17. Wahlperiode 13.04.2017 17/15507 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Kathrin Sonnenholzner, Ruth Müller, Kathi Petersen, Ruth Waldmann SPD vom 08.12.2016 Traumatherapie für Flüchtlinge Wir fragen die Staatsregierung: 1. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Tätigkeit von „Exilio e.V.“? b) Hält die Staatsregierung die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von „Exilio e.V.“ für ausreichend qualifiziert zur Therapie von traumatisierten Asylbewerberinnen bzw. -bewerbern und Flüchtlingen (bitte um Begründung der Antwort)? 2. a) Wie beurteilt die Staatsregierung Medienberichte, nach denen die „Aktion Mensch“ ihre finanzielle Unterstützung von „Exilio e.V.“ eingestellt hat? b) Wie beurteilt die Staatsregierung Vorwürfe, nach denen „Exilio e.V.“ gemeinnützige und privatwirtschaftliche Aktivitäten nicht ausreichend voneinander trennen würde? 3. a) Wurde „Exilio e.V.“ in den vergangenen zehn Jahren mit Mitteln aus dem bayerischen Staatshaushalt gefördert ? b) Wenn ja: Warum und wie hoch waren die dafür eingesetzten Summen insgesamt? 4. a) Welche Organisationen sind in Bayern mit der Therapie von traumatisierten Asylbewerberinnen bzw. -bewerbern und Flüchtlingen beauftragt? b) Welche dieser Organisationen erhalten eine finanzielle Unterstützung durch die Staatsregierung? c) Nach welchen Kriterien werden diese Organisationen ausgewählt und wie wird die Qualifikation ihres Personals sichergestellt? 5. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Arbeit des Beratungs - und Behandlungszentrums für Flüchtlinge und Folteropfer „Refugio“? b) Warum beteiligt sich der Freistaat Bayern nicht an der Finanzierung dieser Einrichtung? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 14.02.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege wie folgt beantwortet : 1. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Tätigkeit von „Exilio e.V.“? Der Verein Exilio e.V. ist und war in verschiedenen Tätigkeitsbereichen aktiv. Eine Stellungnahme kann daher nur erfolgen, soweit Berührungspunkte mit der Staatsregierung gegeben waren. a) Psychosoziale Betreuung In den Jahren 2006 bis 2008 wurden die Projekte „Psychosoziale Unterstützungsmaßnahmen für Flüchtlingskinder“ sowie „Besondere psychosoziale Betreuung für traumatisierte Flüchtlinge in Lindau“ des Vereins Exilio e.V. durch die Staatsregierung gefördert (vgl. Beantwortung der Fragen 2 b, 3 a und 3 b). Nach den Informationen, die im Rahmen der für die Beantwortung der Schriftlichen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit aus diesen Jahren beschafft und herangezogen werden konnten, sind bezüglich der praktischen Durchführung der Projekte keine Beanstandungen zu verzeichnen. b) Asylsozialberatung Zudem erhielt der Verein Exilio e.V. über den Paritätischen Wohlfahrtsverband im Rahmen der Asylsozialarbeit im Landkreis Lindau Fördermittel (s. u.). Im Landkreis war und ist die Diakonie als weiterer Träger der Asylsozialberatung tätig. Zwischen Diakonie und Exilio e.V. sollte eine Vereinbarung über die Festlegung von Zuständigkeiten und des Betreuungsumfangs geschlossen werden, was letztlich nicht zustande kam. Die Förderung von Exilio e.V. wurde daher zum 31.07.2015 eingestellt. c) Traumatherapie Der Verein Exilio e.V. bietet seinen eigenen Angaben zufolge auch psychotherapeutische und soziale Betreuung, Behandlung und Rehabilitation an. Die Befähigung von Ärzten, Psychotherapeuten und Heilpraktikern mit auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkter , sektoraler Heilpraktikererlaubnis wird bereits im Rahmen der Berufszulassung durch die zuständigen Behörden geprüft. Für die Erteilung der Heilpraktikererlaubnis sind die Kreisverwaltungsbehörden zuständig. Die Überprüfungen finden aber in den einzelnen Regierungsbezirken zentral bei bestimmten Gesundheitsämtern statt. Im Regierungsbezirk Schwaben ist dies das Gesundheitsamt Augsburg. