Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian Ritter SPD vom 02.12.2016 Reichsbürger: Disziplinarverfahren gegen sonstige Bedienstete des Freistaats Bayern Bezug nehmend auf meine Anfrage zum Plenum aus der 47. Kalenderwoche 2016 (Drs. 17/14451) zu Anhängern der Reichsbürgerideologie bei der Bayerischen Polizei frage ich die Staatsregierung: 1. a) Von wie vielen Bediensteten, außerhalb des Polizeidienstes , des Freistaats Bayern hat die Staatsregierung mittlerweile Kenntnis, dass diese Anhänger der Reichsbürgerideologie sind? b) Gegen wie viele dieser Bediensteten werden aktuell Disziplinarverfahren geführt? 2. a) Aufgrund welcher Erkenntnisse wird gegen die jeweiligen Bediensteten ein Disziplinarverfahren durchgeführt (bitte aufschlüsseln nach: Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens, Regierungsbezirk, Funktion, Behörde, konkreter Vorwurf, Verbot der Führung der Dienstgeschäfte – ja oder nein)? b) Stehen einzelne der Bediensteten im Zusammenhang mit der Reichsbürgerideologie in Kontakt zueinander? c) Zu welchen Gruppierungen der Reichsbürgerideologie haben die unter 1 a abgefragten Bediensteten Kontakt ? 3. a) Nach welchen Kriterien wird darüber entschieden, ob einem Bediensteten, der im Verdacht steht, verfassungsfeindlichen Ideologien – wie der Reichsbürgerideologie – anzuhängen, die Führung der Dienstgeschäfte verboten wird? b) Wenn gegen einzelne Beamte, trotz ihrer Nähe zur Reichsbürgerideologie, kein Disziplinarverfahren geführt wird, warum geschieht dies nicht? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 01.02.2017 1. a) Von wie vielen Bediensteten, außerhalb des Polizeidienstes , des Freistaats Bayern hat die Staatsregierung mittlerweile Kenntnis, dass diese Anhänger der Reichsbürgerideologie sind? Der Staatsregierung sind außerhalb des Polizeidienstes vier Fälle von Bediensteten (ein Beamter aus dem Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Justiz – StMJ, zwei Beamte aus dem Geschäftsbereich des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst – StMBW sowie ein Arbeitnehmer aus dem Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat – StMFLH) des Freistaats Bayern bekannt, die aufgrund der bislang bekannten Tatsachen als Anhänger der „Reichsbürgerideologie “ bezeichnet werden können. Im Fall der drei Beamten wurde jeweils ein Disziplinarverfahren eingeleitet (siehe Nrn. 1, 2 und 3 der Antwort zu Frage 2 a). Im Fall des Arbeitnehmers wurde das Arbeitsverhältnis am 09.11.2016 gekündigt; ein arbeitsgerichtliches Verfahren ist insoweit noch anhängig (siehe Nr. 7 der Antwort zu Frage 2 a). Die Staatsregierung hat ferner Kenntnis von vier weiteren Beamten (eine weitere Beamtin aus dem Geschäftsbereich des StMBW, ein weiterer Beamter aus dem Geschäftsbereich des StMJ, ein Beamter aus dem Geschäftsbereich des StMFLH sowie ein Beamter aus dem Geschäftsbereich des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr – StMI), bei denen sich bislang lediglich Hinweise (wie z. B. die Beantragung eines sog. „Staatsangehörigkeitsausweises“ oder auffällige Einlassungen der Betroffenen) darauf ergeben haben, dass diese möglicherweise der „Reichsbürgerbewegung “ bzw. deren Gedankengut nahestehen. Gegen die weitere Beamtin aus dem Geschäftsbereich des StMBW und den weiteren Beamten aus dem Geschäftsbereich des StMJ wird derzeit ebenfalls jeweils ein Disziplinarverfahren geführt (siehe Nrn. 4 und 5 der Antwort zu Frage 2 a). Hinsichtlich des Beamten aus dem Geschäftsbereich des StMFLH wird im Rahmen eines aus anderen Gründen eingeleiteten Disziplinarverfahrens aktuell u. a. die Verfassungstreue geprüft (siehe Nr. 6 der Antwort zu Frage 2 a). Hinsichtlich des Beamten aus dem Geschäftsbereich des StMI ist derzeit ein Verfahren zur Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit anhängig; der Ruhestandsversetzungsbescheid wird voraussichtlich in Kürze erlassen werden. b) Gegen wie viele dieser Bediensteten werden aktuell Disziplinarverfahren geführt? Es wurden bislang Disziplinarverfahren gegen sechs Beamte eingeleitet, die als Anhänger der „Reichsbürgerideologie “ zu bezeichnen sind bzw. bei denen entsprechende Verdachtsmomente bestehen (siehe auch Antwort zu Frage 1 a). Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 18.04.2017 17/15390 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/15390 2. a) Aufgrund welcher Erkenntnisse wird gegen die jeweiligen Bediensteten ein Disziplinarverfahren durchgeführt (bitte aufschlüsseln nach: Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens, Regierungsbezirk, Funktion, Behörde, konkreter Vorwurf, Verbot der Führung der Dienstgeschäfte – ja oder nein)? 