17. Wahlperiode 05.05.2017 17/15771 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 01.02.2017 Amoklauf am OEZ in München: Rechtsextremistisches bzw. rassistisches Gedankengut des Täters Bereits Ende Juli 2016 berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) – unter Berufung auf Sicherheitskreise –, dass der Münchner Amokläufer, David S., „ein Rassist mit rechtsextremistischem Weltbild“ gewesen sei. In dem Artikel heißt es konkret: „Er habe es als „Auszeichnung“ verstanden , dass sein Geburtstag, der 20. April 1998, auf den Geburtstag von Adolf Hitler fiel. Entsprechende Aussagen über seine Begeisterung für Hitler stammen demnach aus dem engsten Umfeld von S. Auch sei S., der aus einer iranischen Familie stammt, stolz darauf gewesen, als Iraner und als Deutscher „Arier“ zu sein. Ursprünglich gilt Iran als die Heimat der Arier. Türken und Araber habe S. hingegen gehasst. Er habe ein „Höherwertigkeitsgefühl“ ihnen gegenüber gehegt.“ Dies legt den Verdacht nahe, dass die ideologische Haltung – und damit vermutlich auch das Motiv – des Münchner Amokläufers geprägt war von Versatzstücken der „arischen Rassentheorie“ und von einem Bezug zu ideologischen Entwicklungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die von den iranischen Herrschern der Pahlewi-Dynastie gefördert wurden, und die der Journalist Behrang Samsami folgendermaßen beschreibt: „Die Pahlewis nutzten (…) die Geschichtsschreibung, um die persische Kultur hochleben zu lassen, die ihrer Meinung nach deswegen höherwertig war, weil sie sich angeblich durch die Jahrtausende gegen äußere Feinde – Araber, Mongolen, Türken, Aserbaidschaner – behauptet hatte.“ (https://www.freitag.de/autoren/ behrang-samsami/braune-brueder-im-geiste) Laut der Einschätzung des iranisch-amerikanischen Journalisten und Anthropologen Alex Shams ist diese ideologische Bezugnahme nicht ungewöhnlich: „Einige Iraner/ -innen – besonders solche in der Diaspora – haben sich der arischen Rassentheorie verschrieben, die von europäischen Denkern des frühen 20. Jahrhunderts verbreitet wurde.“ Dahinter stehe der Versuch, „sich zu assimilieren, sich von anderen Einwanderern/Einwanderinnen abzuheben und sich den weißen Europäern so nahestehend wie möglich zu präsentieren.“ Diese Haltung sei „recht gewöhnlich in nächtlichen Chat-Foren, die hauptsächlich von jungen männlichen iranischen Teenagern in der Diaspora genutzt werden, wie etwa von David S.“. Das damit verbundene Motiv, „uns Iraner für besser zu halten als Araber, Türken oder andere Gruppen“, sei, so Alex Shams, „genauso rassistisch wie der europäische Nationalismus Iranern und allen anderen Migranten gegenüber“ (http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen /zuendfunk/politik-gesellschaft/nazi-iran-connection100. html). Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass alle neun Opfer des Münchner Amoklaufs einen Migrationshintergrund hatten, frage ich die Staatsregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber, dass David S. gezielt Menschen mit ausländischer Herkunft getötet hat bzw. töten wollte? 2. Wurden bei der Auswertung von aufgefundenem Material des Täters (online wie offline) Hinweise darauf gefunden, dass er rechtsextremistisches bzw. rassistisches Gedankengut teilte? 3.1 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber hinaus über Bezüge des Täters zur „arischen Rassentheorie“ bzw. zu sonstigen ideologischen bzw. rassistischen Höherwertigkeitsvorstellungen – insbesondere gegenüber türkisch- oder arabischstämmigen Menschen bzw. gegenüber Muslimen? 3.2 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Bezüge des familiären Umfelds des Täters zur „arischen Rassentheorie“ bzw. zu sonstigen ideologischen bzw. rassistischen Höherwertigkeitsvorstellungen – insbesondere gegenüber türkisch- oder arabischstämmigen Menschen bzw. gegenüber Muslimen? 4. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung grundsätzlich über Strömungen innerhalb der iranischen Community Münchens bzw. Bayerns, die sich auf die rassistische „arische Rassentheorie“ oder auf sonstige ideologische Höherwertigkeitsvorstellungen – insbesondere gegenüber türkisch- oder arabischstämmigen Menschen bzw. gegenüber Muslimen – beziehen? 5. Inwiefern wurden die in der Vorbemerkung sowie in den Fragen 2, 3.1 und 3.2 erwähnten möglichen ideologischen Bezugspunkte bei den Ermittlungen zur Motivlage des Täters berücksichtigt? 6. Welche Überlegungen spielt bei den Ermittlungen zur Motivlage des Täters die Wahl des Tatorts, der als Treffpunkt für Jugendliche mit Migrationshintergrund bekannt ist? 7.1 Sind die Ermittlungen zur Motivlage schon abgeschlossen ? 