17. Wahlperiode 05.05.2017 17/15759 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Sylvia Stierstorfer, Wolfgang Fackler, Walter Nussel CSU vom 23.01.2017 Gewässer erster Ordnung Wir fragen die Staatsregierung: 1. a) Welche Gewässer erster Ordnung sind in der Oberpfalz zum Beispiel im Fall von Starkregenereignissen nach Einschätzung der jeweiligen Fachstellen durch Hochwasser und Sturzfluten besonders gefährdet? b) Wer entscheidet anhand welcher Kriterien, welche Gewässer erster Ordnung besonders gefährdet sind? 2. Wie erfolgt die Umsetzung des dezentralen Hochwasserschutzes an den Gewässern erster Ordnung? 3. Welche Unterstützungsmaßnahmen sind bei Schäden durch Starkregen oder Sturzfluten für betroffene Kommunen von staatlicher Seite vorgesehen? 4. a) Wer übernimmt die Koordination/Feststellung bei Schadensereignissen und die daraus resultierenden Unterstützungsmaßnahmen ? b) Wie ist es um die konkrete Finanzierung dieser Hilfsmaßnahmen bestellt? c) Welche Parameter werden bei der Schadensregulierung anerkannt und wer hat diese festgelegt? 5. a) Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung zur Bebauung in potentiellen Überschwemmungsgebieten an Gewässern erster Ordnung vor? b) Wer überprüft die Bebauung in potenziellen Überschwemmungsgebieten an Gewässern erster Ordnung ? 6. Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz StMUV/ Landesamt für Umwelt (LfU) und zuständigen Wasserwirtschaftsämtern (bei all den anfallenden Fragen) geregelt? 7. Nachdem die Höhe der zur Verfügung gestellten Mittel für Polder-Management etc. auf über 3 Milliarden Euro beziffert und teilweise bereits im Haushalt festgeschrieben wurde, fragen wir die Staatsregierung, von welchen Stellen die Maßnahmen überwacht werden (sowohl in der Umsetzung wie auch in der Abrufung der Haushaltsmittel)? 8. Welche Maßnahmen wurden vom StMUV bisher getroffen , um Hochwasserschutz. und Ausgleichsflächen -Regelungen zu kompensieren? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 28.02.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat wie folgt beantwortet: 1. a) Welche Gewässer erster Ordnung sind in der Oberpfalz zum Beispiel im Fall von Starkregenereignissen nach Einschätzung der jeweiligen Fachstellen durch Hochwasser und Sturzfluten besonders gefährdet ? b) Wer entscheidet anhand welcher Kriterien, welche Gewässer erster Ordnung besonders gefährdet sind? Starkregenereignisse sind meist kleinräumige konvektive Niederschlagszellen, die sich in kurzer Zeit mit großen Niederschlagshöhen und -intensitäten entladen. Sie sind oft nur auf wenige Quadratkilometer begrenzt und wirken sich räumlich stark begrenzt aus. Bei Starkregenereignissen sind weit überwiegend Gewässer dritter und zweiter Ordnung betroffen . Relevante Auswirkungen auf Gewässer erster Ordnung sind bei Starkregenereignissen im oben genannten Sinne in der Regel nicht zu erwarten. Gewässer erster Ordnung sind bayernweit, also auch in der Oberpfalz, − wie Gewässer anderer Ordnungen auch − grundsätzlich hochwassergefährdet. Inwieweit sich infolge von Hochwasserereignissen negative Auswirkungen auf Natur, Wirtschaft, Umwelt und menschliche Gesundheit ergeben können, ist für alle Gewässer erster Ordnung in Hochwassergefahren- und -risikokarten dargestellt. Diese können im Internetkartendienst „Informationsdienst überschwemmungsgefährdete Gebiete“ (www.iug.bayern.de) eingesehen werden. 2. Wie erfolgt die Umsetzung des dezentralen Hochwasserschutzes an den Gewässern erster Ordnung ? Zur Umsetzung dezentraler Hochwasserschutzmaßnahmen wird auf die Drs. 17/12159 vom 31.08.2016 verwiesen (Schriftliche Anfrage zum dezentralen Hochwasserschutz vom 23.05.2016). 