17. Wahlperiode 30.05.2017 17/16286 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 14.12.2016 Bildung und Arbeit für Menschen mit Migrationshintergrund in Bayern – Teil 1 Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Wie lange ist die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von Geduldeten aus Ländern mit wenig aussichtsreicher Bleibeperspektive in Bayern (bitte nach Nationalitäten auflisten)? 1.2 Bei welchen Personengruppen aus welchen Ländern wird von einer hohen Bleibeperspektive ausgegangen? 1.3 Fallen darunter auch Menschen, die aufgrund eines Abschiebeverbotes bereits seit Jahren in Bayern leben? 2.1 Welche Bildungsstandards und -ziele sollen in Aufnahmeeinrichtungen künftig gewährleistet werden? 2.2 Wie kann die Wahrnehmung von Bildungsangeboten verbessert werden, woran hapert es derzeit? 2.3 Welche Hindernisse gibt es derzeit und wie können diese behoben werden? 3. Werden die schulischen Angebote in Bezug auf die Flächendeckung (insbesondere im ländlichen Raum) als ausreichend erachtet? 4.1 Wie erklärt sich der höhere Anteil von Schulabbrüchen bei Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund ? 4.2 Was unternimmt die Staatsregierung dagegen? 4.3 Worin liegen die Gründe dafür, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund öfter eine Mittelschule oder ein Förderzentrum besuchen? 5.1 Was beabsichtigt die Staatsregierung, angesichts der Tatsache, dass sich durch einen schlechten Schulabschluss Schwierigkeiten beim Erhalt einer Ausbildungsstelle ergeben, zu tun, damit Jugendliche mit Migrationshintergrund eine echte Perspektive erhalten? 5.2 Decken die derzeit verfügbaren Ausbildungsakquisiteurinnen und Ausbildungsakquisiteure den bestehenden Bedarf? 5.3 Decken die geplanten 1.000 JaS-Stellen (JaS = Jugendsozialarbeit an Schulen) den aktuellen Bedarf der Schulen oder könnte da noch nachgebessert werden ? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 6.1 Welche Bildungs(weiter)angebote gibt es für erwachsene Migrantinnen und Migranten? 6.2 Wäre es auch Sicht der Staatsregierung sinnvoll, das Projekt „ProLesen“ an mehr Schulen als bisher durchzuführen ? 6.3 Wenn ja, ist dies in nächster Zukunft geplant? Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 03.04.2017 Die Schriftliche Anfrage wird unter Einbeziehung von Beiträgen des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr und des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt beantwortet: 1.1 Wie lange ist die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von Geduldeten aus Ländern mit wenig aussichtsreicher Bleibeperspektive in Bayern (bitte nach Nationalitäten auflisten)? Die nachgefragten Daten werden statistisch nicht erfasst und können mit vertretbarem Aufwand auch nicht ermittelt werden. 1.2 Bei welchen Personengruppen aus welchen Ländern wird von einer hohen Bleibeperspektive ausgegangen ? Die Herkunftsstaaten, bei deren asylsuchenden Staatsangehörigen ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist, werden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bestimmt. Aktuell zählen hierzu Staatsangehörige aus den Herkunftsstaaten Eritrea, Irak, Iran, Somalia und Syrien. 1.3 Fallen darunter auch Menschen, die aufgrund eines Abschiebeverbotes bereits seit Jahren in Bayern leben ? Sofern das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Abschiebungsverbote feststellt, soll dem Ausländer nach § 25 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, was nahezu immer erfolgt. Diese Personen besitzen daher bereits einen Aufenthaltstitel für die Bundesrepublik Deutschland, der neben einem legalen Aufenthalt auch einen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht. Die Notwendigkeit einer im Vorfeld der asylrechtlichen Entscheidung zu treffenden Prognose besteht daher nicht. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/16286 2.1.Welche Bildungsstandards und -ziele sollen in Aufnahmeeinrichtungen künftig gewährleistet werden? 2.2 Wie kann die Wahrnehmung von Bildungsangeboten verbessert werden, woran hapert es derzeit? 2.3 Welche Hindernisse gibt es derzeit und wie können diese behoben werden? Der Landtag, das Staatsministerium für Bildung und Kultus , Wissenschaft und Kunst und die Schulverwaltung im Freistaat Bayern unternehmen unter hohem Einsatz von Personal und Mitteln große Anstrengungen, die Integration geflüchteter Kinder und Jugendlicher in die Gesellschaft durch spezielle Förderung zu erleichtern und ihre Chancen zu erhöhen, im Land Fuß zu fassen. Auch für die schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen in den Aufnahmeeinrichtungen gibt es passgenaue Angebote. Dort bietet der Freistaat grundsätzlich einen Unterricht in Übergangsklassen für die Vollzeitschulpflichtigen und in Sprachintensivklassen für die Berufsschulpflichtigen. Es gelten die Bildungsstandards und Bildungsziele des bayerischen Bildungssystems, wobei es aufgrund der Gegebenheiten vor Ort bei den Übergangsklassen zu Einschränkungen im Bereich der Wahlpflichtfächer oder beim Sport kommen kann. Staatliche Lehrkräfte mit den entsprechenden Lehramtsbefähigungen stehen für den Unterricht zur Verfügung. Die Wahrnehmung dieser Angebote ist generell positiv. Durch die Einbeziehung der Leitungen der jeweiligen Einrichtungen und der ehrenamtlichen Helferstrukturen ist eine Kenntnis der Angebote insgesamt gewährleistet. Eine Herausforderung bei den Beschulungsmaßnahmen in den Aufnahmeeinrichtungen ist die Fluktuation der Bewohner , die zum Teil kurzfristige und flexible Anpassungen der Angebote erfordert. 3. Werden die schulischen Angebote in Bezug auf die Flächendeckung (insbesondere im ländlichen Raum) als ausreichend erachtet? Ja, denn sowohl an den Grund- und Mittelschulen als auch an den beruflichen Schulen wurden die bewährten schulischen Angebote für schul- bzw. berufsschulpflichtige Seiteneinsteiger (v. a. Asylbewerber und Flüchtlinge) wie Übergangs- und Berufsintegrationsklassen bedarfsgerecht ausgeweitet. Daneben ergänzen die Förderschulen, Förderberufsschulen , Realschulen, Gymnasien und beruflichen Oberschulen das Angebot mit ihren besonderen Maßnahmen zur Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit Flucht- bzw. Migrationshintergrund (u. a. SPRINT, InGym und Integrations-Vorklasse). 4.1 Wie erklärt sich der höhere Anteil von Schulabbrüchen bei Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund ? Ein wiederholtes oder dauerhaftes Fernbleiben von der Schule sowie ein Abbruch des Schulbesuchs können unterschiedliche Ursachen haben. Gründe für den höheren Anteil von Schulabbrüchen von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund können in einer Sozialisierung in bildungsfernen Milieus, weniger stark ausgeprägten sprachlichen Kompetenzen oder im späteren Eintritt in das bayerische Schulsystem bestehen. 