17. Wahlperiode 05.07.2017 17/16661 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Simone Strohmayr SPD vom 28.03.2017 Zeitungen an Schulen ch frage die Staatsregierung: 1. Wie wird an staatlichen Schulen mit kostenlos durch Verlagshäuser zur Verfügung gestellten Zeitungen und Zeitschriften verfahren? 2. a) Sollte eine einheitliche Regelung bestehen, wie wird deren Einhaltung überwacht? b) Sollte keine einheitliche Regelung bestehen, ist eine solche in Planung? 3. Existiert eine Dienstanweisung an die Schulen, wie mit Parteizeitungen (Vorwärts, Bayernkurier, FDPlus, Neues Deutschland, etc.) verfahren werden soll? 4. Gibt es eine Liste von Verlagshäusern bzw. deren Veröffentlichungen , die in bayerischen Schulen nicht erwünscht sind? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 26.04.2017 1. Wie wird an staatlichen Schulen mit kostenlos durch Verlagshäuser zur Verfügung gestellten Zeitungen und Zeitschriften verfahren? Grundsätzlich untersagt Art. 84 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) den Vertrieb von Gegenständen aller Art, Ankündigungen und Werbung hierzu, das Sammeln von Bestellungen sowie den Abschluss sonstiger Geschäfte in der Schule. Art. 84 Abs. 1 Satz 1 BayEUG dient dem Schutz der Schülerinnen und Schüler vor Beeinflussung durch kommerzielle Werbung, ferner der Sicherstellung eines geordneten Schulbetriebs. An Schulen sollen keine Werbekampagnen stattfinden, der Unterricht darf nicht durch die Verteilung von Werbematerial und Produkten gestört werden. Das Werbeverbot erstreckt sich in räumlicher und zeitlicher Hinsicht auf den Schulunterricht und alle schulischen Veranstaltungen innerhalb und außerhalb des Schulgebäudes. Von diesem Werbeverbot ist grundsätzlich auch das Verteilen von Zeitungen und Zeitschriften (mit Werbung) umfasst. Von dem Verbot kommerzieller Werbung an Schulen kann nach Art. 84 Abs. 1 Satz 2 BayEUG die Schulordnung Ausnahmen zulassen. Dies ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Schulordnung für schulartübergreifende Regelungen an Schulen in Bayern (Bayerische Schulordnung – Bay- SchO) geschehen: Der Schulleiter entscheidet vorbehaltlich anderer Regelungen über die Verbreitung von gedruckten oder digitalen Schriften und Plakaten im schulischen Interesse . Bei seiner Entscheidung über die Verbreitung der Zeitungen und Zeitschriften hat er deren Inhalt an den Verboten kommerzieller und politischer Werbung an Schulen gemäß Art. 84 Abs. 1 und Abs. 2 BayEUG zu messen. Es obliegt dabei jeder Schulleitung selbst, das schulische Interesse bzw. den pädagogischen Wert von externen Materialien zu bewerten und deren Verbreitung in der Schule zuzulassen, selbst wenn sie teilweise Werbung enthalten (Beurteilungsspielraum des Schulleiters). Im pädagogischen Ermessen jeder Lehrkraft liegt es, zu entscheiden, ob und wie derartige Materialien im Unterricht behandelt werden. Dies gilt auch für Zeitungen und Zeitschriften, die Schulen oder Klassen im Rahmen von Projekten, Lesepatenschaften, Wettbewerben oder Sponsoring-Aktionen zur Verfügung gestellt werden. Diese können die für den Unterricht zugelassenen Lernmittel sinnvoll ergänzen. So tragen sie beispielsweise zur politischen Bildung und zur Medienbildung der Schülerinnen und Schüler bei. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/16661 Bei der Auswahl von kostenlos zur Verfügung gestellten Zeitungen und Zeitschriften durch die Schulen bzw. die Lehrkräfte ist eine Reihe von Kriterien zu berücksichtigen, v. a.: • Relevanz für die Umsetzung des Bildungsauftrags bzw. des Lehrplans; • Eignung für Schulart und Altersgruppe; • Verfassungskonformität; • inhaltliche Qualität. Zudem ist bei der Behandlung im Unterricht unbedingt auf Multiperspektivität, Pluralität und Neutralität zu achten; einseitige Standpunkte dürfen nicht vertreten werden. Weiterhin hat die Schulleiterin oder der Schulleiter im Rahmen ihrer bzw. seiner Entscheidungsfindung über die Verteilung der Druckschriften zu beachten, dass gemäß Art. 84 Abs. 2 BayEUG politische Werbung im Rahmen von Schulveranstaltungen oder auf dem Schulgelände nicht zulässig ist. An öffentlichen Schulen in Bayern gilt der Grundsatz politischer Neutralität. Die Schule darf nicht als Plattform für politische Werbung genutzt werden. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 15.04.1994 – 7 CE 94.359 (veröffentlicht in der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht – NVwZ 1994, 922 ff.) dazu Folgendes ausgeführt: Bei der Auslegung von Art. 84 Abs. 2 BayEUG (bzw. seinerzeit dessen Vorgängerbestimmung im BayEUG) ist nicht nur das Grundrecht auf Meinungsfreiheit der vom Verbot der politischen Werbung Betroffenen zu berücksichtigen. Zu berücksichtigen sind auch das Elternrecht der (anderen) Eltern aus Art. 6 Grundgesetz (GG) und Art. 124 Bayerische Verfassung (BV), von unerwünschter politischer Beeinflussung in der Schule verschont zu bleiben, und der staatliche Erziehungsauftrag nach Art. 7 Abs. 1 GG, Art. 130 BV, der durch politische Werbung in der Schule beeinträchtigt würde. Unzulässige politische Werbung im schulrechtlichen Sinn sind demnach alle politischen Meinungsäußerungen in der Schule oder unter Benutzung der Schule als Informationsverteiler , die primär der gezielten politischen Meinungsbeeinflussung durch eine Partei oder eine sonstige, einem bestimmten politischen Ziel verpflichtete Gruppe dienen. Die gebotene politische Neutralität der Schule wird bereits durch die den Anschein der Amtlichkeit erweckende Verteilung von politischem Werbematerial und die damit verbundene Instrumentalisierung der Schüler für politische Werbezwecke beeinträchtigt. Das Verbot unterbindet jedoch keineswegs die politische Meinungsäußerung im Schulbereich, sondern ist lediglich eine verfassungsgemäße Einschränkung derselbigen . Zulässig ist grundsätzlich die politische Diskussion zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern oder unter diesen Personengruppen, eine parteipolitische Erziehung ist dagegen unzulässig. Konkrete Hinweise zum Umgang mit verschiedenen Fallkonstellationen gibt das KMS vom 05.02.2013, II.1 – 5 S 4600 – 6a.7 272, mit dem Titel „Vollzug des Art. 84 Abs. 2 BayEUG; Aktivitäten von Abgeordneten an Schulen“. Das Kultusministerielle Schreiben (KMS) findet sich auch auf der Homepage des Staatsministeriums https://www.km.bayern. de/ministerium/recht.html unter „Bekanntmachungen“ für den Schulbereich. 2. a) Sollte eine einheitliche Regelung bestehen, wie wird deren Einhaltung überwacht? Wie unter der Antwort zu Frage 1 dargestellt, existieren Regelungen auf Gesetzes- und Verordnungsebene, die durch die erwähnte Bekanntmachung konkretisiert wurden. In Zweifelsfällen können die Schulleiterinnen und Schulleiter Rat bei der nächsthöheren Dienststelle einholen. b) Sollte keine einheitliche Regelung bestehen, ist eine solche in Planung? Die vorhandenen Regelungen werden als ausreichend erachtet , weitere sind derzeit nicht in Planung. 3. Existiert eine Dienstanweisung an die Schulen, wie mit Parteizeitungen (Vorwärts, Bayernkurier, FDPlus, Neues Deutschland, etc.) verfahren werden soll? Nein. 4. Gibt es eine Liste von Verlagshäusern bzw. deren Veröffentlichungen, die in bayerischen Schulen nicht erwünscht sind? Nein.