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/15507 Die Überwachung von Heilpraktikern obliegt der örtlich zuständigen Kreisverwaltungsbehörde, im vorliegenden Fall dem Landratsamt Lindau. Wie bei anderen Angehörigen von Gesundheitsberufen findet auch die Überwachung von Heilpraktikern grundsätzlich nur anlassbezogen statt, d.h. wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass ein Heilpraktiker gegen rechtliche Vorschriften verstößt. Solche Anhaltspunkte wurden durch das Landratsamt Lindau bisher nicht gesehen. Unabhängig hiervon werden durch die zuständige Fachabteilung im Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (StMAS) derzeit umfassende Vollzugshinweise zum Leistungsumfang und zu grundsätzlichen Fragestellungen im Hinblick auf die §§ 4, 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) erarbeitet. Gegenstand dieser Vollzugshinweise wird auch die weitere Ausgestaltung der psychotherapeutischen bzw. psychiatrischen Versorgung sein. Konkret sollen künftig nur noch die Behandlungen von approbierten Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie bzw. psychologischen Psychotherapeuten erstattungsfähig nach dem AsylbLG sein. b) Hält die Staatsregierung die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von „Exilio e.V.“ für ausreichend qualifiziert zur Therapie von traumatisierten Asylbewerberinnen bzw. -bewerbern und Flüchtlingen (bitte um Begründung der Antwort)? Es wird auf die Ausführungen zu Frage 1 a verwiesen. 2. a) Wie beurteilt die Staatsregierung Medienberichte, nach denen die „Aktion Mensch“ ihre finanzielle Unterstützung von „Exilio e.V.“ eingestellt hat? Die Staatsregierung hat die entsprechenden Medienberichte zur Kenntnis genommen. Da die staatliche Förderung des Vereins Exilio e.V. bereits zum 31.07.2015 eingestellt wurde (s.u.), waren aus der Entscheidung von Aktion Mensch e.V. mangels aktueller Förderprojekte keine Konsequenzen zu ziehen. b) Wie beurteilt die Staatsregierung Vorwürfe, nach denen „Exilio e.V.“ gemeinnützige und privatwirtschaftliche Aktivitäten nicht ausreichend voneinander trennen würde? 3. a) Wurde „Exilio e.V.” in den vergangenen zehn Jahren mit Mitteln aus dem bayerischen Staatshaushalt gefördert? b) Wenn ja: Warum und wie hoch waren die dafür eingesetzten Summen insgesamt? Der Staatsregierung sind drei Förderungen betreffend den Verein Exilio e.V. bekannt, die mit Landesmitteln finanziert wurden: Vom 01.01.2006 bis zum 31.07.2015 wurde der Verein Exilio e.V. mittelbar als Kooperationspartner des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes im Rahmen der Asylsozialberatung gefördert. Zuwendungsempfänger des Staates war stets der Paritätische Wohlfahrtsverband, der Mittel entsprechend an den Verein Exilio e.V. weitergab. Insgesamt wurden im o. g. Zeitraum Fördermittel in Höhe von ca. 180.000 Euro ausgereicht. Zum 31.07.2015 wurde durch das StMAS die Förderung des Paritätischen Wohlfahrtverbands im Landkreis Lindau im Rahmen der Asylsozialberatung beendet bzw. nicht mehr verlängert. Klarstellend wird ausgeführt, dass Exilio e.V. für eine Tätigkeit im Rahmen der Asylsozialberatung gefördert wurde. Die Beratungskräfte der Asylsozialberatung unterstützen im laufenden Asylverfahren, bei Kindergarten- und Schulanmeldung , beraten bei gesundheitlichen oder persönlichen Anliegen, helfen beim Ausfüllen von Formularen und bei Problemen in der Unterkunft und vermitteln bei Bedarf an spezialisierte Fachdienste und/oder Einrichtungen. Eine medizinische bzw. psychotherapeutische Versorgung wird durch die Asylsozialberatungskräfte nicht angeboten . Im Zeitraum vom 15.11.2006 bis zum 14.08.2007 wurde das Projekt „Besondere psychosoziale Betreuung für traumatisierte Flüchtlinge in Lindau” des Vereins Exilio e.V. durch den Europäischen Flüchtlingsfonds gefördert und vom StMAS mit einer Summe von insgesamt 25.592, 17 Euro kofinanziert. Ziel dieses Projekts war es, durch eine ganzheitliche Unterstützung psychisch belasteten und/oder traumatisierten Flüchtlingen bei der Bewältigung ihrer traumatischen Erfahrungen und der neuen Lebenssituation zu helfen. Dies sollte insbesondere durch soziale Betreuung, Psychotherapie und sonstige medizinische Betreuung erfolgen . Die Prüfung des Verwendungsnachweises erfolgte durch die damalige Nationale Zentralstelle zur Verwaltung des Europäischen Flüchtlingsfonds beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Der entsprechende Schlussbericht liegt dem StMAS vor und gibt keinen Anlass zur Annahme einer Unzuverlässigkeit oder Förderunwürdigkeit des Vereins Exilio e.V. Im Zeitraum vom 15.08.2007 bis zum 14.08.2008 wurde das Projekt „Psychosoziale Unterstützungsmaßnahmen für Flüchtlingskinder (2–12 Jahre)“ des Vereins Exilio e.V. durch den Europäischen Flüchtlingsfonds