1. Zeitpunkt der Einleitung des Disziplinarverfahrens August 2016 Funktion, oberste Dienstbehörde 2. Qualifikationsebene, StMJ Regierungsbezirk Schwaben Vorwurf Der Beamte hat in mehreren außerdienstlichen Schreiben an ein Gericht und einen Gerichtsvollzieher den Bestand der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaats Bayern als Völkerrechtssubjekt bezweifelt und die Staatlichkeit des Gerichts infrage gestellt. Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ja 2. Zeitpunkt der Einleitung des Disziplinarverfahrens November 2016 Funktion, oberste Dienstbehörde 4. Qualifikationsebene, StMBW Regierungsbezirk Oberbayern Vorwurf Der Beamte wurde im erstinstanzlichen Verfahren wegen Vorteilsnahme gem. Art. 11 des Bayerischen Disziplinargesetzes (BayDG) aus dem Dienst entfernt; das Berufungsverfahren ist noch anhängig. Im Zuge dieses Disziplinarverfahrens bekannte sich der Beamte zur „Reichsbürgerideologie “; insoweit wurde (im Nov. 2016) ein weiteres Disziplinarverfahren eingeleitet. Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ja 3. Zeitpunkt der Einleitung des Disziplinarverfahrens Dezember 2016 Funktion, oberste Dienstbehörde 4. Qualifikationsebene, StMBW Regierungsbezirk Oberbayern Vorwurf Der Beamte hat bei der Stadtverwaltung seines Wohnorts seinen Pass zurückgegeben und die Zahlung von Abgaben verweigert. Verbot der Führung der Dienstgeschäfte bislang nein 4. Zeitpunkt der Einleitung des Disziplinarverfahrens Dezember 2016 Funktion, oberste Dienstbehörde 4. Qualifikationsebene, StMBW Regierungsbezirk Unterfranken Vorwurf Beantragung eines sog. „Staatsangehörigkeitsausweises “ Verbot der Führung der Dienstgeschäfte bislang nein 5. Zeitpunkt der Einleitung des Disziplinarverfahrens Januar 2017 Funktion, oberste Dienstbehörde 2. Qualifikationsebene, StMJ Regierungsbezirk Oberfranken Vorwurf Beantragung eines sog. „Staatsangehörigkeitsausweises “ Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ja 6. Zeitpunkt der Einleitung des Disziplinarverfahrens Dezember 2016 Funktion, oberste Dienstbehörde 3. Qualifikationsebene, StMFLH Regierungsbezirk Mittelfranken Vorwurf Im Rahmen eines aus anderen Gründen gegen den Beamten eingeleiteten Disziplinarverfahrens wird aktuell u. a. auch dessen Verfassungstreue geprüft. Verbot der Führung der Dienstgeschäfte Der Beamte ist derzeit aus anderen Gründen beurlaubt. 7. Der Vollständigkeit halber wird zu dem betroffenen Arbeitnehmer (siehe Antwort zu Frage 1 a) ergänzend Folgendes ausgeführt: Zeitpunkt der Kündigung November 2016 Funktion, oberste Dienstbehörde Arbeitnehmer, StMFLH Regierungsbezirk Oberbayern Vorwurf einschlägige schriftliche Einlassungen gegenüber öffentlichen Stellen Verbot der Führung der Dienstgeschäfte Der Beamte ist derzeit aus anderen Gründen beurlaubt. b) Stehen einzelne der Bediensteten im Zusammenhang mit der Reichsbürgerideologie in Kontakt zueinander ? Der Staatsregierung ist nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen der personalverwaltenden Stellen und Disziplinarbehörden nicht bekannt, dass die zu Frage 1 a genannten Bediensteten im Zusammenhang mit der „Reichsbürgerbewegung “ untereinander in Kontakt stehen. c) Zu welchen Gruppierungen der Reichsbürgerideologie haben die unter 1 a abgefragten Bediensteten Kontakt? Der Staatsregierung ist nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen der personalverwaltenden Stellen und Disziplinarbehörden nicht bekannt, zu welchen Gruppierungen der Reichsbürgerideologie die zu Frage 1 a genannten Bediensteten Kontakt haben. 3. a) Nach welchen Kriterien wird darüber entschieden, ob einem Bediensteten, der im Verdacht steht, verfassungsfeindlichen Ideologien – wie der Reichsbürgerideologie – anzuhängen, die Führung der Dienstgeschäfte verboten wird? Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte kann nach § 39 Satz 1 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) nur bei Vorliegen zwingender dienstlicher Gründe ausgesprochen Drucksache 17/15390 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 werden. Ob solche Gründe vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls , bei der die Nachteile und Gefahren, die bei der weiteren Wahrnehmung der Dienstgeschäfte dem Dienstherrn oder einem Dritten drohen, gegen die Nachteile, die der betroffene Beamte aufgrund der Maßnahme hinnehmen muss, abzuwägen sind. Besteht die Kenntnis oder ein hinreichend konkreter Verdacht, dass sich ein Beamter im privaten oder dienstlichen Bereich zu verfassungsfeindlichem Gedankengut (wie das der „Reichsbürgerbewegung“) bekennt, wird bei dieser Abwägung ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte unumgänglich sein. b) Wenn gegen einzelne Beamte, trotz ihrer Nähe zur Reichsbürgerideologie, kein Disziplinarverfahren geführt wird, warum geschieht dies nicht? Es sind bislang keine Fälle von Beamten bekannt, gegen die trotz erwiesener Nähe zur „Reichsbürgerideologie“ oder eines entsprechenden konkreten Verdachts kein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde.