17. Wahlperiode 05.07.2017 17/16606 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Karl Vetter, Florian Streibl FREIE WÄHLER vom 17.03.2017 Geburtshilfe Bad Tölz Die Geburtshilfeabteilung der Asklepios Stadtklinik Bad Tölz soll Ende März geschlossen werden. Dies wirft die Frage auf, wie die dortige Geburtshilfe sichergestellt werden soll und wohin sich die Frauen vor der Geburt wenden können. Wir fragen die Staatsregierung: 1. Sind der Staatsregierung die Gründe bekannt, aus denen die Asklepios-Klinik Bad Tölz ihre geburtshilfliche Belegabteilung schließt, obwohl die Ärzte und Hebammen in den Medien ihre Bereitschaft zur Weiterarbeit erklärt haben? 2.1 Auf welche Weise wird die Geburtshilfe in der Region sichergestellt, wenn die Abteilung geschlossen wird? 2.2 An welche anderen Krankenhäuser mit geburtshilflichen Abteilungen können Frauen sich vor der Geburt wenden? 2.3 Haben diese Einrichtungen die erforderlichen Kapazitäten ? 3.1 Welche finanziellen Belastungen ergeben sich für die umliegenden Krankenhäuser, wenn diese plötzlich die etwa 550 Geburten übernehmen müssen, die bislang jährlich in Bad Tölz versorgt wurden? 3.2 Welche Konsequenzen werden diesbezüglich der Mehrleistungsabschlag bzw. der Fixkostendegressionsabschlag für die betroffenen Häuser haben? 4.1 Werden sich für die Asklepios Stadtklinik Bad Tölz Konsequenzen ergeben, wenn sie die Abteilung schließ, obwohl der Bayerische Krankenhausplan 2017 15 Betten für die Abteilung vorsieht, diese also für die Versorgung der Patienten notwendig sind? 4.2 Könnten sich insbesondere Folgen für eventuelle später erwünschte Umwidmungen ergeben? 5.1 Gibt es nach Kenntnis der Staatsregierung Bestrebungen , durch eine Kooperation mit anderen Krankenhäusern die Geburtshilfeabteilung in Bad Tölz doch aufrechtzuerhalten und so dem Versorgungsauftrag gerecht zu werden? 5.2 Ist bekannt, welche Bemühungen diesbezüglich bislang unternommen worden sind? 6. Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse vor, dass der bislang bei der Asklepios Stadtklinik Bad Tölz tätige gynäkologische Belegarzt im vergangenen Jahr keine Zuschüsse der Klinik für seine Berufshaftpflichtversiche- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. rung erhalten hat, weil derartige Zuschüsse nicht mit dem durch das Antikorruptionsgesetz eingeführten § 299a des Strafgesetzbuches (StGB) zu vereinbaren wären? 7.1 Vertritt die Staatsregierung die Auffassung, dass der durch das Antikorruptionsgesetz neu eingeführte § 299a StGB einem vertraglich geregelten Zuschuss zur Berufshaftpflichtversicherung eines Belegarztes durch das Krankenhaus entgegenstehen kann? 7.2 Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 19.04.2017 Die Schriftliche Anfrage wird in Abstimmung mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. Sind der Staatsregierung die Gründe bekannt, aus denen die Asklepios-Klinik Bad Tölz ihre geburtshilfliche Belegabteilung schließt, obwohl die Ärzte und Hebammen in den Medien ihre Bereitschaft zur Weiterarbeit erklärt haben? 5.1 Gibt es nach Kenntnis der Staatsregierung Bestrebungen , durch eine Kooperation mit anderen Krankenhäusern die Geburtshilfeabteilung in Bad Tölz doch aufrechtzuerhalten und so dem Versorgungsauftrag gerecht zu werden? 