17. Wahlperiode 30.05.2017 17/16120 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Isabell Zacharias, Ruth Müller SPD vom 15.12.2016 Gesundheit von lesbischen, schwulen und bisexuellen Schülerinnen und Schülern Die US Centers for Disease Control and Prevention (CDC) führen seit 1995 alle zwei Jahre den Youth Risk Behavior Survey (YRBS, http://www.cdc.gov/yrbs) durch. Die Erhebung ist repräsentativ für alle 14- bis 18jährigen Schülerinnen und Schüler und ermöglicht Aussagen zur Häufigkeit von riskanten gesundheitsbezogenen Verhaltensweisen. In die Erhebung des Jahres 2015 wurden zwei Fragen zu Sexualkontakten und sexueller Orientierung aufgenommen. Die Ergebnisse dazu liegen jetzt vor (https://www.cdc.gov/mmwr/volu mes/65/ss/pdfs/ss6509.pdf). Wir fragen daher die Staatsregierung: 1. a) Hält es die Staatsregierung für methodisch plausibel, die im Bericht des CDC angegebene Häufigkeit von LGB-Schülerinnen und -Schülern (LGB = Lesbian, Gay, Bisexual) im Alter zwischen 14 und 18 Jahren auf Bayern zu übertragen? b) Wenn nein, welche methodischen oder anderen Gründe sprechen nach Auffassung der Staatsregierung gegen eine Übertragung der Ergebnisse des YRBS auf Bayern? c) Hält die Staatsregierung im Lichte der Ergebnisse des YRBS 2015 die folgenden Zahlen zur sexuellen Orientierung von 14- bis 18jährigen Schülerinnen und Schülern in Bayern für plausibel: rund 13.000 lesbische Schülerinnen bzw. schwule Schüler, 39.000 bisexuelle Schülerinnen und Schüler sowie 21.000 Schülerinnen und Schüler, die sich bezüglich ihrer sexuellen Orientierung nicht sicher sind? 2. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Ergebnisse des YRBS zur zwei- bis dreifach erhöhten Prävalenz von Missbrauchs- und Gewalterfahrungen unter LGB- Schülerinnen und -Schülern? b) Geht die Staatsregierung von ähnlichen Zahlen für die LGB-Schülerinnen und -Schüler in Bayern aus (bitte um Begründung der Antwort)? c) Welche Maßnahmen plant die Staatsregierung zur Reduzierung der Missbrauchs- und Gewalterfahrungen von LGB-Schülerinnen und -Schülern in Bayern? 3. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Ergebnisse des YRBS zum signifikant erhöhten Konsum legaler und illegaler Drogen unter LGB-Schülerinnen und -Schülern? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. b) Geht die Staatsregierung von ähnlichen Zahlen für die LGB-Schülerinnen und -Schüler in Bayern aus (bitte um Begründung der Antwort)? c) Welche Maßnahmen plant die Staatsregierung zur Reduzierung des Konsums legaler und illegaler Drogen unter LGB-Schülerinnen und -Schülern in Bayern? 4. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Ergebnisse des YRBS zur zwei- bis vierfach erhöhten Prävalenz von Gefühlen der Hoffnungslosigkeit, Selbstmordgedanken und Selbstmordversuchen unter LGB-Schülerinnen und -Schülern? b) Geht die Staatsregierung von ähnlichen Zahlen für die LGB-Schülerinnen und -Schüler in Bayern aus (bitte um Begründung der Antwort)? c) Welche Maßnahmen plant die Staatsregierung zur Reduzierung der Prävalenz von Gefühlen der Hoffnungslosigkeit , Selbstmordgedanken und Selbstmordversuchen unter LGB-Schülerinnen und -Schüler in Bayern? 5. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Aussage des YRBS zum Auseinanderfallen von sexuellem Verhalten und sexueller Orientierung? b) Teilt die Staatsregierung die Ansicht der Studienautorinnen und -autoren des YRBS, dass Erfahrungen von Diskriminierung und Stigmatisierung dazu führen können, dass LGB-Schülerinnen und -Schüler Schwierigkeiten mit ihrer sexuellen Orientierung haben (bitte um Begründung der Antwort)? c) Welche Maßnahmen gegen Diskriminierung und Stigmatisierung von LGB-Schülerinnen und -Schülern hält die Staatsregierung vor dem Hintergrund der Ergebnisse des YRBS und vor dem Hintergrund der Tatsache für angezeigt, dass es in jeder bayerischen Schulklasse ein oder zwei betroffene Jugendliche gibt? 6. a) Plant die Staatsregierung die Durchführung einer dem YRBS vergleichbaren Untersuchung im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung auch in Bayern (bitte um Begründung der Antwort)? b) Wird sich die Staatsregierung für die Durchführung einer dem YRBS vergleichbaren Untersuchung auf Bundesebene – etwa im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung des Robert-Koch-Instituts – einsetzen (bitte um Begründung der Antwort)? c) Plant die Staatsregierung die Entwicklung und nachhaltige Finanzierung von Gesundheitsförderungsprogrammen fürLGB-Schülerinnen und -Schüler (bitte um Begründung der Antwort)? Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/16120 Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 21.03.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration und dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst wie folgt beantwortet: 1. a) Hält es die Staatsregierung für methodisch plausibel, die im Bericht des CDC angegebene Häufigkeit von LGB-Schülerinnen und -Schülern (LGB = Lesbian, Gay, Bisexual) im Alter zwischen 14 und 18 Jahren auf Bayern zu übertragen? Der Youth Risk Behavior Survey (YRBS) des Center for Disease and Control and Prevention (CDC) ist eine große, US-weite bevölkerungsbezogene schriftliche Befragung von Schülerinnen und Schülern der 9.–12. Klassen zu ihrem Risiko- und Gesundheitsverhalten, darunter auch zur sexuellen Orientierung. Die Schulklassen werden repräsentativ ausgewählt, die Teilnahme an der Befragung ist freiwillig und anonym. 2015 nahmen 15.624 Jugendliche teil. Auf die Frage nach der sexuellen Orientierung gaben an: heterosexuell 88,8 Prozent, schwul oder lesbisch 2 Prozent, bisexuell 6 Prozent, unsicher 3,2 Prozent. Die Staatsregierung sieht eine unmittelbare Übertragbarkeit der quantitativen Befunde des Surveys auf Bayern als nicht gegeben an. b) Wenn nein, welche methodischen oder anderen Gründe sprechen nach Auffassung der Staatsregierung gegen eine Übertragung der Ergebnisse des YRBS auf Bayern? Die Teilnahmerate an der Befragung lag bei 60 Prozent. Es ist nicht bekannt, inwiefern die Nichtteilnehmenden sich von den Teilnehmenden in ergebnisrelevanten Merkmalen unterscheiden; eine mögliche Verzerrung durch Selektion und damit die Frage der Repräsentativität werden in der Studie nicht diskutiert. Die ethnische Zusammensetzung der Studienpopulation nimmt vermutlich Einfluss auf die Ergebnisse. Unter den Teilnehmenden waren 54,5 Prozent weißer, 13,6 Prozent afroamerikanischer, 22,3 Prozent hispanischer und 9,7 Prozent anderer Herkunft. Dies sind völlig andere Verhältnisse als in Bayern, was bei einer Wertung der Ergebnisse berücksichtigt werden müsste. Gewalterfahrungen, Drogenkonsum und Suizidalität hängen von einer Vielzahl von Einflussfaktoren ab, die in den USA anders ausgeprägt sein dürften als in Deutschland. Bei stark tabuisierten Inhalten wie der sexuellen Orientierung ist davon auszugehen, dass Fragebogenerhebungen, noch dazu in einem schulischen Umfeld, nur eingeschränkt valide Ergebnisse liefern. Häufig kommt es zu einem sozial erwünschten Antwortverhalten, je nach den konkreten Umständen kann dies eine Unter- oder Überschätzung zur Folge haben. Weiterhin äußert sich die Studie nicht zu möglichen Störvariablen und deren Berücksichtigung. In der Auswertung werden Schülerinnen und Schüler, die angaben, „schwul oder lesbisch“ und „bisexuell“ zu sein, zu einer Gruppe (LGB) zusammengefasst, diejenigen, die „nicht sicher“ angaben, wurden als gesonderte Gruppe geführt. Die Gruppenbildung beeinflusst die Aussagekraft der Ergebnisse, wenn es um zielgruppenspezifische Handlungsoptionen geht. c) Hält die Staatsregierung im Lichte der Ergebnisse des YRBS 2015 die folgenden Zahlen zur sexuellen Orientierung von 14- bis 18jährigen Schülerinnen und Schülern in Bayern für plausibel: rund 13.000 lesbische Schülerinnen bzw. schwule Schüler, 39.000 bisexuelle Schülerinnen und Schüler sowie 21.000 Schülerinnen und Schüler, die sich bezüglich ihrer sexuellen Orientierung nicht sicher sind? Die genannten Zahlen zur sexuellen Orientierung bayerischer Schülerinnen und Schüler sind nicht plausibel. Geht