Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Christoph Rabenstein SPD vom 17.03.2017 Sonderprogramm für Stadt- und Ortskerne in Nordostbayern Das Sonderprogramm für Stadt- und Ortskerne in Nordostbayern , das die Staatsregierung aufgelegt hat und nun anläuft , umfasst in Oberfranken die Landkreise Hof, Kronach, Wunsiedel sowie den Landkreis Kulmbach und die Stadt Hof. Baumaßnahmen mit Revitalisierung von Ortskernen, etwa die Modernisierung und Instandhaltung leer stehender Gebäude wie auch der Abbruch von Gebäuden, können demnach in Zukunft mit 90 Prozent durch den Freistaat gefördert werden. Ich frage die Staatsregierung: 1. Nach welchen Maßgaben wurden diese Landkreise und Städte für das Förderprogramm ausgewählt? 2. Warum wurden Kommunen in den angrenzenden Landkreisen nicht in das Förderprogramm aufgenommen , obwohl sie ebenfalls massive Probleme mit Leerständen und Ortssanierungen haben? 3. a) Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung, dass finanzschwache Kommunen mit hohem Bevölkerungsrückgang , die bisher keine Fördermittel über das Sonderprogramm erhalten können, trotzdem in diesem Förderprogramm aufgenommen werden? b) Welche Förderungen, beispielsweise zur Revitalisierung von Ortskernen, können Kommunen, die nicht im Sonderprogramm enthalten sind, abrufen? 4. Inwieweit sieht die Staatsregierung Handlungsbedarf, dass das Sonderprogramm für Stadt- und Ortskerne in Nordostbayern erweitert wird? 5. Inwieweit sieht die Staatsregierung eine mögliche Prob lematik, wenn innerhalb des Regierungsbezirkes direkte Nachbarkommunen – mit ähnlichen finanziellen Problemen – unterschiedlich behandelt werden? 6. Wie viele Kommunen haben bisher Fördermittel über das Sonderprogramm beantragt (aufgeteilt in Gemeinden und Landkreise)? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 24.04.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat sowie dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wie folgt beantwortet: 1. Nach welchen Maßgaben wurden diese Landkreise und Städte für das Förderprogramm ausgewählt? Die vom Ministerrat am 19. September 2016 beschlossene Gebietskulisse umfasst mit den Landkreisen Hof, Kronach und Wunsiedel i. Fichtelgebirge die bayerischen Landkreise mit den höchsten zu erwartenden Bevölkerungsverlusten bis 2034. Dies ergab sich aus der Bevölkerungsprognose des Bayerischen Landesamts für Statistik aus dem Jahr 2015. Inmitten dieses homogenen Fördergebiets und vielfältig damit verflochten liegt die kreisfreie Stadt Hof. Diese hat ihrerseits mit den höchsten Bevölkerungsverlusten aller kreisfreien Städte in Bayern zu rechnen. In den an die bereits beschlossene Gebietskulisse unmittelbar angrenzenden Landkreisen Kulmbach und Tirschenreuth werden bis 2034 jeweils Bevölkerungsrückgänge in zweistelliger Höhe erwartet: Kreisfreie Städte und Landkreise Bevölkerungsstand in 1.000 Veränderung in Prozent 31.12.2014 31.12.2034 Landkreis Wunsiedel i. Fichtelgebirge 73,4 61,6 -16,0 Landkreis Hof 96,6 83,2 -13,9 Landkreis Kronach 68,0 58,6 -13,8 Landkreis Tirschenreuth 73,3 65,1 -11,1 Landkreis Kulmbach 72,5 64,8 -10,7 Kreisfreie Stadt Hof 44,3 40,6 -8,5 Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik, München Die am 25. Oktober 2016 durch Ministerratsbeschluss erweiterte Fördergebietskulisse umfasst mit den Landkreisen Wunsiedel i. Fichtelgebirge, Hof, Kronach, Tirschenreuth und Kulmbach sowie der Stadt Hof ein homogenes, fachlich begründetes Gebiet mit den höchsten berechneten Bevölkerungsverlusten in Bayern bis 2034. 2. Warum wurden Kommunen in den angrenzenden Landkreisen nicht in das Förderprogramm aufgenommen , obwohl sie ebenfalls massive Probleme mit Leerständen und Ortssanierungen haben? Die Fördergebietskulisse umfasst die Landkreise mit erwarteten Bevölkerungsrückgängen in jeweils zweistelliger Höhe und damit ein homogenes Gebiet mit den höchsten berechneten Bevölkerungsverlusten bis 2034. Angrenzende Landkreise erfüllen diese Kriterien nicht. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.08.2017 17/16624 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/16624 3. a) Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung, dass finanzschwache Kommunen mit hohem Bevölkerungsrückgang , die bisher keine Fördermittel über das Sonderprogramm erhalten können, trotzdem in diesem Förderprogramm aufgenommen werden? Siehe Antwort zu Frage 1 und 2. b) Welche Förderungen, beispielsweise zur Revitalisierung von Ortskernen, können Kommunen, die nicht im Sonderprogramm enthalten sind, abrufen ? Mit der Städtebauförderung und der Dorferneuerung verfügt Bayern über zwei eng verzahnte und wirksame Förderprogramme zur Stärkung und Belebung von Ortskernen. Die Städtebauförderung leistet seit 1971 mit beinahe fünf Milliarden Euro einen bedeutenden Beitrag zur städtebaulichen Erneuerung der bayerischen Städte, Märkte und Gemeinden . Sie kommt in der Regel in Ortsteilen zum Einsatz, die mehr als 2.000 Einwohner haben. Die Finanzhilfen der EU, des Bundes und des Freistaats Bayern aktivieren Privatkapital in mehrfacher Höhe und tragen nachhaltig zur Sicherung von Arbeitsplätzen und einer prosperierenden Wirtschaft bei. Starke und vitale Ortskerne zu erhalten, herzustellen und weiterzuentwickeln ist dabei eine Kernaufgabe der Städtebauförderung. Durch die Fokussierung auf die Entwicklung des baulichen Bestandes leistet sie einen wichtigen Beitrag zum sparsamen Umgang mit Grund und Boden. Die Programme der Städtebauförderung konzentrieren sich auf drei wesentliche Handlungsschwerpunkte: Innenstädte und Ortsmitten sollen gestärkt und Stadt- und Ortsteile mit besonderem sozialen, ökonomischen und ökologischen Entwicklungsbedarf fortentwickelt werden. Zudem sollen insbesondere in Gebieten mit Funktionsverlusten nachhaltige städtebauliche Strukturen hergestellt werden. Im Rahmen dieser Handlungsschwerpunkte wird besonderes Augenmerk auf die Versorgung mit Wohnraum, Waren und Dienstleistungen, auf Wirtschaft und Beschäftigung, Ökologie, Denkmalpflege, Kultur und Kunst, Bildung und Soziales sowie die Gleichstellung in allen Lebensbereichen gerichtet. Die städtebauliche Erneuerung wird als ganzheitliche Aufgabe verstanden. Vor allem in strukturschwachen ländlichen Räumen stellen Abnahme und Überalterung der Bevölkerung Städte und Gemeinden vor die Herausforderung, Siedlungs- und Infrastruktur an die Folgen des demografischen Wandels anzupassen . Die Städtebauförderung unterstützt sie dabei. Den Bedürfnissen aller Generationen entsprechend sind soziale und öffentliche Einrichtungen zu erhalten, umzubauen oder neu zu schaffen sowie eine angemessene Nahversorgung sicherzustellen. Daneben ist in öffentlichen Räumen und Gebäuden die Barrierefreiheit für ältere und weniger mobile Bevölkerungsgruppen zu sichern. Auch private Immobilieneigentümer werden bei der Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen unterstützt, wenn ein öffentlicher Mehrwert damit verbunden ist. Die Städtebauförderung ist ein äußerst wichtiges und erfolgreiches Instrument, um die Städte, Märkte und Gemeinden im ländlichen Raum zu stärken, zukunftsfähig zu gestalten und als lebenswerte Heimat für viele Menschen zu erhalten. Klimaschutz und Klimawandel sind bei der Anpassung von Stadt und Ortsquartieren an die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger zu wichtigen Handlungsfeldern städtebaulicher Erneuerungsmaßnahmen und damit auch der Städtebauförderung in Bayern geworden. Die Gemeinden als Zuwendungsempfänger erhalten – vorbehaltlich zur Verfügung stehender Haushaltsmittel – grundsätzlich höchstens 60 Prozent der für die Einzelmaßnahme als förderfähig festgelegten Kosten erstattet. Mit den 2010 eingeführten bayernweiten Struktur- und Härtefonds in der Dorferneuerung und der Städtebauförderung existiert zudem ein Förderrahmen, der besonders struktur- und finanzschwachen Kommunen durch einen erhöhten Fördersatz den Zugang zu strukturwirksamen Förderprogrammen erleichtert. Hierbei sowie im Rahmen von Sonderkontingenten des bayerischen Städtebauförderungsprogrammes zur „Militärkonversion“ und zur „Revitalisierung von Industrieund Gewerbebrachen“ sind Fördersätze von bis zu 80 Prozent der als förderfähig festgelegten Kosten möglich. Zudem wird die Sanierung leer stehender Gebäude in Ortskernen für die Unterbringung anerkannter Flüchtlinge mit einem erhöhten Fördersatz von bis zu 90 Prozent der förderfähigen Kosten gefördert. Auch die Verwaltung für Ländliche Entwicklung bietet zur Unterstützung der Gemeinden vielfältige Hilfen an, insbesondere mit der Dorferneuerung. Sie kann in