Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer FREIE WÄHLER vom 19.03.2014 Arzneireste im Wasser In einem Zeitungsbericht der Fränkischen Landeszeitung (FLZ) vom 05.03.2014 heißt es, Ansbach sei ausgewählt worden, um an einem Pilotprojekt zur Wasserreinigung von Arzneimittelrückständen teilzunehmen, „weil die Rezat mit den potenziell gesundheitsschädlichen Stoffen überdurchschnittlich stark belastet ist.“ Ich frage die Staatsregierung: 1. Seit wann ist es den Behörden bekannt, dass die Fränki- sche Rezat besonders stark mit Spuren von Arzneimittelrückständen belastet ist? 2. Welche Arzneimittelrückstände wurden in den letzten 5 Jahren festgestellt (bitte chemische Bezeichnung angeben ), und wie hoch waren die Messwerte dieser einzelnen Substanzen? 3. Konnte ein von der Jahreszeit abhängiger Konzentrati- onsverlauf gemessen werden? 4. Welche sonstigen Stoffe wurden gemessen, die dazu führen, dass von einer überdurchschnittlich stark belasteten Fränkischen Rezat gesprochen werden kann? 5. Welche Untersuchungen haben bestätigt, dass bereits Veränderungen des Genmaterials bei Fischen festgestellt wurden, und welche Fischarten waren davon betroffen? 6. Liegen den Behörden Untersuchungsergebnisse vor, die belegen, dass das Trinkwasser im Bereich „Schlauersbacher Brunnen“ keine Arzneimittelrückstände oder sonstige nach der Trinkwasserverordnung unzulässig hohe Rückstände enthält, und wenn doch, welche Substanzen wurden nachgewiesen und in welcher Konzentration? 7. Ist der Staatsregierung bekannt, ob es Anlagen gibt, die Arzneimittelrückstände in einem biologischen Reinigungsprozess beseitigen, oder gibt es Anlagen, die Arzneimittelrückstände ausschließlich mithilfe der Filtertechnik herausfiltern? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucher­ schutz vom 16.04.2014 1. Seit wann ist es den Behörden bekannt, dass die Fränkische Rezat besonders stark mit Spuren von Arzneimittelrückständen belastet ist? Bei einer einmaligen Untersuchung der Fränkischen Rezat bei Georgensgmünd im September 2000 wurden Arzneimittelwirkstoffe in gegenüber dem Durchschnitt erhöhten Konzentrationen festgestellt. Zu erhöhten Werten kann es bei abflussschwachen Gewässern aufgrund der geringen Verdünnung des gereinigten Abwassers kommen. Im Jahr 2010 wurde die Probenahmestelle Georgensgmünd als weiteres Beispielgewässer für hohen Abwasseranteil in das Arzneimittelmonitoring-Programm des LfU aufgenommen. Ab 2012 wurde die Probenahmestelle Georgensgmünd durch die Probenahmestelle Stiegelmühle ersetzt , um die Einleitungen aus der Kläranlage Ansbach besser erfassen zu können. Das LfU führte darüber hinaus in den Jahren 2007, 2009 und 2011 im Rahmen der technischen Gewässeraufsicht an der Kläranlage Ansbach ein Wirkungsmonitoring mit Fischen durch. In den Jahren 2009 und 2011 wurde dabei auch die Fränkische Rezat unterhalb der Einleitung der Kläranlage Ansbach, 2011 zudem auch die Fränkische Rezat oberhalb der Einleitung der Kläranlage Ansbach in das Untersuchungsprogramm einbezogen. Zur Beurteilung der allgemeinen Belastungssituation im Einzugsgebiet der Kläranlage Ansbach wurde zusätzlich ein Screening veranlasst. Die Untersuchungen ergaben v. a. 2011 im Kläranlagenablauf sowie in der Fränkischen Rezat unterhalb der Einleitung relativ hohe Konzentrationen der Arzneimittelwirkstoffe Diclofenac, Carbamazepin sowie Tramadol. 