Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Herbert Kränzlein SPD vom 21.01.2017 Lehrbeauftragte an Universitäten und Hochschulen Lehrbeauftragte an Hochschulen und Universitäten tragen in manchen Fällen, wie z. B. an den Musikhochschulen und Kunsthochschulen, inzwischen einen großen Teil der Lehre. Gleichzeitig sind weite Teile der Lehrbeauftragten auf das geringe Honorar als ihre wesentliche, wenn nicht einzige Einnahmequelle dringend angewiesen, bei gleichzeitiger ständiger Ungewissheit über die weitere berufliche Zukunft. Daher frage ich die Staatsregierung: 1. a) Gibt es Lehrbeauftragte, die in den Verdacht der Scheinselbstständigkeit geraten können bzw. die in Kenntnis dieses Umstandes von den Hochschulen unter Vertrag genommen worden sind? b) Wenn nein, warum nicht? 2. Gab es bereits Fälle, in denen der Verdacht der Scheinselbstständigkeit erhoben wurde? 3. Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung, die derzeitigen prekären Arbeitssituationen und geringe Bezahlungen von Lehrbeauftragten zu verbessern? 4. Wie will die Staatsregierung den Art. 3 der Bayerischen Verfassung (Bayern ist ein Kulturstaat) in Zukunft umsetzen , wenn immer mehr für die kulturelle Weiterentwicklung notwendigen akademischen Bereiche, z. B. an Musikhochschulen, nicht mehr ausreichend finanziert werden, sodass notgedrungen auch der Lehrauftrag der Hochschulen beeinträchtigt ist? Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 10.03.2017 1. a) Gibt es Lehrbeauftragte, die in den Verdacht der Scheinselbstständigkeit geraten können bzw. die in Kenntnis dieses Umstandes von den Hochschulen unter Vertrag genommen worden sind? Nach Art. 31 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz (HS) des Bayerischen Hochschulpersonalgesetzes (BayHSchPG) i. V. m. § 2 Abs. 2 Satz 1 der Lehrauftrags- und Lehrvergütungsvorschriften für die staatlichen Hochschulen (LLHVV) stehen Lehrbeauftragte in einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis zum Freistaat Bayern. Sie sind nebenberuflich tätig und müssen eine mindestens dreijährige berufliche Praxis nachweisen, Art. 2 Abs. 2 Nr. 3; Art. 31 Abs. 1 Satz 4 BayHSchPG i. V. m. § 2 Abs. 2 Satz1, 2. Halbsatz LLHVV. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sind sie grundsätzlich Expert(inn)en aus der beruflichen Praxis, deren Tätigkeitsschwerpunkt außerhalb des Hochschulbereichs liegt. Diese rechtliche Stellung hat zur Folge, dass mit der Bestellung keine soziale Absicherung verbunden ist. Der Lehrauftrag darf nach § 2 Abs. 2 Satz 2 LLHVV höchstens neun, bei musikpraktischen Lehraufträgen für Lehramtsstudierende und bei filmpraktischen Lehraufträgen der Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF) höchstens zwölf Semesterwochenstunden umfassen. Um den Tatbestand der Scheinselbstständigkeit zu vermeiden und die Nebenberuflichkeit der Lehraufträge zu gewährleisten , sind die Hochschulen verpflichtet, sicherzustellen, dass der Freistaat Lehrbeauftragte nicht unter Verstoß gegen diese Vorschriften beschäftigt. Das Staatsministerium hat bei den staatlichen bayerischen Hochschulen abgefragt, ob es dort Fälle gibt, in denen eine Scheinselbstständigkeit behauptet wird. Die Abfrage hat ergeben, dass es aktuell lediglich einen solchen Fall an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) gibt, der derzeit vor dem Sozialgericht München verhandelt wird. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Deutsche Rentenversicherung Bund in Berlin führte ein Statusfeststellungsverfahren nach §§ 7a ff. Sozialgesetzbuch (SGB) IV durch und stellte für eine zwischenzeitlich an der Universität München fest angestellte Mitarbeiterin rückwirkend und zulasten der Universität München durch Bescheid fest, dass während der zweijährigen Tätigkeit als Lehrbeauftragte an der Universität München ein Beschäftigungsverhältnis sowie Sozialversicherungspflicht in der Rentenversicherung nach dem Recht der Arbeitsförderung und teilweise auch in der Kranken- und Pflegeversicherung bestanden hätten. Gegen diesen (Status-)Feststellungsbescheid legte die Universität München erst Widerspruch ein und erhob schließlich nach Erlass des Widerspruchsbescheides im Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 11.05.2017 17/15934 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/15934 April 2016 fristgemäß Klage zum Sozialgericht München gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund. Das Gericht hat die betreffende Person dem Verfahren beigeladen. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung ist noch nicht bestimmt. b) Wenn nein, warum nicht? Das Staatsministerium hat bei den Hochschulen abgefragt , durch welche Maßnahmen sie sicherstellen, dass die Anforderungen aus Art. 31 und 32 BayHSchPG i. V. m. der LLHVV eingehalten werden. Die Hochschulen haben mitgeteilt, dass sie vor Erteilung eines Lehrauftrags in jedem Einzelfall mittels eines strukturierten Prozesses prüfen, ob die Vorgaben des BayHSchPG i. V. m. der LLHVV eingehalten werden. Lehraufträge, die den einschlägigen Bestimmungen nicht entsprechen, werden somit nicht vergeben. Im Einzelnen wurden folgende Maßnahmen bzw. Überprüfungen genannt: – Frage an den Bewerber, ob und wo dieser hauptberuflich tätig ist und ob bereits Lehraufträge bestehen; – Formblatt, mit dem abgefragt wird, ob der Bewerber noch an anderen bayerischen Hochschulen als Lehrbeauftragter tätig ist; – Abfrage der Nebenberuflichkeit der Lehrtätigkeit nach § 2 Abs. 2 LLHVV durch eine vom Bewerber abzugebende Erklärung; – Prüfung, ob der Bewerber an derselben Universität/Hochschule bereits einer hauptberuflichen Tätigkeit nachgeht (vgl. Art. 31 Abs. 2 BayHSchPG, § 3 Abs. 2 LLHVV); – Prüfung (durch eine zentrale Stelle), ob dem Bewerber an derselben Universität/Hochschule bereits andere Lehraufträge für denselben Zeitraum erteilt wurden (Einhaltung der zulässigen Obergrenze von Semesterwochenstunden ); – Lehrbeauftragte werden nur mit der zeitlich und sachlich beschränkten Lehrverpflichtung und ggf. Mitwirkung an Prüfungen betraut, nicht mit weiteren (z. B. administrativen ) Aufgaben; – bei Angehörigen des öffentlichen Dienstes wird die Vorlage einer Nebentätigkeitsgenehmigung verlangt; – Rundschreiben an die Einrichtungen/Fakultäten der Universität/Hochschule, in dem auf die Problematik der Scheinselbstständigkeit hingewiesen wurde; – Kontrolle der Durchführung des Lehrauftrags; – Bestellung jeweils nur für ein Semester, für jedes weitere Semester muss ein neuer Lehrauftrag erteilt werden; – Überprüfung der Einhaltung der Stundenobergrenze des Lehrauftrags; – Verpflichtung der Lehrbeauftragten durch Unterschrift, vor der Aufnahme weiterer nebenberuflicher Beschäftigungen beim Freistaat Bayern dies der Hochschule schriftlich anzuzeigen; – Lehrvergütung in der Regel einmalig am Semesterende zur Sicherstellung der wirtschaftlichen Selbstständigkeit. 