Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Gehring BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 11.02.2014 Forschungsprojekt MiKADO /Thema Sexualität Ich frage die Staatsregierung: 1. Warum nimmt Bayern nicht am Forschungsprojekt MiKADO der Universität Regensburg teil, das vom Bundesfamilienministerium gefördert wird? 2. Warum sehen Bundesländer wie Hamburg oder NRW kein Problem beim MiKADO-Projekt? 3. a) Gibt es eine Statistik in Bayern, die sexuelle Übergriffe an Kindern erfasst? b) Wenn ja, wie hoch ist die vermutete Dunkelziffer? 4. a) Gibt es eine Statistik über die sexuellen Grenzüberschreitungen an Kindern im Internet? b) Wenn ja, wie hoch ist die vermutete Dunkelziffer? c) Welche Altersgruppe (bitte aufgeschlüsselt nach Jun- gen und Mädchen) ist besonders betroffen? 5. a) In welchen sozialen Verhältnissen leben Kinder, die Opfer solcher Übergriffe werden? b) Gibt es eine Statistik über Geschlecht und Motivation der Täter, die sexuellen Missbrauch an Kindern praktizieren ? 6. Welche Maßnahmen sieht das Kultusministerium vor, um für mehr Aufklärung beim Thema Sexualität zu sorgen ? 7. a) Was wird aktiv für die Prävention vor sexueller Gewalt gegenüber Kindern in Bayern getan? b) Welche Maßnahmen des Landes Bayern hierzu gibt es im Internet? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 09.04.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz, dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst sowie dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt beantwortet: 1. Warum nimmt Bayern nicht am Forschungsprojekt MiKADO der Universität Regensburg teil, das vom Bundesfamilienministerium gefördert wird? Das Forschungsprojekt MiKADO – Missbrauch von Kindern – Ätiologie, Dunkelfeld, Opfer, wird sowohl vonseiten des Staatsministeriums der Justiz als auch der Bayerischen Polizei unterstützt. Die zur Durchführung des Forschungsprojekts notwendige Einsicht in justizielle Ermittlungsakten, über die in jedem Einzelverfahren die jeweils mit der Sache befasste Staatsanwaltschaft zu entscheiden hat, wurde vonseiten des Bayer. Staatsministeriums der Justiz grundsätzlich befürwortet. Gleichzeitig wurde der Kriminalpolizeiinspektion (KPI) Regensburg durch das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr die Zustimmung erteilt, am Forschungsprojekt MiKADO teilzunehmen. Vonseiten der Projektleitung wurden dazu je 50 Fälle von Personen, die wegen Kinderpornografie und von solchen, die wegen Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch von Kindern beschul-digt wurden, angefordert. Diese Anzahl von Fällen konnte jedoch nicht geliefert werden. Im Bereich der KPI Regensburg konnte nur ein Fall angeboten werden, der beide Delikte in Kombination vorweisen konnte. Die Projektleitung von MiKADO wollte sich daraufhin selbstständig mit anderen Staatsanwaltschaften in Verbindung setzen, um eine repräsentative Anzahl von Fällen durchleuchten zu können. Seitens des seinerzeitigen Kultusministeriums wurde im November 2011 die Genehmigung für die Durchführung der Erhebung des ersten Teilprojekts „Entwicklung sekundärpräventiver Maßnahmen in Bezug auf sexuelle Übergriffe in den neuen Medien – Prävalenzschätzung, Erhebung von Risiko- und Schutzfaktoren“ erteilt. Der Antrag auf Durchführung des zweiten Teilprojekts „Ätiologie, Dunkelfeld, Opfer“ wurde im März 2013 eingereicht . Aus pädagogischen Gründen und auch aus Fürsorgegesichtspunkten gegenüber den betroffenen Schülerinnen und Schülern konnte diese Erhebung jedoch nicht genehmigt werden: Maßgeblich für die Ablehnung der in Frage 1 der Schriftlichen Anfrage wohl gemeinten zweiten