Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ruth Müller SPD vom 04.04.2017 Vom Asyl in die Obdachlosigkeit Im Regierungsbezirk Niederbayern werden auslaufende Mietverträge für dezentrale Asylbewerber-Unterkünfte nicht mehr verlängert. Sogenannte Fehlbeleger müssten in der Folge als Obdachlose von den Kommunen untergebracht werden. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie gestaltet sich die grundsätzlich die Unterbringung (dezentral, Gemeinschaftsunterkünfte u. Ä.) von anerkannten Asylbewerbern in den sieben Regierungsbezirken ? 2. Wie viele anerkannte Asylbewerber ohne eigenen Wohnsitz gibt es derzeit in Bayern (aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken, Landkreisen und kreisfreien Städten)? 3. Wie viele anerkannte Asylbewerber leben derzeit als sogenannte „Fehlbeleger“ in dezentralen Unterkünften , deren Mietverträge nicht verlängert werden (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken, Landkreisen und kreisfreien Städten)? 4. Wie wird mit anerkannten Asylbewerbern in Gemeinschaftsunterkünften verfahren, die weiter bestehen, aber für neu ankommende Flüchtlinge gebraucht werden (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken, Landkreisen und kreisfreien Städten)? 5. Wie steht die Staatsregierung zur Zusage des Staatsministers des Innern, für Bau und Verkehr beim Spitzengespräch Asyl, wonach es sich „bei anerkannten Asylbewerbern nicht um Obdachlose handelt und der Staat die Kommunen, die mitgeholfen haben, das Unterbringungsproblem zu lösen, nicht im Stich lassen wird“? 6. Welche Handlungsempfehlung gibt die Staatsregierung den betroffenen Kommunen zur Unterbringung anerkannter Asylbewerber? 7. Wie will die Staatsregierung genügend Wohnraum für die von Obdachlosigkeit betroffenen Asylbewerber zur Verfügung stellen? 8. a) Wie beurteilt die Staatsregierung in diesem Zusammenhang die unterschiedlichen Quadratmeter-Vorgaben für die Unterbringung von Hartz-IV-Empfängern, Asylbewerbern und Obdachlosen? b) Gibt es Überlegungen der Staatsregierung, hier Anpassungen vorzunehmen? Antwort des Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 09.05.2017 Die Schriftliche Anfrage der Frau Abgeordneten Ruth Müller, SPD, wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, wie folgt beantwortet: 1. Wie gestaltet sich die grundsätzlich die Unterbringung (dezentral, Gemeinschaftsunterkünfte u. Ä.) von anerkannten Asylbewerbern in den sieben Regierungsbezirken ? Nach positivem Abschluss eines Asylverfahrens und Erhalt einer Anerkennung bzw. Bleibeberechtigung endet grundsätzlich die Berechtigung, in staatlichen Asylunterkünften zu wohnen. Anerkannte Asylbewerber müssen sich – genau wie Einheimische – in den „normalen“ Wohnungsmarkt integrieren und sind gefordert, sich selbst um eine Wohnung zu kümmern. Der Freistaat Bayern gestattet den Asylbewerbern nach ihrer Anerkennung zur Vermeidung von Notsituationen jedoch , vorübergehend in den staatlichen Asylunterkünften zu bleiben, wenn sie trotz eigenständiger Bemühungen nicht im unmittelbaren Anschluss an die Anerkennung anderweitigen ausreichenden Wohnraum finden. Insofern unterscheiden sich die Art der Unterkünfte, in denen anerkannte Asylbewerber vorübergehend verbleiben dürfen, grundsätzlich nicht von der Unterbringung von Asylbewerbern im laufenden Asylverfahren. 2. Wie viele anerkannte Asylbewerber ohne eigenen Wohnsitz gibt es derzeit in Bayern (aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken, Landkreisen und kreisfreien Städten)? Vorbemerkung: Diese Frage wird im Sachzusammenhang mit den weiteren Fragen der Schriftlichen Anfrage dahingehend verstanden, dass vornehmlich die Information erbeten wird, wie viele anerkannte Asylbewerber keine eigene private Wohnung bewohnen, sondern aktuell vorübergehend in staatlichen Asylunterkünften verbleiben. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 09.08.2017 17/16820 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/16820 Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass Informationen aus dem Meldewesen für die Beantwortung der Frage nicht zu Grunde gelegt werden können. Da im Melderegister nur Personen erfasst werden, die eine Wohnung beziehen (§ 17 Abs. 1 des Bundemeldegesetzes – BMG), haben die Meldebehörden naturgemäß keine Informationen über Personen ohne Wohnsitz. Hinzu kommt, dass aus dem Melderegister nicht ohne Weiteres ersichtlich ist, ob eine Person Asylbewerber ist oder welchen aufenthaltsrechtlichen Status die Person hat (vgl. § 3 BMG). Auch im Ausländerzentralregister wird nicht erfasst, ob ein Ausländer über einen eigenen Wohnsitz verfügt oder nicht. Zum Stand 31. März 2017 befanden sich