4.2 Was unternimmt die Staatsregierung dagegen? Das differenzierte bayerische Schulwesen bietet verschiedene Bildungsgänge. Ziel ist, Begabungen und Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu fördern. Um die Kinder und Jugendlichen bei der Entscheidung im Blick auf den für sie jeweils am besten geeigneten Bildungsgang zu unterstützen, stehen an den Einzelschulen kompetente Ansprechpartner zur Verfügung. Dies sind an den Schulen vor Ort insbesondere die Beratungslehrkräfte und die Schulpsychologinnen und Schulpsychologen, die bei Fragen der Eignung, speziellen Begabungen etc. Schülerinnen und Schüler sowie deren Erziehungsberechtigte beratend unterstützen. In den Regierungsbezirken stehen an den insgesamt neun Staatlichen Schulberatungsstellen (eine pro Regierungsbezirk , drei in Oberbayern) besonders erfahrene Beratungslehrkräfte und Schulpsychologinnen und Schulpsychologen für eine fundierte Schullaufbahnberatung zur Verfügung (www.schulberatung.bayern.de). Zusätzlich zur persönlichen Beratung wird mit dem interaktiven Programm „Mein Bildungsweg“ (http://www. meinbildungsweg.de/) eine sehr anschauliche Orientierungsmöglichkeit zum vielfältig differenzierten bayerischen Schulsystem über das Internet angeboten, das nicht nur in Deutsch, sondern auch in Englisch, Französisch, Russisch, Türkisch, Spanisch, Arabisch und Tschechisch verfügbar ist. Die Überwindung von Sprachbarrieren und die Förderung der Deutschkenntnisse sind die Basis für einen erfolgreichen Bildungsweg und die schulische Integration. Die umfassenden Deutschfördermaßnahmen an Grund- und Mittelschulen sowie Berufsschulen unterstützen eine möglichst frühzeitige Integration der jungen Menschen mit Migrationshintergrund in den Regelunterricht. An vielen Förderberufsschulen wird zudem das Konzept „Einfache Sprache“ eingesetzt. Aufgaben werden in einfacher Sprache formuliert, um sprachliche Hürden für jugendliche Flüchtlinge bei der fachlichen Ausbildung zu mindern. In Berufsintegrations- und Sprachintensivklassen werden Schüler mit erhöhtem Sprachförderungsbedarf zusätzlich unterstützt. Als wirksame Maßnahme gegen Schulabbruch sind ferner die verschiedenen Maßnahmen zur Berufsorientierung zu werten (Beschreibung in der einschlägigen Broschüre unter: http://www.km.bayern.de/schueler/nach-der-schule. html), die mittlerweile an allen bayerischen Schulen gängige Praxis sind und Schülerinnen und Schülern dabei helfen, Ideen, Vorstellungen und Pläne für das spätere Berufsleben zu entwickeln. Neben diesen allgemeinen Maßnahmen zur Prävention von Schulabbruch hält die Bayerische Staatsregierung – wie bei der Antwort auf die dritte Frage dargelegt – vielfältige Maßnahmen zur individuellen und passgenauen Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund vor, darunter den Einsatz von Förderlehrkräften und Schulpsychologinnen und Schulpsychologen oder auch die Bildung von Praxisklassen an Mittelschulen. Diese vom Europäischen Sozialfonds (ESF)geförderten Klassen unterstützen Schülerinnen und Schüler mit großen Lern- und Leistungsrückständen, die durch eine spezifische Förderung zu einer positiven Lern- und Arbeitshaltung geführt und durch die Kooperation mit der Wirtschaft im Rahmen von Praktika in das Berufsleben begleitet werden. Der Ausbau der ganztägigen Betreuungsangebote an Schulen mit erweiterten Möglichkeiten einer individuellen Förderung leistet ebenfalls einen Beitrag. Auch die Pflege der Erziehungspartnerschaft zwischen Elternhaus und Schule steht im Fokus der schulischen Auf- Drucksache 17/16286 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 gaben und dient der Prävention von Schulabbruch. Es gilt dabei, Erziehungsberechtigte für den richtigen Umgang mit ihren Kindern in schwierigen Situationen zu sensibilisieren und auf Unterstützungssysteme hinzuweisen. 