man von derzeit ca. 335.000 Schülerinnen und Schülern an Mittelschulen, Förderzentren, Realschulen, Wirtschaftsschulen und Gymnasien in den Klassen 9–12 aus und würde annehmen, auch in Bayern wären 2 Prozent der Schülerinnen und Schüler schwul oder lesbisch, 6 Prozent bisexuell und 3,2 Prozent unsicher, käme man bei einer Teilnahmerate von 60 Prozent (201.000 Schülerinnen/ Schüler) auf jeweils wesentlich weniger LBG-Schülerinnen und Schüler (11,2 Prozent = 22.512). Selbst wenn dieselbe Verteilung auch für nicht teilnehmende Schülerinnen und Schüler angenommen würde, ergäben sich nur 37.520, also knapp die Hälfte der angegebenen Zahl. 2. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Ergebnisse des YRBS zur zwei- bis dreifach erhöhten Prävalenz von Missbrauchs- und Gewalterfahrungen unter LGB-Schülerinnen und -Schülern? 3. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Ergebnisse des YRBS zum signifikant erhöhten Konsum legaler und illegaler Drogen unter LGB-Schülerinnen und -Schülern? 4. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Ergebnisse des YRBS zur zwei- bis vierfach erhöhten Prävalenz von Gefühlen der Hoffnungslosigkeit, Selbstmordgedanken und Selbstmordversuchen unter LGB-Schülerinnen und -Schülern? Dass in der LGB-Gruppe Missbrauchs- und Gewalterfahrungen , Drogenkonsum, Hoffnungslosigkeit, Suizidgedanken und -versuche statistisch signifikant häufiger sind als in der Gruppe der heterosexuellen Schüler/-innen, ist nachvollziehbar und konsistent mit anderen internationalen Publikationen (z. B. Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (2013): Erhebung unter Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen in der Europäischen Union, Zusammenfassung verfügbar unter: http://fra.europa.eu/sites/ default/files/eu-lgbt-survey-results-at-a-glance_de.pdf). Es ist davon auszugehen, dass dies auch für Deutschland zutrifft . Vergleichbare Daten für Deutschland liegen nicht vor, jedoch wurden z. B. auch bei Befragungen erwachsener Homosexueller in Deutschland häufig Mobbing- und Gewalterfahrungen berichtet (z. B. LesMigraS – Lesbenberatung Berlin e.V. (2012): Studie zu Gewalt- und (Mehrfach-)Diskriminierungserfahrungen von lesbischen und bisexuellen Frauen und Trans* in Deutschland, Zusammenfassung verfügbar unter: www.lesmigras.de/tl_files/lesmigras/kampag ne/Studie_Zusammenfassung_LesMigra S.pdf). 2. b), 3. b), 4. b), Geht die Staatsregierung von ähnlichen Zahlen für die LGB-Schülerinnen und -Schüler in Bayern aus (bitte um Begründung der Antwort)? Bei der statistischen Erfassung von Straftaten, wie beispielsweise Beleidigung oder Nötigung, aber auch bei Gewalthandlungen , wie Körperverletzung, Raub oder Totschlag, werden Drucksache 17/16120 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 bundeseinheitlich in der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) im Bereich der Opferdaten keine Hinweise auf die sexuellen Neigungen des Opfers aufgenommen. Auch in anderen polizeilichen Datenbanken erfolgt im Bereich der Opfererfassung kein Hinweis auf die sexuelle Neigung des Betroffenen. Auf die Erfassung der sexuellen Neigungen der Opfer wurde insbesondere zur Vermeidung einer speziellen Stigmatisierung dieser Personengruppe verzichtet. Vor diesem Hintergrund ist eine statistische Auswertung von Gewaltdelikten oder sonstigen Übergriffen in der LGB-Gruppe nicht möglich. Auch liegen der Bayerischen Polizei keine Zahlen bzw. Schätzungen hinsichtlich des diesbezüglichen Dunkelfelds vor, sodass hierzu keine Aussage getroffen werden kann. Insbesondere aufgrund der ethnischen Zusammensetzung der Untersuchungsgruppe und der unklaren Eignung des Erhebungsverfahrens für solche Fragestellungen ist aus Sicht der Staatsregierung eine Ableitung von Zahlen für Bayern aus der Studie nicht sinnvoll. 