Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Christian Magerl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 27.02.2014 Beteiligung von Landkreisen bei Hochwasserschutzmaßnahmen Ich frage die Staatsregierung: 1. Unter welchen Voraussetzungen kann sich der Landkreis bzw. Kommunen bei Hochwasserschutzmaßnahmen an Gewässern 1. und 2. Ordnung beteiligen? 2. Unter welchen Voraussetzungen kann sich der Landkreis bei Hochwasserschutzmaßnahmen an Gewässern 3. Ordnung beteiligen? 3. a) Welche konkreten Hochwasserschutz-Projekte an Gewässern 1. und 2. Ordnung wurden in den letzten fünf Jahren mit direkter finanzieller Beteiligung welcher Landkreise bzw. welcher Kommunen umgesetzt? b) Wie hoch war jeweils der Anteil des Landkreises bzw. der Kommunen an den einzelnen Projekten in Euro und prozentual? 4. a) Welche konkreten Hochwasserschutz-Projekte wurden in den letzten fünf Jahren durch einen Zweckverband mit finanzieller Beteiligung eines Landkreises bzw. von Kommunen umgesetzt? b) Wie hoch war jeweils der Anteil des Landkreises bzw. der Kommunen am Projekt in Euro und prozentual? 5. Wäre es prinzipiell möglich, dass ein Landkreis Hochwasserschutzmaßnahmen an Gewässern 3. Ordnung ohne Beteiligung der betroffenen Gemeinden plant und finanziert? 6. Inwieweit verträgt sich eine finanzielle Beteiligung des Landkreises mit den Artikeln 39 ff. des Bayerischen Wassergesetzes? 7. Wie beurteilt die Staatsregierung das Konstrukt des Zweckverbands Hochwasserschutz Günztal aus rechtlicher Sicht? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 16.04.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt beantwortet: 1. Unter welchen Voraussetzungen kann sich der Landkreis bzw. Kommunen bei Hochwasserschutzmaßnahmen an Gewässern 1. und 2. Ordnung beteiligen? Das Bayerische Wassergesetz regelt die Ausbauzuständigkeit abgestimmt auf die gesetzliche Unterhaltungslastordnung . Die Verpflichtung zum Ausbau von Deichen und Dämmen an Gewässern 1. und 2. Ordnung zum Zweck des Hochwasserschutzes obliegt dem Freistaat Bayern. Auf Basis des Art. 42 BayWG beteiligt der Freistaat die Gemeinden über Beiträge an den Kosten der Hochwasserschutzmaßnahme . Über eine Beteiligtenvereinbarung wird darüber hinaus geregelt, inwieweit sich die Gemeinde auch an weiteren Leistungen beteiligt wie zum Beispiel der Durchführung des Grunderwerbs, der späteren Unterhaltung der Hochwasserschutzanlagen bis hin zur Unterstützung bei der Öffentlichkeitsarbeit oder der Übernahme der Verkehrssicherungspflichten . Neben den technischen Hochwasserschutzmaßnahmen gibt es jedoch eine Vielzahl von weiteren Maßnahmen, dem Hochwasserrisiko zu begegnen. Im Rahmen der Aufstellung der Hochwasserrisikomanagement-Pläne werden die Kommunen eingebunden. Technische Hochwasserschutzmaßnahmen müssen durch Vorsorgemaßnahmen (Flächenvorsorge , Bauvorsorge, Vorbereitung der örtlichen Gefahrenabwehr und des Katastrophenschutzes, Erstellung von Alarm- und Einsatzplänen, Bewusstseinsbildung ....) flankiert werden. Details zur Aufstellung der HWRM-Pläne sowie eines umfassenden Maßnahmenkatalogs mit entsprechenden Zuständigkeiten sind im Internet in der Broschüre „Handlungsanleitung zur Erarbeitung von Hochwasserrisikomanagement -Plänen in Bayern“ www.lfu.bayern.de/was ser/hw_risikomanagement_umsetzung/zustaendigkeiten/ index.htm abrufbar. 