insgesamt 31.800 Anerkannte in Asylunterkünften in Bayern. Aufgeschlüsselt auf die Regierungsbezirke stellt sich die Situation wie folgt dar: Regierungsbezirk Zahl Anerkannter in Asylunterkünften Oberbayern 10.205 Niederbayern 2.731 Oberpfalz 3.022 Oberfranken 2.039 Mittelfranken 4.751 Unterfranken 3.791 Schwaben 5.261 Die Anfrage hinsichtlich der Aufschlüsselung nach Landkreisen und kreisfreien Städten bedarf einer umfangreichen Sonderauswertung und ist mit einem unvertretbar hohen Verwaltungsaufwand verbunden, der in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht geleistet werden kann. 3. Wie viele anerkannte Asylbewerber leben derzeit als sogenannte „Fehlbeleger“ in dezentralen Unterkünften , deren Mietverträge nicht verlängert werden (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken , Landkreisen und kreisfreien Städten)? Die Auflösung von dezentralen Unterkünften erfolgt in Umsetzung des Ministerratsbeschlusses vom 26. April 2016. Darin wurde festgelegt, u. a. zur Entlastung der Kommunen insbesondere den Bereich der dezentralen Unterbringung durch die Kommunen abzubauen oder dezentrale Unterkünfte in reguläre staatliche Unterkünfte umzuwidmen. Der Abbau von dezentralen Unterkünften erfolgt mit Maß und Mitte und jeweils in enger Abstimmung mit den zuständigen Vertretern der Landratsämter bzw. der kreisfreien Städte. Die Entscheidung über eine Verlängerung eines Mietvertrages der Unterkünfte steht dabei im individuellen Einzelfall im Vorfeld zum Beendigungsdatum des jeweiligen Mietvertrages an und kann nicht pauschaliert dargestellt werden. Insoweit kann die Zahl der Fehlbeleger in „dezentralen Unterkünften, deren Mietverträge nicht verlängert werden“, nicht dargestellt werden. Bei der Entscheidung über die Schließung einer Unterkunft wird stets geprüft, ob sich die Liegenschaft für das Wohnen für anerkannte Asylbewerber eignet, und versucht, die Vermieter zu motivieren, im Anschluss an die Asylnutzung direkt an die anerkannten Asylbewerber zu vermieten. Wegen der zivilrechtlichen Vertragsfreiheit der Vermieter kann hier seitens der Staatsregierung aber nur fortwährend für solche Vermietungen geworben werden. Einen Kontrahierungszwang gibt es insofern nicht. 4. Wie wird mit anerkannten Asylbewerbern in Gemeinschaftsunterkünften verfahren, die weiter bestehen, aber für neu ankommende Flüchtlinge gebraucht werden (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken, Landkreisen und kreisfreien Städten)? Im Rahmen der Umsteuerung (es wird insofern auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen) wurden und werden fortlaufend Kapazitäten in Gemeinschaftsunterkünften ausgebaut. Auch die Zuteilung von Personen im laufenden Asylverfahren zu einzelnen Unterkünften basiert auf der jeweils aktuellen Auslastung der betroffenen Unterkunft, deren baulichen Gegebenheiten sowie dem aktuellen Zugangsgeschehen. Der Freistaat Bayern gestattet anerkannten Asylbewerbern zur Vermeidung von Notsituationen, vorübergehend in den staatlichen Asylunterkünften zu bleiben. Es wird insofern auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Dabei handelt es sich um eine freiwillige Unterstützung des Freistaats. Dies kann keine Dauerlösung sein. Das Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration hat aus diesem Grund zuletzt Ende März 2017 ein Gespräch mit Vertretern des Gemeinde-, des Städte - und des Landkreistages, den Spitzen der Regierungen sowie Vertretern der Staatskanzlei, des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat und des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr geführt und dabei die bestehenden Herausforderungen und auch Lösungsansätze erörtert, mit denen eine Vermittlung in den regulären Wohnungsmarkt vorangetrieben werden kann. Das Thema ist auch Gegenstand des Runden Tisches Integration , bei dem die Akteure Lösungen zum Übergang in regulären Wohnraum erörtern. 5. Wie steht die Staatsregierung zur Zusage des Staatsministers des Innern, für Bau und Verkehr beim Spitzengespräch Asyl, wonach es sich „bei anerkannten Asylbewerbern nicht um Obdachlose handelt und der Staat die Kommunen, die mitgeholfen haben, das Unterbringungsproblem zu lösen , nicht im Stich lassen wird“? Die Ausgangslage ist unverändert geblieben: Es liegt in erster Linie in der Eigenverantwortung des anerkannten Asylbewerbers , sich eine Wohnung zu beschaffen. Rein tatsächlich kann der benötigte Wohnraum eigeninitiativ aber nicht immer erlangt werden. Wenn dies nicht gelingt, stehen Staat und Gemeinden in der gemeinsamen Verantwortung, um zu verhindern, dass Notsituationen wegen mangelnden Wohn-/Unterbringungsmöglichkeiten entstehen , denen im Falle der