Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ruth Müller SPD vom 28.11.2016 Prävention von psychosomatischen Folgeerkrankungen durch psychosomatische Rehabilitation Mit dem Konzept PAULI (Psychosomatik – Auffangen, Unterstützen , Leiten und Integrieren) ist ein gemeinsames Pilotprojekt der AOK Rheinland/Hamburg und Rheinland- Pfalz/Saarland entstanden, mit dem psychisch belastete Patienten frühzeitig erreicht und damit lange Arbeitsunfähigkeiten vermieden werden sollen. PAULI greift insbesondere dann, wenn die ambulante Versorgung nicht ausreicht oder das Warten auf einen Psychotherapie-Platz zu lange dauert. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie schätzt die Staatsregierung die Möglichkeit ein, die Implementierung eines ähnlichen Präventionsprojekts wie „PAULI“ in Bayern zu unterstützen (http://www. deutsche-rentenversicherung.de/RheinlandPfalz/de/ Inhalt/Allgemeines/Homepage-Artikel/2015-04-23_ PAULI.html) – sozusagen als Zukunftsaufgabe von Handlungsfeld 2 „Gesundheitskompetenz in der Arbeitswelt und betriebliche Präventionskultur“ des bayerischen Präventionsplans? 2. Gibt es bereits Pläne für die Entwicklung einer strukturierten Prozesskette zur Umsetzung von Handlungsfeld 2 des bayerischen Präventionsplans? 3. Welche staatlich geförderten Projekte gibt es bereits in Bayern, die nach einer psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit bei der Reintegration in den Arbeitsprozess unterstützend wirken sollen, um die Zeit zwischen Krankheitsbeginn , Reha und Wiedereingliederung maßgeblich zu verkürzen? (Hinweis: Derzeit hat jeder Betroffene im Durchschnitt bereits sieben Leidensjahre hinter sich, bevor er/sie eine Rehabilitation antritt. Darüber hinaus wurde beim Fachgespräch Prävention der SPD am 22.11.2016 von der DRV Süd darauf hingewiesen, dass 50 Prozent aller frühzeitigen Verrentungen auf psychische Erkrankungen zurückzuführen sind.) Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 10.03.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt beantwortet: 1. Wie schätzt die Staatsregierung die Möglichkeit ein, die Implementierung eines ähnlichen Präventionsprojekts wie „PAULI“ in Bayern zu unterstützen (http://www.deutsche-rentenversicherung.de/ RheinlandPfalz/de/Inhalt/Allgemeines/Homepage- Artikel/2015-04-23_PAULI.html) – sozusagen als Zukunftsaufgabe von Handlungsfeld 2 „Gesundheitskompetenz in der Arbeitswelt und betriebliche Präventionskultur “ des bayerischen Präventionsplans? Im Rahmen von Arbeitsschutzmaßnahmen soll die (psychische ) Gesundheit der Beschäftigten vor arbeitsbedingten psychischen Belastungen geschützt und gestärkt werden. Hauptansatz hierbei ist die Prävention von Belastungen durch eine Gefährdungsbeurteilung und daraus abzuleitende Schutzmaßnahmen. Das Projekt „PAULI“ ist ein Frühinterventionskonzept zur Behandlung von Menschen, die aufgrund von psychosomatischen Leiden (die auch gar nichts mit dem Arbeitsplatz zu tun haben müssen) krank und arbeitsunfähig geworden sind. Hier kommt der Gedanke der Primärprävention des Arbeitsschutzes im Sinne des Handlungsfelds 2 des bayerischen Präventionsplans „Gesundheitskompetenz in der Arbeitswelt und betriebliche Präventionskultur“ nicht mehr zum Zug. Das Projekt „PAULI“ ist in diesem Kontext keine geeignete Ergänzung. Auch nach Auffassung der Deutschen Rentenversicherung Arbeitsgemeinschaft Bayern handelt es sich bei dem Programm „PAULI“ um keine Präventionsleistung im Sinne der Rentenversicherung nach dem zum 01.01.2017 in Kraft getretenen § 14 des Sozialgesetzbuches (SGB) VI (neu) und damit auch um keine von der Rentenversicherung im Sinne des bayerischen