2. c) Welche Maßnahmen plant die Staatsregierung zur Reduzierung der Missbrauchs- und Gewalterfahrungen von LGB-Schülerinnen und -Schüler in Bayern? Die Präventions- und Interventionsansätze bei der Bayerischen Polizei umfassen alle Bereiche der Gewaltanwendung und dienen sowohl der Prävention von Gewalt als auch der Beratung sowie Unterstützung von entsprechenden Opfern. Dabei setzt die Bayerische Polizei einen besonderen Schwerpunkt auf die nachhaltige Bekämpfung der Kinder- und Jugendkriminalität und entwickelt in enger Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Institutionen ihre präventiven und repressiven Maßnahmenpakete fort. Besteht der Verdacht einer Straftat, führt die Polizei unabhängig von Herkunft , Geschlecht und sexueller Neigung der beteiligten Personen die erforderlichen Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts durch. Gleichzeitig stehen bei allen Polizeipräsidien in Bayern die sog. „Beauftragten der Polizei für Kriminalitätsopfer“ (BPfK) als Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für (potenzielle) Gewaltopfer und damit auch für alle transsexuell/homosexuell orientierte Schülerinnen und Schüler zur Verfügung. Eine wesentliche Aufgabe der BPfK ist insbesondere, unter Beachtung des Legalitätsprinzips , die Information und Unterstützung von Opfern nach sexueller, körperlicher, aber auch seelischer Gewalt und damit die weitere Verhinderung von (Gewalt-)Straftaten . Hinsichtlich besonderer Formen der Gewalt und vorurteilsmotivierter Kriminalität gegenüber transsexuell/ homosexuell orientierten Personen bzw. Schülerinnen und Schülern existieren bei der Bayerischen Polizei keine speziellen bzw. geschlechterspezifischen Präventions- und Interventionsansätze . Das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst hat Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung in den bayerischen Schulen. Sie sollen helfen, Respekt und Toleranz gegenüber LBG-Schülerinnen und Schülern zu fördern. Außerdem beinhalten sie ein eigenes Kapitel zum Thema „Prävention von sexueller Gewalt“. Es ist vorgesehen, mithilfe von Fortbildungen für Lehrkräfte und Unterrichtsmaterialien diese Vorgaben der Richtlinien zu unterstützen. 3. c) Welche Maßnahmen plant die Bayerische Staatsregierung zur Reduzierung des Konsums legaler und illegaler Drogen unter LGB-Schülerinnen und -Schülern in Bayern? Die Bayerische Polizei führt präventive und repressive Maßnahmen im Bereich der Rauschgiftbekämpfung lageorientiert durch. Eine Differenzierung innerhalb des betroffenen Personenkreises bezogen auf dessen sexuelle Präferenz ist in der Regel nicht angezeigt. Aus polizeilicher Sicht wird ein gesamtheitlicher Rauschgift-Bekämpfungsund Präventionsansatz für zielführend erachtet. Damit wird auch vor dem Ziel der Reduzierung des Konsums von Drogen im Bereich von LBG- Schülerinnen und Schülern Rechnung getragen. Begleitend werden im Sinne der Inklusion in Bayern von verschiedenen Akteuren aufklärende und präventive Maßnahmen zur Eindämmung des Konsums legaler und illegaler Drogen durchgeführt, die alle Jugendlichen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, ansprechen. Zum Einsatz kommen sowohl Maßnahmen, die am Verhalten der Jugendlichen selbst ansetzen, wie z. B. die Alkohol Präventionsprojekte: „Starker Wille statt Promille“, „HaLT reaktiv“, „Discofieber“, zur Prävention von Partydrogen das Projekt „Mindzone“, bei erstauffälligen Drogenkonsumenten die Frühintervention „FreD“, ein Schülerwettbewerb zum Nichtrauchen in Bayern „Be Smart – Don‘t Start“, als auch verhältnispräventive Programme, z. B. HaLT proaktiv, die durch das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege unterstützt und begleitet werden. Die schulische Suchtprävention erfolgt gemäß den Richtlinien zur Suchtprävention an den bayerischen Schulen fächerübergreifend und mit dem Ziel, das „psychische Immunsystem “ aller Schülerinnen und Schüler zu stärken. Unabhängig von jeweils aktuell „auf dem Markt“ angebotenen Drogen liegt damit der Schwerpunkt der schulischen Suchtprävention auf einer umfassenden Förderung der Persönlichkeitsentwicklung und der Aneignung von Lebenskompetenzen, da in der bestmöglichen Stärkung der potenziellen Konsumenten eine große Chance liegt, dem dynamisch wachsenden Drogenangebot zu begegnen. In der Regel ist der Drogenkonsum von Schülerinnen und Schülern nicht bekannt, z. B. weil sie diesen zu verheimlichen versuchen. In denjenigen Einzelfällen, in denen ein Drogenmissbrauch an der Schule bekannt wird, handelt diese gemäß der „Hinweise an die Schulen zum Verhalten bei strafrechtlich relevanten Vorkommnissen und zur Beteiligung des Jugendamtes“ (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 23. September 2014). 