Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Martin Stümpfig BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 06.03.2014 Straßenbäume Ich frage die Staatsregierung: 1. Besteht eine generelle Verpflichtung der Bauämter bzw. Straßenmeistereien, im Sinne der ESAB oder ähnlicher Richtlinien Bäume mit einem Stammdurchmesser am Fahrbahnrand zu entfernen? a) Wenn ja: Wie begründet sich diese Verpflichtung, für wen gilt sie und gibt es zeitliche Fristen? 2. Auf welcher Breite ab Fahrbahnrand und ab welchem Stammdurchmesser gilt diese Verpflichtung? a) Wenn nein: Worin besteht die Sinnhaftigkeit, an gleichartigen Straßen sukzessive großkronige Bäume in mehr oder weniger großer Zahl zu roden, einen Teil aber zu belassen? 3. Handeln Bauämter bzw. Straßenmeistereien richtig, wenn sie aus Heckenpflanzungen gezielt Bäume entfernen , damit zukünftig gar keine Überhälter mehr vorhanden sind? 4. Gibt es eine Anordnung, dass in dieser Art bereits jüngere Bäume ab etwa 8 cm entfernt werden, um das Aufkommen stammstärkerer Bäume möglichst von Anfang an zu verhindern? 5. Ist es im Interesse der Bayerischen Staatsregierung, Bundes-, Staats- und andere Straßen zukünftig im Wesentlichen baumfrei zu halten? a) Wenn ja: Wie und auf welcher Rechtsgrundlage sollen dann die straßenangrenzenden Wälder einbezogen werden? b) Wenn nein: Worin sieht die Staatsregierung die Sinnhaftigkeit , zwar straßenbegleitende Bäume im öffentlichen Eigentum entfernen zu lassen, nicht jedoch straßenbegleitende private Wälder bzw. Privatbäume? 6. Wie will die Staatsregierung den ökologischen Substanzverlust vermeiden, der mit den Baumrodungen am Straßenrand verbunden ist? 7. Wie verhält sich die Staatsregierung zum Widerspruch , die Verkehrssicherheit durch Baumrodungen steigern zu wollen, wenn damit gleichzeitig die psychologische Bremswirkung straßennaher Baumbestände entfÄllt? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 04.04.2014 1. Besteht eine generelle Verpflichtung der Bauämter bzw. Straßenmeistereien, im Sinne der ESAB oder ähnlicher Richtlinien Bäume mit einem Stammdurchmesser am Fahrbahnrand zu entfernen? a) Wenn ja: Wie begründet sich diese Verpflichtung, für wen gilt sie und gibt es zeitliche Fristen? Frage 1 und 1 a werden wegen ihres Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Nach § 4 Satz 1 und 2 Bundesfernstraßengesetz (FStrG) haben die Straßenbaulastträger dafür einzustehen, dass ihre Bauten allen Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen. Die Einhaltung dieser Sicherheitsstandards haben die Straßenbaubehörden in eigener Verantwortung zu gewährleisten. Entsprechende Regelungen enthält das Bayerische Straßen- und Wegegesetz (BayStrWG). Gemäß Art. 9 Abs. 2 BayStrWG sind bei Bau und Unterhaltung der Straßen die allgemein anerkannten Regeln der Baukunst und Technik zu beachten. Die Anforderungen aus der Straßenbaulast und der Verkehrssicherungspflicht sind im konkreten Einzelfall abzuwägen , insbesondere mit den Belangen von Natur und Landschaft unter Berücksichtigung der guten fachlichen Praxis der Gehölzpflege. Deshalb kann die Entscheidung, ob Bäume am Fahrbahnrand zu entfernen sind oder nicht, von der zuständigen Straßenbaubehörde nur im konkreten Einzelfall getroffen werden. Eine generelle Verpflichtung ist in Rechts- und Verwaltungsvorschriften nicht festgelegt. Fristen für Maßnahmen an Straßenpflanzungen sind in den Naturschutzgesetzen geregelt. Demnach ist es gem. § 39 Abs. 5 Ziff. 2 BNatSchG verboten, Bäume außerhalb des Waldes, Hecken, Gebüsche und andere Gehölze wegen ihrer Funktion für den allgemeinen Artenschutz in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September abzuschneiden oder auf Stock zu setzen. 