Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Susann Biedefeld, Herbert Woerlein SPD vom 24.01.2017 Ahndung von Tierschutz- und Artenschutzverstößen in Bayern Wir fragen die Staatsregierung: 1. a) Wie viele Verstöße gegen das Tierschutzgesetz wurden bayernweit im Zeitraum von 2010–2016 (bitte die zuständigen Stellen angeben) verfolgt? b) In wie vielen der unter 1 a genannten Verstöße wurden Geldbußen beziehungsweise Tierhaltungsverbote auferlegt ? c) Welche Behörden sind in der Regel bei Tierschutzverstößen beteiligt? 2. a) Wie viele Verstöße im Bereich des Artenschutzes wurden bayernweit im Zeitraum von 2010–2016 verfolgt? b) Welche zuständigen Stellen waren bei den unter 2a genannten Verstößen beteiligt? 3. a) In wie vielen der unter 2 a genannten Verstöße wurden Täter ausfindig gemacht? b) Welche Strafen wurden bei den unter 2a genannten Verstößen verhängt? c) Welche Behörden sind in der Regel bei Artenschutzverstößen beteiligt? 4. Über welche Qualifizierung verfügen Mitarbeiter der unter 1 c und 3 c genannten Behörden? 5. Wie beurteilt die Staatsregierung die derzeit geltenden Regelungen im Bereich des Tier- und Artenschutzes a) im Hinblick auf die Ahndungsmöglichkeiten? b) im Hinblick auf die Aufklärungsquote? c) im Hinblick auf die Qualifizierung der eingesetzten Mitarbeiter der jeweils zuständigen Behörden? 6. Wie beurteilt die Staatsregierung die Forderung von Tierschutzverbänden, a) einen Tier- und Artenschutzbeauftragten an den Polizeiinspektionen zu installieren? b) eine Tierschutzpolizei einzurichten? 7. a) Sind aktuell Bestrebungen der Staatsregierung vorhanden , den Bereich Tier- und Artenschutz an den Kreisverwaltungsbehörden und den Polizeidienststellen zu optimieren? b) Wenn ja, wie sehen diese aus? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 20.02.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr sowie dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. a) Wie viele Verstöße gegen das Tierschutzgesetz wurden bayernweit im Zeitraum von 2010–2016 (bitte die zuständigen Stellen angeben) verfolgt? Für Tierschutzkontrollen sind in erster Linie die Kreisverwaltungsbehörden zuständig. Sie stellen mögliche Verstöße vor Ort fest. Die gewünschten Informationen liegen daher für die Ressorts Umwelt und Verbraucherschutz sowie des Innern, für Bau und Verkehr nicht zentral vor. Die Frage kann daher im zur Beantwortung zur Verfügung stehenden Zeitraum nicht vollständig beantwortet werden. Das Staatsministerium der Justiz teilt Folgendes mit: Der bayerischen Strafverfolgungsstatistik kann für die Jahre 2010 bis 2015 für Straftaten nach dem Tierschutzgesetz die Zahl der von bayerischen Gerichten Abgeurteilten und Verurteilten entnommen werden. Über die Anzahl der Verstöße nach dem Tierschutzgesetz, die von Polizei und Staatsanwaltschaft untersucht wurden, macht die Strafverfolgungsstatistik keine Angaben. Die bayerische Strafverfolgungsstatistik unterscheidet zwischen Angaben über rechtskräftig abgeurteilte und verurteilte Personen. Abgeurteilte im Sinne der Strafverfolgungsstatistik sind dabei Angeklagte, gegen die Strafbefehle erlassen wurden oder bei denen das Strafverfahren nach Eröffnung der Hauptverhandlung durch Urteil oder Einstellungsbeschluss endgültig und rechtskräftig abgeschlossen worden ist. Ihre Zahl setzt sich zusammen aus den Verurteilten (s. u.) und aus Personen, gegen die andere Entscheidungen (z. B. Freispruch, gerichtliche Einstellung des Strafverfahrens) getroffen wurden. Verurteilte sind straffällig gewordene Personen, gegen die nach allgemeinem Strafrecht Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Geldstrafe verhängt wurde oder deren Straftat nach Jugendstrafrecht mit Jugendstrafe, Zuchtmitteln oder