4. c) Welche Maßnahmen plant die Staatsregierung zur Reduzierung der Prävalenz von Gefühlen der Hoffnungslosigkeit, Selbstmordgedanken und Selbstmordversuchen unter LGB-Schülerinnen und -Schülern in Bayern? Allgemein zeigen viele junge Menschen im Übergang zum Erwachsenenalter ein besonderes Risikoverhalten, auch suizidale Gedanken treten in dieser Altersgruppe vermehrt auf. Verschiedene Kampagnen des Staatministeriums für Gesundheit und Pflege adressieren explizit diese Altersgruppe. Dabei geht es insbesondere um die Stärkung der Risikokompetenz. Die Webseite des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege „Mit-Sicherheit-Besser“ berücksichtigt dabei beispielsweise verstärkt die LGB-Zielgruppe . Eigene Gesundheitsförderungsprogramme für LBG-Schülerinnen und -Schülern sind in Bayern derzeit nicht geplant. In diesem Zusammenhang wird auf vorliegende Materialien der Antidiskriminierungsstelle des Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/16120 Bundes verwiesen, z. B. die Broschüre „Gleiches Recht für jede Liebe“ zum „Themenjahr für sexuelle Vielfalt“ 2017 und die Link- und Materialiensammlung mit „Tipps für Schülerinnen und Lehrpersonal“ bei „Mobbing an der Schule wegen der sexuellen Identität“ auf der Internetseite der Antidiskriminierungsstelle. LBG-Schülerinnen und -Schülern steht, wie allen anderen Schülerinnen und Schülern, eine sehr breite Palette von Beratungs- und Hilfeangeboten bei Gefühlen von Hoffnungslosigkeit und suizidalen Gedanken zur Verfügung, wie z. B. ein kostenloses und anonymes, internetbasiertes Mailberatungsangebot für suizidgefährdete Jugendliche. 5. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Aussage des YRBS zum Auseinanderfallen von sexuellem Verhalten und sexueller Orientierung? Bei der Frage zur sexuellen Orientierung geht es darum, ob die Befragten sich primär als schwul, lesbisch, bisexuell, unsicher oder heterosexuell definieren. Zum Zweck der Analyse wurden die sich als schwul, lesbisch und bisexuell Bezeichnenden zu einer einzigen Gruppe zusammengefasst. Es ist davon auszugehen, dass ein Teil der jungen Menschen aufgrund von Diskriminierung und Stigmatisierung sowie einer Reihe von weiteren Herausforderungen, denen sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bzw. geschlechtlichen Zugehörigkeit in einer heteronormativen Umwelt gegenüberstehen (z. B. Coming-out) und die zusätzlich zu den in der Adoleszenz zu bewältigenden Entwicklungsaufgaben hinzukommen, Schwierigkeiten begegnen, die ein Auseinanderfallen von sexuellem Verhalten und sexueller Orientierung begünstigen. b) Teilt die Staatsregierung die Ansicht der Studienautorinnen und -autoren des YRBS, dass Erfahrungen von Diskriminierung und Stigmatisierung dazu führen können, dass LGB- Schülerinnen und -Schüler Schwierigkeiten mit ihrer sexuellen Orientierung haben (bitte um Begründung der Antwort)? Diskriminierung und Stigmatisierung aufgrund einer (vermuteten) nicht-heterosexuellen Orientierung kann bei Menschen jeglichen Lebensalters zu Beeinträchtigungen führen . Probleme verursachen in erster Linie nicht die Empfindungen der Menschen selber, sondern diskriminierende und stigmatisierende Erfahrungen in sozialen Begegnungen, die aus gesellschaftlichen oder politischen Haltungen resultieren. Hieraus können massive Ängste und Abwehrreaktionen bei Menschen entstehen, die sich nicht entsprechend dieser vermittelten Norm erleben. Es ist somit davon auszugehen, dass ein Teil der jungen Menschen aufgrund von Diskriminierung und Stigmatisierung sowie