Präventionsplans zu erbringende Leistung. Denn nach der Gesetzesbegründung ist die Zuständigkeit der Rentenversicherung erst dann gegeben, wenn erste gesundheitliche Beeinträchtigungen auftreten, die aber noch keinen Krankheitswert haben. Aus Sicht des Krankenversicherungsrechts ist ein trägerübergreifendes Modellvorhaben zur Prävention mit Trägern der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung grundsätzlich zulässig (vgl. § 20g Abs.1 Satz 1 SGB V). Die Regionalträger der Deutschen Rentenversicherung in Bayern würden sich einem gemeinsamen Modellprojekt mit den Krankenkassen in Bayern nicht verschließen. Nach §12 SGB IX i. d. F. ab 01.01.2018 wird die frühzeitige (Rehabilitations-)Bedarfserkennung für alle Rehabilitationsträger ohnehin gesetzlich festgeschrieben. Den Rentenversicherungsträgern ist dies jedoch nur in Kooperation mit den Krankenkassen möglich. Die AOK Bayern hat die Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 11.05.2017 17/15938 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/15938 Bereitschaft signalisiert, diesbezügliche Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zu prüfen. Die AOK Bayern auch in Zusammenarbeit mit der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd wird die Entwicklung des PAULI-Piloten in Rheinland-Pfalz beobachten und abhängig von den Ergebnissen zu gegebener Zeit in eine Meinungsbildung eintreten. 2. Gibt es bereits Pläne für die Entwicklung einer strukturierten Prozesskette zur Umsetzung von Handlungsfeld 2 des bayerischen Präventionsplans? Der im Mai 2015 vorgelegte, unter Einbindung aller Ministerien erarbeitete und mit den Trägern von Präventionsmaßnahmen in Bayern diskutierte bayerische Präventionsplan legt übergeordnete Ziele und Leitprinzipien für die Weiterentwicklung der Prävention in Bayern fest. Er definiert vier zentrale Handlungsfelder: – das gesunde Aufwachsen in der Familie, in Kindertageseinrichtungen , in sonstigen Einrichtungen der Kinderund Jugendhilfe und in der Schule, – die Gesundheitskompetenz in der Arbeitswelt und betriebliche Präventionskultur, – gesundes Altern im selbstbestimmten Lebensumfeld sowie – die gesundheitliche Chancengleichheit. Auf Basis des Präventionsplans hat das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) im November 2015 das Bündnis für Prävention ins Leben gerufen. Bereits 105 Bündnispartner haben sich mit ihrem Beitritt in einer freiwilligen Selbstverpflichtung zu den Leitprinzipien und Zielen des Plans bekannt und ihren Willen zur Zusammenarbeit bei dessen Umsetzung erklärt. Darüber hinaus stützt sich die Umsetzung des Präventionsplans auf verschiedene bereits etablierte Strukturen in Bayern. Eine erste Zwischenbilanz des Bündnisses wird am 20.03.2017 veröffentlicht; die Ergebnisse sind vielversprechend und werden Eingang in die Präventionsberichterstattung nehmen. Darüber hinaus ist eine strukturierte Prozesskette im Handlungsfeld 2 nur bedingt umsetzbar, da betriebliche Gesundheitsförderung und Prävention in erster Linie Aufgabe der Unternehmen selbst ist. Der bayerische Präventionsplan zielt darauf ab, eigenverantwortliche Maßnahmen verschiedener Akteure anzuregen. Im Falle des Handlungsfeldes 2 „Gesundheitskompetenz in der Arbeitswelt und betriebliche Präventionskultur“ gilt dies besonders. Durch den Zusammenschluss wichtiger Partner aus der Wirtschaft und Forschung , wie Industrie und Handelskammer, Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V., Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin sowie weiterer Akteure, wie dem Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte e.V., und der Krankenkassen im