Erziehungsmaßregeln geahndet worden ist. Bei der Verurteilung mehrerer Straftaten , die in Tateinheit (§ 52 des Strafgesetzbuches – StGB) oder Tatmehrheit (§ 53 StGB) begangen wurden, wird in der Strafverfolgungsstatistik nur die Straftat statistisch erfasst, die nach dem Gesetz mit der schwersten Strafe bedroht ist. Werden mehrere Straftaten der gleichen Person hingegen in mehreren Verfahren verurteilt, so wird diese Person für jedes Strafverfahren gesondert gezählt. Jahr Zahl der wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz… …Abgeurteilten …Verurteilten 2010 150 131 2011 215 171 Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 09.05.2017 17/15667 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/15667 Jahr Zahl der wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz… …Abgeurteilten …Verurteilten 2012 201 175 2013 220 190 2014 190 145 2015 197 159 Zahlen für das Jahr 2016 liegen dem Staatsministerium der Justiz noch nicht vor. Aus den Geschäftsstatistiken der Gerichte und Staatsanwaltschaften , die unter anderem Aufschluss über die Anzahl der erledigten Verfahren und die Art der Erledigung geben, lassen sich keine weitergehenden Zahlen entnehmen , weil Straftaten nach dem Tierschutzgesetz darin nicht als solche gesondert erfasst werden. Über die mitgeteilten Zahlen hi nausgehende Erkenntnisse ließen sich daher nur im Rahmen der Auswertung der Akten einschlägiger Ermittlungsverfahren bei den bayerischen Staatsanwaltschaften gewinnen. Dies wäre mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden. b) In wie vielen der unter 1 a genannten Verstöße wurden Geldbußen beziehungsweise Tierhaltungsverbote auferlegt? Für die Ressorts Umwelt und Verbraucherschutz sowie des Innern, für Bau und Verkehr siehe 1 a. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz teilt Folgendes mit: Die bayerische Strafverfolgungsstatistik enthält für Verstöße gegen das Tierschutzgesetz keine Angaben zu den gerichtlich verhängten Strafen. Ordnungswidrigkeiten werden in der Strafverfolgungsstatistik, auch wenn sie in den Zuständigkeitsbereich der Strafgerichte fallen, nicht berücksichtigt . Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 a Bezug genommen. c) Welche Behörden sind in der Regel bei Tierschutzverstößen beteiligt? Tierschutzverstöße durch Tierhalter oder andere Personen werden je nach Sachverhalt durch kommunale Bedienstete (z. B. amtliche Tierärzte), die Veterinärämter oder die Polizei erfasst, ggf. auch durch die Zollbehörden. Im Weiteren kann je nach Einzelfall ein Übergang an weitere Teile der Verwaltung erfolgen. Werden zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für Straftaten, insbesondere nach des § 17 Tierschutzgesetzes , bekannt, so sind die Staatsanwaltschaften nach den Vorschriften der Strafprozessordnung für die Verfolgung zuständig. Im Straf- und im Bußgeldverfahren ist eine Befassung der ordentlichen Gerichte möglich. 2. a) Wie viele Verstöße im Bereich des Artenschutzes wurden bayernweit im Zeitraum von 2010–2016 verfolgt? Vergleiche 1 a. Bezüglich des Artenschutzes ist Folgendes anzumerken: Die von dem Begriff der „Artenschutzverstöße“ erfassten Handlungen können nach verschiedenen Gesetzen strafbar sein (z. B. Bundesnaturschutzgesetz, Tierschutzgesetz, Bundesjagdgesetz oder Strafgesetzbuch (dort etwa Jagdwilderei , Straftaten gegen die Umwelt)). Da die Justizgeschäftsstatistiken und die bayerische Strafverfolgungsstatistik Artenschutzverstöße nicht gesondert ausweisen, ist dem Staatsministerium der Justiz die Nennung von Zahlen für die von den Staatsanwaltschaften verfolgten und die von den Gerichten abgeurteilten Fälle nicht möglich. Da Ermittlungsverfahren wegen Artenschutzverstößen in den EDV-Systemen der Staatsanwaltschaften