Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Kathrin Sonnenholzner, Ruth Müller, Kathi Petersen, Ruth Waldmann SPD vom 29.03.2017 Drogentote in Bayern Wir fragen die Staatsregierung: 1. a) Wie hat sich gemäß den Veröffentlichungen des Bundeskriminalamtes die Zahl der Drogentoten je 100.000 Einwohner in Bayern zwischen 2011 und 2015 entwickelt ? b) Wie hat sich die Zahl der Drogentoten, nach Kenntnis der Staatsregierung, je 100.000 Einwohner in den anderen Bundesländern zwischen 2011 und 2015 entwickelt ? c) Wie hat sich die Zahl der Drogentoten, nach Kenntnis der Staatsregierung, je 100.000 Einwohner in Deutschland zwischen 2011 und 2015 entwickelt? 2. a) Um wie viel Prozent hat sich die absolute Zahl der Drogentoten in Bayern zwischen 2011 und 2015 erhöht? b) Um wie viel Prozent hat sich die absolute Zahl der Drogentoten, nach Kenntnis der Staatsregierung, in Deutschland zwischen 2011 und 2015 erhöht? c) Wie beurteilt die Staatsregierung die Aussage, dass Bayern für mehr als die Hälfte des Anstiegs der Anzahl an Drogentoten in Deutschland zwischen 2011 und 2015 verantwortlich ist? 3. a) Welche Ursachen sind nach Auffassung der Staatsregierung für den Anstieg der Zahl der Drogentoten in Bayern zwischen 2011 und 2015 verantwortlich? b) Welche Ergebnisse hat die im Staatsministerium für Gesundheit und Pflege eingesetzte Arbeitsgruppe zur Analyse des Anstiegs der Zahl der Drogentoten in Bayern erbracht? c) Auf welche Ursachen ist nach Auffassung der Staatsregierung die Abnahme der Zahl der Drogentoten in Berlin um rund ein Drittel zwischen 2001 und 2010, in Hamburg um etwa die Hälfte zwischen 2001 und 2010, in Niedersachsen um mehr als vierzig Prozent zwischen 2001 und 2006, um mehr als die Hälfte in Nordrhein-Westfalen zwischen 2001 und 2011 und um rund vierzig Prozent im Saarland zwischen 2001 und 2006 zurückzuführen? 4. a) In welchen Jahren wurden in den Bundesländern Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein- Westfalen und Saarland die Erlaubnisverordnungen zum Betrieb von Drogenkonsumräumen, nach Kenntnis der Staatsregierung, erlassen? b) Könnte es nach Auffassung der Staatsregierung einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Einrichtung von Drogenkonsumräumen und der Abnahme der Zahl der Drogentoten in den unter 4 a genannten Bundesländern geben (bitte um Begründung der Antwort)? c) Wie beurteilt die Staatsregierung die Ergebnisse von wissenschaftlichen Studien (z. B.: Marshall, B.D.L, Milloy , M.-J., Wood, E., Montaner, J.S.G., Kerr, T.: Reduction in overdose mortality after the opening of North America’s first medically super-vised safer injecting facility: a retrospective population-based study. In: The Lancet 2011, 6736(10)62353-7), nach denen Drogenkonsumräume die Mortalität durch Überdosierungen deutlich senken können? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 09.04.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege wie folgt beantwortet : 1. a) Wie hat sich gemäß den Veröffentlichungen des Bundeskriminalamtes die Zahl der Drogentoten je 100.000 Einwohner in Bayern zwischen 2011 und 2015 entwickelt? Die Steigerung der Anzahl von Drogentoten übertrifft in Relation die jährlichen Zuwächse der bayerischen Bevölkerung . Dieser Umstand lässt sich anhand der in nachfolgender Tabelle gelisteten Häufigkeitszahlen (Drogentote je 100.000 gemeldete Einwohner in Bayern) ablesen. Jahr Anzahl der Rauschgifttoten Einwohner in Bayern * Häufigkeitszahl 2011 177 12.443.372 1,42 2012 213 12.519.571 1,70 2013 230 12.604.244 1,82 2014 251 12.691.568 1,98 2015 314 12.843.514 2,44 2016 321 ** * Quelle: Statistisches Bundesamt ** Einwohnerzahl Bayern liegt für 2016 noch nicht vor. b) Wie hat sich die Zahl der Drogentoten, nach Kenntnis der Staatsregierung, je 100.000 Einwohner in den anderen Bundesländern zwischen 2011 und 2015 entwickelt? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 09.08.2017 17/16789 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/16789 Statistisches Material zur Fragestellung ist in den im Internet abrufbaren jährlichen Bundeslagebildern Rauschgift des Bundeskriminalamts enthalten. Diese sind unter dem Link (Stand: 24.04.2017) wie folgt erreichbar: https://www.bka. de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/Lage bilder/Rauschgiftkriminalitaet/rauschgiftkriminalitaet_node. html c) Wie hat sich die Zahl der Drogentoten, nach Kenntnis der Staatsregierung, je 100.000 Einwohner in Deutschland zwischen 2011 und 2015 entwickelt? Auf die Antwort zu Frage 1 b wird verwiesen. 2. a) Um wieviel Prozent hat sich die absolute Zahl der Drogentoten in Bayern zwischen 2011 und 2015 erhöht ? Die prozentuale Erhöhung zwischen 2011 und 2015 beträgt 77,4 Prozent (gerundet). b) Um wieviel Prozent hat sich die absolute Zahl der Drogentoten, nach Kenntnis der Staatsregierung, in Deutschland zwischen 2011 und 2015 erhöht? Auf die Antwort zu Frage 1 b wird verwiesen. c) Wie beurteilt die Staatsregierung die Aussage, dass Bayern für mehr als die Hälfte des Anstiegs der Anzahl an Drogentoten in Deutschland zwischen 2011 und 2015 verantwortlich ist? Eine uneingeschränkte Vergleichbarkeit der Anzahl von Rauschgifttoten innerhalb der Bundesrepublik ist aus Sicht der Staatsregierung trotz bundesweit einheitlicher Definition und Zählweise von Drogentodesfällen nicht gegeben. Eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren und regionaler Eigenheiten – wie etwa verschiedene Erfassungsmodalitäten und unterschiedliche Anordnungspraxis von toxikologischen Gutachten – beeinflussen bzw. erschweren das Erkennen, den zweifelsfreien Nachweis und damit sowohl Erfassung als auch Auswertung von Zahlen zu Rauschgifttoten. 3. a) Welche Ursachen sind nach Auffassung der Staatsregierung für den Anstieg der Zahl der Drogentoten in Bayern zwischen 2011 und 2015 verantwortlich ? Die Zahl der Drogentoten ist durch Abnahmen und Anstiege gekennzeichnet. Zwischen 2011 und 2015 ist die Zahl der Drogentoten in ganz Deutschland angestiegen. Nach Auffassung der Staatsregierung ist demnach der Anstieg hauptsächlich auf diesen allgemeinen, nicht an bestimmten Ursachen festzumachenden Trend zurückzuführen. b) Welche Ergebnisse hat die im Staatsministerium für Gesundheit und Pflege eingesetzte Arbeitsgruppe zur Analyse des Anstiegs der Zahl der Drogentoten in Bayern erbracht? Der in Kooperation mit der Bayerischen Akademie für Suchtfragen in Forschung und Praxis (BAS) durchgeführte „Runde Tisch Drogentod“ hat bislang 2007 und 2013 getagt. Schwerpunkt der Sitzung am 23.07.2013 war die Zunahme von Drogentodesfällen im Zusammenhang mit dem Missbrauch von Fentanyl. Als Lösungsvorschläge wurden hierzu u. a. aufgegriffen, die Verteilung von Informationsflyern zu Fentanyl, die verstärkte Kontrolle von Fentanylverschreibungen durch die Kassen bei Substitutionspatienten sowie die verstärkte Apothekenkontrolle durch die Überwachungsbehörden mit dem Ziel, unkritisch Fentanyl verschreibende Ärzte zu identifizieren. c) Auf