MiKADOTeilstudie waren erhebliche pädagogische Bedenken: – Zielgruppe der Erhebung waren Schülerinnen und Schü- ler der Jahrgangsstufen 8 und 9, also Schülerinnen und Schüler zwischen 13 und 16 Jahren. Diese befinden sich in der Pubertät, einer Phase der Selbstfindung, die mit großer Unsicherheit und Verletzbarkeit, in der Sexualität trotz vorgegebener „Coolness“ auch mit Scham verbunden ist. – Angesichts dessen war es umso problematischer, dass die Erhebung jeweils in gesammelten Klassenverbänden durchgeführt werden sollte. – Der Fragebogen beinhaltete unter anderem umfassende und detailliert dargestellte Fragen zum Sexualleben der Kinder sowie zu verschiedensten Ausprägungen sexueller Gewalterfahrungen. Dabei wurde auch nach der Identität der Täter und der skalierenden Einschätzung der Be- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 23.05.2014 17/1674 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/1674 lastung durch die Erfahrung gefragt. Die teilnehmenden 13- bis 16jährigen würden dadurch mit intensiven Darstellungen konfrontiert: Der Antragsteller selbst gibt an, dass mit Belastungserscheinungen zu rechnen sei; die Studien zur Belastung von Teilnehmern an Forschungsprojekten zum sexuellen Missbrauch weisen schon bei erwachsenen Teilnehmern eine Zahl von Belasteten im zweistelligen Prozentbereich aus. Bei Heranwachsenden ist mindestens von einer ähnlichen Zahl auszugehen, eine höhere nahezu zu erwarten. – Ein Projekt, das im schulischen Kontext stattfindet, darf Kindern eine solche Belastung nicht zumuten: Die Eltern und Erziehungsberechtigten vertrauen ihre Kinder den Schulen an und müssen sich darauf verlassen können, dass alle Angebote, die vonseiten der Schulaufsicht genehmigt sind, keine Belastung in dieser Weise verursachen . Die pädagogische Begleitung durch die Durchführenden des Projekts, die sich nur auf die unmittelbare Folgestunde nach der Durchführung der Erhebung bezog und ansonsten nur per Mail oder Telefon erfolgen sollte, kann dies nicht in ausreichender Weise ausgleichen. – Zudem dürfte auch eine nennenswerte Zahl von Eltern etliche Fragestellungen als Tabubruch auffassen. Auch hier wäre das Vertrauen der Eltern in die Schulen erschüttert . Das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst bekennt sich nachdrücklich zur Forschung auch im Bereich der Missbrauchsprävention. Allerdings müssen, wie bei allen Anträgen auf Erhebungen an Schulen, die jeweiligen berechtigten Forschungsinteressen auch im Einklang mit dem pädagogischen Auftrag der Schule und den datenschutzrechtlichen Bestimmungen stehen. Dafür, dass solche Forschungsprojekte zum sexuellen Missbrauch in Bayern so weit als möglich unterstützt werden , stehen schon die Genehmigung der ersten Teilstudie von MiKADO (s. o.) und die Erhebung zum Umsetzungsstand der Empfehlungen des Runden Tisches mit dem Titel „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“. Aktuell läuft in einem fortgeschrittenen Stadium das Genehmigungsverfahren einer Erhebung für die Entwicklung eines Präventionsprogramms an Heimschulen im Rahmen des Projekts „Kindeswohl als kollektives Orientierungsmuster“. 