Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ruth Müller SPD vom 24.04.2017 Mobilität im ländlichen Niederbayern Ländliche Gemeinden müssen heute die Anbindung an die Infrastruktur eines städtisch geprägten Zentrums bieten können. Denn die Bewohner zieht es nach wie vor in die Zentren: als Berufs- oder Ausbildungspendler, zum Facharzt - oder Behördenbesuch, zum gemütlichen Bummeln, Shoppen oder sonstiger Freizeitgestaltung. In ländlichen Regionen ist Mobilität die Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und trägt damit zur Standort- und Qualitätssicherung einer Region maßgeblich bei. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie sollen bei knapper werdenden finanziellen und ökologischen Ressourcen zukünftige Mobilitätsangebote im ländlichen Raum finanziert und umgesetzt werden? 2. a) Gibt es in Bayern bereits Pilotprojekte zu intelligenten Kombinationen zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln wie Bahn, Bus, Auto und Fahrrad? b) Welche best-practice-Beispiele sind der Staatsregierung bekannt? 3. a) Gibt es Pilotprojekte in Bayern, bei denen mit modernen Kommunikationsmedien der Informationszugang für eine multimodale Verkehrsmittelwahl erschlossen werden kann? b) Welche best-practice-Beispiele sind der Staatsregierung bekannt? 4. a) Lässt sich für Niederbayern grafisch ein regionales Grundnetz, aufbauend auf dem übergeordneten Hauptnetz, bestehend aus sämtlichen Linienverbindungen des öffentlichen Personennahverkehrs, also Bus und Schiene, darstellen? b) Wo ergeben sich aus dieser ÖPNV-Netzkarte mit den wesentlichen regionalen (und überregionalen) ÖPNV- Verbindungen mit Bus und Bahn die größten „weißen Flecken“? 5. a) Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung, in der dargestellten Netzkarte (Frage 4 a) individuelle lokale Ergänzungsnetze entstehen zu lassen? b) Gibt es in Bayern bereits Pilotprojekte zur Schaffung solcher lokalen Ergänzungsnetze basierend auf intelligenten Kombinationen zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln wie Bahn, Bus, Auto und Fahrrad? c) Welche best-practice-Beispiele sind der Staatsregierung hierzu bekannt? 6. a) Wie ließe sich die Beförderung von Personen im ländlichen ÖPNV-Netz im Rahmen einer durchgehenden Tür-zu-Tür-Wegekette mit zwei oder mehr Verkehrsmitteln realisieren? b) Wie könnte eine verstärkte Nutzung von Informationsund Kommunikationstechnologien hierbei hilfreich sein? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 01.06.2017 1. Wie sollen bei knapper werdenden finanziellen und ökologischen Ressourcen zukünftige Mobilitätsangebote im ländlichen Raum finanziert und umgesetzt werden? Die Grundlage für eine zukunftsgerichtete Mobilität ist der Erhalt und der Ausbau einer bedarfsgerechten Verkehrsinfrastruktur . Mit dem Bundesverkehrswegeplan 2030, der positiven Entwicklung des Staatsstraßenhaushalts, der finanziellen Unterstützung von Landkreisen, Städten und Gemeinden im Straßenbau durch die Staatsregierung sowie der Erhöhung der Regionalisierungsmittel für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) wurden wichtige Voraussetzungen für die Zukunft geschaffen. Im Schienenverkehr wird weiter daran gearbeitet, die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur zu verbessern, damit das Angebot insbesondere im SPNV noch attraktiver wird. Obwohl der Bund für den Bau und Erhalt der Schieneninfrastruktur zuständig ist, leistet die Staatsregierung einen wesentlichen Beitrag. Weiteres Ziel der Staatsregierung ist es, gemeinsam mit der Deutschen Bahn das Netz der Bahnstationen