2. Welche Arzneimittelrückstände wurden in den letzten 5 Jahren festgestellt (bitte chemische Bezeichnung angeben), und wie hoch waren die Messwerte dieser einzelnen Substanzen? An den Probenahmestellen Georgensgmünd bzw. Stiegelmühle wurden im Zeitraum Mai 2010 bis Dezember 2013 insgesamt bis zu 22 Einzelwerte für folgende Arzneimittelwirkstoffe ermittelt: Wirkstoff bzw. Metabolit Zahl der Messungen Konzentrations­ bereich in µg/l Carbamazepin 22 <0,05 – 0,30 10,11-Dihydro-10,11-dihydroxycarbamazepin * 22 0,06 – 0,42 Carbamazepin-epoxid* 21 0,005 – 0,02 4-N-Acetylaminoantipyrin* 22 0,11 – 0,63 4-N-Formylaminoantipyrin* 22 0,15 – 0,80 Diclofenac 22 0,02 – 0,36 4-Hydroxydiclofenac* 20 <0,004 – 0,20 Metoprolol 22 0,05 – 0,35 Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 06.06.2014 17/1719 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/1719 Wirkstoff bzw. Metabolit Zahl der Messungen Konzentrations­ bereich in µg/l Alpha-hydroxymetoprolol* 20 <0,002 – 0,05 Atenolol 18 0,002 – 0,02 Bisoprolol 9 0,01 – 0,05 Candesartan 15 <0,05 – 0,15 Cetirizin 17 0,005 – 0,05 Clarithromycin 22 0,01 - 0,10 Hydroxyclarithromycin* 8 0,01 – 0,08 Clindamycin 20 0,01 – 0,03 Amidotrizoesäure 13 0,08 – 3,2 Eprosartan 13 <0,002 – 0,04 Irbesartan 16 0,02 – 0,30 Lamotigrin 9 0,01 – 0,18 Levetiracetam 8 0,01 – 0,07 Losartan 16 <0,002 – 0,14 Olmesartan 15 0,04 – 0,13 Primidon 21 0,01 – 0,09 2-Ethyl-2-phenylmalonamid* 20 0,01 – 0,06 Ritalinsäure* 22 0,01 – 0,02 Roxithromycin 19 <0,004 – 0,06 Sulfamethoxazol 20 0,01 – 0,20 N-Acetylsulfamethoxazol* 21 0,002 – 0,06 Sotalol 17 0,01 – 0,08 Telmisartan 16 0,03 – 0,18 Triamteren 20 0,005 – 0,03 Valsartan 15 <0,004 – 0,35 Venlafaxin 9 0,02 – 0,08 Hydrochlorothiazid 13 0,08 – 0,35 (Anmerkungen: mit * gekennzeichnete Substanzen sind Arzneimittelwirkstoff -Metaboliten; die unterschiedliche Zahl von Messwerten beruht auf Anpassungen des Untersuchungsumfangs , zudem waren Messungen für einzelne Substanzen aufgrund von Störungen durch die Probenmatrix teilweise nicht auswertbar) 3. Konnte ein von der Jahreszeit abhängiger Konzentra­ tionsverlauf gemessen werden? Auf der Basis der vorliegenden Daten kann kein von der Jahreszeit abhängiger Konzentrationsverlauf festgestellt werden . Grundsätzlich ist bei einigen Arzneimittelwirkstoffen, die z. B. bei Erkältungskrankheiten oder Grippe eingesetzt werden, eine höhere Konzentration in den Wintermonaten zu erwarten. 4. Welche sonstigen Stoffe wurden gemessen, die dazu führen, dass von einer überdurchschnittlich stark belasteten Fränkischen Rezat gesprochen werden kann? Der künstliche Süßstoff Acesulfam (0,07 – 7,8 µg/l) sowie die Korrosionsschutzmittelwirkstoffe Benzotriazol (0,35 – 1,7 µg/l) und Tolyltriazole (0,28 – 2,0 µg/l) wurden als Indikatorsubstanzen für häusliches Abwasser bei den o. g. Untersuchungen zusätzlich bestimmt. Die festgestellten Konzentrationen sind typisch für abflussschwache Oberflächengewässer . 