2. Warum sehen Bundesländer wie Hamburg oder NRW kein Problem beim MiKADO-Projekt? Nach Mitteilung des Staatsministeriums für Bildung und Kultus , Wissenschaft und Kunst handelt es sich bei der von der Universität Regensburg beantragten Erhebung für die zweite MiKADO-Teilstudie auch nach Meinung der Kultusministerien anderer Länder in der Bundesrepublik Deutschland um ein problematisches Format. Die Empfehlung anderer Länder, analog zu dem von Herrn Professor Fegert (Universität Ulm) in einem anderen Rahmen gewählten Verfahren, die Umfrage in Form von qualitativen Interviews durchzuführen , bei denen flankierend für die Befragten auch individuelle und nachhaltige Beratung und Unterstützung gewährleistet ist, wurde von der Universität Regensburg nicht aufgegriffen. Das hat zu einer Ablehnung des Antrags nicht nur in Bayern, sondern auch in anderen Ländern geführt: – Zum Genehmigungsverfahren in Nordrhein-Westfalen liegen dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr keine Informationen vor. Aufgrund der medialen Reaktion im Sommer 2013 ist davon auszugehen, dass zumindest aufseiten der Eltern und Erziehungsberechtigten im Fall des zweiten o. g. Teilprojekts nicht von einem problemlosen Verlauf die Rede sein kann. – In Hamburg wurde das zweite Teilprojekt aus pädagogischen Gründen nicht genehmigt. Nach Auskunft der zuständigen Behörde für Schule und Berufsbildung wurde die Erhebung widerrechtlich durchgeführt. – Gleichfalls aus pädagogischen Bedenken heraus wurde die Erhebung auch in Sachsen nicht genehmigt. Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. a) Gibt es eine Statistik in Bayern, die sexuelle Übergriffe an Kindern erfasst? Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) weist den sexuellen Missbrauch zum Nachteil von Kindern aus. Im Jahr 2013 wurden 1.607 Fälle (Schlüsselzahl 131.000) registriert. b) Wenn ja, wie hoch ist die vermutete Dunkelziffer? Laut Mitteilung des Bayerischen Landeskriminalamtes liegt die Dunkelziffer für den sexuellen Kindesmissbrauch gemäß einschlägiger Fachliteratur vermutlich zwischen 10- und 30- mal höher, als in der PKS ausgewiesen wird. 4. a) Gibt es eine Statistik über die sexuellen Grenz- überschreitungen an Kindern im Internet? In der PKS werden auch sexuelle Grenzüberschreitungen an Kindern im Internet erfasst, soweit eine Strafbarkeit zugrunde liegt. Handlungen, die lediglich moralisch verwerflich sind und keine Strafbarkeit begründen, werden nicht in der PKS erfasst. Gemäß der PKS aus dem Jahr 2013 wurde beim sexuellen Missbrauch von Kindern in 154 Fällen das Tatmittel Internet eingesetzt (9,6 %). Weitere statistische Erkenntnisse liegen nicht vor. b) Wenn ja, wie hoch ist die vermutete Dunkelziffer? Ähnlich wie bei der Frage 3 b dürfte auch hier die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher liegen. Verlässliche Angaben hierzu können jedoch nicht gemacht werden. c) Welche Altersgruppe ist besonders betroffen? Die Altersstruktur der Opfer bei sexuellem Missbrauch zum Nachteil von Kindern im Allgemeinen stellt sich gemäß der PKS 2013 wie folgt dar: unter 6 Jahre 6 bis unter 14 Jahre Männlich Weiblich Männlich Weiblich 54 147 429 1.300 Bei den Fällen mit dem Tatmittel Internet ist die Altersstruktur der Opfer gemäß der PKS 2013 wie folgt: unter 6 Jahre 6 bis unter 14 Jahre Männlich Weiblich Männlich Weiblich 1 1 29 140 5. a) In welchen sozialen Verhältnissen leben Kinder, die Opfer solcher Übergriffe werden? Statistische Aussagen zu den sozialen Verhältnissen von Kindern, die Opfer sexueller Übergriffe werden, können auf Grundlage der PKS nicht getroffen werden. Eine anderweitige statistische Erfassung der sozialen Verhältnisse, in de- Drucksache 17/1674 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 nen Kinder leben, die Opfer solcher Übergriffe werden, ist nicht bekannt. b) Gibt es eine Statistik über Geschlecht und Motivation der Täter, die sexuellen Missbrauch an Kindern praktizieren? Im Hinblick auf die Geschlechterverteilung der Täter von sexuellem Kindesmissbrauch kann auf die PKS zurückgegriffen werden. Von den o. g. 1.607 erfassten Fällen von sexuellem