4.3 Worin liegen die Gründe dafür, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund öfter eine Mittelschule oder ein Förderzentrum besuchen? Die bayerische Mittelschule stellt ein Bildungsangebot dar, das sowohl von Eltern als auch von Arbeitgebern geschätzt wird. Sie führt mit ihren spezifischen Fördermöglichkeiten die Schülerinnen und Schüler zu Bildungsabschlüssen, die auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt sind, bzw. eröffnet Optionen zur Fortsetzung des Bildungswegs in weiterführenden Schulen . Bestimmte Elemente des Bildungsangebots der Mittelschule stellen insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund eine wichtige Unterstützung dar, etwa die vielfältigen Maßnahmen zur Deutschförderung, ein Bereich, in dem die Mittelschulen über eine hohe diagnostische Kompetenz und viel Erfahrung verfügen. Auch das Klassenlehrerprinzip sowie die Möglichkeit lernzieldifferenzierten Unterrichts kommen den heterogenen Förderbedarfen von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund entgegen. Für Kinder von Asylbewerbern und Flüchtlingen im entsprechenden Alter, die ohne Deutschkenntnisse in Bayern ankommen, sind die Mittelschulen in der Regel der geeignete Lernort, um sich möglichst schnell im deutschen Bildungssystem integrieren zu können. Der Besuch der Mittelschule, insbesondere der an diesen eingerichteten Übergangsklassen , hilft ihnen dabei, möglichst schnell die deutsche Sprache zu lernen und sich mit unseren Grundwerten vertraut zu machen. Für die Konzentration auf diese Bildungsziele bietet insbesondere die Mittelschule vergleichsweise günstige Bedingungen. Von Vorteil ist auch, dass an den Mittelschulen Fachkräfte für Jugendsozialarbeit eingesetzt sind, die die Integration der jungen Menschen, die ggf. traumatisierende Erlebnisse auf der Flucht zu verarbeiten haben, begleiten können. Die Aufnahme an der Förderschule setzt voraus, dass ein gutachterlich festgestellter sonderpädagogischer Förderbedarf vorliegt. Nicht vorhandene oder mangelnde Deutschkenntnisse sind nicht gleichbedeutend mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf. 5.1 Was beabsichtigt die Staatsregierung, angesichts der Tatsache, dass sich durch einen schlechten Schulabschluss Schwierigkeiten beim Erhalt einer Ausbildungsstelle ergeben, zu tun, damit Jugendliche mit Migrationshintergrund eine echte Perspektive erhalten? Die Maßnahmen der Staatsregierung zielen darauf ab, insbesondere den zeitnahen Übergang von leistungsschwächeren Jugendlichen – mit oder ohne Migrationshintergrund – in ein Ausbildungsverhältnis zu unterstützen. In der „Allianz für starke Berufsbildung in Bayern“ sind die Maßnahmen der Staatsregierung und der Wirtschaft gebündelt mit dem Ziel, für jeden ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen jungen Menschen einen Ausbildungsplatz oder eine angemessene Alternative bereitzustellen. Das Programm „Fit for Work“ ist ein maßgebliches Element der „Allianz für starke Berufsbildung in Bayern“ und richtet den Fokus auf leistungsschwächere oder benachteiligte Jugendliche. Mit den Maßnahmen des Programms „Fit for Work“ werden bayerische Unternehmen gefördert, wenn sich diese auch für Jugendliche öffnen, die wegen Bildungs - oder Qualifizierungsdefiziten nur geringe Chancen auf dem Ausbildungsstellenmarkt haben. Gefördert wird die betriebliche Ausbildung einer/eines Jugendlichen mit einem Zuschuss zu den Kosten der Ausbildungsvergütung in Höhe von bis zu 4.400 Euro. Berücksichtigt werden junge Menschen, • die für eine erfolgreiche Ausbildung auf die Unterstützung durch ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) oder die Assistierte Ausbildung (AsA) angewiesen sind (§§ 75, 130 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III) oder • die eine betriebliche