Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 15.12.2016 Verdacht der Finanzierung einer Entführung durch das Landeskriminalamt (LKA) In Presseberichten ist davon die Rede, dass das Bayerische Landeskriminalamt die Verschleppung eines Tatverdächti gten von Schweden nach München finanziert hat (http:// www.sueddeutsche.de/muenchen/prozess landes kriminalamtzahlteeurofuerentfuehrung1.3294933 vom 14.12.2016, „Landeskriminalamt zahlte 15.000 Euro für Ent führung)”. Das LKA zahlte 15.000 Euro, verbucht als „übliche Aufwandsentschädigung“, an einen ExAgenten des frühe ren jugoslawischen Geheimdienstes. Der ehemalige Agent beauftragte drei Hintermänner damit, einen in Schweden lebenden Kroaten nach München zu verschleppen, gegen den die Polizei wegen des Verdachts des Mordes an dem kroatischen Regimegegner Stjepan Durekovic im Jahr 1982 in Wolfratshausen ermittelt. Der Kroate wurde im Oktober 2009 gegen seine Willen gewaltsam nach Bayern entführt. Auf der Grundlage des Sachverhalts verurteilte das Landge richt München I in seinem Urteil vom 14.12.2016 einen der drei Entführer zu einer Bewährungsstrafe. Darum frage ich die Staatsregierung: 1.1 Hat das Bayerische Landeskriminalamt (LKA) den Auftrag erteilt, den Kroaten, der des Mordes an dem Regimegegner Stjepan Durekovic verdächtig ist, nach Bayern zu bringen? 2.1 Wie kam der Kontakt des LKA zu dem ehemaligen Agenten zustande, der die Entführung des Kroaten or ganisierte? 2.2 Welche konkreten Erkenntnisse hatte das LKA über den ehemaligen Agenten und die drei Entführer? 2.3 Wie oft und wegen welcher Straftatbestände wurde gegen den ehemaligen Agenten und die drei Entführer in der Vergangenheit bereits ermittelt (bitte unter An gabe des Datums, einer jeweils kurzen anonymisierten Sachverhaltsdarstellung und unter Aufschlüsselung der jeweiligen Straftatbestände)? 3.1 War dem LKA bekannt, wie der ehemalige Agent den Kroaten nach München bringen wollte? 4.1 Welchen Betrag zahlte das LKA an den ehemaligen Agenten und/oder die drei Entführer (bitte Höhe und Art der Zahlung angeben: Belohnung, Aufwandsent schädigung, etc.)? 4.2 Hat das LKA das Geld vor oder nach der Entführung an die ehemaligen Agenten und/oder die drei Entfüh rer ausgezahlt? 4.3 Hat das LKA noch weiteren Personen im Zusammen hang mit dem Entführungsfall Geld als Belohnung, Aufwandsentschädigung, etc. gezahlt (bitte die Beträ ge und Empfänger der Zahlung angeben)? 5.1 Warum hat das LKA eine Aufwandsentschädigung ge zahlt, obwohl der Tatverdächtige vom Ermittlungsrich ter nicht in Untersuchungshaft genommen wurde und nach Schweden zurückgekehrt ist? 6.1 Auf welcher Rechtsgrundlage hat das LKA die konkre ten Beträge gezahlt? 6.2 Welchen konkreten Inhalt hatte die Regelung, das Rechtsgeschäft bzw. die Vereinbarung, die die Grund lage für die Zahlung der Belohnung und der Aufwands entschädigung bildeten? 7.1 In welchen Fällen zahlt das LKA eine „übliche Auf wandsentschädigung“ an Privatpersonen zur Ergrei fung von Tatverdächtigen? 7.2 Welche Kalkulationsgrundlage liegt der Aufwands entschädigung zugrunde, die dem ehemaligen Agent gezahlt und als „übliche Aufwandsentschädigung“ ver bucht wurde (bitte die konkreten Aufwände angeben, die dadurch abgegolten werden sollen)? 7.3 Aufgrund welcher Rechtsgrundlage wurde die Höhe der Aufwandsentschädigung festgelegt (bitte den In halt der Rechtsgrundlage angeben)? 8.1 Wie und mit welchen konkreten Ergebnissen sind die Ermittlungsverfahren gegen die mit diesem Vorgang betrauten LKABeamten jeweils beendet worden (un ter Angabe des jeweiligen Einstellungsgrundes)? 8.2 Warum wurde die Festnahme des Kroaten nicht direkt an der Raststätte Holledau vollzogen, sondern erst nach dem der an der Raststätte von seinen Fesseln befreite Kroate mit dem Auto seiner Entführer in Rich tung Süden flüchtete? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 06.03.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet. Die Ant wort zur Schriftlichen Anfrage zu Frage 4.1 ist teilweise als Verschlusssache (VS) eingestuft. Daher wird diese Antwort Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 29.05.2017 17/15955 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/15955 mit Schreiben vom heutigen Tag gemäß § 48 der Verschluss sachenanweisung für die Behörden des Freistaates Bayern (VSAnweisung) an die VSRegistratur der Verwaltung des Bayerischen Landtags mit der Bitte um VSkonformen Um gang übersandt. 