Kindesmissbrauch aus dem Jahr 2013 konnten 87,8 % aufgeklärt werden. Unter Berücksichtigung der in der PKS nur einmal gezählten Mehrfachtäter liegt die Anzahl der ermittelten Tatverdächtigen bei 1.144. Hiervon waren (vergleichbar mit der PKS von 2012) 1.087 bzw. 95 % der Tatverdächtigen männlich. Dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration liegen darüber hinaus folgende Erkenntnisse , basierend auf dem Abschlussbericht des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ (BT-Drs. 17/8117), vor: Hier wird festgestellt, dass nach den verfügbaren Statistiken in über 90 % der Fälle sexuelle Übergriffe und Grenzverletzungen durch Männer aus allen sozialen Schichten stattfinden. Umfassende Informationen enthält der Leitfaden für Ärztinnen und Ärzte – Gewalt gegen Kinder und Jugendliche Erkennen und Handeln des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration in den Kapiteln 1 (Daten und Fakten) und 3 (3.2. Sexuelle Gewalt). Vertiefte Informationen sind unter www.aerzteleitfaden.bayern.de abrufbar. Statistische Aussagen zu den Motiven der Täter von sexuellem Kindesmissbrauch (Kontakttäter) können auf Grundlage der PKS nicht getroffen werden. Aufseiten des Staatsministeriums der Justiz sowie des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration bestehen ebenfalls keine Statistiken über die Motivation der Täter. 6. Welche Maßnahmen sieht das Kultusministerium vor, um für mehr Aufklärung beim Thema Sexualität zu sorgen? Die Familien- und Sexualerziehung umfasst ein weites Themenfeld , das in den „Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung an den bayerischen Schulen“, der verbindlichen Grundlage des Unterrichts zu dieser Thematik (http://www. km.bayern.de/ministerium/recht.html) beschrieben ist. Die nach diesem Konzept vorgesehene Sexualerziehung ist für die allermeisten Themen ausreichend. Nachdem sich die Schriftliche Anfrage ausschließlich mit dem Thema sexuelle Gewalt befasst, wird bei der Beantwortung der Anfrage explizit nur hierauf eingegangen. Die Vermittlung des Themas Prävention sexuellen Missbrauchs im Unterricht wird seit vielen Jahren als wichtig erachtet und wird deshalb an den Schulen bereits umfassend berücksichtigt. Bereits im Jahr 2002 wurden die o. g. Richtlinien überarbeitet und um das Kapitel „Prävention von sexuellem Missbrauch “ ergänzt. Unterstützend dazu wurde allen Schulen ein Medienpaket mit Informationen für Lehrkräfte, Eltern und Kinder zu diesem Thema zur Verfügung gestellt, das Anregungen für den Umgang mit diesem Thema bietet. Intention der zum Medienpaket gehörenden Handreichung „Prävention von sexuellem Missbrauch“ war es, dass Lehrkräfte die Problematik des sexuellen Missbrauchs erkennen und auch für entsprechende Symptome sensibilisiert werden. Im Mittelpunkt der Handreichung stand dabei eine Prävention, die primär bei der Stärkung der Selbstwahrnehmung und Selbstbehauptung von Kindern ansetzt. Über den Präventionsaspekt hinaus enthält die Handreichung auch Hinweise darauf, welche Interventionsmöglichkeiten Lehrkräfte bei einem konkreten Fall von Missbrauch haben und wo gegebenenfalls Experten zu finden sind. In diesem Zusammenhang wurden die Schulen gebeten, eine Lehrkraft als Ansprechpartner zu institutionalisieren, die sowohl über die zu unternehmenden Schritte bei einer eventuellen Intervention informiert ist als auch die Ansprechpartner der Hilfsorganisationen und Behörden vor Ort kennt, die im Falle eines Verdachts auf sexuellen Missbrauch kontaktiert werden können bzw. müssen. Zusammen mit der Handreichung erhielten die Schulen auch den Lehrspielfilm „Trau dich“ sowie die