3. Welche Unterstützungsmaßnahmen sind bei Schäden durch Starkregen oder Sturzfluten für betroffene Kommunen von staatlicher Seite vorgesehen ? Soweit es sich nicht um ein Jahrtausendereignis handelt, für das die Bayerische Staatsregierung im Einzelfall Sonderprogramme auflegt, kommt zur Beseitigung von Schäden an bestimmten kommunalen Einrichtungen, die aufgrund von Elementarschadensereignissen verursacht wurden, eine Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/15759 Förderung nach dem Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden (Finanzausgleichsgesetz – FAG) in Betracht. Förderfähig sind die Kosten für die Beseitigung von Schäden an kommunalen Brücken- und Straßenbauwerken im Rahmen des Art. 13c Abs. 1 FAG sowie an kommunalen Hochbauten nach Art. 10 FAG (u. a. Schulen und Kindertageseinrichtungen ). Um die betroffenen Kommunen zusätzlich zu entlasten, wurde die Bagatellgrenze im Jahr 2016 bei Art. 10 FAG diesbezüglich von bislang 100.000 Euro auf 25.000 Euro deutlich abgesenkt; bei Art. 13c Abs. 1 FAG gilt die sonst anzuwendende Bagatellgrenze von 50.000 Euro nicht. Darüber hinaus wurde das Förderverfahren vereinfacht. So werden die Kosten der Beseitigung von Schäden an kommunalen Hochbauten oder kommunalen Straßen- und Brückenbauwerken, die an verschiedenen Orten innerhalb einer Kommune auftreten, bei einem entsprechenden Antrag zu einem einheitlichen Förderverfahren jeweils nach Art. 10 FAG bzw. Art. 13c Abs. 1 FAG zusammengefasst und gemeinsam gefördert. Angesichts der Unvorhersehbarkeit und der Intensität können die Elementarschadensereignisse bei der Bemessung der Höhe der Zuweisung neben den übrigen Kriterien angemessen berücksichtigt werden, sodass eine individuelle Unterstützung im Einzelfall gewährleistet wird. Sofern die Beseitigung der Hochwasserschäden an kommunalen Einrichtungen eine finanzielle Notlage verursacht und hierfür auch keine Fördermöglichkeiten bestehen, können gegebenenfalls auch Bedarfszuweisungen nach Art. 11 FAG in Betracht kommen. Die BayernLabo hält das Programm Investkredit Kommunal Bayern für Sanierungsmaßnahmen oder Ersatzinvestitionen der kommunalen und sozialen Infrastruktur bereit. Ggf. könnte auch der Infrakredit Kommunal der LfA-Förderbank Bayern infrage kommen. Eine darüberhinausgehende Förderung zur Wiederherstellung der kommunalen Infrastruktur besteht nach den Beschlüssen des Ministerrats nur für Gebiete mit einem Jahrtausendhochwasser . Bei Hochwasserschäden an Gewässern dritter Ordnung besteht eine Fördermöglichkeit nach den Richtlinien für Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben (RZWas) mit einem Fördersatz von 45 Prozent für Sofortmaßnahmen zur Behebung von aktuellen Hochwasserschäden an Gewässern und Wasserbauten durch fünfzigjährliche oder seltenere Ereignisse und einer Summe der zuwendungsfähigen Kosten von mindestens 50.000 Euro. 4. a) Wer übernimmt die Koordination/Feststellung bei Schadensereignissen und die daraus resultierenden Unterstützungsmaßnahmen? Bei Elementarschadensereignissen an kommunalen Brücken - und Straßenbauwerken nach Art. 13c Abs. 1 FAG sowie an kommunalen Hochbauten nach Art. 10 FAG sind Förderanträge bei den jeweils zuständigen Bezirksregierungen zu stellen. Anträge auf Bedarfszuweisungen sind bei kreisfreien Städten über die zuständige Bezirksregierung bei den Staatsministerien des Innern, für Bau und Verkehr sowie der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat einzureichen. Kreisangehörige Kommunen reichen