Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Michael Piazolo FREIE WÄHLER vom 26.04.2017 Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk In Stellungnahmen der Staatsregierung zu Petitionen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk betreffend sieht die Staatsregierung ernst zu nehmende Warnsignale hinsichtlich sich häufender Kritik der Bürgerinnen und Bürger am System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Wie hat sich die Anzahl der gegenüber dem öffentlichrechtlichen Rundfunk abgegebenen kritischen Stellungnahmen zu Petitionen in der laufenden Legislaturperiode entwickelt – bitte jeweils bezogen auf das konkrete Jahr unter Angabe der Form der Kritik? 1.2 Wie stellen sich diese Zahlen im Vergleich zur vorhergehenden Legislaturperiode dar? 2.1 Auf welche Aspekte bezog sich dabei jeweils die geäußerte Kritik? 2.2 Wie sieht dementsprechend die Häufigkeitsverteilung der Kritikpunkte aus sowohl bezogen auf die laufende Legislaturperiode als auch im Vergleich zur vorhergehenden ? 3.1 Welche politischen Überlegungen und konkreten Forderungen oder Maßnahmen zieht die Staatsregierung aus dieser zunehmenden Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk? 3.2 Welche Überlegungen bzw. konkrete Maßnahmen betreffen konkret den Bayerischen Rundfunk und seine Sender und Sendungen? 3.3 Wie wird diese Entwicklung seitens des Bayerischen Rundfunks bewertet? Antwort des Leiters der Bayerischen Staatskanzlei Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Sonderaufgaben vom 31.05.2017 1.1 Wie hat sich die Anzahl der gegenüber dem öffentlich -rechtlichen Rundfunk abgegebenen kritischen Stellungnahmen zu Petitionen in der laufenden Legislaturperiode entwickelt – bitte jeweils bezogen auf das konkrete Jahr unter Angabe der Form der Kritik? Die nachfolgenden Zahlen beziehen sich auf alle Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern an die Staatsregierung mit Bezug zum öffentlichen Rundfunk. Diese sind weitgehend kritisch. Jahr Anzahl der Eingaben von Bürgerinnen und Bürger mit Bezug zum öffentlichrechtlichen Rundfunk Form 2012 ca. 218 schriftlich 2013 (ab Oktober) ca. 94 (auf das Gesamtjahr hochgerechnet ca. 376) schriftlich 2014 ca. 309 schriftlich 2015 ca. 237 schriftlich 2016 ca. 237 schriftlich 2017 (bis einschließlich Mai) ca. 89 (auf das Gesamtjahr hochgerechnet ca. 213) schriftlich gesamt (17. Legisl.) ca. 966 schriftlich 1.2 Wie stellen sich diese Zahlen im Vergleich zur vorhergehenden Legislaturperiode dar? Die Staatsregierung bittet um Verständnis dafür, dass vorliegend von einem detaillierten zahlenmäßigen Vergleich zur 16. Legislaturperiode abgesehen wird. Aussagekräftig ist vor allem ein Vergleich der Gesamtzahlen rund um den Zeitpunkt der Umstellung auf das neue Rundfunkbeitragssystem zum 01.01.2013. Hier zeigt sich ein sprunghafter Anstieg der Beschwerden im Laufe des Jahres 2013: Während im Gesamtjahr 2012 nur ca. 218 Eingaben mit Bezug zum öffentliche Rundfunk zu verzeichnen waren, gingen allein im letzten Quartal 2013 ca. 94 Beschwerden ein (hochgerechnet auf 2013: ca. 376). Eine Vielzahl der Beschwerden richtete sich dabei eindeutig gegen den geräte- und nutzungsunabhängigen Rundfunkbeitrag. In den Jahren 2014 (ca. 309) und 2015 (ca. 237) nahm die Gesamtzahl der Beschwerden jeweils signifikant ab, blieb aber stets über dem Niveau von 2012. Im Jahr 2016 (ca. 237) blieb die Zahl im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls konstant. Im Jahr 2017 (bis Mai 2017 ca. 89) deuten die Zahlen bisher auf einen leichten Rückgang hin (hochgerechnet auf 2017: ca. 213). Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 28.09.2017 17/17185 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17185 2.1 Auf welche Aspekte bezog sich dabei jeweils die geäußerte Kritik? Die von den Bürgerinnen und Bürgern geäußerte Kritik bezog sich zusammengefasst im Wesentlichen auf folgende Aspekte: – geräte- und nutzungsunabhängiger Rundfunkbeitrag/ Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio – Programmbeschwerden – Struktur und Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks 2.2 Wie sieht dementsprechend die Häufigkeitsverteilung der Kritikpunkte aus sowohl bezogen auf die laufende Legislaturperiode als auch im Vergleich zur vorhergehenden? Die über 900 Eingabevorgänge mit Kritik am