2. Gab es bereits Fälle, in denen der Verdacht der Scheinselbstständigkeit erhoben wurde? Das Staatsministerium hat bei den staatlichen bayerischen Hochschulen abgefragt, ob es dort in den letzten fünf Jahren Fälle gab, in denen bei einem Lehrbeauftragten eine Scheinselbstständigkeit festgestellt wurde. Nach Rückmeldung der Hochschulen gab es nur einen Fall an der Technischen Hochschule (TH) Deggendorf. Dort wurde bei einem Lehrbeauftragten, welcher im Weiterbildungszentrum tätig war, von der Deutschen Rentenversicherung festgestellt, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Deshalb wurden in diesem Fall im Nachgang Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet. Die Universität Regensburg hat ergänzend mitgeteilt, dass in einem von einem Lehrbeauftragten beantragten Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV vor 2 Jahren von der Deutschen Rentenversicherung Bund geprüft wurde , ob die vom Lehrbeauftragten ausgeübte Lehrtätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses wahrgenommen wurde. Dies sei verneint worden. 3. Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung, die derzeitigen prekären Arbeitssituationen und geringe Bezahlungen von Lehrbeauftragten zu verbessern ? Die Vergütung von Lehraufträgen richtet sich nach Art. 31 Abs. 1 Satz 5 BayHSchPG i. V. m. § 5 der Lehrauftragsund Vergütungsvorschriften für die staatlichen Hochschulen (LLHVV). Für die Festsetzung der Vergütung erlassen die Hochschulen jeweils Richtlinien, § 5 Abs. 2 Satz 2 LLHVV. Bei der Bemessung der Höhe der Vergütung sind insbesondere der Inhalt der Lehrveranstaltung, die erforderliche Vor- und Nachbereitung, Umfang und Intensität der Veranstaltungsabschlussprüfungen und die Bedeutung der Lehrveranstaltung im Rahmen der Studien- und Prüfungsordnung zu berücksichtigen, § 5 Abs. 2 Satz 3 LLHVV. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 LLHVV können Lehrveranstaltungen mit einem Höchstbetrag von 55 Euro je abgehaltener Einzelstunde vergütet werden. An Kunsthochschulen liegt der Höchstbetrag in Fächern, in denen ein angemessenes Lehrangebot auf andere Weise nicht sichergestellt werden kann, bei 66 Euro. Der Vergütungshöchstsatz kann in besonders begründeten Ausnahmefällen überschritten werden, § 5 Abs. 4 Satz 1 LLHVV. Dies ist dem Staatsministerium anzuzeigen, § 5 Abs. 4 Satz 2 LLHVV. Auf Anlage 2 zum Schlussbericht zu LT-Drs. 17/8471 – „Prekäre Situation der Lehrbeauftragten an bayerischen Hochschulen“ darf an dieser Stelle verwiesen werden. Wie viel Mittel den Hochschulen konkret für die Vergütung von Lehrbeauftragten zur Verfügung stehen, liegt in der Entscheidung des Haushaltsgesetzgebers. 4. Wie will die Staatsregierung den Art. 3 der Bayerischen Verfassung (Bayern ist ein Kulturstaat) in Zukunft umsetzen, wenn immer mehr für die kulturelle Weiterentwicklung notwendigen akademischen Bereiche, z. B. an Musikhochschulen, nicht mehr ausreichend finanziert werden, sodass notgedrungen auch der Lehrauftrag der Hochschulen beeinträchtigt ist? An den bayerischen Hochschulen für Musik erhalten die Studierenden eine exzellente Ausbildung auf internationalem Niveau. Auch die sehr hohe Attraktivität für ausländische Studierende belegt dies. In dem 2016 veröffentlichten internationalen Hochschulranking der Firma Quacquarelli Symonds hat die Hochschule für Musik und Theater München von allen deutschen Hochschulen für Musik die beste Bewertung erhalten (Rang 16 weltweit). Die Haushaltsansätze der staatlichen bayerischen Hochschulen für Musik für die Vergütungen für Lehraufträge wurden im Doppelhaushalt 2015/2016 um 1 Mio Euro erhöht.