5.2 Ist bekannt, welche Bemühungen diesbezüglich bislang unternommen worden sind? Nach Auskunft der Krankenhausträgerin stellt sich der Sachverhalt folgendermaßen dar: Nach dem Tod eines Belegarztes und dem Ausscheiden eines weiteren Arztes aus der belegärztlichen Tätigkeit waren nur noch zwei Belegärzte in der Geburtshilfe an der Asklepios Stadtklinik Bad Tölz beschäftigt. Beide gaben gegenüber der Klinikträgerin an, dass der Arbeitsaufwand in der Klinik neben dem normalen Betrieb einer Arztpraxis kaum zu leisten sei. Zum anderen müssten sie für ihre geburtshilfliche Tätigkeit hohe Haftpflichtprämien zahlen. Die Krankenhausträgerin hat sich bemüht, den zum 31.03.2017 auslaufenden Vertrag eines der beiden geburtshilflich tätigen Belegärzte bis Ende Juni 2017 zu verlängern. Aufgrund der bestehenden Doppelbelastung der Tätigkeit in der eigenen Praxis und in der Stadtklinik hat der Belegarzt dies jedoch abgelehnt. Die Krankenhausträgerin hat Kontakt mit den Trägern des Klinikums Garmisch-Partenkirchen und des Krankenhauses Agatharied aufgenommen, um Möglichkeiten für eine Kooperation im Rahmen des Aufbaus einer Hauptabteilung auszuloten. Diese Krankenhäuser hatten sich bereits grundsätzlich zu einer Kooperation im Rahmen einer Hauptabteilung am Standort Bad Tölz bereit erklärt. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/16606 Da das Führen einer Hauptabteilung finanziell sehr hohe Belastungen nach sich zieht, bot Landrat Josef Niedermaier vorbehaltlich einer Entscheidung des Kreistages an, dass der Landkreis einen Teil der Kosten übernehmen würde. Der Kreistag hat am 24.03.2017 eine Übernahme der Kosten abgelehnt . Seit dem 29.03.2017 ist die Geburtshilfestation nun vorübergehend geschlossen. Weitere Gespräche des Landkreises sowohl mit Asklepios als auch mit Trägern anderer Geburtshilfestationen werden derzeit geführt. 2.1 Auf welche Weise wird die Geburtshilfe in der Region sichergestellt, wenn die Abteilung geschlossen wird? 2.2 An welche anderen Krankenhäuser mit geburtshilflichen Abteilungen können Frauen sich vor der Geburt wenden? In der Asklepios Stadtklinik Bad Tölz werden Schwangere seit dem 29.03.2017 in Notfällen versorgt und mit dem Rettungsdienst in eine der umliegenden Kliniken gebracht. Es stehen insbesondere die Geburtshilfestationen in der Kreisklinik Wolfratshausen, im Klinikum Starnberg und im Krankenhaus Agatharied zur Verfügung. Für Patientinnen im südlichen Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen besteht zudem die Möglichkeit, am Klinikum Garmisch-Partenkirchen zu entbinden. 2.3 Haben diese Einrichtungen die erforderlichen Kapazitäten ? Die Kreisklinik Wolfratshausen verfügt in der Fachrichtung Gynäkologie und Geburtshilfe über ausreichende Bettenkapazitäten . Die Abteilungen des Krankenhauses Agatharied und des Klinikums Garmisch-Partenkirchen waren im Jahr 2016 bereits gut ausgelastet, verfügen aber im Haus insgesamt noch über Bettenkapazitäten. 3.1 Welche finanziellen Belastungen ergeben sich für die umliegenden Krankenhäuser, wenn diese plötzlich die 550 Geburten übernehmen müssen, die bislang jährlich in Bad Tölz versorgt wurden? Eine „finanzielle“ Belastung durch Mehreinnahmen für zusätzliche Geburten ist schwer vorstellbar. Zu den Konsequenzen eines etwaigen Fixkostendegressionsabschlags/ Mehrerlösausgleichs wird auf die Antwort zu Frage 3.2 verwiesen. Ein Problem in tatsächlicher Hinsicht könnte allenfalls durch nicht vorhandene räumliche oder personelle Kapazitäten entstehen. 