Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 20.02.2017 Ausweitung des Einsatzes der elektronischen Fußfessel Die Möglichkeiten zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung (elektronische Fußfessel) in Bayern und im Bund sollen ausgeweitet werden. Künftig soll es nach dem Willen der Bundesregierung erlaubt sein, sowohl islamistische Gefährder im Rahmen der Gefahrenabwehr durch das Bundeskriminalamt (BKA) als auch bestimmte verurteilte Straftäter im Rahmen der Führungsaufsicht zum Tragen einer elektronischen Fußfessel zu verpflichten, und damit deren Aufenthalt zu überwachen. Auch für ausreisepflichtige Ausländer, für die die Voraussetzungen der Abschiebehaft vorliegen, plant die Bundesregierung nach Presseberichten die Möglichkeit , elektronische Fußfesseln anzuordnen (http://www. sueddeutsche.de/panorama/elektronische-ueberwachungwarum -die-Fußfessel-bei-radikalen-attentaetern-wenigbringt -1.3367676-2). Für Bayern hat die Staatsregierung Ende Januar 2017 angekündigt, elektronische Fußfesseln für islamistische Gefährder einzuführen. Daher frage ich die Staatsregierung: 1.1 Wie viele verurteilte Straftäterinnen und Straftäter wurden in Bayern seit dem 01.01.2011 bis zum heutigen Tag zum Tragen einer elektronische Fußfessel verpflichtet (bitte geordnet angeben nach Jahr, Straftat, Alter und Geschlecht der Straftäterin bzw. des Straftäters )? 2.1 Wie bewertet die Staatsregierung die Wirksamkeit des bisherigen Einsatzes der elektronischen Fußfessel in Bayern? 2.2 Wie viele Straftaten konnten bislang durch den Einsatz von elektronischen Fußfesseln verhindert werden (bitte aufgeschlüsselt nach Art der Straftat)? 2.3 Wie hoch sind derzeit die vom Freistaat Bayern zu tragenden Kosten für die Überwachung von verurteilten Straftäterinnen und Straftätern mittels elektronischer Fußfessel (bitte Kosten für das Jahr 2016 insgesamt und pro Kopf, gemessen an der Zahl der Trägerinnen und Träger von elektronischen Fußfesseln, angeben)? 3.1 Wie werden die Personen in Bayern, die eine elektronische Fußfessel zu tragen haben, überwacht? 3.2 Wie oft hat die Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder (GÜL) seit der Aufnahme ihrer Tätigkeit die Bayerischen Polizeidienststellen alarmiert wegen eines mutmaßlichen Verstoßes des Trägers der elektronischen Fußfessel gegen seine Auflagen? 3.3 Welche technischen Arten von elektronischen Fußfesseln kommen derzeit in Bayern zum Einsatz (insbes. mit GPS-System ausgestattete Geräte bzw. sogenannte kleine Fußfesseln, die den Aufenthalt von Personen nur in deren Wohnung kontrollieren können)? 4.1 Wie lange dauert es durchschnittlich, bis die Bayerische Polizei über den durch die elektronische Fußfessel ausgelösten Alarm informiert und bei der überwachten Person vor Ort ist? 4.2 In wie vielen Fällen, in denen die Bayerische Polizei in der Vergangenheit zu den überwachten Personen ausgerückt ist, löste die elektronische Fußfessel Alarm aus, der sich dann aber als Fehlalarm wegen technischer Probleme mit der Fußfessel herausgestellt hat (bitte möglichst als Prozentsatz der Gesamteinsätze angeben)? 4.3 Wie bewertet die Staatsregierung die Fehleranfälligkeit der eingesetzten elektronischen Fußfesseln? 5.1 Durch welche Maßnahmen werden elektronische Fußfesseln vor einer Zerstörung oder Manipulation durch die überwachten Personen geschützt? 5.2 Ist es zutreffend, dass man das Funksignal der elektronischen Fußfessel leicht einschränken kann, beispielweise indem man die Fußfessel mit Alufolie umwickelt ? 5.3 In wie vielen Fällen wurden in Bayern elektronische Fußfesseln durch deren Träger oder Dritte bereits zerstört bzw. manipuliert (bitte angeben, wie es jeweils zur Manipulation bzw. Zerstörung kam)? 6.1 Welche Vorteile erwartet die Staatsregierung vom Einsatz einer elektronischen Fußfessel als Gefahrenabwehrmaßnahme bei islamistischen Gefährdern? 6.2 Welche Fälle (national und international) sind der Staatsregierung bekannt, in denen mithilfe der elektronischen Aufenthaltsüberwachung terroristische Anschläge verhindert wurden? 7.1 Welche Vorteile erwartet die Staatsregierung vom Einsatz einer elektronischen Fußfessel bei verurteilten extremistischen Straftätern als Maßnahme der Führungsaufsicht ? 7.2 Welche Vorteile erwartet die Staatsregierung vom Einsatz einer elektronischen Fußfessel bei Personen, bei denen die Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebehaft vorliegen? 8.1 Wie oft wird es künftig nach Einschätzung der Staatsregierung zur Anordnung einer Fußfessel bei islamistischen Gefährdern kommen (auf der Grundlage des von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs des Gesetzes zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes vom 01.02.2017 bzw. des beschlossenen Gesetzes)? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 06.07.2017 17/16372 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/16372 8.2 Wie oft wird es künftig nach Einschätzung der Staatsregierung zur Anordnung einer Fußfessel bei verurteilten Straftätern kommen (auf der Grundlage des von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Ausweitung des Maßregelrechts bei extremistischen Straftätern vom 08.02.2017 bzw. des beschlossenen Gesetzes)? 8.3 Wie oft wird es künftig nach Einschätzung der Staatsregierung zur Anordnung einer Fußfessel bei Personen kommen, bei denen die Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebehaft vorliegen? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 03.04.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1.1 Wie viele verurteilte Straftäterinnen und Straftäter wurden in Bayern seit dem 01.01.2011 bis zum heutigen Tag zum Tragen einer elektronischen Fußfessel verpflichtet (bitte geordnet angeben nach Jahr, Straftat, Alter und Geschlecht der Straftäterin bzw. des Straftäters)? Die Überwachung erfolgt – wie in allen anderen Bundesländern auch – zentral über die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) und die Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder (GÜL). Seit Einführung der Elektronischen Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) im Rahmen der Führungsaufsicht mit Wirkung zum 1. Januar 2011 bis zum 3. März 2017 wurde durch gerichtlichen Beschluss bei 65 von der HZD als bayerische Probanden registrierten Personen das Tragen eines Endgerätes (sog. Tracker oder „elektronische Fußfessel“) angeordnet. Sämtliche Probanden waren männlich . In insgesamt 63 dieser Fälle kam es daraufhin zur tatsächlichen Anlegung einer „elektronischen Fußfessel“. In den übrigen Fällen gelangte die Weisung aufgrund fortdauernden Freiheitsentzugs und/oder Aufhebung der Weisung vor Entlassung nicht oder noch nicht zur Vollziehung. Die Zuordnung eines Probanden zu einem Land erfolgt zu Beginn der Maßnahme. Sie wird auch nach Umzug eines Probanden in ein anderes Land und eines damit einhergehenden Wechsels in den Zuständigkeiten nicht mehr verändert. Eine automatisierte statistische Erhebung durch bayerische Stellen etwa zu späteren Weg- und Zuzügen erfolgt nicht. Generell gilt, dass statistische Angaben im Wesentlichen nur anhand der von der HZD mitgeteilten Daten gemacht werden können, da bei bayerischen Stellen keine automatisierte statistische Erhebung erfolgt. Soweit Zahlen oder sonstige ergänzende Informationen von der in Bayern für die EAÜ zuständigen Zentralen Kontaktstelle Justiz bei dem Oberlandesgericht München (ZKJ) erhoben, gespeichert und ausgewertet werden, erfolgt dies manuell. Ausgehend von dem vorliegenden Zahlenmaterial der HZD und der korrespondierenden Erfassung durch die ZKJ verteilen sich die EAÜ-Anordnungen auf die verschiedenen Kalenderjahre wie folgt: Jahr der Anordnung Anzahl der EAÜ-Anordnungen 2011 12 2012 23 2013 7 2014 6 2015 7 2016 9 2017 1 Insgesamt: 65 Das Alter der Probanden zum Zeitpunkt des Erlasses der jeweiligen Führungsaufsichtsbeschlüsse verteilt sich wie folgt: Alter 22 28 29 30 31 32 33 34 38 39 40 42 43 44 46 48 49 50 Anzahl 1 1 3 4 2 2 3 3 1 2 2 1 3 1 1 1 2 4 Alter 51 52 53 55 56 57 59 61 62 63 64 65 66 68 71 72 73 74 Anzahl 2 1 4 1 1 2 3 1 1 1 2 1 1 2 2 1 1 1 Mit Stand 3. März 2017 befinden sich 20 bayerische EAÜ- Probanden in Freiheit, die auch von bayerischen Führungsaufsichtsstellen geführt werden. Von diesen wurden neun wegen eines Sexualdelikts, ein Proband wegen eines Brandstiftungsdelikts und die übrigen wegen Gewaltstraftaten verurteilt. Ein weiterer EAÜ-Proband, der demnächst aus dem Vollzug entlassen wird, ist ebenfalls wegen eines Sexualdelikts verurteilt worden. Eine darüber hinausgehende Auskunft über die Delikte, die den Anlassverurteilungen zugrunde liegen, ist mit vertretbarem Aufwand nicht möglich, soweit die Überwachung bereits abgeschlossen wurde. Insoweit bestehen keine statistischen Auswertungsmöglichkeiten. Eine Aussage darüber , welche Delikte der Anlassverurteilung zugrunde lagen, wäre nur nach aufwendiger Durchsicht bereits weggelegter Akten möglich. Die meisten EAÜ-Probanden wurden zudem wegen mehrerer verschiedener Delikte verurteilt, sodass eine Aussage darüber, welches Delikt für die Anordnung der EAÜ letztlich ausschlaggebend gewesen ist, nur nach Durchsicht des Urteils und des Führungsaufsichtsbeschlusses möglich wäre. Hiervon wurde abgesehen. 2.1 Wie bewertet die Staatsregierung die Wirksamkeit des bisherigen Einsatzes der elektronischen Fußfessel in Bayern? Die Staatsregierung erachtet die EAÜ als wirksames Instrument zur Erreichung der mit ihr verfolgten Ziele des Schutzes der Bevölkerung vor rückfallgefährdeten Straftätern und ihrer Resozialisierung. Die EAÜ ermöglicht es den beteiligten Stellen (Bewährungshilfe, Führungsaufsichtsstelle , Polizei und Vollstreckungsbehörde) in der Praxis, frühzeitig und besser zu erkennen, ob der überwachte Proband in Verhaltensmuster zurückfällt, die auch bei den jeweiligen Anlassdelikten zu erkennen waren. Das gilt insbesondere für Probanden, bei denen die EAÜ zur Überwachung von Gebots- oder Verbotszonenweisungen angeordnet wurde. 2.2 Wie viele Straftaten konnten bislang durch den Einsatz von elektronischen Fußfesseln verhindert Drucksache 17/16372 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 werden (bitte aufgeschlüsselt nach Art der Straftat )? Ein direkter Nachweis der Ursächlichkeit der EAÜ für das Unterbleiben einzelner Straftaten kann naturgemäß nicht geführt werden. Es ist jedoch festzustellen, dass einschlägige neuerliche Straftaten von Probanden gegen Leib, Leben, körperliche Unversehrtheit oder sexuelle Selbstbestimmung bislang äußerst selten waren. So kam es nach Kenntnis des Staatsministeriums der Justiz seit Einführung der Maßnahme der EAÜ im Zusammenhang mit der Erteilung einer entsprechenden Weisung durch bayerische Gerichte erst in drei Fällen zu derartigen Rückfalltaten. 2.3 Wie hoch sind derzeit die vom Freistaat Bayern zu tragenden Kosten für die Überwachung von verurteilten Straftäterinnen und Straftätern mittels elektronischer Fußfessel (bitte Kosten für das Jahr 2016 insgesamt und pro Kopf, gemessen an der Zahl der Trägerinnen und Träger von elektronischen Fußfesseln, angeben)? Die vom Freistaat Bayern zu tragenden Kosten für die EAÜ betrugen im Jahr 2016 insgesamt 536.981,90 Euro. Diese Kosten bestehen größtenteils aus Fixkosten ohne direkten Probandenbezug, insbesondere den Kosten für die Unterhaltung und den Betrieb der zentralen Überwachungseinrichtungen der HZD und GÜL, die nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Länder umgelegt werden. Eine vollständige Aufschlüsselung der Gesamtkosten nach einzelnen Probanden ist daher nicht möglich. 3.1 Wie werden die Personen in Bayern, die eine elektronische Fußfessel zu tragen haben, überwacht? Die Überwachung erfolgt – wie in allen anderen Ländern auch – zentral über die HZD und die GÜL. Die HZD stellt das für die Überwachung erforderliche Equipment. Über die HZD erfolgt die Einrichtung von Gebotszonen , innerhalb derer sich ein Proband aufgrund entsprechender Anordnung im Führungsaufsichtsbeschluss aufhalten muss. Entsprechendes gilt für die Einrichtung von Verbotszonen. Die GÜL, die an sieben Tagen in der Woche 24 Stunden besetzt ist, prüft bei Verstößen, die von der HZD mitgeteilt werden, welche Maßnahmen im Einzelfall zu ergreifen sind. Dabei orientieren sich die Mitarbeiter der GÜL an einer von der Führungsaufsichtsstelle gebilligten Handlungsanweisung . Verstöße gegen Weisungen, die mit der EAÜ überwacht werden, teilt die GÜL der Führungsaufsichtsstelle und den Bewährungshelfern mit. In Fällen, in denen eine bewusste Manipulation an der Überwachungseinrichtung oder ein bewusster Verstoß gegen Gebots- oder Verbotszonenweisungen zu befürchten ist, verständigt die GÜL in der Regel auch die zuständige Einsatzzentrale der Polizei. Diese prüft, ob Maßnahmen zur Gefahrenabwehr oder Verfolgung von Straftaten veranlasst sind. 3.2 Wie oft hat die Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder (GÜL) seit der Aufnahme ihrer Tätigkeit die bayerischen Polizeidienststellen alarmiert wegen eines mutmaßlichen Verstoßes des Trägers der elektronischen Fußfessel gegen seine Auflagen ? Nach Angaben der GÜL hat es bundesweit im Zeitraum 1. Januar 2012 bis 31. Januar 2017 insgesamt 15.173 Ereignismeldungen gegeben. In 751 Fällen wurde die Polizei verständigt . Das entspricht einem Anteil von 4,9 Prozent aller Ereignisse. Im Einzelnen hat die GÜL folgende Rahmendaten mitgeteilt: Zeitraum Ereignismeldungen bundesweit Gesamt mit nachfolgendem Polizeieinsatz Polizeieinsätze in % 2012 1.440 96 6,7 2013 3.728 175 4,7 2014 3.220 111 3,4 2015 4.314 213 4,9 2016 2.330 144 6,2 2017 141 12 8,5 Summe 15.173 751 4,9 Im Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum Stichtag 12. Mai 2014 hat die GÜL bei den bayerischen Probanden insgesamt 1.715 Ereignismeldungen registriert, in 56 Fällen davon wurde die Polizei eingeschaltet. Für die Jahre 2014 bis 2016 hat die GÜL folgende Zahlen ermittelt: Zeitraum Ereignismeldungen Bayern 2014–2016 Gesamt mit nachfolgendem Polizeieinsatz Polizeieinsätze in % 2014 724 32 4,4 2015 893 55 6,2 2016 804 51 6,3 Summe 2.421 138 5,7 3.3 Welche technischen Arten von elektronischen Fußfesseln kommen derzeit in Bayern zum Einsatz (insbes. mit GPS-System ausgestattete Geräte bzw. sogenannte kleine Fußfesseln, die den Aufenthalt von Personen nur in deren Wohnung kontrollieren können)? Die im Rahmen der EAÜ in der Führungsaufsicht eingesetzten Endgeräte werden bundesweit von der HZD bereitgestellt . Es handelt sich derzeit um Überwachungsgeräte des Unternehmens 3M. Dabei werden die Geopositionsdaten durch den Einsatz von GPS11-Technik erfasst. Ergänzend erfolgt eine LBS2-Ortung über das Mobilfunknetz, sollte das GPS-Signal gestört sein. Jeder Führungsaufsichtsproband erhält neben dem sog. Tracker und einem Mobiltelefon eine sog. Home-Unit. Diese verhindert eine Überwachung in der eigenen Wohnung. Solange sich der Proband innerhalb der Abdeckung der Home-Unit aufhält, wird sein Aufenthalt nicht über GPS-/ LBS-Ortung überwacht. Die vereinzelt in anderen Ländern und verschiedentlich im Ausland eingesetzte sog. elektronische Präsenzkontrolle (mithilfe einer „kleinen Fußfessel“), die nach hiesiger Kenntnis auch etwa im tragischen Fall des 2016 in Nordfrankreich ermordeten Priesters zum Einsatz gekommen war, findet in Bayern keine Verwendung. 4.1 Wie lange dauert es durchschnittlich, bis die Bayerische Polizei über den durch die elektronische Fußfessel ausgelösten Alarm informiert und bei der überwachten Person vor Ort ist? Wie in der Beantwortung der Fragen 3.1 und 3.2 dargestellt, schließt sich nicht an jede Ereignismeldung bzw. Alarmmeldung eine Verständigung der Polizei an. 1) GPS = Global Positioning System (deutsch: Globales Positionsbestimmungssystem) 2) LBS = Location-based Services (deutsch: Standortbezogene Dienste) Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/16372 Statistische Auswertemöglichkeiten über die Zeitspanne zwischen einer Verständigung der Polizei durch die GÜL und dem Abschluss der ggf. erforderlichen polizeilichen gefahrenabwehrenden Maßnahmen, wie zum Beispiel die Kontaktaufnahme mit dem Probanden, sind bei der Bayerischen Polizei nicht vorhanden. 4.2 In wie vielen Fällen, in denen die Bayerische Polizei in der Vergangenheit zu den überwachten Personen ausgerückt ist, löste die elektronische Fußfessel Alarm aus, der sich dann aber als Fehlalarm wegen technischer Probleme mit der Fußfessel herausgestellt hat (bitte möglichst als Prozentsatz der Gesamteinsätze angeben)? Statistische Erhebungen zu dieser Thematik liegen nicht vor. Laut Auskunft der GÜL werden technische Probleme mit der „Fußfessel“ in der Regel von der GÜL ohne Einschaltung der Polizei geklärt. Dies gilt insbesondere für sogenannte Trackerbandstörungen. 4.3 Wie bewertet die Staatsregierung die Fehleranfälligkeit der eingesetzten elektronischen Fußfesseln ? Das bislang verwendete System wird den gegenwärtigen Anforderungen aus der Praxis gerecht. Der aus Fehlermeldungen resultierende Abklärungsaufwand konnte bislang ohne Weiteres mit dem Personal der HZD/GÜL bewältigt werden. Die Ursachen bestimmter – häufig vorkommender – Ereignismeldungen (wie zum Beispiel in Bereichen ohne ausreichende GPS-Abdeckung oder bei Problemen mit der LBS-Ortung) wurden von den Mitarbeitern der HZD und der GÜL zwischenzeitlich geklärt. Eine Einschaltung bayerischer Stellen erfolgt deswegen nur in sehr wenigen Fällen. 5.1 Durch welche Maßnahmen werden elektronische Fußfesseln vor einer Zerstörung oder Manipulation durch die überwachten Personen geschützt? Die verwendeten Geräte sind robust gebaut, eine physische Zerstörung ist jedoch möglich. Eine Beschädigung oder Zerstörung, insbesondere in Form einer Durchtrennung des Befestigungsbandes, wird vom System sofort automatisch erkannt und durch eine entsprechende Ereignismeldung an die GÜL kommuniziert. 5.2 Ist es zutreffend, dass man das Funksignal der elektronischen Fußfessel leicht einschränken kann, beispielweise indem man die Fußfessel mit Alufolie umwickelt? Eine Unterdrückung des GPS-Signals durch Alufolie ist nicht gänzlich auszuschließen. Die LBS-Ortung, die in diesem Fall zuverlässig erfolgen würde, würde aber hierdurch nicht beeinträchtigt. Der Betroffene könnte sich hierdurch also der Aufenthaltsüberwachung nicht entziehen. 5.3 In wie vielen Fällen wurden in Bayern elektronische Fußfesseln durch deren Träger oder Dritte bereits zerstört bzw. manipuliert (bitte angeben, wie es jeweils zur Manipulation bzw. Zerstörung kam)? Laut Auskunft der HZD wurde bislang noch kein Tracker zerstört . Ein bayerischer EAÜ-Proband, der das Befestigungsband des von ihm getragenen Trackers durchschnitten hatte , wurde deswegen rechtskräftig verurteilt. 6.1 Welche Vorteile erwartet die Staatsregierung vom Einsatz einer elektronischen Fußfessel als Gefahrenabwehrmaßnahme bei islamistischen Gefährdern ? Eine „elektronische Fußfessel“ ermöglicht technisch keine permanente Live-Beobachtung der Handlungen von Personen , sondern nur des Aufenthaltsortes von Personen. Insofern ist sie grundsätzlich auch kein genereller Ersatz für ggf. im Einzelfall erforderliche (ergänzende) polizeipräventive Maßnahmen wie etwa Observationen oder Gewahrsamnahmen . Gleichwohl ist die EAÜ nach Einschätzung des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr ein Instrument, mit dem der Schutz der Bevölkerung vor Gefährdern – in Ergänzung zu anderen Maßnahmen – potenziell verbessert werden kann. Grundsätzlich können mit einer EAÜ v. a. nachfolgende Zwecke verfolgt werden: – Spezialpräventive Wirkung – Überwachung von Gebots- und Verbotszonen – Überwachung von Kontaktverboten – Durchführung von offenen Verbleibskontrollen 6.2 Welche Fälle (national und international) sind der Staatsregierung bekannt, in denen mithilfe der elektronischen Aufenthaltsüberwachung terroristische Anschläge verhindert wurden? Hierzu liegen dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr keine Erkenntnisse vor. 7.1 Welche Vorteile erwartet die Staatsregierung vom Einsatz einer elektronischen Fußfessel bei verurteilten extremistischen Straftätern als Maßnahme der Führungsaufsicht? Die „elektronische Fußfessel“ bietet naturgemäß keinen „absoluten“ Schutz vor weiteren Straftaten des Fußfesselträgers und ebenso wenig vor einem terroristischen Übergriff eines extremistischen Straftäters. Gleichwohl kann sie nach Einschätzung der Staatsregierung als Teil eines Maßnahmenbündels bei extremistischen Straftätern einen wertvollen Beitrag für mehr Sicherheit leisten. Die EAÜ erweitert die Möglichkeiten, den Aktionsradius auch bei verurteilten Extremisten wirksam und zielgerichtet einzuschränken und dadurch sowohl einem terroristischen Angriff auf besonders schutzbedürftige Ziele als auch einer fortschreitenden Radikalisierung und kriminellen Vernetzung entgegenzuwirken. Durch die Einrichtung und elektronische Überwachung von geeigneten Verbots- und Gebotszonen kann die EAÜ etwa für den Schutz von Großereignissen und kritischen Infrastrukturen nutzbar gemacht werden. Ebenso kommt eine elektronische Absicherung von Näherungsverboten für einschlägige Treffpunkte der Extremistenszene oder von Ausreiseverboten in Betracht. Bei akutem Terrorverdacht gegen einen extremistischen EAÜ-Probanden ermöglicht die „Fußfessel“ eine Echtzeitüberwachung zur Abklärung der Bedrohungslage und sofortigen Einleitung etwaiger Präventivmaßnahmen. Im Nachgang zu einem terroristischen Übergriff kann die Auswertung der Standortdaten von verdächtigen extremistischen EAÜ- Probanden wichtige Hinweise über den Tathergang