen. Nach Art 37a Abs. 3 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) kann die Grundschule jedoch Kinder vom Schulbesuch zurückstellen und verpflichten, eine Kindertageseinrichtung mit integriertem Vorkurs zu besuchen, wenn sie bislang weder eine Kindertageseinrichtung noch einen „Vorkurs Deutsch“ besucht haben und bei der Schuleinschreibung im Rahmen des Sprachscreenings festgestellt wird, dass sie nicht über die für eine erfolgreiche Unterrichtsteilnahme notwendigen Deutschkenntnisse verfügen. In Art. 37 Abs. 4 BayEUG wird der Anwendungsbereich ausgeweitet und umfasst künftig alle Kinder, also auch solche, die Deutsch zur Muttersprache haben. 3.1 Stehen für Kinder mit Fluchthintergrund ausreichend KITA-Plätze zur Verfügung? Es ist Aufgabe der Gemeinden im eigenen Wirkungskreis, die notwendigen Plätze in Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege rechtzeitig zu schaffen, Art. 5 Abs. 1 BayKiBiG. Rückmeldungen der Gemeinden über Schwierigkeiten bei der Aufnahme der Kinder mit Fluchthintergrund in die bayerischen Kindertageseinrichtungen liegen dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration derzeit nicht vor. 3.2 Falls nein, wie könnte ein bedarfsgerechtes Angebot erreicht werden? Hierzu wird auf Antwort zu Frage 3.1 verwiesen. Der Bedarf nach Betreuungsplätzen ist regional und in Abhängigkeit vom Alter des Kindes höchst unterschiedlich . Der Bedarf ist daher auch nicht statisch, sondern ist im Rahmen der kommunalen Bedarfsplanung regelmäßig zu aktualisieren. Um auch mit Blick auf den zu erwartenden Familiennachzug zukünftig gut gerüstet zu sein, plant das Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration mit Mitteln des Bundes ein 4. Sonderinvestitionsprogramm zur Förderung zusätzlicher Betreuungsplätze für Kinder bis zur Einschulung. Die Bundesregierung beabsichtigt , den Wünschen der Länder Rechnung zu tragen und weitere Investitionsmittel zur Verfügung zu stellen und den Altersbereich (bisher nur für Plätze für Kinder unter drei Jahren) zu erweitern. Ein Gesetzentwurf ist auf den Weg gebracht. Mit dem 4. Sonderinvestitionsprogramm sollen die Gemeinden in die Lage versetzt werden, schnellstmöglich auf neue Bedarfslagen reagieren zu können. 3.3 Wie wird bei den derzeit üblichen Vergabekriterien der Kindertagesstätten sichergestellt, dass Kinder mit Sprachförderbedarf einen Platz bekommen, auch wenn bspw. ein Elternteil nicht arbeitet? Unabhängig von etwaigen Vergabekriterien haben Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bis zur Einschulung einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung oder ggf. in der Kindertagespflege gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Landkreise , kreisfreie Städte). Dieser Anspruch ist nach § 24 des Drucksache 17/15306 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Sozialgesetzbuches (SGB) – Achtes Buch (VIII) grundsätzlich bedingungslos und nicht davon abhängig, ob Eltern die Betreuung in der gewünschten Buchungszeit auch selbst übernehmen könnten. Die vorschulische Sprachförderung für alle Kinder wurde im Bayerischen Integrationsgesetz umfassend verankert, Art. 5 BaylntG. Darin wird der Tatsache, dass die Beherrschung der deutschen Sprache elementare Voraussetzung für das Gelingen der schulischen Bildung und damit unverzichtbare Grundlage für die gesellschaftliche Integration von Kindern ist, Rechnung getragen. 