ländlich strukturierten Gemeinden oder Gemeindeteilen einschließlich im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang gelegener Weiler und Einzelanwesen durchgeführt werden; ein beteiligter Gemeindeteil soll in der Regel nicht mehr als 2.000 Einwohner haben. Die Dorferneuerung dient der nachhaltigen Verbesserung der Lebens-, Wohn-, Arbeits- und Umweltverhältnisse auf dem Lande, insbesondere der agrarstrukturellen Verhältnisse und städtebaulich unbefriedigender Zustände. Durch die Dorferneuerung sollen u. a. die Innenentwicklung der Dörfer und der sparsame Umgang mit Grund und Boden gefördert, der eigenständige Charakter ländlicher Siedlungen und die Kulturlandschaft erhalten sowie Beiträge zum Klimaschutz, zur Energiewende, zur Anpassung an den Klimawandel , zur Grundversorgung, zur Mobilität und zur Barrierefreiheit geleistet werden. Im Gebäudebereich haben Gebäudesanierungen, Um-, Aus- und auch Neubau sowie Umnutzungen bzw. Wiedernutzungen eine hohe Bedeutung. Aber nicht immer ist die Erhaltung der Bausubstanz möglich, insbesondere wenn es um zeitgemäße Nutzungsanforderungen für das Wohnen und Arbeiten geht. Dann wird es nicht zu umgehen sein, Gebäude abzubrechen und dort dorfgemäße Ersatzbauten zu errichten. Große Bedeutung hat auch die Gestaltung der öffentlichen Räume, von Plätzen, Straßenräumen, Fußwegen und Freiflächen. Denn attraktive öffentliche Räume sind wichtig, um Menschen vom Verbleib oder von den Vorteilen einer Ansiedlung im Ortskern zu überzeugen. Für ein vitales Dorf ist es zudem notwendig, möglichst viele Funktionen zu erhalten bzw. neu zu schaffen. Dies kann sich nicht nur auf das Wohnen beschränken; vielmehr geht es auch um die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen und die Versorgung mit Waren und Dienstleistungen, sei es durch Einkaufsmöglichkeiten, medizinische Versorgung oder auch ganz einfach Möglichkeiten, um sich zu treffen und auszutauschen , wie z. B. in Wirtshäusern und Gemeinschaftseinrichtungen . Ein weiteres Förderangebot, das zur Beseitigung innerörtlicher Leerstände beitragen kann, ist das kommunale Wohnraumförderungsprogramm (2. Säule des Wohnungspakts Bayern vom 09.10.2015). Hier können die Städte und Gemeinden selbst Mietwohnraum schaffen oder moderni- Drucksache 17/16624 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 sieren. In sachlichem Zusammenhang dazu sind auch vorbereitende planerische Maßnahmen oder unter bestimmten Voraussetzungen Grunderwerb förderfähig. Die Kommunen können Zuschüsse in Höhe von 30 Prozent der zuwendungsfähigen Gesamtkosten erhalten und bei Bedarf ein zinsgünstiges Kapitalmarktdarlehen in Höhe von bis zu 60 Prozent der zuwendungsfähigen Gesamtkosten. Alternativ können die Städte und Gemeinden auch die staatliche Wohnraumförderung (3. Säule des Wohnungspakts Bayern) nutzen. Hier kommen beim Neubau von Mietwohnungen das Bayerische Wohnungsbauprogramm und bei der Modernisierung von Mietwohnungen das Bayerische Modernisierungsprogramm in Betracht. Die Förderung erfolgt mit zinsgünstigen Darlehen und ergänzenden Zuschüssen. 4. Inwieweit sieht die Staatsregierung Handlungsbedarf , dass das Sonderprogramm für Stadt- und Ortskerne in Nordostbayern erweitert wird? Ein entsprechender Handlungsbedarf wird derzeit nicht gesehen . Die Förderoffensive Nordostbayern 2017–2020 stellt ein auf vier Jahre befristetes Pilotvorhaben dar. 5. Inwieweit sieht die Staatsregierung eine mögliche Problematik, wenn innerhalb des Regierungsbezirkes direkte Nachbarkommunen – mit ähnlichen finanziellen Problemen – unterschiedlich behandelt werden? Eine mögliche Problematik ist nicht erkennbar, da die Fördergebietskulisse ein homogenes Gebiet umfasst und fachlich begründet ist. 6. Wie viele Kommunen haben bisher Fördermittel über das Sonderprogramm beantragt (aufgeteilt in Gemeinden und Landkreise)? Antragsberechtigt sind ausschließlich Städte und Gemeinden . Für die Städtebauförderung laufen derzeit die Ermittlungen bezüglich der Programmaufstellung, die für Mitte des Jahres vorgesehen ist. Es haben aktuell 77 Städte und Gemeinden 345 Projekte angemeldet. Bei der Dorferneuerung wurden in 55 Gemeinden 116 Projekte angemeldet. Mit der Anmeldung weiterer Projekte ist zu rechnen. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/16624