3.2 Welche Konsequenzen werden diesbezüglich der Mehrleistungsabschlag bzw. der Fixkostendegressionsabschlag für die betroffenen Häuser haben? Die budgetrechtlichen Folgen der ggf. zusätzlichen Fälle in den einzelnen umliegenden Krankenhäusern sind von den Umständen des Einzelfalles abhängig. Ein Fixkostendegressionsabschlag – FDA würde anfallen , soweit das aufnehmende Krankenhaus in der Pflegesatzvereinbarung zusätzliche Leistungen gegenüber dem Vorjahr vereinbart. Ausschlaggebend ist dabei nicht, ob eine einzelne Abteilung, sondern das gesamte Haus per Saldo Mehrleistungen erwartet. Außerdem wäre zu klären, ob der Ausnahmetatbestand einer bloßen Leistungsverlagerung im Einzugsbereich vorliegt, bei dem der Abschlag auf die Hälfte des Abschlagssatzes von regelmäßig 35–50 Prozent verringert wird. Der FDA wird für drei Jahre erhoben. Nicht vereinbarte Mehrleistungen unterliegen dem sog. Mehrerlösausgleich, bei dem 65 Prozent der Einnahmen einmalig im folgenden Jahr zurückgezahlt werden müssen. 4.1 Werden sich für die Asklepios Stadtklinik Bad Tölz Konsequenzen ergeben, wenn sie die Abteilung schließt, obwohl der Bayerische Krankenhausplan 2017 15 Betten für diese Abteilung vorsieht, diese also für die Versorgung der Patienten notwendig sind? 4.2 Könnten sich insbesondere Folgen für eventuelle später erwünschte Umwidmungen ergeben? Ein privater Träger ist nicht verpflichtet, die im Krankenhausplan ausgewiesenen Fachrichtungen und Kapazitäten defizitär zu betreiben. Den Sicherstellungsauftrag haben nach dem Kommunalrecht vielmehr die Landkreise und kreisfreien Städte. Sollte die Geburtshilfeabteilung nicht nur vorübergehend schließen, müsste die Fachrichtung Gynäkologie und Geburtshilfe auf Antrag der Trägerin bei der Asklepios Stadtklinik Bad Tölz aus dem Krankenhausplan ausscheiden. Ob im Zuge dessen eine Anpassung der Planbettenzahl nach unten erforderlich würde, wird anhand der Gesamtauslastung der Asklepios Stadtklinik Bad Tölz zu entscheiden sein. Soweit infolge der Schließung die auf den geburtshilflichen Bereich entfallenden Flächen für die akutstationäre Versorgung nicht mehr benötigt werden, wären entsprechende förderrechtliche Konsequenzen hinsichtlich früherer Fördermaßnahmen zu prüfen. 6. Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse vor, dass der bislang bei der Asklepios Stadtklinik Bad Tölz tätige gynäkologische Belegarzt im vergangenen Jahr keine Zuschüsse der Klinik für seine Berufshaftpflichtversicherung erhalten hat, weil derartige Zuschüsse nicht mit dem durch das Antikorruptionsgesetz eingeführten § 299a StGB zu vereinbaren wären? Die Asklepios Stadtklinik Bad Tölz hat gegenüber dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege angegeben, dass ihr anwaltliche Gutachten vorlägen, die eine Strafbarkeit von Zuschüssen zur Haftpflichtversicherung nach § 299a StGB als nicht ausgeschlossen bezeichnen. Daher könne die bisherige Praxis nicht weitergeführt werden. 7.1 Vertritt die Staatsregierung die Auffassung, dass der durch das Antikorruptionsgesetz neu eingeführte § 299a StGB einem vertraglich geregelten Zuschuss zur Berufshaftpflichtversicherung eines Belegarztes durch das Krankenhaus entgegenstehen kann? 7.2 Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte § 299a StGB die wünschenswerte Zusammenarbeit über Sektorengrenzen hinweg nicht infrage stellen. Allerdings definieren sowohl § 121 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches (SGB) Fünftes Buch (V) als auch § 18 Abs. 1 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) den Belegarzt als einen Arzt, der berechtigt ist, seine Patienten stationär zu behandeln, „ohne hierfür vom Krankenhaus eine Vergütung zu erhalten“. Es ist daher nicht von vornherein ausgeschlossen, dass angesichts dieser sozial - und krankenhausrechtlichen Vorgaben der Tatbestand des § 299a StGB durch einen Zuschuss zur Haftpflichtprämie erfüllt sein könnte. Da es zu dem neuen § 299a StGB noch keine gesicherte Rechtsprechung gibt, bleibt für die Betroffenen diese Unsicherheit bestehen. Die Staatsregierung wirkt daher auf Bundesebene auf eine gesetzliche Klarstellung hin.