Ausbildung in einem Teilzeitausbildungsverhältnis machen wollen (z. B. Alleinerziehende) oder • die als Schülerin/Schüler die Praxisklasse einer bayerischen Mittelschule verlassen haben oder die allgemeinbildende Schule ohne Schulabschluss verlassen haben oder • Jugendliche mit erfolgreichem Abschluss der Mittelschule als höchstem Schulabschluss (keine Förderung bei Quali ), wenn die allgemeinbildende Schule bereits im Vorjahr oder früher verlassen wurde („Altbewerber“). Die Maßnahme „Fit for Work – Chance Ausbildung“ stellt dafür im Förderzeitraum 2014 bis 2020 jährlich 3,9 Mio. Euro aus dem Europäischen Sozialfonds bereit, um die Ausbildungschancen von jungen Deutschen und Jugendlichen aus EU-Mitgliedsstaaten zu stärken. Von der Förderung profitieren auch Jugendliche aus Drittstaaten, soweit sich diese mit gesichertem Aufenthaltsstatus in Bayern aufhalten. Ergänzend fördert die Maßnahme „Fit for Work für Geflüchtete “ aus Landesmitteln mit jährlich rd. 2,5 Mio. Euro die Betriebe, die junge Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive oder Geduldete ausbilden. Die sog. Ausbildungsakquisiteure für Flüchtlinge geben durch persönliche Kontakte mit Elternhäusern und Multiplikatoren Informationsangebote über Chancen und Möglichkeiten des dualen Ausbildungssystems. Durch ihr großes Netzwerk ist es den Akquisiteuren möglich, die Ausbildungsplatzsuchenden am Übergang Schule – Beruf und die Betriebe auf der Suche nach geeignetem Nachwuchs milieuspezifisch zu unterstützen. Für die zusätzlichen Akquisiteure für Flüchtlinge sind auch im Jahr 2017 1,62 Mio. Euro vorgesehen. Die bereits genehmigten zusätzlichen 25 Ausbildungsakquisiteure für Flüchtlinge (Stand 01.01.2017) sollen anerkannte jugendliche Flüchtlinge, junge Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive oder junge Geduldete, die peergroups (Gruppen von jugendlichen Flüchtlingen, die sich an bestimmten Treffpunkten aufhalten und untereinander eine große Solidarität haben) und Familien pro-aktiv aufsuchen und über die Möglichkeiten einer Berufsausbildung informieren sowie Hilfestellungen leisten. Sie stehen aber auch für Betriebe, die diese Flüchtlinge ausbilden, als Ansprechpartner zur Verfügung und verfolgen einen Netzwerkansatz. Im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe engagiert sich die Bayerische Staatsregierung seit Jahrzehnten durch zwei bundesweit beachtete Förderprogramme der Jugendsozialarbeit nachhaltig für die Chancengerechtigkeit sozial benachteiligter und individuell beeinträchtigter junger Menschen . Wenngleich es sich hier um eine kommunale Aufgabe handelt, werden allein im Jahr 2017 hierfür rund 23 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Ziel der Jugendsozialarbeit ist, die Zielgruppe (§ 13 Achtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VIII) zu unterstützen, damit sie ihr Leben meistern, in der Schule erfolgreich sind und Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/16286 am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt Fuß fassen. Auch zur Integration junger Migrantinnen und Migranten und Flüchtlinge leistet die Jugendsozialarbeit einen wichtigen Beitrag. • Mit der Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS; seit dem Jahr 2002) wird die Zielgruppe dort errreicht, wo sie sich aufhält. Sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche erhalten so individuelle Hilfe, um sich in die Gesellschaft zu integrieren, in der Schule erfolgreich zu sein und den Übergang in die Arbeitswelt zu meistern. Durch den Einsatz von JaS-Fachkräften an der Schule wird eine optimale Kooperation