4. Gibt es Studien darüber, welche Bevölkerungsgruppen das Betreuungsgeld nicht in Anspruch nehmen (falls ja, bitte die Ergebnisse mit angeben )? Es liegen zwei Studien zur Inanspruchnahme des Bundesbetreuungsgeldes vor: • Deutsches Jugendinstitut „Datenbericht Betreuungsgeld – Auswertung amtlicher Daten und der Kifög-Länderstudien aus den Jahren 2013/2014/2015“, 2015, • Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg „Ergebnisbericht über eine Elternbefragung zum Betreuungsgeld“, 2016. Beide Studien belegen, dass das Betreuungsgeld grundsätzlich von allen Bevölkerungsgruppen genutzt wird. 5.1 Sind genügend ausgebildete Lehrkräfte für die Sprachkurse und Integrationskurse in Bayern vorhanden ? Der Freistaat Bayern fördert bereits seit 2013 hauptamtliche Erstorientierungskurse im Rahmen des Modellprojekts „Deutschkurse zur sprachlichen Erstorientierung für Asylsuchende “. Dieses Projekt wurde kontinuierlich ausgebaut und 2016 an mehr als 400 Standorten durchgeführt. Dieses Projekt greift auf zertifizierte Träger zurück, welche wiederum ausschließlich Lehrkräfte einsetzen dürfen, welche eine Integrationskurszulassung oder vergleichbare Qualifikationen aufweisen. Gleiches gilt für Alphabetisierungskurse nach dem Modellprojekt „Kurse zur Alphabetisierung für Asylsuchende “. Da in den kommenden Jahren entsprechend der reduzierten Haushaltsmittel auch eine reduzierte Anzahl an Kursen organisiert wird, ist davon auszugehen, dass hierfür auch genügend ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Im Hinblick auf die Integrationskurse liegt die Zuständigkeit beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Die Staatsregierung kann hierzu keine Auskünfte erteilen. 5.2 Warum werden für die Sprachkursförderung 2017 nur noch 8 Millionen Euro und 2018 nur noch 3 Millionen Euro, statt 17 Millionen Euro wie im Jahr 2016, vorgesehen? 5.3 Geht die Staatsregierung davon aus, dass der Bedarf an Sprachkursen in den nächsten Jahren sinken wird (sollte dem so sein, bitte die Überlegungen nennen, die dieser Annahme zugrunde liegen)? In der Tat erfolgte die Reduzierung der Mittel für Sprachkursförderung für Asylbewerber aufgrund eines zu erwartenden Bedarfsrückgangs. Dieser begründet sich zum einen durch sinkende Zugangszahlen und zum anderen durch schnellere Entscheidung der Asylverfahren durch das BAMF. Dadurch werden insgesamt weniger Asylbewerber einer umfassenden Sprachförderung bedürfen, bevor sie entweder eine Anerkennung erlangen oder ausreisepflichtig sind. Für Anerkannte stellt der Bund Integrationskurse zur Verfügung; dieser Personenkreis wurde zur Vermeidung von Doppelförderungen daher noch nie von bayerischen Sprachförderungsprojekten erfasst. Zudem hat der Bund signalisiert, zum 2. Halbjahr 2017 das bayerische Modellprojekt „Deutschkurse zur sprachlichen Erstorientierung für Asylsuchende“ flächendeckend und im Wesentlichen inhaltsgleich bundesweit im Rahmen eines Modellprojektes zu fördern. In diesem Falle ist auch das bayerische Modellprojekt obsolet, welches im Jahr 2016 ein Volumen von mehr als 8,0 Mio. Euro umfasste. Zudem hat die Staatsregierung stets betont, dass es sich bei den für die Sprachförderung von Asylbewerbern zur Verfügung gestellten Mitteln um eine freiwillige Leistung handelt, da die eigentliche Verantwortung hierfür beim Bund liegt. Der Freistaat Bayern ist über Jahre hinweg in Vorleistung getreten und ist nun gehalten, seine Ausgaben insoweit zu reduzieren und den Bund in die Pflicht zu nehmen. 