Grundschulen zusätzlich den Film „Mutprobe “, die zur Prävention von sexuellem Missbrauch beitragen können. Um die Bearbeitung der sensiblen Gewaltthematik im Unterricht zu erleichtern, wurden zwischenzeitlich im Auftrag des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration zwei DVDs erstellt. Diese enthalten neben den Filmen vielfältige Begleitmaterialien, wie methodische Vorschläge für die Arbeit im Unterricht, Unterrichtseinheiten, Arbeitsblätter und -hilfen, Medientipps und Experten-Interviews . Zudem wurde das Thema bereits bei der letzten Überarbeitung der Lehrpläne der Volksschulen und der Gymnasien in den Jahrgangsstufen 4 und 5 verankert. Entsprechend den Lehrplänen wird also jedes Kind in einer dem Alter angemessenen Form aufgeklärt und über die Gefahren sexuellen Missbrauchs informiert. Derzeit findet eine erneute Überarbeitung der o. g. Richtlinien statt, wobei insbesondere die Themen „queere“ Lebensformen und Medien besonders berücksichtigt werden. Die neuen Richtlinien werden sich sowohl auf die neue Lehrplangeneration als auch auf das Programm der staatlichen Lehrerfortbildung auswirken. 7. a) Was wird aktiv für die Prävention vor sexueller Gewalt gegenüber Kindern in Bayern getan? b) Welche Maßnahmen des Landes Bayern hierzu gibt es im Internet? Die Fragen a) und b) werden wegen ihres Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet. Bei allen Polizeipräsidien in Bayern gibt es die „Beauftragten der Polizei für Frauen und Kinder in Bayern (BPFK)“, die u. a. auch bei sexuellem Missbrauch von Kindern, Jugendlichen und Schutzbefohlenen die Opfer und deren Angehörige informieren und unterstützen. Dabei klären sie über den Ablauf eines Strafverfahrens und über Opferrechte auf, erläutern polizeiliche Maßnahmen und Möglichkeiten, geben Verhaltenstipps zur Vorbeugung und weisen auf Beratungsstellen und Hilfeeinrichtungen hin. Bei Bedarf stellen sie den Kontakt zur zuständigen Polizeidienststelle her. Zudem betreiben die BPFK entsprechende Öffentlichkeitsarbeit durch Fachvorträge und Teilnahme an themenbezogenen Veranstaltungen. Eine eigene Kampagne für die Prävention sexueller Gewalt gegenüber Kindern gibt es bei der Bayerischen Polizei nicht. Im März 2013 hat die Polizei jedoch bundesweit die Kampagne „Missbrauch verhindern!“ ins Leben geru- Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/1674 fen. Die Polizei informiert darin in Kooperation mit der Opferschutzorganisation WEISSER RING e. V. über sexuelle Gewalt an Minderjährigen. Die Kampagne wendet sich ausschließlich an erwachsene Bezugspersonen von Kindern und Jugendlichen, insbesondere an Eltern und Erziehungsverantwortliche . Denn Kinder können einen Missbrauch häufig nicht allein beenden. Zur Kampagne gehören Plakate, die die Kernbotschaften der Kampagne transportieren, sowie eine Internetseite, die Erwachsenen erste Informationen über diesen Themenbereich an die Hand gibt. Zur vertiefenden Information steht eine Broschüre für Erwachsene, insbesondere Eltern und Erziehungsverantwortliche, zur Verfügung. Die Medien sind kostenlos bei den (kriminal-)polizeilichen Beratungsstellen erhältlich und unter www.missbrauch-verhindern.de zum Download eingestellt. Die Internetseite www.missbrauch-verhindern.de vermittelt wichtige Informationen über das tatsächliche Ausmaß des Missbrauchs, Täterstrategien oder über Anzeichen für Missbrauch. Durch diese Hinweise sollen Erwachsene in die Lage versetzt werden, Missbrauch zu erkennen, zu unterbrechen und Betroffenen zur Seite zu stehen. Ein wichtiger Teil des Opferschutzes ist auch eine Anzeige des Missbrauchs bei der Polizei. Deswegen enthält