landesweit zu verdichten. Hiervon profitiert insbesondere der ländliche Raum, denn die Mehrzahl der in den nächsten Jahren geplanten über 30 neuen Bahnhöfe und Haltepunkte entstehen außerhalb der Ballungsräume. Kernelement dieses Konzepts ist die Stationsoffensive Bayern. Die Planung, Organisation und Sicherstellung des allgemeinen öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ist eine freiwillige Aufgabe der Landkreise und kreisfreien Städte als ÖPNV-Aufgabenträger im eigenen Wirkungskreis in Zusammenarbeit mit den Verkehrsunternehmen (Art. 8 Abs. 1 des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 28.09.2017 17/17186 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17186 Bayern – BayÖPNVG). In ländlichen Räumen können bedarfsorientierte Mobilitätsangebote wie Rufbusse und Anrufsammeltaxis den regulären Taktverkehr ergänzen. Um den Aufgabenträgern einen finanziellen Anreiz für die Einführung bedarfsorientierter Bedienformen zu geben, führt der Freistaat das Förderprogramm zur „Verbesserung der Mobilität im ländlichen Raum“ auch über die bis 2016 befristete Pilotphase hinaus fort. Für 2017 stehen mit 2,75 Millionen Euro einmalig 20 Prozent höhere Mittel zur Verfügung, um die wirtschaftlich und ökologisch attraktiven Bedienformen wirksam unterstützen zu können. Im Haushaltsjahr 2018 sind 2,25 Millionen Euro vorgesehen. Der Freistaat beabsichtigt, die Kommunen und Verkehrsunternehmen auch nach Auslaufen der Entflechtungsmittel des Bundes durch originäre Landesmittel bei den notwendigen Investitionen in die ÖPNV-Infrastruktur nach dem Bayerischen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (BayGVFG) zu fördern. Dies umfasst vor allem auch die Busförderung als wichtige Säule der Mobilität im ländlichen Raum. Ein besonderer Schwerpunkt der Staatsregierung liegt in der Stärkung des Radverkehrs. Bis zum Jahr 2025 soll der Anteil der Fahrten mit dem Fahrrad in Bayern auf 20 Prozent gesteigert werden. Die Maßnahmen zur Stärkung des Radverkehrs sind im „Radverkehrsprogramm Bayern 2025“ aufgeführt. Das Fahrrad ist ein kostengünstiges und umweltfreundliches Verkehrsmittel und eignet sich ideal für eine Kombination mit dem öffentlichen Verkehr. Daher sind an den Bahnhöfen sichere und wettergeschützte Abstellanlagen in ausreichender Anzahl notwendig. Für Planung, Bau und Unterhalt sind die Städte und Gemeinden zuständig . Sie können für den Bau von Fahrradabstellanlagen an Bahnhöfen und Haltestellen vom Freistaat eine Förderung nach dem BayGVFG erhalten. Im Jahr 2017 stehen in Bayern für Gemeinden im Raum mit besonderem Handlungsbedarf einmalig zusätzliche Mittel in Höhe von 300.000 Euro zur Verfügung, um damit den Fördersatz von 50 Prozent auf bis zu 75 Prozent anzuheben. Dem Raum mit besonderem Handlungsbedarf sind im Regierungsbezirk Niederbayern folgende Gemeinden zugeordnet: Alle kreisangehörigen Gemeinden der Landkreise Freyung-Grafenau, Passau, Regen und Rottal-Inn, die kreisfreie Stadt Passau sowie die Gemeinden Biburg, Essling (beide im Landkreis Kelheim), Außernzell , Iggensbach, Schöllnach, Winzer (alle im Landkreis Deggendorf) und Haibach (Landkreis Straubing-Bogen). Weitere Aussagen enthält auch die Broschüre „Bauen und demografischer Wandel“. Diese kann über die Internetseite des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr abgerufen werden. 2. a) Gibt es in Bayern bereits Pilotprojekte zu intelligenten Kombinationen zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln wie Bahn, Bus, Auto und Fahrrad? b) Welche best-practice-Beispiele sind der Staatsregierung bekannt? 