7.2 Wenn ja, mit welchem Ergebnis? 7.3 Wenn nein, wann ist ungefähr damit zu rechnen? Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/15771 Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 01.03.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, insbesondere zur Motivation und zum Umfeld des Täters, wie auch die Nachbereitung des Polizeieinsatzes anlässlich des Amoklaufes am Münchner Olympiaeinkaufszentrum vom 22. Juli 2016 sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen . Nach Abschluss der Ermittlungen und der Einsatznachbereitung wird Herr Staatsminister Joachim Herrmann auf Grundlage des Landtagsbeschlusses LT- Drs. 17/14375 im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport über den Polizeieinsatz und die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen anlässlich des Amoklaufes berichten. Beschlussgemäß wird dabei auch auf die Erkenntnisse der Sonderkommission OEZ des Bayer. Landeskriminalamts auf die Frage, wie sich der Täter Tatwaffe und Munition beschafft hat und welche Motivation der Täter hatte, sowie auf die sich aus den Geschehnissen aus Sicht der Staatsregierung ergebenden Folgen für den Schutz der Bevölkerung eingegangen werden. 1. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber , dass David S. gezielt Menschen mit ausländischer Herkunft getötet hat bzw. töten wollte? 2. Wurden bei der Auswertung von aufgefundenem Material des Täters (online wie offline) Hinweise darauf gefunden, dass er rechtsextremistisches bzw. rassistisches Gedankengut teilte? 3.1 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber hinaus über Bezüge des Täters zur „arischen Rassentheorie“ bzw. zu sonstigen ideologischen bzw. rassistischen Höherwertigkeitsvorstellungen – insbesondere gegenüber türkisch- oder arabischstämmigen Menschen bzw. gegenüber Muslimen? 3.2 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Bezüge des familiären Umfelds des Täters zur „arischen Rassentheorie“ bzw. zu sonstigen ideologischen bzw. rassistischen Höherwertigkeitsvorstellungen – insbesondere gegenüber türkisch- oder arabischstämmigen Menschen bzw. gegenüber Muslimen? 5. Inwiefern wurden die in der Vorbemerkung sowie in den Fragen 2, 3.1 und 3.2 erwähnten möglichen ideologischen Bezugspunkte bei den Ermittlungen zur Motivlage des Täters berücksichtigt? 6. Welche Überlegungen spielt bei den Ermittlungen zur Motivlage des Täters die Wahl des Tatorts, der als Treffpunkt für Jugendliche mit Migrationshintergrund bekannt ist? 7.1 Sind die Ermittlungen zur Motivlage schon abgeschlossen ? 7.2 Wenn ja, mit welchem Ergebnis? 7.3 Wenn nein, wann ist ungefähr damit zu rechnen? Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zur Motivlage des Täters sind derzeit noch nicht abgeschlossen, weshalb diese Fragen zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden können. Nach derzeitiger Sachlage ist mit dem Abschluss der Ermittlungen frühestens Mitte März 2017 zu rechnen. 4. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung grundsätzlich über Strömungen innerhalb der iranischen Community Münchens bzw. Bayerns, die sich auf die rassistische „arische Rassentheorie“ oder auf sonstige ideologische Höherwertigkeitsvorstellungen – insbesondere gegenüber türkisch- oder arabischstämmigen Menschen bzw. gegenüber Muslimen – beziehen? Die Staatsregierung hat keine Kenntnisse in Bezug auf die beschriebenen ideologischen Strömungen innerhalb der iranischen Community Münchens bzw. Bayerns. Das Bayer. Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) beobachtet Bestrebungen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Bestrebungen können von Gruppierungen oder Einzelpersonen ausgehen. Erst wenn eine politisch motivierte, gegen die staatliche Grundordnung gerichtete Zielrichtung zurechenbar festzustellen ist, ist der Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes eröffnet. Nicht dem Beobachtungsauftrag unterfallen bloße Äußerungen von Meinungen nach Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz. Vor diesem Hintergrund unterliegt die iranische Community in Bayern nicht dem Beobachtungsauftrag des BayLfV. Iranische Staatsangehörige werden erst dann vom Beobachtungsauftrag des BayLfV erfasst, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie extremistische Bestrebungen entfalten oder sich in extremistischen Gruppierungen betätigen. Dies trifft insbesondere auf Anhänger schiitisch-islamistischer Gruppierungen zu. Aus der Beobachtung derartiger Bestrebungen liegen dem BayLfV allerdings keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor.