17. Wahlperiode 26.06.2017 17/16471 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn FREIE WÄHLER vom 27.02.2017 Gesundheitsversorgung für Menschen mit Migrationshintergrund Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche Maßnahmen werden bereits ergriffen, um Menschen mit Migrationshintergrund besser durch unser Gesundheitssystem zu führen, sodass sie auch im Notfall nicht gleich in der Notfallambulanz landen, sondern den ärztlichen Bereitschaftsdienst in Anspruch nehmen? 2. Welche sinnvollen Möglichkeiten gibt es, für eine gute Gesundheitsversorgung trotz sprachlicher Verständigungsschwierigkeiten zu sorgen, wenn ein Dolmetscher nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung zählt? 3. Welche Ansätze gibt es für eine kultursensible Gesundheitsversorgung ? 4. Sind kulturelle Unterschiede beispielsweise bzgl. der Artikulation von Schmerzempfinden bereits in der ärztlichen Fort- und Weiterbildung verankert? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 13.04.2017 1. Welche Maßnahmen werden bereits ergriffen, um Menschen mit Migrationshintergrund besser durch unser Gesundheitssystem zu führen, sodass sie auch im Notfall nicht gleich in der Notfallambulanz landen, sondern den ärztlichen Bereitschaftsdienst in Anspruch nehmen? Verschiedene landesweite wie auch lokale Informationsund Beratungsangebote für Menschen mit Migrationshintergrund klären über die Möglichkeiten der Gesundheitsversorgung in Bayern auf. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) setzt sich dafür ein, gesundheitsbezogene Informationsangebote auch Menschen zugänglich zu machen , die in der deutschen Sprache nicht sicher zu Hause sind. So informiert es etwa auf der Homepage in leichter Sprache z. B. über das Gesundheitssystem in Deutschland und über die stationäre Versorgung. Weitere Themen sollen zukünftig ebenfalls in leichte Sprache übertragen werden. Darüber hinaus fördert und unterstützt das StMGP verschiedene in Bayern laufende Projekte: Im Jahr 2008 startete in Bayern das interkulturelle Gesundheitsprojekt „MiMi – Mit Migranten für Migranten“, in dessen Rahmen integrierte Migrantinnen und Migranten zu Gesundheitsmediatoren ausgebildet werden, um in muttersprachlichen Veranstaltungen Informationen zu gesundheitsbezogenen Themen an Landsleute in Deutschland weiterzugeben. Es hat sich im Projektverlauf zu einem Best- Practice-Programm für Integration und interkulturelle Gesundheitsförderung in Bayern entwickelt. Zielgruppe sind in Deutschland lebende Migranten mit gesichertem Aufenthaltsstatus (häufigste Herkunftsländer: Türkei, Russland, Kasachstan, Ukraine, Kosovo, Afghanistan, Polen und Irak). Derzeit erfolgt eine Ausweitung des Projekts auf die Ansprache von Flüchtlingen bzw. Asylsuchenden. Darüber hinaus informiert das Projekt „MiMi – Mit Migranten für Migranten“ Menschen mit Migrationshintergrund umfassend und kultursensibel zu wichtigen Gesundheitsthemen und Anlaufstellen im Gesundheitssystem. In der Sterbebegleitung soll das Projekt „Bayerische Informationskampagne zur Hospiz- und Palliativversorgung mit Migranten für Migranten“ einerseits Menschen mit Migrationshintergrund umfassend über die jeweiligen Versorgungsangebote informieren und andererseits Akteure in der Hospiz- und Palliativversorgung im Hinblick auf den Zugang zu diesen Menschen sensibilisieren. Niedrigschwellige Angebote durch Akteure vor Ort (z. B. Migrationsberatungsstellen, Gesundheitsmediatoren) können den Zugang zum Gesundheitssystem erleichtern. Auch im Rahmen der Gesundheitsregionenplus können sie ein Handlungsfeld darstellen (unter dem Aspekt „Spezielle Programme für Menschen mit Migrationshintergrund“). Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/16471 Auch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) informiert mit der Broschüre „Beim Arzt in Deutschland“ in verschiedenen Sprachen (z.B. Englisch, Arabisch, Persisch ) über den Zugang zur ambulanten Versorgung, über Krankheitsformen, aber auch Werte im deutschen Gesundheitssystem . Die Informationen sind abrufbar über die KVB- Homepage als Download. Dort befinden sich auch weitere Informationsbroschüren und Kontaktadressen zum Thema Migration und Asyl für Ärztinnen und Ärzte. Im Hinblick auf die Beratung der Versicherten gibt es neue und verbesserte Angebote durch die Unabhängige Patientenberatung (UPD). Diese bietet Beratung auch in türkischer, russischer und arabischer Sprache an. Auf Bundesebene bieten Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung Informationen zu häufigen Volkskrankheiten, Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen in den Sprachen Arabisch, Englisch, Französisch, Russisch, Spanisch und Türkisch an. 2. Welche sinnvollen Möglichkeiten gibt es, für eine gute Gesundheitsversorgung trotz sprachlicher Verständigungsschwierigkeiten zu sorgen, wenn ein Dolmetscher nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung zählt? Das Erlernen der deutschen Sprache ist für alle Lebensbereiche , auch bei der Gesundheitsversorgung, von enormer Bedeutung und Wichtigkeit. Darüber hinaus unterstützen folgende Maßnahmen die Gesundheitsversorgung für Menschen mit Migrationshintergrund: Das StMGP fördert die Aktion „Löwenzahn“ der Bayerischen Landesarbeitsgemeinschaft Zahngesundheit e. V. (LAGZ) im Rahmen der Initiative Gesund.Leben.Bayern. ebenso wie die Erstellung des „Babykompass Bayern“. Diesen Ratgeber durch das erste Lebensjahr erhalten alle Eltern im Rahmen der Früherkennungsuntersuchung U2. Er liegt in Deutsch, Englisch, Russisch und Türkisch vor. Im Bereich der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung besteht die Möglichkeit, über die Arztsuche der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) nach Ärztinnen und Ärzten zu suchen, die in der Muttersprache (in etwa 100 verschiedenen Sprachen) kommunizieren können. Anamnesebögen in verschiedenen Sprachen, die Einbindung von Fremdsprachenkenntnissen medizinisch ausgebildeter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (auch in Pflegeeinrichtungen ) und auch Gemeindedolmetscherdienste können zur Überwindung der Sprachbarriere beitragen. Die nachfolgend beispielhaft aufgeführten Maßnahmen zur Unterstützung der stationären Gesundheitsversorgung für Menschen mit Migrationshintergrund wurden von den Krankenhausträgern in Eigenregie entwickelt. Nähere Informationen finden sich auf den jeweiligen Homepages der Krankenhäuser: – Das Städtische Klinikum München bietet Serviceangebote für Menschen mit Migrationshintergrund an, wie etwa Patienteninformationen im Internet in sieben Sprachen, Workshops für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Thema, hausinterne Dolmetscherdienste, eine türkischsprachige Selbsthilfegruppe für Diabetiker und muslimische Gebetsräume. 2009 sollen hier insgesamt 14.313 Patientinnen und Patienten mit 162 Nationalitäten stationär behandelt worden sein. – Auch das Klinikum Nürnberg bietet Dolmetscherdienste an und stellt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Kommunikationsmaterialien für den Dialog mit den ausländischen Patientinnen und Patienten zur Verfügung. Die Inhalte der Internetseiten können sogar direkt in Englisch oder Russisch aufgerufen werden. – Nach einer IGES-Untersuchung, die im Bericht des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit „Gesundheit und Migration“ aus dem Jahr 2011 zitiert wird, hatten bereits 2008 bayernweit zahlreiche Krankenhäuser Dolmetscherdienste eingerichtet . Im Projekt „Gute Versorgung am Lebensende für Menschen mit Migrationshintergrund – Bedürfnisse und Vorstellungen von Patienten zur Hospiz- und Palliativversorgung in Bayern “ (Träger des Projektes ist der Hospizdienst DaSein e.V.) sollen konkrete Vorstellungen, Erwartungen und Wünsche von Patienten mit Migrationshintergrund an eine Hospizund Palliativversorgung in Bayern erhoben werden. Für die Fachöffentlichkeit soll ein Leitfaden zum Thema „Kulturell sensible Handlungsanweisungen für Gesundheitsberufe“ erstellt werden. 3. Welche Ansätze gibt es für eine kultursensible Gesundheitsversorgung ? Siehe Antwort zu den Fragen 1 und 2. 4. Sind kulturelle Unterschiede beispielsweise bzgl. der Artikulation von Schmerzempfinden bereits in der ärztlichen Fort- und Weiterbildung verankert? Es bestehen Fortbildungsangebote für Ärztinnen und Ärzte etwa zum Thema „Interkulturelle Medizin“ (z.B. bei der Bayerischen Landesärztekammer); zudem ist der Umgang mit Menschen mit Migrationshintergrund bzw. verschiedenen Kulturen Bestandteil in Wiedereinstiegsseminaren für Ärztinnen und Ärzte sowie in den Ausbildungen im medizinischen und pflegerischen Bereich.