welche Ursachen ist nach Auffassung der Staatsregierung die Abnahme der Zahl der Drogentoten in Berlin um rund ein Drittel zwischen 2001 und 2010, in Hamburg um etwa die Hälfte zwischen 2001 und 2010, in Niedersachsen um mehr als vierzig Prozent zwischen 2001 und 2006, um mehr als die Hälfte in Nordrhein-Westfalen zwischen 2001 und 2011 und um rund vierzig Prozent im Saarland zwischen 2001 und 2006 zurückzuführen? Eine Bewertung statistischer Zahlen anderer Bundesländer kann von der Staatsregierung mangels valider Informationen sowie insbesondere aufgrund fehlender Zuständigkeiten nicht vorgenommen werden. 4. a) In welchen Jahren wurden in den Bundesländern Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein -Westfalen und Saarland die Erlaubnisverordnungen zum Betrieb von Drogenkonsumräumen, nach Kenntnis der Staatsregierung, erlassen? Eine Zuständigkeit der Staatsregierung für Rechtsverordnungen anderer Bundesländer zum Betrieb von Drogenkonsumräumen besteht nicht. Es wird daher um Verständnis gebeten, dass hierzu keine Aussagen getroffen werden. b) Könnte es nach Auffassung der Staatsregierung einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Einrichtung von Drogenkonsumräumen und der Abnahme der Zahl der Drogentoten in den unter 4.a genannten Bundesländern geben (bitte um Begründung der Antwort)? Eine Antwort wäre spekulativ. Fakt ist, dass sich aus der Tatsache des Vorhandenseins oder des Nichtvorhandenseins von Drogenkonsumräumen in einer bestimmten Region ein Zusammenhang bezüglich eines Anstiegs oder Rückgangs von Drogentodesfällen seriös nicht belegen lässt. So stieg beispielsweise in Berlin (zwei Drogenkonsumräume) die Zahl der Drogentoten von 113 im Jahr 2012 kontinuierlich auf 153 im Jahr 2015 an. Anstiege gab es auch in Hessen (vier Drogenkonsumräume), wo sich die Zahl der Drogentoten von 66 im Jahr 2014 regelrecht sprunghaft auf 104 im Jahr 2015 erhöht hat. In Rheinland-Pfalz, das über keine Drogenkonsumräume verfügt, kam es im gleichen Zeitraum von 2014 bis 2015 dagegen zu einem Rückgang von 55 auf 48 Drogentodesfälle. Die Staatsregierung lehnt die Einrichtung von Drogenkonsumräumen weiterhin ab. Sie sind weder zur Sicherung des Überlebens noch aus sonstigen gesundheitlichen Gründen zwingend notwendig, vor allem verhindern sie Drogentodesfälle nicht auf Dauer. In Bayern gibt es v. a. in Großkommunen Netze von niedrigschwelligen Hilfen für Suchtkranke, insbesondere für Drogenabhängige. c) Wie beurteilt die Staatsregierung die Ergebnisse von wissenschaftlichen Studien (z. B.: Marshall, B.D.L, Milloy, M.-J., Wood, E., Montaner, J.S.G., Kerr, T.: Reduction in overdose mortality after the opening of North America’s first medically super-vised safer injecting facility: a retrospe ctive population-based study. In: The Lancet 2011, 6736(10)62353-7), nach denen Drogenkonsumräu- Drucksache 17/16789 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 me die Mortalität durch Überdosierungen deutlich senken können? Die zitierte Studie befasst sich offensichtlich mit einer ganz besonderen Situation in einer nordamerikanischen Großstadt , was bei allgemeinen Schlussfolgerungen einschränkend zu beachten wäre. Unabhängig hiervon ist festzustellen, dass der behauptete Zusammenhang „Drogenkonsumräume senken Drogentodesfälle “ bisher nicht von statistischen Daten über einen längerfristigen Zeitraum und an vergleichbaren Orten gestützt worden ist. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 b verwiesen.