die Internetseite vielfältige Hinweise über die Arbeit der Polizei von der Anzeigenerstattung bis zur Gerichtsverhandlung. Als zentrales Element der Kampagne sollen nachfolgende fünf Kernbotschaften die Bevölkerung für dieses Thema sensibilisieren, aber auch zur Opferhilfe auffordern: – Schützen Sie Kinder durch Ihr Wissen. Informieren Sie sich über Fakten und Risiken – Unkennt- nis begünstigt Missbrauch. – Schützen Sie Kinder durch Ihre Offenheit. Machen Sie Missbrauch nicht zum Tabuthema – damit helfen Sie Opfern, sich anzuvertrauen. – Schützen Sie Kinder durch Ihre Aufmerksamkeit. Oft gibt es Signale für Missbrauch – seien Sie aufmerk- sam. – Schützen Sie Kinder durch Ihr Vertrauen. Vertrauen Sie den Aussagen von Kindern. Kinder erfin- den selten eine an ihnen begangene Straftat. – Schützen Sie Kinder durch Ihr Handeln. Kümmern Sie sich um betroffene Kinder, holen Sie sich Hilfe und erstatten Sie Anzeige. Kinder können den sexuellen Missbrauch nicht beenden, sie brauchen die Hilfe von Erwachsenen. Dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst ist es ein wichtiges Anliegen, die Lehrerinnen und Lehrer für die Prävention vor sexueller Gewalt bzw. Missbrauch zu sensibilisieren und darin zu schulen, kompetent und behutsam damit umzugehen, Signale der Mädchen und Buben wahrzunehmen und zu wissen, wie im konkreten Verdachtsfall vorgegangen werden muss. In diesem Zusammenhang wurden die Schulen per KMS „Prävention bei Gewalt - und Sexualdelikten“ vom 22.03.2010 aufgefordert, an ihrer Schule allen Schülerinnen und Schülern Einrichtungen und Personen bekannt zu machen, an die sich Kinder und Jugendliche, aber auch Eltern in Notlagen vertrauensvoll wenden können. Um eine allgemeine Sensibilisierung der Lehrkräfte zu gewährleisten, ist eine Beschäftigung mit dieser Thematik auf der Ebene der Einzelschule erforderlich. Alle Schulen in Bayern wurden daher im Dezember 2012 aufgefordert, die Thematik des sexuellen Missbrauchs verstärkt in die schulinterne Lehrerfortbildung an ihrer Schule einzubinden. Regelmäßig werden außerdem die Schulen und Lehrkräfte über den bayernweiten Lehrerrundbrief über Präventionsprojekte und Präventionsmöglichkeiten informiert, die externe Partner anbieten (z. B. Fachberatungsstellen, Fachtage, Flyer und Informationsblätter, Theaterprojekte wie „Sag‘ mal“, „Mein Körper ist mein Freund“, „Nein heißt Nein“, „Hau ab! Interaktives Theaterstück zur Prävention“, „Geheim sache Igel“). Zusätzlich zu den Angeboten der zentralen und regionalen Lehrerfortbildung zur Thematik sexueller Gewalt bzw. des sexuellen Kindesmissbrauchs steht allen Lehrkräften das an der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung Dillingen zusammen mit einschlägigen Experten entwickelte Online-Portal „Sexuelle Gewalt. Prävention und Intervention in der Schule“ zur Verfügung. Es wurde mit Beginn des Schuljahres 2012/2013 freigeschaltet und kann unter http://sexuelle-gewalt.alp.dillingen.de/ abgerufen werden. Das Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration sieht die Stärkung des Kinderschutzes als wichtige Daueraufgabe an. Bayern hat deshalb ein Gesamtkonzept zum Kinderschutz entwickelt. Nähere Ausführungen hierzu sind in Kapitel 6 im Kinder- und Jugendprogramm der Bayerischen Staatsregierung – Fortschreibung 2013 unter : http://www.stmas.bayern.de/imperia/md/content/stmas/ stmas_internet/jugend/kinder-und-jugendprogramm-2013. pdf sowie unter www.kinderschutz.bayern.de erhältlich. Dort findet sich auch der Hinweis auf den Leitfaden für Ärztinnen und Ärzte „Gewalt gegen Kinder und Jugendliche – Erkennen und Handeln“: www.aerzteleitfaden.bayern.de.