17. Wahlperiode 26.06.2017 17/16536 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn FREIE WÄHLER vom 27.02.2017 Gesundheitsversorgung für Asylbewerberinnen und Asylbewerber Ich frage die Staatsregierung: 1.1 In welchem Umfang werden die Erstuntersuchungen gemäß § 62 des Asylgesetzes durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst durchgeführt? 1.2. In welchem Umfang muss auf niedergelassene Ärztinnen und Ärzte zurückgegriffen werden? 2. Können durch Telemedizin sprachliche und kulturbedingte Hindernisse verringert werden? 3.1 Wie hoch ist der Anteil der Flüchtlinge, die unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden? 3.2 Wie viele Kinder und Jugendliche sind betroffen? 4. Wie hoch ist der Anteil der Betroffenen, die psychotherapeutische Hilfe erhalten? 5. Welche Maßnahmen müssten ergriffen werden, damit tatsächlich allen Flüchtlingen mit posttraumatischen Belastungsstörungen psychotherapeutisch geholfen werden kann? 6. Wann wird das Gutachten, das vom Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) zu den mittelfristigen Auswirkungen der Zuwanderung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern in Auftrag gegeben wurde, vorliegen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 24.04.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege wie folgt beantwortet : 1.1 In welchem Umfang werden die Erstuntersuchungen gemäß § 62 des Asylgesetzes durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst durchgeführt? Die Gesundheitsuntersuchung nach § 62 AsylG wird aktuell nur durch die Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes durchgeführt. Die Röntgenuntersuchung der Lunge erfolgt überwiegend in Kooperationen mit Krankenhäusern , nur in München durch das Gesundheitsamt. 1.2 In welchem Umfang muss auf niedergelassene Ärztinnen und Ärzte zurückgegriffen werden? Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sind aktuell bei der Durchführung der Gesundheitsuntersuchung nach § 62 AsylG nicht beteiligt, lediglich in einem Landkreis wird bei der Röntgenuntersuchung der Lunge nach § 62 AsylG auf niedergelassene Ärztinnen oder Ärzte zurückgegriffen. 2. Können durch Telemedizin sprachliche und kulturbedingte Hindernisse verringert werden? Bei der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerberinnen und Asylbewerbern treten häufig Verständigungsprobleme auf. Telemedizinische Anwendungen können dazu beitragen, bestehende sprachliche Barrieren zu überwinden. Um dieses Ziel zu erreichen, hat das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege zwei Projekte gefördert : Bereits Anfang 2016 hat das Zentrum für Telemedizin Bad Kissingen das Projekt „TeleView“ gestartet. „TeleView“ erleichtert die medizinische Versorgung, indem mittels Videokonferenz Ärztinnen und Ärzte mit arabischen Sprachkenntnissen bei Bedarf bei der Untersuchung zugeschaltet werden. Dabei decken die zur Verfügung stehenden Ärztinnen und Ärzte verschiedene Fachrichtungen ab. Im Oktober 2016 hat die Bayerische TelemedAllianz unter Einbeziehung der teilnehmenden Ärzte in Ingolstadt und Umgebung eine „Elektronische Patientenakte für Flüchtlinge und Asylbewerber“ eingeführt. Kernstück des Projektes ist ein mehrsprachiger Anamnesebogen, der in eine elektronische Akte für Asylbewerber integriert ist. In dieser Akte werden die Untersuchungsergebnisse und die darauf beruhenden Behandlungsschritte dokumentiert. Die Einsicht in die Akte ist unabhängig vom jeweils genutzten System der Ärztin bzw. des Arztes möglich. Bei Verständigungsproblemen kann jederzeit eine Dolmetscherin bzw. ein Dolmetscher zugeschaltet werden. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/16536 3.1 Wie hoch ist der Anteil der Flüchtlinge, die unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden? 3.2 Wie viele Kinder und Jugendliche sind betroffen? 4. Wie hoch ist der Anteil der Betroffenen, die psychotherapeutische Hilfe erhalten? Durchgeführte Recherchen, beispielsweise auch beim Projekt „Therapeutische Angebote für Flüchtlinge“ (TAFF) der Stiftung WELTEN VERBINDEN haben ergeben, dass es derzeit noch keine aktuelle und systematische Datengrundlage dazu gibt, welchen Versorgungsbedarf die neu nach Bayern gekommenen Flüchtlinge tatsächlich haben und was daraus für das Gesundheitssystem folgt. Das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hat daher ein Gutachten in Auftrag gegeben, das diese Fragen untersuchen soll. Erste Ergebnisse sollen im Laufe des Jahres 2017 vorliegen. Der aktuelle Sachstand des Gutachtens „Auswirkungen des Zustroms von Asylbewerbern auf die gesundheitliche Versorgung in Bayern“ lässt noch keine Schlussfolgerungen dazu zu. 5. Welche Maßnahmen müssten ergriffen werden, damit tatsächlich allen Flüchtlingen mit posttraumatischen Belastungsstörungen psychotherapeutisch geholfen