nicht als solche gesondert erfasst werden, ließen sich umfassende Erkenntnisse nur im Rahmen der Auswertung der Akten aller möglicherweise einschlägigen Ermittlungsverfahren bei den bayerischen Staatsanwaltschaften gewinnen. Dies wäre mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden. b) Welche zuständigen Stellen waren bei den unter 2 a genannten Verstößen beteiligt? Vgl. 2 a. Der Vollzug des Artenschutzrechts liegt im Wesentlichen bei den Naturschutzbehörden von Bund und Ländern auf den verschiedenen Verwaltungsebenen, beteiligt sind im Bereich der Ein-/Ausfuhr auch die Zollbehörden. Insbesondere soweit strafbare Verstöße angesprochen sind, sind ferner Staatsanwaltschaft und Polizei beteiligt. Das Staatsministerium der Justiz teilt mit, dass Informationen zu im jeweiligen Einzelfall beteiligten Behörden und Stellen dort nicht vorliegen; auf die Antwort zu Frage 2 a wird Bezug genommen. 3. a) In wie vielen der unter 2 a genannten Verstöße wurden Täter ausfindig gemacht? Zahlen zu von den Staatsanwaltschaften gegen bekannte Täter geführten Verfahren und zu den von den Gerichten abgeurteilten Fällen liegen dem Staatsministerium der Justiz nicht vor. Auf die Antworten zu den Fragen 1 a und 2 a wird Bezug genommen. b) Welche Strafen wurden bei den unter 2a genannten Verstößen verhängt? Die bayerische Strafverfolgungsstatistik weist Artenschutzverstöße nicht gesondert aus und enthält insoweit keine Angaben zu den gerichtlich verhängten Strafen. Auf die Antworten zu den Fragen 1 b und 2 a wird Bezug genommen. c) Welche Behörden sind in der Regel bei Artenschutzverstößen beteiligt? Artenschutzverstöße werden je nach Sachverhalt durch die Polizei, die Umweltbehörden, oder auch die Zollbehörden erfasst. Im Weiteren kann je nach Einzelfall ein Übergang an weitere Teile der Verwaltung erfolgen. Werden zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für Straftaten bekannt, so sind die Staatsanwaltschaften nach den Vorschriften der Strafprozessordnung für die Verfolgung zuständig. Im Straf- und im Bußgeldverfahren ist eine Befassung der ordentlichen Gerichte möglich. 4. Über welche Qualifizierung verfügen Mitarbeiter der unter 1 c und 3 c genannten Behörden? Die Qualifizierung richtet sich nach den Anforderungen des jeweiligen Aufgabenbereichs. Für Beamtinnen und Beamte sind die Voraussetzungen für den Einstieg in die entsprechende Qualifikationsebene gesetzlich geregelt. Aufgrund der Vielzahl der in den Bereichen Tier- und Artenschutz tätigen Beschäftigten verschiedener Qualifikationsebenen ist eine detaillierte Auskunft im Bearbeitungszeitraum für diese Anfrage nicht möglich. Soweit Richter und Staatsanwälte mit Straf- und Bußgeldverfahren befasst sind, verfügen diese über die Befähigung zum Richteramt (§§ 5 bis 7 des Deutschen Richtergeset- Drucksache 17/15667 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 zes – DRiG). Bayerische Richter und Staatsanwälte haben die Möglichkeit, die an der Deutschen Richterakademie angebotenen Fortbildungsveranstaltungen zu besuchen, in denen spezielle Fachkenntnisse vermittelt werden. Das aktuelle Programm der Deutschen Richter- akademie umfasst auch eine Tagung zum Umweltstrafrecht, die unter anderem das Natur- und Tierschutzstrafrecht zum Gegenstand hat. 5. Wie beurteilt die Staatsregierung die derzeit geltenden Regelungen im Bereich des Tier- und Artenschutzes a) im Hinblick auf die Ahndungsmöglichkeiten? Die Strafrahmen der bei Tierschutz- und Artenschutzverstößen einschlägigen Strafvorschriften ermöglichen eine angemessene Ahndung. b) im Hinblick auf die Aufklärungsquote? Zur Aufklärung von Straftaten nach dem Tierschutzgesetz steht den Strafverfolgungsbehörden das Ermittlungsinstrumentarium der