5. Welche Untersuchungen haben bestätigt, dass be­ reits Veränderungen des Genmaterials bei Fischen festgestellt wurden, und welche Fischarten waren davon betroffen? Es sind keine Untersuchungen bekannt, die Veränderungen des Genmaterials bei Fischen belegen. 6. Liegen den Behörden Untersuchungsergebnisse vor, die belegen, dass das Trinkwasser im Bereich „Schlauersbacher Brunnen“ keine Arzneimittelrück­ stände oder sonstige nach der Trinkwasserverord­ nung unzulässig hohe Rückstände enthält, und wenn doch, welche Substanzen wurden nachgewiesen und in welcher Konzentration? Die Anforderungen der Trinkwasserverordnung wurden für die „Schlauersbacher Brunnen“ in den letzten Jahren im Rahmen der regelmäßigen Untersuchungen konstant erfüllt. Dem Gesundheitsamt Ansbach und dem Sachgebiet Gesundheit der Regierung von Mittelfranken liegen keine Untersuchungsergebnisse vor, wonach das Trinkwasser der „Schlauersbacher Brunnen“ mit Arzneimittelrückständen oder sonstigen chemischen Substanzen belastet ist. Bei den „Schlauersbacher Brunnen“ handelt es sich um Brunnen von circa 30–50 Meter Tiefe, die ein Grundwasservorkommen erschließen. Ein relevanter Anteil von Uferfiltrat in diesem Grundwasservorkommen ist nicht zu erwarten. 7. Ist der Staatsregierung bekannt, ob es Anlagen gibt, die Arzneimittelrückstände in einem biologischen Reinigungsprozess beseitigen, oder gibt es Anlagen, die Arzneimittelrückstände ausschließlich mithilfe der Filtertechnik herausfiltern? Die Reinigung von kommunalem Abwasser mittels einer biologischen Reinigungsstufe ist seit Jahrzehnten Standard bei deutschen Kläranlagen. Mit der biologischen Stufe können sauerstoffzehrende Stoffe von den Gewässern ferngehalten werden. Viele Arzneimittelrückstände sind jedoch schlecht biologisch abbaubar und können mit den bisher üblichen Reinigungstechnologien nicht oder nur unvollständig aus dem Abwasser entfernt werden. Für die gezielte Eliminierung von Arzneimitteln oder von anthropogenen Spurenstoffen generell ist daher eine spezielle zusätzliche Reinigungsstufe (sog. 4. Reinigungsstufe) notwendig. Für sie kommen v. a. Verfahren, die Ozon oder Aktivkohle einsetzen, infrage. Eine rechtliche Verpflichtung zur Errichtung einer 4. Reinigungsstufe gibt es bisher nicht. Deutschlandweit kamen 4 Reinigungsstufen (auf freiwilliger Basis) bisher nur in den Ländern Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen zum Einsatz, wo, anders als in Bayern, Trinkwasser in größerem Umfang auch aus Oberflächengewässern gewonnen wird. In Bayern gibt es derzeit keine Anlage mit zusätzlicher 4. Reinigungsstufe. Wegen der Bedeutung des Abwasserpfads für den Eintrag anthropogener Spurenstoffe in die Gewässer, und im Hinblick auf mögliche künftige wasserrechtliche Anforderungen, auch hinsichtlich bestimmter anthropogener Spurenstoffe, ist jedoch vorgesehen, zusammen mit einem kommunalen Kläranlagenbetreiber ein Pilotprojekt zur 4. Reinigungsstufe auch in Bayern durchzuführen.