1.1 Hat das Bayerische Landeskriminalamt (LKA) den Auftrag erteilt, den Kroaten, der des Mordes an dem Regimegegner Stjepan Durekovic verdächtig ist, nach Bayern zu bringen? Nein, durch das Bayerische Landeskriminalamt wurde kein solcher Auftrag erteilt. 2.1 Wie kam der Kontakt des LKA zu dem ehemaligen Agenten zustande, der die Entführung des Kroaten organisierte? Der Zeuge nahm selbstständig Kontakt mit dem Baye rischen Landeskriminalamt auf. 2.2 Welche konkreten Erkenntnisse hatte das LKA über den ehemaligen Agenten und die drei Entführer ? Zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme durch den Zeugen la gen dem Bayerischen Landeskriminalamt keine konkreten Erkenntnisse zum Zeugen vor. Die drei späteren Entführer waren zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannt. 2.3 Wie oft und wegen welcher Straftatbestände wurde gegen den ehemaligen Agenten und die drei Entführer in der Vergangenheit bereits ermittelt (bitte unter Angabe des Datums, einer jeweils kurzen ano nymisierten Sachverhaltsdarstellung und unter Aufschlüsselung der jeweiligen Straftatbestände )? Nach den Erkenntnissen, die dem Bayerischen Landeskri minalamt vorliegen, wurden bis zu der Entführung weder gegen den Zeugen noch gegen die späteren Entführer Er mittlungen in Deutschland getätigt. Es ist jedoch nicht gänz lich auszuschließen, dass Ermittlungsverfahren gegen den Zeugen oder gegen die späteren Entführer geführt worden sind, die dem Bayerischen Landeskriminalamt nicht bekannt geworden sind. Wegen der Entführung wurde neben dem zuletzt geführ ten Strafverfahren beim Landgericht München I bereits ge gen den ehemaligen Agenten und einen weiteren Beteiligten in den Jahren 2009 und 2010 ein Strafverfahren durch die Staatsanwaltschaft München I geführt. Die Verfahren ende ten mit den Verurteilungen der Beschuldigten. 3.1 War dem LKA bekannt, wie der ehemalige Agent den Kroaten nach München bringen wollte? Der Zeuge gab an, dass er die Person dazu bewegen kön ne, von sich aus nach Deutschland oder in die Niederlande zu kommen. Es sollte dabei eine vom Zeugen erdachte List zur Anwendung kommen, die dem Bayerischen Landeskri minalamt und dem zuständigen Bundesanwalt beim Gene ralbundesanwalt bekannt war. Der Zeuge wurde zu dieser List mehrfach, auch schriftlich, darauf hingewiesen, dass er keinerlei strafbare Handlungen vornehmen darf. Die o. g. List kam jedoch nicht zur Umsetzung. Der Zeuge handelte vielmehr eigenmächtig und in dieser Form ohne Kenntnis des Bayerischen Landeskriminalamts. 4.1 Welchen Betrag zahlte das LKA an den ehemaligen Agenten und/oder die drei Entführer (bitte Höhe und Art der Zahlung angeben: Belohnung, Aufwandsentschädigung , etc.)? Dem Zeugen wurden vom Bayerischen Landeskriminalamt entstandene Kosten erstattet. Die Erstattungen wurden nach Prüfung der vom Zeugen geltend gemachten Ausla gen durch das Bayerische Landeskriminalamt für Unterstüt zungshandlungen bei der Fahndung nach einer mit Haftbe fehl wegen Mordes gesuchten Person geleistet. Es handelte sich im Wesentlichen um Reisekosten und Auslagen, aber ausdrücklich nicht um eine Belohnung. Grundlage dafür war eine zwischen dem Zeugen und dem Bayerischen Landes kriminalamt in enger Abstimmung mit der Bundesanwalt schaft geschlossene Vereinbarung. Eine weitergehende Beantwortung dieser Frage ist in dem für die Öffentlichkeit einsehbaren Teil der Beantwortung aus Geheimhaltungsgründen nicht möglich. Die Antwort hin sichtlich des genauen Betrages muss als Verschlusssache „VSNur für den Dienstgebrauch“ eingestuft werden. Diese Teilantwort kann durch die Fragestellerin bei der Geheim schutzstelle des Bayerischen Landtages nach Maßgabe der Geheimschutzordnung des Bayerischen Landtags (Geheim SchO) eingesehen werden. Zwar ist der parlamentarische Informationsanspruch grundsätzlich auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt (vgl. BVerfGE 124, 161–193). Die Einstufung als Verschlusssache ist aber im vorliegenden Fall im