2. Auf welcher Breite ab Fahrbahnrand und ab welchem Stammdurchmesser gilt diese Verpflichtung ? a) Wenn nein: Worin besteht die Sinnhaftigkeit, an gleichartigen Straßen sukzessive großkronige Bäume in mehr oder weniger großer Zahl zu roden , einen Teil aber zu belassen? Frage 2 und 2 a werden wegen ihres Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Vor der Umsetzung von Maßnahmen zur Verkehrssicherheit an BestandSstrecken ist grundsätzlich zu prüfen, ob Unfallhäufungsstellen oder -linien mit Überwiegen der Unfallart „Abkommen von der Fahrbahn“ oder Baumunfallhäufungen gemäß 5-Jahres-Sonderkarte im betrachteten Straßenabschnitt vorhanden sind. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 23.05.2014 17/1622 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/1622 Sofern keine der obigen Unfallhäufungen vorliegt, sind keine weiteren Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Sofern obige Unfallhäufungen vorhanden sind und andere geeignete Abhilfemaßnahmen ausscheiden, sind die Hindernisse zu beseitigen, sofern diese sich innerhalb eines kritischen Abstandes befinden. Der Abstand ist abhängig von der zulässigen Geschwindigkeit und der Böschungshöhe einer Straße und beträgt beispielsweise bei einer zulässigen Geschwindigkeit von 100 km/h und ebenem Gelände 7,50 m. Die gute fachliche Praxis der Gehölzpflege erfordert regelmäßige Pflegemaßnahmen zur BestandSsicherung. Besonders ältere Bestände weisen häufig geringe Pflanzabstände und einen hohen Baumanteil auf, was vermehrt zu langschaftigen und instabilen Bäumen entlang von Straßen führt. Durch gezieltes auf Stock setzen und verstärktes Entfernen dieser kleinkronigen Bäume verbunden mit der Förderung einzelner Überhälter zu großkronigen Bäumen sollen mehrstufige Bestände mit ausreichendem Strauchanteil und stabilen Bäumen geschaffen werden. Dabei ist auch den Belangen der Verkehrssicherheit ein besonderes Augenmerk zu widmen. Die Rodung großkroniger Bäume ist grundsätzlich nicht Bestandteil von Gehölzpflegekonzepten . Sie kann jedoch notwendig werden, wenn von Bäumen Gefahren für den Verkehrsteilnehmer durch Astabbruch oder Umstürzen entstehen können. 3. Handeln Bauämter bzw. Straßenmeistereien richtig , wenn sie aus Heckenpflanzungen gezielt Bäume entfernen, damit zukünftig gar keine Überhälter mehr vorhanden sind. Siehe Beantwortung der Frage 2 und 2 a. 4. Gibt es eine Anordnung, dass in dieser Art bereits jüngere Bäume ab etwa 8 cm entfernt werden, um das Aufkommen stammstärkerer Bäume möglichst von Anfang an zu verhindern? Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat für seine neu zu bauenden Autobahnen und autobahnähnlichen Straßen mit Allgemeinem Rundschreiben Straßenbau (ARS) 20/2010 vom 20.12.2010 vorgegeben, auf Baumpflanzungen innerhalb der kritischen Abstände zu verzichten. Für die übrigen Straßen gilt, dass Bäume im Laufe ihres Wachstums zu Anprallhindernissen werden, wenn sie innerhalb des kritischen Abstandes stehen und ihr Stammumfang mehr als 25 cm beträgt. Sie sind dann als nicht verformbare Einzelhindernisse im Sinne der Richtlinien zu behandeln. Bäume werden zur Verbesserung der Verkehrssicherheit an Unfallhäufungsstellen oder Baumunfallhäufungsstellen entfernt, wenn andere geeignete Abhilfemaßnahmen ausscheiden und die abwägende Entscheidung im konkreten Einzelfall getroffen wurde. Dies ist notwendig, weil auch 2013 in Bayern wieder 94 Personen an Straßenbäumen ums Leben kamen. Wie in der Beantwortung zu Frage 2 und 2 a dargestellt, werden im Rahmen der guten fachlichen Praxis der Gehölzpflege nicht zukunftsfähige Bäume (langschaftig, kleinkronig und instabil) in flächigen Gehölzbeständen mit zu hohem Baumanteil entfernt, um zukunftsfähige großkronige Bäume von bedrängenden Bäumen freizustellen. 