3. a) Gibt es Pilotprojekte in Bayern, bei denen mit modernen Kommunikationsmedien der Informationszugang für eine multimodale Verkehrsmittelwahl erschlossen werden kann? b) Welche best-practice-Beispiele sind der Staatsregierung bekannt? Als Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr bietet der Freistaat den Fahrgästen attraktive Zugverbindungen in der Regel im Stundentakt mit günstigen Anschlüssen und geringen Wartezeiten an. Ziel der Staatsregierung ist es, landesweit flächendeckend mindestens diesen „Bayern -Takt“-Standard zu ermöglichen. Insbesondere im ländlichen Raum ist die Verknüpfung von Bahn- und Busverkehr allerdings noch nicht überall optimal. Die Zuständigkeit für den Busverkehr liegt allerdings nicht beim Freistaat, sondern bei den Aufgabenträgern für den allgemeinen ÖPNV. Der Freistaat engagiert sich durch die Förderungen nach den aktuell gültigen Regularien des BayGVFG für eine bessere Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsträger. Davon profitieren vor allem Nutzer von Pkw und Fahrrad. Für eine möglichst nachhaltige Verkehrsabwicklung ist zudem eine weitere Vernetzung der Verkehrsmittel erforderlich . Hierfür hat die Oberste Baubehörde den Arbeitskreis „Vernetzte Mobilität“ mit Fachleuten aus Verbänden, Forschung, Wirtschaft und Verwaltung eingerichtet, der mögliche Handlungsfelder für eine bessere Vernetzung im Personen- und Güterverkehr identifiziert hat. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der weiteren Digitalisierung im Verkehr und der technischen Vernetzung von bereits bestehenden Mobilitätsplattformen, die durch bestmögliche Informationen eine bewusste Verkehrsmittelwahl zugunsten umweltfreundlicher Angebote ermöglichen sollen. Bessere Informationen schaffen zudem mehr Effizienz auf Straße und Schiene. Für den öffentlichen Personenverkehr betreibt die Bayerische Eisenbahngesellschaft mbH (BEG) im Auftrag des Freistaates das elektronische Hintergrundsystem „DEFAS Bayern“ (DEFAS steht für „Durchgängiges Fahrgastinformations - und Anschlusssicherungssystem“) und das Internet -Portal „Bayern-Fahrplan“. Auf Basis der umfangreichen Fahrplan- und Echtzeitdaten können auf www.bayern-fahrplan .de und in der Bayern-Fahrplan-App kostenlos intermodale Wegeketten in Bayern geplant werden. Die Wege zur Starthaltestelle und von der Endhaltestelle zum Ziel können sowohl als Fußwege ins Routing einfließen als auch als Wege berechnet werden, die mit dem Fahrrad oder dem Auto zurückgelegt werden. Zukünftig sind ebenfalls die Integration von Sharing-Angeboten, Echtzeitinformationen zur Parkplatzauslastung etc. in DEFAS Bayern vorstellbar, sofern geeignete Daten dazu vorliegen. Für den Straßenverkehr und für ein inter- bzw. multimodales Informationsangebot wird im Auftrag des Freistaates außerdem die Verkehrsinformationszentrale für Bayern (VIZ Bayern) betrieben. In der VIZ Bayern werden hierfür umfassende Daten und Informationen gesammelt. Die VIZ Bayern ist mit DEFAS Bayern vernetzt. Neben der Verkehrslage auf dem höherrangigen Straßennetz werden bspw. aktuelle Verkehrsmeldungen, Baustellen- und Parkinformationen für Lkw und Pkw an Autobahnen berücksichtigt. Auf der Seite www.bayerninfo.de und in der Bayerninfo-App können entsprechende Informationen abgerufen werden. Auch das „Bayernnetz für Radler“ ist integriert. Der Internetauftritt www.bayerninfo.de/rad und die App bieten einen Routenplaner an, bei dem auch Fahrtstrecken in Kombination von Fahrrad und öffentlichem Verkehr geplant werden können. Das vom Freistaat unterstützte Projekt „Mobilität von Morgen“ im Landkreis Passau behandelt das Thema „intermodale , verkehrsträgerübergreifende Reisekette“ für den Kunden, unter besonderer Berücksichtigung von Bedarfsverkehren . Der intelligenten Kombination zwischen den Verkehrsmitteln dienen außerdem Angebote für Mietradsysteme und Drucksache 17/17186 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Carsharing. Eine Übersicht liegt der Staatsregierung allerdings nicht vor. Auch Innovationen im ÖPNV sollen erprobt werden. Im Landkreis Rottal-Inn wird derzeit ein automatisierter Shuttlebus-Verkehr in Bad Birnbach geplant und vorbereitet . 4. a) Lässt sich für Niederbayern grafisch ein regionales Grundnetz, aufbauend auf dem übergeordneten Hauptnetz, bestehend aus sämtlichen Linienverbindungen des öffentlichen Personennahverkehrs , also Bus und Schiene, darstellen? b) Wo ergeben sich aus dieser ÖPNV-Netzkarte mit den wesentlichen regionalen (und überregionalen) ÖPNV-Verbindungen mit Bus und Bahn die größten „weißen Flecken“? 5. a) Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung, in der dargestellten Netzkarte (Frage 4a) individuelle lokale Ergänzungsnetze entstehen zu lassen? b) Gibt es in Bayern bereits Pilotprojekte zur Schaffung solcher lokalen Ergänzungsnetze basierend auf intelligenten Kombinationen zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln wie Bahn, Bus, Auto und Fahrrad? c) Welche best-practice-Beispiele sind der Staatsregierung hierzu bekannt? Der Staatsregierung liegen die für die Erstellung einer entsprechenden Liniennetzkarte erforderlichen Informationen für den gesamten öffentlichen Verkehr in Bayern bzw. im Regierungsbezirk Niederbayern nicht vor. Die Planung und Organisation des allgemeinen ÖPNV ist Aufgabe der kommunalen ÖPNV-Aufgabenträger. Artikel 13 BayÖPNVG sieht zur Umsetzung dieser kommunalen Aufgabe die Aufstellung von Nahverkehrsplänen vor. Es ist daher an den Aufgabenträgern, Liniennetze zu entwickeln, um daraus den konkreten Handlungsbedarf abzuleiten. Wo die lokalen ÖPNV-Aufgabenträger in gemeinsamen aufgabenträgerübergreifenden Verkehrsverbünden, wie es Art. 7 BayÖPNVG vorsieht, zusammenarbeiten, ist die Erstellung von Liniennetzkarten üblich. In Niederbayern besteht derzeit allerdings nur vereinzelt eine Zusammenarbeit der ÖPNV- Aufgabenträger. Diese kann im gesetzlichen Rahmen des BayÖPNVG jedoch weiter ausgebaut werden. Informationen zu Pilotprojekten und best-practice-Beispielen liegen der Staatsregierung nicht vor. 6. a) Wie ließe sich die Beförderung von Personen im ländlichen ÖPNV-Netz im Rahmen einer durchgehenden Tür-zu-Tür-Wegekette mit zwei oder mehr Verkehrsmitteln realisieren? b) Wie könnte eine verstärkte Nutzung von Informations - und Kommunikationstechnologien hierbei hilfreich sein? Für eine durchgehende Beförderungskette ist ein abgestimmtes Angebot im öffentlichen Verkehr notwendig. Hierzu müssen Verkehrsunternehmen und Aufgabenträger für den allgemeinen ÖPNV und den SPNV vor Ort zusammenarbeiten . In der Praxis soll sich dabei die Angebotsplanung des allgemeinen ÖPNV am Betriebskonzept des SPNV orientieren . Der allgemeine ÖPNV ist Aufgabe der kommunalen Aufgabenträger. Neben den in der Antwort zu Frage 1 genannten Maßnahmen leisten auch die Informationssysteme des Freistaats und anderer Akteure im öffentlichen Verkehr einen wichtigen Beitrag zur tatsächlichen Nutzung durchgängiger, verkehrsträgerübergreifender Fahrtmöglichkeiten. Die Vernetzung bereits bestehender Angebote (bei Bedarfsverkehren auch die Integration der Voranmeldung) soll daher auch in Zukunft erfolgen.