6.1 Welche Angebote gibt es für Erwachsene, die sich in einem Beschäftigungsverhältnis befinden, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern und fachspezifische Sprachkenntnisse zu erwerben, um beruflich voranzukommen? Nach den Regelungen der Verordnung über die berufsbezogene Deutschsprachförderung (Deutschsprachförderverordnung – DeuFöV) in der aktuellen Fassung können bestimmte Ausländer und deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund unter anderem eine Teilnahmeberechtigung für die berufsbezogene Deutschsprachförderung erhalten, wenn die berufsbezogene Deutschsprachförderung notwendig ist, • um ihre Chancen auf dem Arbeits- oder Ausbildungsmarkt zu verbessern und sie zum Zeitpunkt der Erteilung der Teilnahmeberechtigung Ausbildungs- oder Arbeitssuchend sind oder Leistungen nach dem SGB II beziehen, • wenn sie begleitend zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse oder für den Zugang zum Beruf ein bestimmtes Sprachniveau erreichen müssen, • um sie als Auszubildende während einer Berufsausbildung gern. § 57 I SGB III bei der Durchführung und dem erfolgreichen Ausbildungsabschluss zu unterstützen. Über die Teilnahmeberechtigung entscheidet je nach Lage des Einzelfalles die Agentur für Arbeit, das Jobcenter oder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. 6.2 Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, ihre Angestellten auf derartige Angebote aufmerksam zu machen bzw. sie dazu zu verpflichten? Weiterbildung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist eine Aufgabe der Wirtschaft. Eine Unterstützung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, um ihre beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über die Angebote der Deutschsprachförderung zu informieren, ist daher seitens der Staatsregierung nicht vorgesehen. Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Weiterbildung ist nur möglich, wenn dies arbeitsvertraglich vereinbart wurde oder der Mitarbeiter ohne die Weiterbildung seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nicht nachkommen könnte. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/15306 6.3 Was sind die genauen Inhalte des Kurses „Leben in Bayern“? Das Konzept für die Kursreihe „Leben in Bayern“ wird derzeit erarbeitet. Die Inhalte der Kurse werden sich am Auftrag des Bayerischen Integrationsgesetzes orientieren, die Migrantinnen und Migranten dabei zu unterstützen, sich mit den in der heimischen Bevölkerung vorherrschenden Umgangsformen , Sitten und Gebräuchen vertraut zu machen (Art. 3 Abs. 2 BaylntG). 7.1 Wie viele offene Ausbildungsstellen gibt es derzeit in Bayern? Nach Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit (BA) standen zum Ende des Berufsberatungsjahres 2015/2016 (30. September 2016) in Bayern 12.039 unbesetzte Ausbildungsstellen zur Verfügung (Quelle: BA-Pressemitteilung Nr. 35/2016 vom 2. November 2016 zur Bilanz zum Ausbildungsmarkt). 7.2 Wie viele Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund haben derzeit noch keinen Ausbildungsplatz (bitte getrennt auflisten)? Nach Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit (BA) waren zum Ende des Berufsberatungsjahres 2015/2016 (30. September 2016) in Bayern 1.129 unversorgte Bewerberinnen und Bewerber bei den Arbeitsagenturen gemeldet. Davon waren 330 Bewerber mit ausländischer Staatsangehörigkeit als „unversorgte Bewerber für Berufsausbildungsstellen ohne bekannte Alternative zum 30.09.“ erfasst. Damit stehen – rechnerisch betrachtet – in Bayern für 100 unversorgte Bewerberinnen und Bewerber 1.066,3 freie Ausbildungsplätze zur Verfügung. Wie die BA weiter mitteilt, haben von den seit Beginn des Berichtsjahres in Bayern gemeldeten 81.721 Bewerberinnen und Bewerbern für Berufsausbildungsstellen 69.695 Bewerber das statistische Merkmal „Nationalität Deutsche“, 11.983 Bewerber haben das statistische Merkmal ,,Nationalität Ausländer“. Von den 1.886 jungen, als Bewerberinnen und Bewerber gemeldeten Flüchtlingen, mündeten im Ausbildungsjahr 2015/2016 insgesamt 862 Bewerber in Ausbildung ein. Die Abgrenzung der „Personen im Kontext von Fluchtmigration“ im Sinne der BA-Statistik entspricht nicht notwendigerweise anderen Definitionen von „Flüchtlingen“ (z. B. juristischen Abgrenzungen ). Für den statistischen Begriff ist über das Asylverfahren hinaus der Bezug zum Arbeitsmarkt ausschlaggebend . „Personen im Kontext von Fluchtmigration“ umfassen Ausländer mit einer Aufenthaltsgestattung, einer Aufenthaltserlaubnis Flucht oder einer Duldung. Im Hinblick auf den Arbeits - und Ausbildungsmarkt hat dieser Personenkreis ähnliche Problemlagen (Quelle: BA-Pressemitteilung Nr. 35/2016 vom 2. November 2016 zur Bilanz zum Ausbildungsmarkt). Von der BA werden seit Kurzem auch Statistiken zum Migrationshintergrund (MHG) von Bewerberinnen und Bewerbern geführt. Da es sich bei der Erhebung des MHG um freiwillige Angaben handelt, sind umfangreiche Validierungen der Daten erforderlich. Die BA hat mitgeteilt, dass sie diese Daten für das Berichtsjahr 2015/2016 noch nicht zur Verfügung stellen kann. 7.3 Wie kann eine Abdeckung der entstandenen Lücke (Ausbildungsplatz und Ausbildungsplatzsuchende ) behoben werden? Disparitäten am Ausbildungsmarkt haben unterschiedliche Ursachen. Neben regionalen Ungleichgewichten zwischen dem Angebot an und der Nachfrage nach – bestimmten – Ausbildungsplätzen sind auch die persönlichen Qualifikationen der Jugendlichen ein Faktor. Dazu zählen neben den Kompetenzen und persönlichen Eigenschaften vor allem die formalen schulischen Qualifikationen. Der Ausgleich zwischen den Berufswünschen der jungen Menschen und dem Angebot an Ausbildungsstellen ist eine Daueraufgabe der Berufsberatung. Dem gehen eine Reihe von Maßnahmen der Berufsorientierung an bayerischen Schulen und durch die BA voraus. Es ist zu bedenken, dass die Berufswahl eine freiwillige Entscheidung sein muss, auf die die Jugendlichen gut vorbereitet werden. Ebenso können vonseiten der Unternehmen vielfältige Maßnahmen ergriffen werden, um die Attraktivität von Berufen zu erhöhen. 8.1 Ist die Staatsregierung der Meinung, dass die vorhandenen arbeitsmarkttechnischen Instrumente gerade bei den jüngeren Menschen mit Migrationshintergrund greifen? 8.2 Wenn ja, in welchem Umfang? 8.3 Wie könnte hier nachgebessert bzw. motiviert werden ? Die Staatsregierung ist der Meinung, dass die vorhandenen Arbeitsmarktinstrumente bei den jüngeren Menschen mit und ohne Migrationshintergrund greifen. Wie die Bilanz zum Ausbildungsmarkt 2015/2016 zeigt, liegt Bayern mit 1.066,3 unbesetzten Berufsausbildungsstellen auf 100 unversorgte Bewerber deutlich über dem Schnitt von Deutschland und Westdeutschland (Deutschland 211,6, Westdeutschland 218,7). Im Ländervergleich liegt Bayern auf Platz 1. Bei der Einmündungsquote mit 73,6 Prozent nimmt Bayern die Spitzenposition in Deutschland ein. Der bundesweite Durchschnitt liegt unter 65 Prozent. Dabei handelt es sich um eine Berechnung des Bundesinstituts für Berufsbildung, bei der die Zahl der neu besetzten Ausbildungsverhältnisse rechnerisch in ein Verhältnis zur aktuellen Zahl der ausbildungsinteressierten Schulabgänger und -absolventen aus allgemeinbildenden Schulen gesetzt wird. Nicht berücksichtigt werden bei dieser Berechnung zum Beispiel die zusätzlichen Einmündungen in Hochschulen oder Universitäten. Der Vollzug der bundesgesetzlich geregelten Instrumente des SGB III und SGB II erfolgt durch die Arbeitsagenturen und Jobcenter, die Aufsicht darüber obliegt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Auch die finanzielle und personelle Ausstattung der Jobcenter, die für eine erfolgreiche Umsetzung wesentlich ist, obliegt dem BMAS. Das Land kann nur begrenzt auf Modellregionen begleitende Impulse setzen. Die Maßnahmen der Staatsregierung zielen besonders darauf ab, leistungsschwächere Jugendliche mit oder ohne Migrationshintergrund zeitnah in ein Ausbildungsverhältnis zu