2. Unter welchen Voraussetzungen kann sich der Landkreis bei Hochwasserschutzmaßnahmen an Gewässern 3. Ordnung beteiligen? Die Ausbaulast an Gewässern 3. Ordnung nach Art. 39 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Art. 22 Abs. 1 Nr. 3 BayWG ist den Gemeinden zugewiesen, soweit nicht ein Wasser- und Bodenverband dafür besteht, der satzungsmäßig den Gewässerausbau durchführt oder eine Sonderausbaulast des Freistaates Bayern (z. B. für Wildbäche) besteht. Es handelt sich dabei um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, deren Entstehung davon abhängt, dass das Ausbauvorhaben nach dem Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 06.06.2014 17/1720 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/1720 Maßstab des Wohls der Allgemeinheit erforderlich ist und die Finanzierung gesichert ist. Sie obliegt den Gemeinden als eigene Aufgabe. Die Regelung zur Ausbauzuständigkeit ist eine abschließende. Sie kann weder übertragen noch vertraglich begründet werden. Korrespondierend zur Ausbaupflicht können die Gemeinden jedoch von denjenigen, die von dem Ausbau Vorteile haben, je nach ihrem Vorteil (Nutzenmehrung, Schadensabwehr ), Beiträge und Vorschüsse verlangen (Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BayWG). Vorteilsziehender kann insoweit grundsätzlich auch ein Landkreis sein, wenn die Hochwasserschutzmaßnahme beispielsweise dem konkreten Schutz von Grundeigentum oder Einrichtungen des Landkreises dient und damit den von ihm wahrgenommenen (überörtlichen) öffentlichen Belangen zugutekommt. Die Gemeinden können sich zur Erfüllung ihrer Aufgabe auch Dritter bedienen und/ oder zu Zweckverbänden zusammenschließen. Ein Zweckverband ist vor allem dort sinnvoll, wo das Gemeindegebiet überschreitende Gewässer zu Zwecken des Hochwasserschutzes auszubauen sind. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 KommZG können Gemeinden , Landkreise und Bezirke nach den Vorschriften des Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit zusammenarbeiten , um Aufgaben, zu deren Wahrnehmung sie berechtigt oder verpflichtet sind, gemeinsam zu erfüllen. Sie können sich zu einem Zweckverband zusammenschließen und ihm einzelne Aufgaben oder alle mit einem bestimmten Zweck zusammenhängende Aufgaben übertragen (Art. 17 Abs. 1 KommZG). Eine Beteiligung eines Landkreises an einem Zweckverband ist nur zur Erfüllung seiner Aufgaben möglich (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 KommZG). Die Unterhaltung von Gewässern ist jedoch keine Landkreisaufgabe (vgl. Art. 22 BayWG). Eine Beteiligung eines Landkreises an einem Zweckverband kommt daher nur in Betracht, wenn er als Grundstückseigentümer oder Betreiber von Kreiseinrichtungen im Wirkungsgebiet von Hochwasserschutzmaßnahmen betroffen ist, sofern diese Hochwasserschutzmaßnahmen dem konkreten Schutz von Grundeigentum oder Einrichtungen des Landkreises zugutekommen. Der Schutz kreiseigener Einrichtungen und Vermögensgegenstände kann als eine Aufgabe im eigenen Wirkungskreis des Landkreises angesehen werden. Eine Zusammenarbeit kommunaler Gebietskörperschaften verschiedener Ebenen ist zwar in der Regel unzulässig , da sie zu einer Vermischung der Zuständigkeiten der kommunalen Gebietskörperschaften führen. Es ist aber als zulässig anzusehen, dass Kommunen verschiedener Stufen zusammenarbeiten, um ein Bündel sachlich zusammenhängender Aufgaben gemeinsam zu erfüllen, auch wenn die einzelnen Aufgaben nur einzelnen Beteiligten obliegen. Auch kann eine kommunale Zusammenarbeit dann infrage kommen, wenn örtliche und überörtliche Auswirkungen kommunale Gebietskörperschaften verschiedener Ebenen in unterschiedlicher Weise betreffen. 