der Herausforderungen, denen sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in einer heteronormativen Umwelt (z. B. Coming-out) und den zusätzlich zu den in der Adoleszenz zu bewältigenden Entwicklungsaufgaben gegenüberstehen, Schwierigkeiten mit ihrer sexuellen Entwicklung haben. c) Welche Maßnahmen gegen Diskriminierung und Stigmatisierung von LGB-Schülerinnen und -Schülern hält die Staatsregierung vor dem Hintergrund der Ergebnisse des YRBS und vor dem Hintergrund der Tatsache für angezeigt, dass es in jeder bayerischen Schulklasse ein oder zwei betroffene Jugendliche gibt? Für jede Schülerin bzw. jeden Schüler und damit auch für LBG- Schülerinnen und Schüler sollte die Schule ein Schutzraum vor Missbrauch und sexualisierter Gewalt sein. In präventiver Weise, aber auch bei einschlägigen Vorkommnissen können die Schulen auf Instrumentarien und Programme der Gewaltund Missbrauchsprävention zurückgreifen, die auch diesen Schülerinnen und Schülern positiv zugutekommen. Weitere Maßnahmen zielen auf die Stärkung der Selbstkompetenz, die Entwicklung eines stabilen Selbstwertgefühls und die Stärkung der Sozialkompetenz. Sie reichen von der Wertebildung als schulischem Auftrag über Lebenskompetenzprogramme, wie „Lions-Quest“, zu spezifischer Missbrauchsprävention, wie z. B. „Mit mir nicht!“ oder „Trau-Dich!“. 6. a) Plant die Staatsregierung die Durchführung einer dem YRBS vergleichbaren Untersuchung im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung auch in Bayern (bitte um Begründung der Antwort)? Eine solche Untersuchung ist im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung aufgrund der oben angesprochenen grundsätzlichen methodischen Probleme nicht geplant. Der begrenzte Nutzen, der aus wenig aussagekräftigen Studien für die konkrete Ausrichtung von Versorgungs- und Präventionsangeboten resultiert, steht in keinem Verhältnis zum Aufwand. b) Wird sich die Staatsregierung für die Durchführung einer dem YRBS vergleichbaren Untersuchung auf Bundesebene – etwa im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung des Robert-Koch- Instituts – einsetzen (bitte um Begründung der Antwort)? Eine Untersuchung zu Fragen der Jugendgesundheit gibt es auf Bundesebene bereits. Das Robert-Koch- Institut führt in mehrjährigem Abstand den Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) durch. Derzeit läuft die Feldphase der 2. Erhebungswelle. Vor 2020 ist eine weitere Erhebung nicht zu erwarten. Fragen zu stark tabuisierten Themen sexueller Orientierung, Sexualverhalten, illegalen Drogen, Missbrauch und Gewalterfahrung stehen aller dings nicht im Fokus des KIGGS, u. a. weil der Unter suchungsrahmen dafür nicht gut geeignet ist. c) Plant die Staatsregierung die Entwicklung und nachhaltige Finanzierung von Gesundheitsförderungsprogrammen für LGB-Schülerinnen und -Schüler (bitte um Begründung der Antwort)? Gesundheitsbildung an den bayerischen Schulen zielt ganz allgemein auf die Stärkung der Persönlichkeit, der Sozialfähigkeit und auf eine erfolgreiche Bewältigung von Konflikten, Enttäuschungen und Stress. Daher ist es sinnvoll und notwendig, das Thema in den größeren Zusammenhang der Gesundheitsförderung im Rahmen eines umfassenden Schulentwicklungsansatzes zu integrieren. Über den Unter richt hinaus wird daher durch Einbeziehung der gesamten Schulfamilie, also von Schülerinnen und Schülern, Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrern, die alltägliche Schul praxis möglichst gesundheitsförderlich gestaltet, um ent sprechendes Denken und Handeln nach und nach zur Norm werden zu lassen. Dies erfolgt derzeit in Bayern durch das Landesprogramm „Gute gesunde Schule“. Im Regelfall ist die sexuelle Orientierung der Schülerinnen und Schüler der Schule nicht bekannt. In denjenigen Einzelfällen, in denen eine entsprechende Kenntnis vor handen ist, kann die Schule, wenn nötig, betroffene Schülerinnen und Schüler auf die zahlreich existierenden Angebote staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen aufmerksam machen.