integrieren. Die Maßnahmen der Staatsregierung und der Wirtschaft sind in der „Allianz für starke Berufsbildung in Bayern“ gebündelt . Ziel der „Allianz für eine starke Berufsbildung in Bayern“ ist es, jedem ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen jungen Menschen einen Ausbildungsplatz oder eine angemessene Alternative bereitzustellen; insbesondere auch für leistungsschwächere Jugendliche. Gleichzeitig soll dazu beigetragen werden, den Fachkräftebedarf der Wirtschaft zu decken. Das Programm „Fit for Work“ ist ein maßgebliches Element der „Allianz für eine starke Berufsbildung in Bayern“. Drucksache 17/15306 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 Mit den beiden Maßnahmen des Programms „Fit for Work“ werden bayerische Unternehmen gefördert, die Jugendliche mit Bildungs- oder Qualifizierungsdefiziten in eine betriebliche Ausbildung übernehmen. Diese Maßnahmen greifen gerade auch für Jugendliche mit Migrationshintergrund, denn bezüglich des Übergangs in betriebliche Ausbildung stellt das Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) fest, dass insbesondere die schlechteren schulischen Voraussetzungen der jungen Migrantinnen und Migranten die Aufnahme einer vollqualifizierenden Ausbildung erschweren (Quelle: Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2015, A3.2, Seite 97 ff.). Die Maßnahme „Fit for Work-Chance Ausbildung“ stellt dafür im Förderzeitraum 2014 bis 2020 jährlich 3,9 Mio. Euro aus dem Europäischen Sozialfonds bereit, um die Ausbildungschancen von jungen Deutschen und Jugendlichen aus EU-Mitgliedsstaaten zu stärken. Von der Förderung profitieren auch Jugendliche aus Drittstaaten, soweit sich diese mit gesichertem Aufenthaltsstatus in Bayern aufhalten. Ergänzend fördert die Maßnahme „Fit for Work für Geflüchtete “ aus Landesmitteln mit jährlich rd. 2,64 Mio. Euro die Betriebe, die junge Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive oder Geduldete ausbilden. Die Ausbildungsakquisiteure und Akquisiteure für Flüchtlinge geben durch persönliche Kontakte mit Elternhäusern und Multiplikatoren Informationsangebote über Chancen und Möglichkeiten des dualen Ausbildungssystems. Durch ihr großes Netzwerk ist es den Akquisiteuren möglich, die Ausbildungsplatzsuchenden am Übergang Schule – Beruf und die Betriebe auf der Suche nach geeignetem Nachwuchs milieuspezifisch zu unterstützen. Für die zusätzlichen Akquisiteure für Flüchtlinge sind auch im Jahr 2017 1,62 Mio. Euro vorgesehen. Die bereits genehmigten zusätzlichen 25 Akquisiteure für Flüchtlinge (Stand 02.11.2016) sollen anerkannte jugendliche Flüchtlinge, junge Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive oder junge Geduldete, die peergroups (Gruppen von jugendlichen Flüchtlingen, die sich an bestimmten Treffpunkten aufhalten und untereinander eine große Solidarität haben) und Familien pro-aktiv aufsuchen und über die Möglichkeiten einer Berufsausbildung informieren sowie Hilfestellungen leisten. Sie stehen aber auch für Betriebe, die diese Flüchtlinge ausbilden, als Ansprechpartner zur Verfügung und verfolgen einen Netzwerkansatz. Soweit Jugendliche mit Migrationshintergrund die allgemeinbildende Schule ohne ausreichende Qualifikation verlassen haben, können vorhandene Defizite in der Zeit vor Beginn einer Berufsausbildung oder auch noch während der beruflichen Ausbildung ausgeglichen werden. Das SGB III und das SGB II bieten dazu mit der Einstiegsqualifizierung (EO), den ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH) und der Assistierten Ausbildung (AsA) geeignete Hilfen. Diese Instrumente stehen grundsätzlich auch den Jugendlichen mit MHG offen (ggf. in Abhängigkeit von deren Aufenthaltsstatus in Deutschland).