3. a) Welche konkreten Hochwasserschutz-Projekte an Gewässern 1. und 2. Ordnung wurden in den letzten fünf Jahren mit direkter finanzieller Beteiligung welcher Landkreise bzw. welcher Kommunen umgesetzt ? b) Wie hoch war jeweils der Anteil des Landkreises bzw. der Kommunen an den einzelnen Projekten in Euro und prozentual? Der Freistaat Bayern fordert bei der Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen nach Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BayWG einen Beteiligtenbeitrag von den Vorteilsziehenden. Dieser beträgt für alle Maßnahmen, die zur Erhöhung des Schutzgrades dienen, grundsätzlich 50% der Vorhabenskosten . Der Beteiligtenbeitrag wird in der Regel von den Gemeinden übernommen und setzt sich dabei aus einer Barleistung und gegebenenfalls anrechenbaren unbaren Leistungen, beispielsweise aus den Bereichen Unterhaltung, Verkehrssicherung und Betrieb, die durch die Gemeinden übernommen werden, zusammen. Eine Beteiligung der Landkreise ist dabei regelmäßig nicht vorgesehen. Auf Grundlage dieser Verwaltungspraxis wurden alle in den letzten 5 Jahren begonnenen HochwasserschutzProjekte an Gewässern 1. und 2. Ordnung abgewickelt. Bei Maßnahmen an Gewässern 2. Ordnung, die vor dem 01.01.2009, d. h. noch unter Trägerschaft der Bezirke begonnen wurden, finden Übergangsregelungen Anwendung. Neben den Hochwasserschutz-Projekten mit baulichen Maßnahmen wird im Rahmen der Hochwasservorsorge u. a. für die Absiedlung der Ortschaft Moos an der Donau (Markt Burgheim, Lkr. Neuburg-Schrobenhausen) seit 2009 vom Freistaat Bayern finanzielle Hilfe für die Betroffenen gewährt. Diese beträgt 65 % des Verkehrswertes aller auf einem Grundstück abzubrechenden Wohngebäude und gegebenenfalls zusätzlich abzubrechenden Nebengebäude zuzüglich der Abbruchkosten. Darüber hinaus werden die Betroffenen durch den Markt Burgheim mit 8 % des Verkehrswertes , und den Landkreis Neuburg-Schrobenhausen mit 2,67% des Gebäudewertes unterstützt. 4. a) Welche konkreten Hochwasserschutz-Projekte wurden in den letzten fünf Jahren durch einen Zweckverband mit finanzieller Beteiligung eines Landkreises bzw. von Kommunen umgesetzt? Im Zeitraum seit 2009 wurden folgende größere Hochwasserschutzvorhaben durch kommunale Zweckverbände begonnen bzw. bereits umgesetzt: • Donaumoos-Zweckverband (Landkreis NeuburgSchrobenhausen ): o Hochwasserschutz Sandizell o Hochwasserrückhaltebecken Karlskron • Zweckverband zur Unterhaltung und für Hochwasser- schutzmaßnahmen für Gewässer dritter Ordnung im Bereich Stadt Bobingen, Markt Diedorf, Gessertshausen , Großaitingen und Stadt Schwabmünchen (Landkreis Augsburg) mit Sitz in Diedorf: o Hochwasserrückhaltebecken Engelshofer Bach • Zweckverband Hochwasserschutz Gennach-Hühner- bach (Landkreis Ostallgäu): o Hochwasserrückhaltebecken Dillishausen o Hochwasserrückhaltebecken Thalhofen o Hochwasserrückhaltebecken Krebsgraben o Hochwasserrückhaltebecken Weinhausen o Hochwasserrückhaltebecken Indianer o Hochwasserrückhaltebecken Blonhofen o Hochwasserrückhaltebecken Salabeuren b) Wie hoch war jeweils der Anteil des Landkreises bzw. der Kommunen am Projekt in Euro und prozentual ? Kostenaufteilung bei den genannten Hochwasserschutz -Projekten: Drucksache 17/1720 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 • Donaumoos-Zweckverband: o Gesamtkosten der Projekte rund 0,7 Mio. Euro o Anteil Zweckverband rund 0,2 Mio. Euro (entspricht rund 29 %) o Anteil Freistaat Bayern rund 0,5 Mio. Euro (ent- spricht rund 71 %) • Zweckverband Diedorf: o Projektgesamtkosten rund 2,9 Mio. Euro o Anteil Zweckverband rund 0,8 Mio. Euro (entspricht 28 %) o Anteil Freistaat Bayern rund 2,1 Mio. Euro (ent- spricht rund 72 %) • Zweckverband Hochwasserschutz Gennach-Hühner- bach: o Gesamtkosten der Projekte rund 10,7 Mio. Euro o Anteil Zweckverband rund 2,7 Mio. Euro (entspricht 25 %) o Anteil Freistaat Bayern rund 8,0 Mio. Euro (ent- spricht 75 %) 5. Wäre es prinzipiell möglich, dass ein Landkreis Hochwasserschutzmaßnahmen an Gewässern 3. Ordnung ohne Beteiligung der betroffenen Gemeinden plant und finanziert? Dies wäre nur zulässig, soweit es sich dabei um eine Aufgabe des Landkreises handelt. Die Unterhaltung von Gewässern ist den Landkreisen nicht als Aufgabe zugewiesen. Soweit nach Art. 39 Abs. 1 Nr. 3 BayWG eine Ausbaupflicht der Gemeinden besteht, stellt dies eine Aufgabe der Gemeinden dar (s. Antwort zu Frage 2). Die Landkreisordnung ermächtigt die Landkreise nicht im Sinn einer Generalklausel zu Ergänzungs- und Ausgleichsaufgaben für kreisangehörige Gemeinden. Übersteigt eine Aufgabe das Leistungsvermögen einzelner Gemeinden, sind zunächst Lösungen in kommunaler Zusammenarbeit anzustreben. 6. Inwieweit verträgt sich eine finanzielle Beteiligung des Landkreises mit den Artikeln 39 ff. des Bayerischen Wassergesetzes? Siehe Antwort zu Frage 2. 7. Wie beurteilt die Staatsregierung das Konstrukt des Zweckverbands Hochwasserschutz Günztal aus rechtlicher Sicht? Der Hochwasserschutz im Günztal ist komplex. Die Günz, ein Gewässer 1. Ordnung, wird aus zwei Hauptflüssen, der Westlichen Günz und der Östlichen Günz, gebildet (beide sind Gewässer 2. und 3. Ordnung), die bei Lauben im Landkreis Unterallgäu zusammenfließen. In einem fast zwanzigjährigen Planungsprozess wurde ein integraler Hochwasserschutz entwickelt. Im Rahmen einer vorauslaufenden Studie konnte aufgezeigt werden, dass das Projektziel nur mit einem überörtlich wirkenden Rückhaltekonzept, verbunden mit innerörtlichen Gewässerausbaumaßnahmen, realisiert werden kann. Hierzu ist ein Gesamtrückhaltevolumen von 8,15 Mio. m3, verteilt auf 5 Becken erforderlich. Ein Gewässerausbau erfordert eine gesicherte Finanzierung . Eine angemessene Beteiligung der Vorteilsziehenden an den Investitionskosten (Planung und Bau) ist eine Voraussetzung für die Verwirklichung des Projekts. Die Beteiligtenbeiträge wurden nach dem erreichten Nutzen für jede betroffene Gemeinde ermittelt. Durch die Übernahme der Unterhaltung, Überwachung und des Betriebs aller Hochwasserrückhaltebecken durch einen neuen Zweckverband der beteiligten Gemeinden wird eine Reduzierung des baren Beteiligtenbeitrages der Gemeinden von 50 % auf 23,2 % erreicht . Auch der Kreistag des Landkreises Unterallgäu hat beschlossen , sich am Zweckverband zu beteiligen. Eine Beteiligung des Landkreises Unterallgäu am Zweckverband ist infolge seiner Betroffenheit als Grundstückseigentümer und Betreiber bzw. Unterhaltspflichtiger von Kreiseinrichtungen im Wirkungsgebiet der Hochwasserschutzmaßnahmen des Günztalprojekts möglich. Denn insoweit als die Hochwasserschutzmaßnahmen dem konkreten Schutz von Grundeigentum oder von Einrichtungen des Landkreises wie etwa Kreisstraßen dienen, kommt dies dem Landkreis im Sinn des Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BayWG und den von ihm wahrgenommenen (überörtlich-)öffentlichen Belangen zugute (s. Antwort zu Frage 2).