ihre Anträge über das zuständige Landratsamt und die Bezirksregierung bei den beiden Staatsministerien ein. Die Förderung nach RZWas bei Gewässern dritter Ordnung erfolgt über die Wasserwirtschaftsämter. b) Wie ist es um die konkrete Finanzierung dieser Hilfsmaßnahmen bestellt? Die finanzielle Unterstützung durch den Freistaat erfolgt im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs. c) Welche Parameter werden bei der Schadensregulierung anerkannt und wer hat diese festgelegt? Die Höhe einer Förderung im kommunalen Hoch- und Straßenbau richtet sich nach bayernweit gültigen Kriterien wie z. B. der individuellen finanziellen Leistungsfähigkeit der Kommune und der Größe der Maßnahme. Angesichts der Unvorhersehbarkeit und der Intensität können Elementarschadensereignisse bei der Bemessung der Höhe der Zuweisung neben den übrigen Kriterien angemessen berücksichtigt werden, sodass eine individuelle Unterstützung im Einzelfall gewährleistet wird. Grundlage für Zuweisungen der kommunalen Hoch- und Straßenbauförderung nach Art. 10 bzw. Art. 13c Abs. 1 FAG sind die Richtlinien über die Zuweisung des Freistaats Bayern zu kommunalen Baumaßnahmen im kommunalen Finanzausgleich (FAZR) sowie für die Zuwendungen des Freistaats Bayern zu Straßenund Brückenbaumaßnahmen kommunaler Baulastträger (RZStra) in Verbindung mit den Verwaltungsvorschriften für Zuwendungen des Freistaats Bayern an kommunale Körperschaften (VVK). Über alle Anträge auf Gewährung einer Bedarfszuweisung gemäß Art. 11 FAG wird im Rahmen einer bayernweiten Gesamtschau nach einheitlichen Kriterien im Verteilerausschuss , dem Vertreter der Staatsministerien der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat sowie des Innern, für Bau und Verkehr und der kommunalen Spitzenverbände angehören, entschieden. 5. a) Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung zur Bebauung in potenziellen Überschwemmungsgebieten an Gewässern erster Ordnung vor? b) Wer überprüft die Bebauung in potenziellen Überschwemmungsgebieten an Gewässern erster Ordnung ? Überschwemmungsgebiete sind an Gewässern erster Ordnung bayernweit ermittelt. Diese sind öffentlich im Internet unter www.iug.bayern.de verfügbar. Aus den dort dargestellten Ergebnissen ist auch ersichtlich, inwieweit bei verschiedenen Hochwasserszenarien Bebauung betroffen ist. Überschwemmungsgebiete werden im Rahmen der technischen Gewässeraufsicht hinsichtlich der Gewährleistung des Hochwasserabflusses überwacht. Die Einhaltung von Bauauflagen bei Einzelbauvorhaben unterliegt den Vollzugsbehörden des Baurechts. 6. Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz StMUV/ Landesamt für Umwelt (LfU) und zuständigen Wasserwirtschaftsämtern (bei all den anfallenden Fragen ) geregelt? Die oberste Landesbehörde für Angelegenheiten der Wasserwirtschaft ist das StMUV. Dem StMUV nachgeordnet sind das LfU, die sieben Bezirksregierungen sowie die 17 Wasserwirtschaftsämter. Das LfU ist als zentrale wissenschaftlich-technische Fachbehörde bayernweit für grundsätzliche wasserwirtschaftliche Fachfragen zuständig. Das LfU berät das StMUV und fungiert als fachlich-wissenschaftliche Servicezentrale für Behörden und Institutionen der Wasserwirtschaft. Drucksache 17/15759 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Die sieben Regierungen mit den Sachgebieten 52 „Wasserwirtschaft “ sind die staatlichen Mittelbehörden der Wasserwirtschaftsverwaltung . Sie sind für die Koordination und Bündelung innerhalb des jeweiligen Regierungsbezirkes zuständig und stellen einen möglichst gleichmäßigen Verwaltungsvollzug durch