Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 14.03.2017 Abschiebungen nach Afghanistan Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Wie viele sich im Asylverfahren befindende afghanische Flüchtlinge leben derzeit in Bayern (bitte anhand folgender Kriterien sortieren: Kinder, unbegleitete Minderjährige , Männer und Frauen)? 1.2 Wie viele davon leben in Erstaufnahmeeinrichtungen und in den Aufnahmeeinrichtungen Manching und Bamberg? 2. Wie viele afghanische Flüchtlinge in Bayern befinden sich in Abschiebehaft (bitte auch Dauer der Inhaftierung angeben)? 3.1 Wie viele afghanische Flüchtlinge in Bayern sind derzeit ausreisepflichtig und wie viele sind vollziehbar ausreisepflichtig? 3.2 Wie viele davon haben familiäre Beziehungen in Deutschland? 4.1 Wie viele afghanische Flüchtlinge in Bayern haben eine Arbeitserlaubnis und wie viele sind in Ausbildung? 4.2 Wie viele afghanische Flüchtlinge haben ein Beschäftigungsverbot ? 5.1 Wie lautet die Stellungnahme der Staatsregierung zu Berichten, wonach in Bayern immer noch Arbeitsverbote fälschlicherweise mit dem Verweis auf eine Anerkennungsquote afghanischer Flüchtlinge von 35 Prozent erteilt werden, wie dies zum Beispiel durch das Landratsamt München am 03.03.17 geschah? 5.2 Unterscheiden sich die Anerkennungsquoten in Bayern von denen in anderen Bundesländern, wenn ja, wodurch erklären sich die Unterschiede? 6.1 Liegen der Staatsregierung Informationen dazu vor, wie viele Flüchtlinge (darunter wie viele afghanische Flüchtlinge) seit Anfang Dezember 2016 aus den Berufsschulklassen oder Integrationsklassen verschwunden sind? 6.2 Wie viele Flüchtlinge wurden bereits aus Österreich, Italien, Frankreich oder anderen Ländern wieder rücküberstellt ? 7.1 Welche Kosten entstanden Bayern durch die durchgeführten Sammelabschiebungen? 7.2 Erkennt Herr Staatsminister Joachim Herrmann eine Gefährdung der Abgeschobenen dadurch, dass Kriminelle , Gefährder und nicht straffällig gewordene oder zum Teil integrierte Flüchtlinge in Sammelabschiebungen gemeinsam abgeschoben werden, ohne dass den afghanischen Behörden mitgeteilt wird, wer gegebenenfalls kriminell ist und wer nicht? 7.3 Erkennt Herr Staatsminister Joachim Herrmann hierdurch eine Verschlechterung der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 24.04.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz, dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst sowie dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integ ration wie folgt beantwortet: 1.1 Wie viele sich im Asylverfahren befindende afghanische Flüchtlinge leben derzeit in Bayern (bitte anhand folgender Kriterien sortieren: Kinder, unbegleitete Minderjährige, Männer und Frauen)? Von einem „Flüchtling“ im juristischen Sinne kann man erst dann sprechen, wenn das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auf Antrag eines Asylbewerbers bzw. einer Asylbewerberin ihm bzw. ihr nach einzelfallbezogener Prüfung der während der Asylanhörung geltend gemachten Gründe die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Asylgesetz (AsylG) zuerkennt. Personen mit zuerkannter Flüchtlingseigenschaft befinden sich nicht mehr im Asylverfahren , wenn ihr Asylverfahren mit der bestandskräftigen Entscheidung über den Asylantrag beendet ist. Soweit sich die Fragestellung auf – noch im Verfahren befindliche – Asylbewerber bzw. Asylbewerberinnen mit afghanischer Staatsangehörigkeit bezieht, die grundsätzlich über eine Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 AsylG verfügen , können die betreffenden Zahlen der nachfolgenden Auswertung aus dem Ausländerzentralregister (AZR) zum 28.02.2017 entnommen werden: Geschlecht k.A. Männlich Weiblich Unbek. Gesamt - 13.750 2.797 35 16.582 Nach Altersgruppen von ... bis unter ... (in Jahren) k.A. Bis 16 16-18 18-25 25-35 35-45 45-55 55-65 Ab 65 - 2.574 1.791 7.708 3.097 842 321 172 77 Stellen unbegleitete minderjährige afghanische Staatsangehörige einen Asylantrag, werden sie als Asylbewerber bzw. Asylbewerberinnen in den oben aufgeführten Statistiken Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.08.2017 17/16623 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/16623 erfasst. Im Übrigen liegen der Staatsregierung keine statistischen Daten speziell dazu vor, wie viele unbegleitete minderjährige, afghanische Staatsangehörige Asylanträge gestellt haben. 