Strafprozessordnung zur Verfügung. Dieses erscheint ausreichend. Gerade bei Artenschutzstraftaten können der oder die Täter allerdings nicht immer ermittelt werden. Dies hat seine Ursache jedoch nicht im geltenden Recht, sondern in tatsächlichen Gegebenheiten: Dadurch, dass diese Taten häufig in der freien Natur begangen werden , existieren nicht selten keine Zeugen und keine ausreichenden Spuren. Die zuständigen Behörden versuchen dennoch nach Kräften, Verstöße gegen den Artenschutz aufzuklären und strafrechtlich zu verfolgen. c) im Hinblick auf die Qualifizierung der eingesetzten Mitarbeiter der jeweils zuständigen Behörden? Allgemein siehe 4.a. Bayerische Richter und Staatsanwälte sind für ihre Tätigkeit im Rahmen der Bekämpfung von Tierschutz- und Artenschutzverstößen hinreichend qualifiziert, Fortbildungsmöglichkeiten bestehen; auf die Antwort zu Frage 4 a wird Bezug genommen. 6. Wie beurteilt die Staatsregierung die Forderung von Tierschutzverbänden, a) einen Tier- und Artenschutzbeauftragten an den Polizeiinspektionen zu installieren? Bereits jetzt sind bei den Polizeiinspektionen spezielle Umwelt - und Jagdsachbearbeiter eingesetzt, die aufgrund spezieller Fortbildungsmaßnahmen über entsprechende Fachkenntnis verfügen. Soweit die Polizei mit Sachverhalten des Tier- oder Artenschutzes befasst ist, werden je nach Lage des Falles weitere zuständige Behörden hinzugezogen oder es erfolgt eine Übergabe an die zuständige Behörde. Für besondere Problemstellungen stehen Experten staatlicher Stellen sowie Fachleute anerkannter Einrichtungen zur Verfügung . b) eine Tierschutzpolizei einzurichten? Die Aufgaben der Polizei zur Gefahrenabwehr und Strafbzw . Ordnungswidrigkeitenverfolgung sind klar beschrieben und beinhalten für den einschlägigen Einzelfall den Tierschutz . Es ist unklar, welche Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnisse eine „Tierschutzpolizei“ haben sollte, die nicht bereits bei der Polizei vorliegen. 7. a) Sind aktuell Bestrebungen der Staatsregierung vorhanden, den Bereich Tier- und Artenschutz an den Kreisverwaltungsbehörden und den Polizeidienststellen zu optimieren? b) Wenn ja, wie sehen diese aus? Für die Staatsregierung ist es ein wichtiges Anliegen, behördliche Arbeitsabläufe und die Zusammenarbeit von Behörden weiter zu optimieren. Für den Bereich Artenschutz wurde im Jahr 2016 die Gemeinsame Bekanntmachung zur Zusammenarbeit der Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Umweltkriminalität (AllMBl S. 102) neu gefasst . Verankert wurde darin beispielsweise die Möglichkeit der Beteiligung von anerkannten Umweltverbänden bei Besprechungen, um ggf. deren Sachverstand einzubeziehen . Ferner haben sich die betroffenen Ressorts in einem gemeinsamen Rundschreiben an die Strafverfolgungs- und Verwaltungsbehörden gewandt, um diese nochmals für den Bereich der Artenschutzdelikte zu sensibilisieren. Um die Effizienz der polizeilichen Ermittlungen bei der Tötung von streng geschützten Tierarten zu verbessern, wurde vom Polizeipräsidium Oberpfalz zusammen mit dem Polizeipräsidium Niederbayern ein internes Handlungskonzept zur polizeilichen Aufgabenwahrnehmung im Zusammenhang mit dem „Luchs“ entwickelt. Das als VS-NfD (= VER- SCHLUSSSACHE – NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH) eingestufte Konzept dient der Wissensvermittlung und regelt die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung sowohl im Hinblick auf illegale Tötungen als auch zu möglichen Sichtungen, Nutztierrissen und Verkehrsunfällen. Weitere Bestandteile sind die zu treffenden polizeilichen Sofortmaßnahmen. Das Handlungskonzept wurde an alle bayerischen Polizeidienststellen umgesetzt und ist letztlich auf alle streng geschützten Tierarten anwendbar.