die unteren staatlichen Behörden sicher. Die 17 Wasserwirtschaftsämter sind als technische Fachbehörden auf der unteren staatlichen Verwaltungsebene für die Unterstützung und Beratung der Regierungen und Kreisverwaltungsbehörden beim Vollzug der wasserwirtschaftlichen Aufgaben zuständig. Die Wasserwirtschaftsämter sind verantwortlich für • den Ausbau (z. B. Hochwasserschutz, Flussrenaturierung ) und die Unterhaltung der Gewässer erster und zweiter Ordnung, Wildbäche und wasserbaulichen Anlagen einschließlich der zugehörigen Liegenschaften, • das gewässerkundliche Messwesen und die technische Gewässeraufsicht, • als amtlicher Sachverständiger im Wasserrechtsverfahren , • die Beratung der Kommunen, • die Förderung der Kommunen in den Bereichen Abwasserentsorgung , Wasserversorgung und nichtstaatliche Gewässer, • die wasserwirtschaftliche Bewertung als Träger öffentlicher Belange in anderen Verfahren. 7. Nachdem die Höhe der zur Verfügung gestellten Mittel für Polder-Management etc. auf über 3 Milliarden Euro beziffert und teilweise bereits im Haushalt festgeschrieben wurde, fragen wir die Staatsregierung , von welchen Stellen die Maßnahmen überwacht werden (sowohl in der Umsetzung wie auch in der Abrufung der Haushaltsmittel)? Nach Beschluss der Staatsregierung ist es vorgesehen, im Rahmen des Hochwasserschutz-Aktionsprogramms 2020plus (seit 1999) und der Sonderfinanzierung zum Donauausbau mit Investitionen von 3,2 Mrd. Euro den Hochwasserschutz in Bayern zu verbessern. Die Umsetzung der gesteuerten Flutpolder ist eine von vielen Maßnahmen des Hochwasserschutzes, die für den Überlastfall wirken. Darüber hinaus sind in dem Programm umfangreiche Mittel enthalten, die in natürlichen Hochwasserrückhalt , andere Maßnahmen des technischen Hochwasserschutzes und Hochwasservorsorge investiert werden, u. a. auch in die Förderung von kommunalen Hochwasserrückhaltebecken . Mittel zur Umsetzung sämtlicher Maßnahmen werden über den Staatshaushalt bereitgestellt. Das Haushaltsgesetz , das durch den Landtag verabschiedet wird, schafft die finanzielle Grundlage für das Wirken der Staatsregierung und der Verwaltung. Sämtliche Ausgaben unterliegen damit dem Bayerischen Haushaltsrecht und seinen Vollzugsbestimmungen . Demnach müssen sämtliche Ausgaben wirtschaftlich und sparsam erfolgen. Dies wird mittels eines mehrstufigen verwaltungsinternen Prüfverfahrens und Kostencontrollings sichergestellt. Eine weitere Überprüfung der Ausgaben erfolgt u. a. durch den Bayerischen Obersten Rechnungshof und seine nachgeordneten Behörden. 8. Welche Maßnahmen wurden vom StMUV bisher getroffen, um Hochwasserschutz und Ausgleichsflächen -Regelungen zu kompensieren? Hochwasserschutzmaßnahmen können Veränderungen von Natur und Landschaft nach sich ziehen (z. B. durch technische Bauwerke). Für diese Eingriffe sind Kompensationsmaßnahmen nach der Eingriffsregelung sowie ggf. Ausgleichsmaßnahmen nach dem Artenschutzrecht, für gesetzlich geschützte Biotope und Vermeidungs-, Minimierungs - und Kohärenzsicherungsmaßnahmen nach FFHund Vogelschutz(VS)-Richtlinie erforderlich. Die Ermittlung des Kompensationsbedarfs erfolgt einzelfallbezogen nach den einschlägigen Rechtsgrundlagen und anerkannten fachlichen Standards. In der Bayerischen Kompensationsverordnung (Bay- KompV) wurde durch das Umweltministerium geregelt, dass für Deiche nach der BayKompV gem. § 8 Abs. 4 Sätze 7–9 auf land- und forstwirtschaftlichen Flächen regelmäßig keine Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erforderlich sind, wenn die Deichflächen naturnah gestaltet und gepflegt werden.