1.2 Wie viele davon leben in Erstaufnahmeeinrichtungen und in den Aufnahmeeinrichtungen Manching und Bamberg? Zum Stand 28.02.2017 lebten 98 Afghanen bzw. Afghaninnen , die sich noch im Asylverfahren befinden, in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Bayern, in der Erstaufnahmeeinrichtung in Bamberg 86. In der Erstaufnahme in Ingolstadt /Manching befinden sich keine afghanischen Staatsangehörigen . 2. Wie viele afghanische Flüchtlinge in Bayern befinden sich in Abschiebehaft (bitte auch Dauer der Inhaftierung angeben)? Zum 18.04.2017 befanden sich drei afghanische Staatsangehörige in Abschiebungshaft, wobei sich diese Zahl laufend und auch kurzfristig ändern kann. Zwei Personen wurden der Justizvollzugsanstalt Mühldorf – Einrichtung für Abschiebungshaft am 10.04.2017 und eine Person am 13.04.2017 zugeführt. 3.1 Wie viele afghanische Flüchtlinge in Bayern sind derzeit ausreisepflichtig und wie viele sind vollziehbar ausreisepflichtig? Zum Begriff „Flüchtling“ wird auf die Antwort zur Frage Nr. 1.1 verwiesen. Statistische Daten dazu, wie viele anerkannte Flüchtlinge mit afghanischer Staatsangehörigkeit ausreisepflichtig bzw. vollziehbar ausreisepflichtig sind, liegen der Staatsregierung nicht vor. Im Übrigen sind in Bayern laut AZR 1.967 Afghanen bzw. Afghaninnen ausreisepflichtig; 1.382 vollziehbar ausreisepflichtige Afghanen bzw. Afghaninnen halten sich laut AZR (Stand vom 28.02.2017) mit erteilten Duldungen in Bayern auf. 3.2 Wie viele davon haben familiäre Beziehungen in Deutschland? Hierzu liegen keine statistischen Daten vor. 4.1 Wie viele afghanische Flüchtlinge in Bayern haben eine Arbeitserlaubnis und wie viele sind in Ausbildung ? Anerkannte afghanische Flüchtlinge im Sinne des § 3 AsylG, denen auf Antrag eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilt worden ist, verfügen kraft Gesetzes über eine Arbeitserlaubnis (§§ 25 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 25 Abs. 1 Satz 4 AufenthG). Laut AZR (Stand 31.03.2017) halten sich in Bayern 2.017 afghanische Staatsangehörige auf, die aufgrund der Flüchtlingserkennung über eine Arbeitserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG und damit über eine Arbeitserlaubnis verfügen . Zu der Frage, wie viele davon in einer Ausbildung sind, kann mangels statistischer Daten keine Auskunft erteilt werden. Sollten sich die Fragen auf afghanische Asylbewerber und Asybewerberinnen beziehen, kann keine Auskunft hierzu erteilt werden, da hierfür keine statistischen Daten vorliegen. 4.2 Wie viele afghanische Flüchtlinge haben ein Beschäftigungsverbot ? Bei anerkannten Flüchtlingen werden keine Beschäftigungsverbote erteilt, sofern sie über eine gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG verfügen. Sollte die Frage dahingehend zu verstehen sein, in wie vielen Fällen Anträge von afghanischen Asylbewerbern und Asylbewerberinnen auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis abgelehnt worden sind, können keine Angaben gemacht werden, da hierfür keine statistischen Daten vorhanden sind. 5.1 Wie lautet die Stellungnahme der Staatsregierung zu Berichten, wonach in Bayern immer noch Arbeitsverbote fälschlicherweise mit dem Verweis auf eine Anerkennungsquote afghanischer Flüchtlinge von 35 Prozent erteilt werden, wie dies zum Beispiel durch das Landratsamt München am 03.03.17 geschah? Im Hinblick auf anerkannte Flüchtlinge wird auf die Antwort zu Frage Nr. 4.2 verwiesen. Sollte sich die Frage auf afghanische Asylbewerber und Asylbewerberinnen beziehen, wird mitgeteilt, dass von den Ausländerbehörden Arbeitsverbote nicht erteilt werden. Vielmehr ist Asylbewerbern im laufenden Asylverfahren eine Erwerbstätigkeit bereits unmittelbar kraft Gesetzes untersagt. Es besteht insoweit ein gesetzliches Erwerbstätigkeitsverbot mit Erlaubnisvorbehalt, das auch für afghanische Asylbewerber und -bewerberinnen gilt. Auf Antrag kann diesem Personenkreis eine Beschäftigungserlaubnis erteilt werden, wobei es sich stets um eine Ermessensentscheidung der zuständigen Ausländerbehörde handelt, bei der alle entscheidungsrelevanten Umstände des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Die Anerkennungsquote ist dabei nur eines von vielen Ermessenskriterien. Die angefragten statistischen Daten zur Berücksichtigung dieses Ermessenskriteriums im Fall der Ablehnung von Anträgen afghanischer Asylbewerber und Asylbewerberinnen liegen der Staatsregierung nicht vor. 5.2 Unterscheiden sich die Anerkennungsquoten in Bayern von denen in anderen Bundesländern, wenn ja, wodurch erklären sich die Unterschiede? Die Zuständigkeit zur Durchführung der Asylverfahren liegt beim BAMF und damit beim Bund. 6.1 Liegen der Staatsregierung Informationen dazu vor, wie viele Flüchtlinge (darunter wie viele afghanische Flüchtlinge) seit Anfang Dezember 2016 aus den Berufsschulklassen oder Integrationsklassen verschwunden sind? Dazu liegen der Staatsregierung keine Informationen vor. 6.2 Wie viele Flüchtlinge wurden bereits aus Österreich , Italien, Frankreich oder anderen Ländern wieder rücküberstellt? Es wird davon ausgegangen, dass mit „rücküberstellt“ die vollzogenen Überstellungen ins Bundesgebiet aus anderen EU-Mitgliedstaaten gemäß der Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats (Dublin-III-VO) gemeint sind. Der Vollzug der Dublin-III-VO erfolgt nicht in Zuständigkeit der Staatsregierung, sondern ausschließlich in der Zuständigkeit des BAMF. Drucksache 17/16623 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 7.1 Welche Kosten entstanden Bayern durch die durchgeführten Sammelabschiebungen? Die durchgeführten Sammelabschiebungen nach Afghanistan wurden vom Bund als FRONTEX-Flüge organisiert. Insofern hatte Bayern keine Flugkosten zu tragen. Die auf Abschiebungen bezogene Tätigkeit der Ausländerbehörden und der Polizei sowie die dadurch entstandenen Kosten werden nicht gesondert erfasst. Zur Gewährleistung der medizinischen Betreuung, die im Zuge der Abschiebungen aus Bayern eventuell erforderlich gewesen wäre, entstanden Arztkosten jeweils in Höhe von 1085,50 Euro für die Sammelabschiebung am 22.02.2017 und 1.094 Euro für die Sammelabschiebung am 27.03.2017. Zur Vermeidung etwaiger Sprachprobleme wurden Dolmetscher eingesetzt, für die Dolmetscherkosten jeweils in Höhe von 2.013,19 Euro für die Sammelabschiebung am 22.02.2017 und 2.660,97 Euro für die Sammelabschiebung am 27.03.2017 aufgewendet wurden. Das Bundesinnenministerium prüft aktuell die Übernahme dieser Dolmetscherund Arztkosten. 7.2 Erkennt Herr Staatsminister Joachim Herrmann eine Gefährdung der Abgeschobenen dadurch, dass Kriminelle, Gefährder und nicht straffällig gewordene oder zum Teil integrierte Flüchtlinge in Sammelabschiebungen gemeinsam abgeschoben werden, ohne dass den afghanischen Behörden mitgeteilt wird, wer gegebenenfalls kriminell ist und wer nicht? Nein. Die für die polizeiliche Begleitung der Sammelabschiebungen zuständige Bundespolizei wird von den bayerischen Behörden über die jeweils strafrechtlich oder staatschutzrechtlich in Erscheinung getretenen Afghanen rechtzeitig vor der Abschiebung informiert. Die Bundespolizei trifft die notwendigen Vorsorgemaßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit während des Flugs und prüft in eigener Zuständigkeit die Übermittlung von Informationen über etwaige Sicherheitsrisiken an die afghanischen Behörden. 7.3 Erkennt Herr Staatsminister Joachim Herrmann hierdurch eine Verschlechterung der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan? Die Beurteilung der Sicherheitslage in Afghanistan obliegt der Bundesregierung – u.a. dem Auswärtigen Amt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage Nr. 7.2 verwiesen. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/16623