Obdachlosigkeit mit Mitteln des Sicherheitsrechts begegnet werden müsste. Der Freistaat Bayern wird seiner Verantwortung dadurch gerecht, dass er anerkannten Asylbewerbern zur Vermeidung von Notsituationen den vorübergehenden Verbleib in Asylunterkünften gestattet. Dies kann keine Dauerlösung sein. Alle staatlichen und kommunalen Ebenen müssen zur Bewältigung dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe das ihnen Mögliche tun. Eine gemeinsame Kraftanstrengung aller beteiligten Akteure steht deswegen aktuell im Vordergrund . Es wird insofern auf die Antwort zu Frage 4 und den laufenden Abstimmungsprozess mit den kommunalen Spitzenverbänden verwiesen. Drucksache 17/16820 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 6. Welche Handlungsempfehlung gibt die Staatsregierung den betroffenen Kommunen zur Unterbringung anerkannter Asylbewerber? Zu den baurechtlichen Handlungsspielräumen hat sich die Oberste Baubehörde bereits in einem Innenministeriellem Schreiben (IMS) vom 10.07.2016 (IIB5-4611.10-017/16) geäußert . Das Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration hat darüber hinaus zuletzt Ende März 2017 ein Gespräch mit Vertretern des Bayerischen Gemeinde-, Städte- und Landreistages, den Spitzen der Regierungen sowie Vertretern der Staatskanzlei, des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat und des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr geführt und dabei die bestehenden Herausforderungen und auch Lösungsansätze erörtert, mit denen eine Vermittlung in den regulären Wohnungsmarkt vorangetrieben werden kann. Die Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden dauert derzeit noch an. 7. Wie will die Staatsregierung genügend Wohnraum für die von Obdachlosigkeit betroffenen Asylbewerber zur Verfügung stellen? Mit der Wohnraumförderung trägt der Freistaat Bayern entscheidend dazu bei, das Angebot an preisgünstigem Wohnraum für alle Haushalte (einheimische Personen und anerkannte Flüchtlinge), deren Einkommen eine bestimmte Grenze nicht übersteigt, zu erhöhen. Insbesondere in den Ballungsräumen haben es einkommensschwächere Haushalte schwer, bezahlbaren Mietwohnraum zu finden. Aber auch in ländlicheren Regionen werden bedarfsgerechte erschwingliche Mietwohnungen benötigt. Hier setzt der bereits im Oktober 2015 beschlossene Wohnungspakt Bayern an, bestehend aus dem staatlichen Sofortprogramm, dem kommunalen Wohnraumförderungsprogramm , das sich gezielt an die Städte und Gemeinden richtet, und dem Ausbau der staatlichen Wohnraumförderung , um die Wohnungsbautätigkeit der Wohnungsunternehmen zu forcieren. Er ist auf eine Allianz mit den kommunalen Spitzenverbänden, den Kirchen, der Wohnungswirtschaft und weiteren Verantwortlichen für den Wohnungsbau gerichtet . Bis 2019 sollen dadurch bis zu 28.000 staatlich finanzierte oder geförderte Wohnungen entstehen. Hierfür sollen bis 2019 rund 2,6 Mrd. Euro bereitgestellt werden. Speziell in der 1. Säule, dem staatlichen Sofortprogramm, sollen bei einem Programmvolumen von bis zu 120 Mio. Euro kurzfristig Wohnungen geschaffen werden. Neben Einheimischen mit niedrigem Einkommen sollen insbesondere anerkannte Flüchtlinge, die bislang als Fehlbeleger in den Asylbewerberunterkünften untergebracht sind, hier bezahlbaren Wohnraum finden. 8. a) Wie beurteilt die Staatsregierung in diesem Zusammenhang die unterschiedlichen Quadratmeter -Vorgaben für die Unterbringung von Hartz-IV- Empfängern, Asylbewerbern und Obdachlosen? Konkrete Quadratmeter-Vorgaben für die Unterbringung von „Hartz-IV-Empfängern, Asylbewerbern und Obdachlosen“ bestehen nicht. Quadratmeter-Vorgaben für die Unterbringung von Hartz IV-Empfängern sieht das Zweite Sozialgesetzbuch (SGB II) nicht vor. Die Leitlinien zur Art, Größe und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber vom 09.04.2010 gelten ausschließlich für Gemeinschaftsunterkünfte. Die Leitlinien sind außerdem seit dem 03.08.2015 außer Vollzug gesetzt. Die Ausgestaltung von Art, Größe und Ausstattung der Gemeinschaftsunterkünfte liegt im Ermessen der Regierungen . Die sicherheitsrechtliche Pflicht zur Gefahrenabwehr bei Obdachlosigkeit erfüllen die Gemeinden in eigener Zuständigkeit . Welche Maßnahmen die Gemeinden hierbei treffen, liegt in ihrem Ermessen. Obdachlosenfürsorge dient nicht der „wohnungsmäßigen Versorgung“, sondern der Verschaffung einer vorübergehenden Unterkunft einfacher Art. Allgemeinverbindliche Quadratmeter-Vorgaben gibt es hierzu nicht. b) Gibt es Überlegungen der Staatsregierung, hier Anpassungen vorzunehmen? Es sind in nächster Zeit keine Änderungen/Anpassungen geplant. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/16820