Hinblick auf das Staatswohl aus folgenden Grün den erforderlich und geeignet, das Informationsinteresse des Parlaments unter Wahrung berechtigter öffentlicher Geheimhaltungsinteressen zu befriedigen (BayVerfGH vom 20.03.2014 – BayVBl 2014, 464–468, VerfGHE 59, 144 [192f.]). Die geleisteten Zahlungen waren eng mit kriminaltakti schen Maßnahmen in einem Ermittlungskomplex wegen Mordes an Exilkroaten verbunden. Die Angaben über die Kostenerstattung lassen Rückschlüsse auf die polizeiliche Einsatztaktik sowie das Vorgehen in Fällen nationaler und internationaler Fahndung nach einer mit Haftbefehl wegen Mordes gesuchten Person zu. Das Bekanntwerden der kon kreten polizeilichen Vorgehensweise durch Mitteilung der Erstattungsbeträge würde die künftige Durchführung ähnlich gelagerter Maßnahmen über den Einzelfall hinaus gefähr den und erschweren. Vor diesem Hintergrund sind Angaben zu den Aufwendungen im Zusammenhang mit der Fahn dung gemäß § 7 Nummer 4 Verschlusssachenanweisung des Freistaates Bayern (VSA) als VS-NfD einzustufen (vgl. Ziffer 2.4 der Anlage 1 zur VSAnweisung) und gemäß § 48 VSA der VSRegistratur der Verwaltung des Bayeri schen Landtags gesondert zu übermitteln. 4.2 Hat das LKA das Geld vor oder nach der Entführung an die ehemaligen Agenten und/oder die drei Entführer ausgezahlt? Die letzte Geldauszahlung an den Zeugen erfolgte am 13.10.2009, also noch vor der Entführung. An die drei spä teren Entführer wurden seitens des Bayerischen Landeskri minalamtes keine Auszahlungen geleistet. 4.3 Hat das LKA noch weiteren Personen im Zusammenhang mit dem Entführungsfall Geld als Belohnung , Aufwandsentschädigung, etc. gezahlt Drucksache 17/15955 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 (bitte die Beträge und Empfänger der Zahlung angeben )? Nein. 5.1 Warum hat das LKA eine Aufwandsentschädigung gezahlt, obwohl der Tatverdächtige vom Ermittlungsrichter nicht in Untersuchungshaft genommen wurde und nach Schweden zurückgekehrt ist? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 4.1 und 4.2 verwiesen. 6.1 Auf welcher Rechtsgrundlage hat das LKA die konkreten Beträge gezahlt? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 4.1 verwiesen. 6.2 Welchen konkreten Inhalt hatte die Regelung, das Rechtsgeschäft bzw. die Vereinbarung, die die Grundlage für die Zahlung der Belohnung und der Aufwandsentschädigung bildeten? Hierzu wird auf die Antworten zu den Fragen 3.1 und 4.1 verwiesen. 7.1 In welchen Fällen zahlt das LKA eine „übliche Aufwandsentschädigung “ an Privatpersonen zur Ergreifung von Tatverdächtigen? Das Bayerische Landeskriminalamt hat die Möglichkeit, Pri vatpersonen, die bei der Ergreifung von Tatverdächtigen Hil fe leisten, zu entschädigen, wenn ihnen dabei Kosten z. B. Verdienstausfall, Reisekosten etc. entstanden sind. 7.2 Welche Kalkulationsgrundlage liegt der Aufwandsentschädigung zugrunde, die dem ehemaligen Agent gezahlt und als „übliche Aufwandsentschädigung “ verbucht wurde (bitte die konkreten Aufwände angeben, die dadurch abgegolten werden sollen)? Hierzu wird auf die Antworten zu den Fragen 4.1 und 7.1. verwiesen. 7.3 Aufgrund welcher Rechtsgrundlage wurde die Höhe der Aufwandsentschädigung festgelegt (bitte den Inhalt der Rechtsgrundlage angeben)? Hierzu wird auf die Antworten zu den Fragen 4.1 und 7.1. verwiesen. 8.1 Wie und mit welchen konkreten Ergebnissen sind die Ermittlungsverfahren gegen die mit diesem Vorgang betrauten LKA-Beamten jeweils beendet worden (unter Angabe des jeweiligen Einstellungsgrundes )? Entgegen des Berichts in der Süddeutschen Zeitung vom 14. Dezember 2016 sind beim Bayerischen Landeskriminal amt im Sachzusammenhang keine strafrechtlichen Ermitt lungsverfahren gegen Beamte des Bayerischen Landeskri minalamtes bekannt. 8.2 Warum wurde die Festnahme des Kroaten nicht direkt an der Raststätte Holledau vollzogen, sondern erst nach dem der an der Raststätte von seinen Fesseln befreite Kroate mit dem Auto seiner Entführer in Richtung Süden flüchtete? Die eingesetzten Beamten erlangten vom tatsächlichen Auf enthaltsort der entführten Person erst Kenntnis, als diese mit dem Pkw die Raststätte verließ. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/15955