sichergestellt. JaS ist die „Filiale“ des Jugendamts an der Schule. Aufgrund der Zunahme von jungen Migrantinnen und Migranten und Flüchtlingen hat die Staatsregierung am 09.10.2015 beschlossen, den Ausbau der JaS zu beschleunigen und Einsatzorte mit hohem Migrantenanteil zu priorisieren. Bereits bis zum Ende des Jahres 2018 werden Freistaat und Kommunen das Ziel von 1.000 Stellen (Vollzeitäquivalente) erreicht haben. Hierfür sind im Doppelhaushalt 2017/18 für das Jahr 2017 17,48 Mio. Euro und für das Jahr 2018 18,22 Mio. Euro vorgesehen. Bayernweiter Ausbaustand zum 01.01.2017: 810 Stellen an insgesamt 1.089 Einsatzorten. • Mit der Arbeitsweltbezogenen Jugendsozialarbeit (AJS – seit dem Jahr 1983) nimmt der Freistaat sich der jungen Menschen an, die besondere Schwierigkeiten haben, ihren Platz in der Arbeitswelt zu finden, um sie beruflich und sozial einzugliedern. In Bayern gibt es hierfür ein hochwertiges Angebot an erfolgreichen ganzheitlichen Qualifizierungs- und Ausbildungsprojekten, insbesondere in Jugendwerkstätten. Durch passgenaue Hilfen wird den Teilnehmenden eine nachhaltige Eingliederung in die Arbeitswelt ermöglicht und ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit geleistet. Gefördert werden außerbetriebliche Ausbildungsprojekte und Vorschaltprojekte, in denen soziale Kompetenzen und berufliche Fertigkeiten vermittelt werden. Das Angebot richtet sich auch an junge anerkannte Asylberechtigte sowie Asylbewerber mit einer Aufenthaltsgestattung bzw. Beschäftigungserlaubnis, sofern sie über ausreichende Sprachkenntnisse verfügen. Mit Blick auf diese Zielgruppe hat der Freistaat die Förderung ab 2016 um 1,5 Mio. Euro erhöht. Für die AJS stehen im Landeshaushalt 2017 rd. 6,2 Mio. zur Verfügung, zudem 40 Mio. Euro ESF-Mittel von 2014 bis 2020. Seit Beginn des aktuellen ESF-Förderzeitraums wurden 108 Projekte in die Förderung aufgenommen (Stand 01.01.2017). 5.2 Decken die derzeit verfügbaren Ausbildungsakquisiteurinnen und Ausbildungsakquisiteure den bestehenden Bedarf? Der Bedarf an Ausbildungsakquisiteuren ist derzeit gedeckt. Für die Ausbildungsakquisiteure für Flüchtlinge ist der Bedarf so gut wie gedeckt, da nahezu alle Stellen besetzt sind. Ob sich ein erhöhter Bedarf ergibt, wenn die Anzahl der Abgänger der Berufsintegrationsklassen steigt, wird zu gegebener Zeit zu überprüfen sein. 5.3 Decken die geplanten 1.000 JaS-Stellen den aktuellen Bedarf der Schulen oder könnte da noch nachgebessert werden? Aufgrund der Tatsache, dass die JaS eine Leistung der Jugendhilfe ist, sind ausschließlich die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, somit die Jugendämter, für die Bedarfsfeststellung und -deckung zuständig. Sie haben die Möglichkeit, auf der Grundlage der staatlichen Förderrichtlinie Mittel für die JaS-Maßnahmen zu beantragen. Derzeit können alle richtlinienkonformen Anträge bewilligt werden. 6.1 Welche Bildungs(weiter)angebote gibt es für erwachsene Migrantinnen und Migranten? Soweit sich aus dem Aufenthaltsrecht nichts Gegenteiliges ergibt, stehen die Weiterbildungsangebote nach dem Berufsbildungsgesetz bzw. der Handwerksordnung Deutschen und Migrantinnen und Migranten gleichermaßen offen. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen kommen Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bzw. dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Betracht. 