werden kann? Soweit Flüchtlinge insbesondere nach Anerkennung als Asylberechtigte in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert werden, erfolgt ihre medizinische und damit psychotherapeutische Versorgung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung. Die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ist nicht Aufgabe der Staatsregierung. Diese wurde nach dem Willen des Bundesgesetzgebers vielmehr auf die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) übertragen, die die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in Bayern als Selbstverwaltungsangelegenheit eigenverantwortlich wahrnimmt. Soweit die Versorgung von Flüchtlingen im laufenden Asylverfahren nach den Vorgaben des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) erfolgt, greift der Sicherstellungsauftrag der KVB hingegen grundsätzlich nicht. Die medizinische Versorgung dieses Personenkreises ist von den nach AsylbLG zuständigen Stellen sicherzustellen. Bei der Bedarfsplanung, die die KVB im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen in Bayern und den Ersatzkassen durchführt, ist sie an die bundeseinheitlich geltenden Vorgaben der Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gebunden. Nach diesen Vorgaben gilt Bayern im Bereich der vertragsärztlich -psychotherapeutischen Versorgung von gesetzlich Krankenversicherten fast vollständig als überversorgt. Lediglich in 6 von 79 bayerischen Planungsbereichen der allgemeinen fachärztlichen Versorgung bestanden zum 31.01.2017 noch vereinzelte Niederlassungsmöglichkeiten für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten – jedoch auch dort nur im Umfang eines oder sogar nur eines hälftigen Psychotherapeutensitzes. Die übrigen 73 Planungsbereiche gelten als psychotherapeutisch überversorgt und sind deshalb für weitere Niederlassungen gesperrt. Trotz vielfältiger, in der Vergangenheit durch den Bundesgesetzgeber bzw. die Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene bereits ergriffener Maßnahmen wurde immer wieder über zum Teil auch lange Wartezeiten auf Psychotherapieplätze berichtet. Daher hat der Bundesgesetzgeber zuletzt im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz nochmals festgelegt, dass bei einer neuerlichen Überarbeitung der Bedarfsplanung durch den G-BA erneut ein besonderer Fokus auf die psychotherapeutische Versorgung gelegt werden soll. Der G-BA hat unter anderem hierzu ein Gutachten zu Möglichkeiten der Weiterentwicklung der Bedarfsplanung in Auftrag gegeben. Mit entsprechenden Erkenntnissen, die der G-BA dann in seine Beratungen über die Weiterentwicklung der Bedarfsplanungsrichtlinie einbeziehen wird, ist ab Anfang 2018 zu rechnen. Zudem wurde der G-BA mit einer Überarbeitung der Psychotherapierichtlinie beauftragt – ebenfalls mit dem Ziel einer weiteren Reduzierung von Wartezeiten. Die novellierte Psychotherapierichtlinie trat zum 01.04.2017 in Kraft; die Auswirkung auf die Wartezeitensituation bleibt insoweit abzuwarten. Trotz einer insgesamt guten Versorgungslage ist es für Menschen in akuten psychischen Krisen oft nicht einfach, schnell professionelle Hilfe zu finden. Dies gilt nicht nur für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern auch für andere Personenkreise wie nach dem AsylbLG leistungsberechtigte Asylbewerberinnen und Asylbewerber. Hier besteht derzeit insgesamt Handlungsbedarf. Deshalb sollen nach dem Willen der Staatsregierung entsprechende Hilfe- und Beratungsangebote flächendeckend bayernweit ausgebaut werden. Dies ist ein zentraler Eckpunkt des geplanten künftigen Bayerischen Psychisch-Kranken-Hilfe- Gesetzes (PsychKHG). An diesen Hilfe- und Beratungsangeboten können auch Flüchtlinge partizipieren, also auch Asylbewerberinnen und Asylbewerber, da diese im Rahmen der bundesgesetzlichen Vorgaben der §§ 4,6 AsylbLG grundsätzlich am allgemeinen ärztlichen Versorgungsangebot teilnehmen und somit auch psychotherapeutische oder ähnliche Behandlungen in Anspruch nehmen können. Soweit neben dem allgemeinen ärztlichen Versorgungsangebot nötig, hat der Freistaat Bayern in den Aufnahmeeinrichtungen und Dependancen sog. Ärztezentren eingerichtet , um die kurative Versorgung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern in den Aufnahmeeinrichtungen vor Ort auf niederschwelliger Basis vornehmen zu können. Die Ärztezentren umfassen neben der allgemeinmedizinischen Versorgung in der Regel auch die Bereiche Gynäkologie, Pädiatrie und teilweise auch Psychiatrie bzw. Psychotherapie . 6. Wann wird das Gutachten, das vom Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMPG) zu den mittelfristigen Auswirkungen der Zuwanderung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern in Auftrag gegeben wurde, vorliegen? Das Gutachten wird voraussichtlich noch in diesem Jahr vorliegen.