öffentlichen Rundfunk sind vielschichtig. Eine eindeutige Zuordnung zu einem einzelnen Kritikpunkt ist nicht möglich. Beispielsweise ist unklar, ob eine Eingabe, die den Rundfunkbeitrag gemessen an der Programmqualität für zu hoch erachtet, als Kritik am Rundfunkbeitrag oder als Programmkritik zu werten ist. Die Entwicklung der Beschwerdezahlen wie unter 1.2 dargestellt entspricht der Wahrnehmung der Staatskanzlei, dass die Beschwerden über den geräte- und nutzungsunabhängigen Rundfunkbeitrag in den Jahren nach seiner Einführung kontinuierlich abnahmen, sich die Kritik an Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks seit dem Jahr 2016 dagegen mehrt. Seit dem Jahreswechsel 2015/2016 ist zudem eine vermehrte und zunehmend drastischer zum Ausdruck gebrachte Kritik der Bürgerinnen und Bürger am Auftrag, den grundsätzlichen Strukturen des öffentlich - rechtlichen Rundfunks bis hin zur Qualität der Berichterstattung wahrzunehmen. Dies spiegeln auch die Gesamtzahlen wider: So setzte sich der rückläufige Trend der Jahre 2014 und 2015 in 2016 nicht fort, sondern erreichte das Niveau der Vorjahres. 3.1 Welche politischen Überlegungen und konkreten Forderungen oder Maßnahmen zieht die Staatsregierung aus dieser zunehmenden Kritik am öffentlich -rechtlichen Rundfunk? Die Staatsregierung nimmt diese Kritik der Bürgerinnen und Bürger ernst. Dabei betont sie die wichtige Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für das duale Rundfunksystem in Deutschland und erkennt gleichzeitig die Notwendigkeit von Reformen. Ministerpräsident Horst Seehofer ist es im vergangenen Herbst gelungen, eine öffentliche Diskussion hierüber anzustoßen. Auf ihrer Jahreskonferenz vom 26. bis 28.10.2016 in Rostock betonten die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder, dass die Sicherung der Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seiner Finanzierung nur durch entschlossene Reformschritte durch Länder und Anstalten gesichert werden kann, die über die Optimierung administrativer Prozesse hinausgehen. Hierzu gehören grundlegende strukturelle Veränderungen und die zukunftsfähige Ausgestaltung des Auftrags unter Wahrung der Programmautonomie . Dabei sind die Beschränkung und die zeitgemäße Ausgestaltung des Auftrags sowie die Beseitigung von Doppelstrukturen in den Blick zu nehmen. Neue Angebote dürfen nur bei Anpassung von bestehenden Angeboten beauftragt werden. Dies muss mit der Beitragsstabilität in Einklang stehen. 3.2 Welche Überlegungen bzw. konkrete Maßnahmen betreffen konkret den Bayerischen Rundfunk und seine Sender und Sendungen? Der unter 3.1 dargestellte Beschluss der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder betrifft den Bayerischen Rundfunk wie alle anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland. 3.3 Wie wird diese Entwicklung seitens des Bayerischen Rundfunks bewertet? Zu dieser Frage gab der Bayerische Rundfunk folgende Stellungnahme ab: „Aus den Untersuchungen unserer Medienforschung kennen wir die Bewertungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Allgemeinen und des BR im Besonderen. Demnach genießt der BR unverändert hohes Vertrauen in der Bevölkerung. 87 Prozent der Menschen in Bayern gefällt der BR sehr gut oder gut, mehr als drei Viertel sind der Meinung , dass der BR das Geld wert ist, das er aus den Rundfunkbeiträgen erhält. Mit unseren Angeboten erreichen wir täglich rund zwei Drittel der bayerischen Bevölkerung (März 2017: 66,8 Prozent der Bayern ab 14 Jahren) und sind weiterhin wesentlicher Faktor und Medium der öffentlichen Meinungsbildung – so wie es dem Auftrag des Bayerischen Rundfunks entspricht. Aus unseren Untersuchungen lässt sich außerdem ablesen, dass der BR auch 2016 zur Spitzengruppe der angesehensten Institutionen und Organisationen im Freistaat zählte. Auf der anderen Seite erfährt der BR auch Kritik in der Öffentlichkeit. So wird zum Beispiel zuweilen bemängelt, der BR spiegele die Lebenswirklichkeit der Bevölkerung in seinen Programmen nicht ausreichend wider. Der BR reagiert auf diese Kritik: So befinden wir uns in einem tief greifenden Modernisierungsprozess, der den BR in die Lage versetzen soll, seine Leistungen z. B. entsprechend den sich verändernden Nutzungsgewohnheiten zu erbringen und auch weiterhin die wichtige Rolle auszufüllen, die er in Bayern hat.“