gefördert und vom StMAS mit einer Summe von insgesamt 4.930,70 Euro kofinanziert. Ziel dieses Projekts war es, durch eine ganzheitliche Unterstützung psychisch belasteten und / oder traumatisierten Flüchtlingen bei der Bewältigung ihrer traumatischen Erfahrungen und der neuen Lebenssituation zu helfen. Dies sollte insbesondere durch soziale Betreuung, Psychotherapie und sonstige medizinische Betreuung erfolgen. Die Prüfung des Verwendungsnachweises erfolgte durch die damalige Nationale Zentralstelle zur Verwaltung des Europäischen Flüchtlingsfonds beim BAMF. Der entsprechende Schlussbericht liegt dem StMAS nicht vor. 4. a) Welche Organisationen sind in Bayern mit der Therapie von traumatisierten Asylbewerberinnen bzw. -bewerbern und Flüchtlingen beauftragt? Sofern in den Erstaufnahmeeinrichtungen keine psychotherapeutische bzw. psychiatrische Versorgung angeboten wird, nehmen die Asylbewerberinnen und Asylbewerber am allgemeinen ärztlichen Versorgungsangebot teil. Bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 4, 6 AsylbLG können diese daher Hilfe von Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie bzw. psychologischen Psychotherapeuten in Anspruch nehmen, sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich. Es besteht das Recht auf freie Arztwahl . Eine Beauftragung von bestimmten Organisationen über dieses Angebot hinaus findet für Asylbewerberinnen und Asylbewerber nicht statt. Nach Anerkennung durch das BAMF werden Asylbewerberinnen und Asylbewerber als Leistungsberechtigte nach SGB II in der Regel Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung . Damit entfällt der eingeschränkte Leistungsmaßstab des AsylbLG und die Flüchtlinge können bei psy- Drucksache 17/15507 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 chischen Erkrankungen bzw. Traumata umfassend Hilfe innerhalb des Leistungsangebots der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen. b) Welche dieser Organisationen erhalten eine finanzielle Unterstützung durch die Staatsregierung? Siehe Antwort zu Frage 4 a. c) Nach welchen Kriterien werden diese Organisationen ausgewählt und wie wird die Qualifikation ihres Personals sichergestellt? Siehe Antwort zu Frage 4 a. 5. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Arbeit des Beratungs- und Behandlungszentrums für Flüchtlinge und Folteropfer „Refugio“? Der Verein lfF-Refugio München e. V. (Refugio) leistet einen wichtigen Beitrag zur Behandlung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern. Das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) hat Therapeuten von Refugio aufgrund ihrer fachlichen Kompetenzen und Erfahrungswerte bereits mehrfach als Referenten für Veranstaltungen weiterempfohlen. Zudem haben Vertreter von Refugio nebst weiteren Verbänden und Organisationen an den Sitzungen des Arbeitsausschusses „Sektorenübergreifende Ansätze zur medizinischen Versorgung von Asylbewerbern“, Gemeinsames Landesgremium nach § 90a des Sozialgesetzbuches (SGB) Fünftes Buch (V), teilgenommen und haben in diesem Rahmen durch die Bereitstellung von Erfahrungswerten aus der Praxis und theoretischem Fachwissen zur Erarbeitung von grundsätzlichen Verbesserungsmöglichkeiten im Rahmen der psychotherapeutischen Versorgung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern beigetragen. Derzeit wird ein Schlussbericht des Gremiums erarbeitet. b) Warum beteiligt sich der Freistaat Bayern nicht an der Finanzierung dieser Einrichtung? Der Freistaat Bayern gewährleistet im bundesgesetzlich durch das AsylbLG vorgegebenen Rahmen den Zugang von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern zur ambulanten und stationären medizinischen Versorgung, insbesondere auch im Bereich der psychiatrischen bzw. psychotherapeutischen Versorgung durch Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie bzw. durch psychologische Psychotherapeuten (s. o.). Die Abrechnung dieser Leistungen erfolgt nach den üblichen ärztlichen Vergütungsmaßstäben über die örtlichen Träger. Im Rahmen des Art. 8 Abs. 1 des Aufnahmegesetzes (AufnG) erstattet der Staat den Landkreisen und kreisfreien Städten diese Kosten. Die Finanzierung von über diesen Maßstab hinausgehenden Maßnahmen bzw. im Bereich der Flüchtlingshilfe tätigen Organisationen ist gesetzlich nicht vorgesehen. Hierfür stehen keine Haushaltsmittel zur Verfügung.