5. Ist es im Interesse der Bayerischen Staatsregierung , Bundes-, Staats- und andere Straßen im Wesentlichen baumfrei zu halten? a. Wenn ja: Wie und auf welcher Rechtsgrundlage sollen dann die straßenangrenzenden Wälder einbezogen werden? Die Fragen 5 und 5 a werden wegen ihres Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Es ist nicht im Sinne der Bayerischen Staatsregierung, Bundes-, Staats- und andere Straßen im Wesentlichen baumfrei zu halten. Die Staatsregierung hält dies weder für sinnvoll noch aus Verkehrssicherheitsgründen für notwendig . Bäume an Straßen sind naturschutzrechtlich für den Naturhaushalt und das Landschaftsbild von Bedeutung. Sie sind vielfach prägend für die Kulturlandschaft und besitzen insbesondere in der Nähe von bebauten Bereichen eine Vielzahl an Wohlfahrtswirkungen wie z. B. Abschirmung, Beschattung und Klimarelevanz. Bäume können einzeln oder als Bestandteil eines flächigen Gehölzbestandes als Vermeidungsmaßnahme im Sinne der erforderlichen Erfüllung der Eingriffsregelung zur landschaftsgerechten Wiederherstellung oder Neugestaltung des Landschaftsbildes dienen. Bäume können landschaftsprägende Elemente im Zuge von Straßen sein, ohne die Verkehrssicherheit zu gefährden . Um den Erfordernissen der Verkehrssicherheit zu genügen, müssen sie daher weit genug vom Straßenrand entfernt gepflanzt werden. Wenn aus Gründen des Landschaftsbildes oder anderen Gründen eine nähere Pflanzung erforderlich ist, werden diese mit Schutzplanken gesichert. b) Wenn nein: Worin sieht die Staatsregierung die Sinnhaftigkeit, zwar straßenbegleitende Bäume im öffentlichen Eigentum entfernen zu lassen, nicht jedoch straßenbegleitende private Wälder oder Privatbäume? Wie oben dargestellt werden Gehölzpflegemaßnahmen auf Flächen der Straßenbauverwaltung nach guter fachlicher Praxis durchgeführt. Für das Entfernen von Bäumen auf fremdem Grund durch die Straßenbauverwaltung ist im Regelfall das Einvernehmen des Grundeigentümers erforderlich ; zur Abwehr von Gefahren kann dies im Einzelfall entbehrlich sein. Dem Grundstückseigentümer obliegt grundsätzlich die Verkehrssicherungspflicht für die Bäume auf seinem Grundstück. 6. Wie will die Staatsregierung den ökologischen Substanzverlust vermeiden, der mit den Baumrodungen am Straßenrand verbunden ist? Bei jeder Pflegemaßnahme an Straßengehölzen und Straßenbäumen werden Pflanzen und/oder Tiere sowie Lebensstätten kurzfristig beeinträchtigt. Die Gehölzpflegemaßnahmen werden grundsätzlich so durchgeführt, dass erhebliche Beeinträchtigungen im Sinne der Eingriffsregelung des § 15 BNatSchG vermieden und die Vorschriften des Artenschutzes eingehalten werden. Wenn – wie bei Baumfällungen – erhebliche Beeinträchtigungen verbleiben, werden diese mit Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen in Abstimmung mit den Naturschutzbehörden kompensiert. Drucksache 17/1622 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 7. Wie verhält sich die Staatsregierung zum Widerspruch , die Verkehrssicherheit durch Baumrodungen steigern zu wollen, wenn damit gleichzeitig die psychologische Bremswirkung straßennaher Baumbestände entfällt? Eine psychologische Bremswirkung durch Straßenbäume ist nicht bekannt. Im Einzelfall können Pflanzungen an Straßen den Verkehrsraum optisch verdeutlichen. Die vielen Unfälle an Straßenbäumen zeigen jedoch, dass die vermutete Wirkung regelmäßig nicht eintritt.