und für die Ermittlung von Tätern und Gehilfen liefern. Hieraus resultiert jedenfalls bei rational handelnden Akteuren ein „Hemmschwelleneffekt“: Allein aufgrund des spürbaren Überwachtseins und des dadurch erhöhten Entdeckungsrisikos wird ein extremistischer EAÜ-Proband Drucksache 17/16372 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 unter Umständen von der weiteren Beteiligung an terroristischen Aktivitäten Abstand nehmen. In gleicher Weise werden sich potenzielle Hintermänner und andere Gleichgesinnte im Wissen um die Rückverfolgbarkeit der Bewegungen unter Umständen nicht auf ein Zusammenwirken mit dem Fußfesselträger einlassen. Keine besondere Wirkung kann die „elektronische Fußfessel“ dagegen insbesondere bei Selbstmordattentaten entfalten. 7.2 Welche Vorteile erwartet die Staatsregierung vom Einsatz einer elektronischen Fußfessel bei Personen , bei denen die Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebehaft vorliegen? Bei Personen, bei denen die Voraussetzungen für die Anordnung von Abschiebungshaft vorliegen, werden die Ausländerbehörden auch künftig Abschiebungshaft beantragen. Damit stellt sich die Frage des Einsatzes einer EAÜ bei diesem Personenkreis in der Regel nicht. 8.1 Wie oft wird es künftig nach Einschätzung der Staatsregierung zur Anordnung einer Fußfessel bei islamistischen Gefährdern kommen (auf der Grundlage des von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs des Gesetzes zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes vom 01.02.2017 bzw. des beschlossenen Gesetzes)? Eine Einschätzung dahingehend, in wie vielen Fällen das Bundeskriminalamt im Rahmen seiner Zuständigkeit den Einsatz der EAÜ im Sinne der Anfrage vorsehen könnte, ist dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr nicht möglich. 8.2 Wie oft wird es künftig nach Einschätzung der Staatsregierung zur Anordnung einer Fußfessel bei verurteilten Straftätern kommen (auf der Grundlage des von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Ausweitung des Maßregelrechts bei extremistischen Straftätern vom 08.02.2017 bzw. des beschlossenen Gesetzes)? Durch den Gesetzentwurf werden im Ergebnis vier Straftatbestände aus dem Bereich der Terrorismusdelikte als zusätzliche taugliche Anlasstaten für die Anordnung einer EAÜ ausgestaltet. Daneben wird das erforderliche Strafmaß für die Anordnung einer EAÜ für alle tauglichen EAÜ- Anlasstaten aus dem Staatsschutz- und Terrorismusbereich von bislang drei auf zwei Jahre herabgesetzt. Eine annähernd tragfähige Prognose, wie sich diese Änderung auf die Anzahl der EAÜ-Probanden auswirken wird, könnte nur aus einer Untersuchung vergangener und aktueller Führungsaufsichtsfälle abgeleitet werden. Eine exakte Ermittlung, in wie viel zusätzlichen Fällen die Gesetzesänderung die Anordnung einer EAÜ ermöglicht oder ermöglicht hätte, wäre jedoch nur mit unvertretbarem Aufwand durch eine händische Aktenauswertung möglich; entsprechende statistische Daten liegen nicht vor. Da sich die tatbestandliche Erweiterung der EAÜ nur auf einzelne, eher spezielle Straftatbestände bezieht, ist jedoch davon auszugehen, dass sich der Anstieg der Probandenzahlen insgesamt in einem überschaubaren Rahmen halten wird. 8.3 Wie oft wird es künftig nach Einschätzung der Staatsregierung zur Anordnung einer Fußfessel bei Personen kommen, bei denen die Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebehaft vorliegen ? Eine EAÜ findet bei diesem Personenkreis auch nach der geplanten Gesetzesänderung voraussichtlich nicht statt, es darf auf die Antwort zu Frage 7.2 verwiesen werden.