Bündnis für Prävention, können die gemeinsamen Ziele effektiver erreicht werden. Landesweit unterstützt das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege Leuchtturmprojekte, die dem Handlungsfeld 2 zugeordnet werden können. Bei aus Mitteln der Gesundheitsinitiative Gesund.Leben.Bayern. geförderten Projekten hat ein umfassendes Qualitätsmanagement einen hohen Stellenwert. Bei Projekten der Betriebe wird die Prozesskette der Unternehmen berücksichtigt. Die einzelnen Projekte müssen im Kontext der Möglichkeiten und der Eigenständigkeit der verschiedenen Akteure unter Beachtung von deren Kompetenzen, Zuständigkeiten und Gestaltungsfreiheiten gesehen werden. Im Rahmen des partnerschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Ansatzes baut der Präventionsplan auf die Freiwilligkeit, Diversität und Kreativität seiner Partner und ein Wachsen von unten nach oben („bottom-up-Ansatz“) und verfolgt keine detaillierte Vorgabe von oben nach unten („top-down-Ansatz“). 3. Welche staatlich geförderten Projekte gibt es bereits in Bayern, die nach einer psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit bei der Reintegration in den Arbeitsprozess unterstützend wirken sollen, um die Zeit zwischen Krankheitsbeginn, Reha und Wiedereingliederung maßgeblich zu verkürzen? (Hinweis: Derzeit hat jeder Betroffene im Durchschnitt bereits sieben Leidensjahre hinter sich, bevor er/sie eine Rehabilitation antritt. Darüber hinaus wurde beim Fachgespräch Prävention der SPD am 22.11.2016 von der DRV Süd darauf hingewiesen, dass 50 Prozent aller frühzeitigen Verrentungen auf psychische Erkrankungen zurückzuführen sind.) Spezielle staatlich geförderte Projekte zur Verkürzung der Zeit zwischen Krankheitsbeginn, Rehabilitation und Wiedereingliederung bei psychischen Erkrankungen sind dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege und dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration nicht bekannt. Jedoch kann in diesem Zusammenhang das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) genannt werden, das für alle Arbeitgeber gesetzliche Pflicht ist. Ein zentrales Ziel von BEM ist die rasche und nachhaltige Wiedereingliederung von Mitarbeitern mit diagnostizierten Erkrankungen, beispielsweise von psychischen Erkrankungen. In BEM-Gesprächen suchen Unternehmen und Beschäftigte gemeinsam nach Lösungen, psychisch bedingte Arbeitsunfähigkeiten zu überwinden, erneute Erkrankungen zu vermeiden und die Arbeitsfähigkeit langfristig zu erhalten. Dabei wird mit internen Partnern, wie dem betrieblichen Sozialdienst, sowie auch mit externen Partnern, wie der Deutschen Rentenversicherung oder der Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration (gfi), kooperiert. Außerdem erarbeitet die Sozialversicherung für Landwirtschaft , Forsten und Gartenbau (SVLFG) derzeit ein Modellvorhaben , in dem insbesondere Präventionsangebote bei seelischer Belastung in ein abgestimmtes Gesamtkonzept überführt werden sollen. Das Konzept umfasst schwerpunktmäßig die Versicherungszweige der landwirtschaftlichen Krankenversicherung und Alterssicherung. Ziel des Projekts ist es, „seelische Belastungen in der Landwirtschaft“ mit allen Mitteln der SVLFG zu bekämpfen und hierbei auch die neu geschaffene Rechtsgrundlage der Landwirtschaftlichen Alterskasse auszunutzen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) i. V. m. § 14 Abs. 1 SGB VI). Das Projekt soll mittel- und langfristig die psychische Gesundheit und Gesundheitskompetenz der landwirtschaftlichen Bevölkerung fördern. Das Pilotprojekt soll stufenweise im Laufe des Jahres 2017 mit Schwerpunkt Bayern umgesetzt werden.