6.2 Wäre es auch Sicht der Staatsregierung sinnvoll, das Projekt „ProLesen“ an mehr Schulen als bisher durchzuführen? Das Kultusministerkonferenz(KMK)-Projekt „ProLesen. Auf dem Weg zur Leseschule“ verstand sich als Antwort auf die Leseleistungen deutscher Schülerinnen und Schüler, die durch die Ergebnisse der PISA-Studien deutlich wurden. Es dauerte vom Sommer 2008 bis Sommer 2010 und wurde von allen sechzehn Ländern getragen. Die Federführung lag beim Freistaat Bayern und das Projekt wurde gemeinsam vom damaligen Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus und dem Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) durchgeführt. Grundlage war die Wissenschaftliche Expertise „Förderung von Lesekompetenz “ (BMBF 2005). Aufgabe der am Ende 138 Projektschulen in 12 deutschen Ländern war es, Konzepte, Materialien und Beispiele guter Praxis zu sammeln, zu sichten, ggf. zu überarbeiten oder neu zu entwickeln. Das besondere Interesse galt dabei der Förderung der in den PISA-Studien identifizierten „Risiko“-Gruppen: Buben, Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sowie aus sozial schwachen oder bildungsfernen Milieus (vgl. hierzu: www.leseforum. bayern.de/ index.asp?MNav=6). „ProLesen“ machte die am Projekt Beteiligten mit den aktuellen Positionen der Leseforschung vertraut und findet seit 2013 (Ende 2019) in der Bund-Länder-Initiative „Bildung durch Sprache und Schrift” (BiSS) eine Fortsetzung, in dem die Sprach- und Leseförderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationsgeschichte eine wichtige Rolle spielt – vom Elementarbereich bis hin zur Sekundarstufe. Rund 600 Einrichtungen und Schulen aus allen deutschen Ländern arbeiten dabei zusammen, darunter fast 100 allein in Bayern, die in 18 Verbünden organisiert sind (vgl. hierzu: www.bisssprachbildung .de). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach einer Fortführung des seit 2010 abgeschlossenen Projekts „Pro- Lesen“ nicht mehr. Eine zusammenfassende Beschreibung des zentralen Stellenwerts sprachlicher Bildung an allen bayerischen Schulen einschließlich der Vermittlung von Lesekompetenz ist der Bekanntmachung des Staatsministeriums „Sprachliche Bildung: Pflege und Erhalt der deutschen Sprache als Aufgabe aller Schularten und aller Fächer“ vom 17. Juni 2014 zu entnehmen. Nicht zuletzt der schriftsprachlichen Bildung von Schülerinnen und Schülern nicht deutscher Herkunft durch effiziente Konzepte sprachsensiblen Unterrichts Drucksache 17/16286 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 wird darin große Bedeutung zugeschrieben. Hierfür wurden in den verschiedenen Schularten in den vergangenen Jahren zahlreiche strukturelle Maßnahmen ergriffen und durch Maßnahmen der zentralen und regionalen Lehrerfortbildung flankiert. Das ISB erarbeitete einschlägige Broschüren und Handreichungen. Aus der Fülle der aktuellen Projekte zur Sprach- und Leseförderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationsgeschichte seien „Sprachbegleitung“ und „InGym“, sowie „SPRINT“ für das Gymnasium bzw. Realschule und „Berufssprache Deutsch“ für die beruflichen Schulen hervorgehoben . Daneben werden in bayerischen Schulen zahlreiche weitere Formen der Sprachförderung für junge Menschen mit Migrationshintergrund, Flüchtlinge und Asylbewerber angeboten (vgl. die Antwort auf die Frage 3). 6.3 Wenn ja, ist dies in nächster Zukunft geplant? Die in der Antwort zu Frage 6.2 genannten Projekte unterstreichen : Das Staatsministerium sieht in der Sprach- und Leseförderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrations - bzw. Fluchtgeschichte eine zentrale bildungspolitische Aufgabe der Gegenwart. Mit Blick auf den demografischen Wandel der bayerischen Schullandschaft wurden bereits zahlreiche einschlägige Projekte in Angriff genommen und tragfähige Förderstrukturen geschaffen.