17. Wahlperiode 25.09.2017 17/17215 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Markus Ganserer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 02.02.2017 Zweite S-Bahn-Röhre Kosten und Wettbewerbsarmut Am 25. Oktober 2016 verkündete die Staatsregierung, grünes Licht geben zu wollen für den Bau der zweiten Münchner S-Bahn-Stammstrecke. Es läge nun eine „sachgerechte Kostenermittlung“ vor, die auf den Ergebnissen der Ausschreibung von ersten Hauptbaumaßnahmen im westlichen Abschnitt der zweiten Münchner S-Bahn-Stammstrecke basiere. Der von der DB ermittelte und von der Expertengruppe als „plausibel und angemessen“ bewertete Finanzbedarf würde sich auf 3,84 Milliarden Euro belaufen, wovon etwa 660 Millionen Euro auf einen Risikozuschlag entfallen würden. Bemerkenswert am Ergebnis der europaweiten Ausschreibung ist, dass es nach Angaben von Bahn und Staatsregierung lediglich zwei bewertbare Angebote gab. Lediglich drei Bietergemeinschaften hätten überhaupt die hohen Präqualifikations voraus setzungen erfüllt, eine dieser Gemeinschaften hätte aufgrund eines Formfehlers ausgeschieden werden müssen. Nach Angaben von Staatsregierung und DB AG sei die geringe Zahl der Bieter den „hohen Qualifikationsanforderungen “ geschuldet, welche wiederum in der Komplexität des Projekts begründet seien. Aus Kreisen der Bauindustrie und der DB AG wurde berichtet, dass es bereits im Jahr 2013 eine Präqualifikation für Aufträge zum Projekt zweite Münchner S-Bahn-Stammstrecke gegeben hätte, die keine einzige Firma bestanden hätte. Und 2015 soll es Gespräche in ganz kleiner Runde gegeben haben, in denen ausgewählte Vertreter der Bauindustrie mit Vertretern der DB Netz zum Thema zweite Münchner S-Bahn-Stammstrecke Verhandlungen führten. Betont worden sei dabei die Absicht, das komplexe Projekt „partnerschaftlich abwickeln zu wollen“ (Stichworte: „Balance im Bau“ und „Adjudikation “). Gegenstand des Gesprächs soll auch die Initiierung einer Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung konkreter Vorschläge gewesen sein, um der Politik „dieses Vorgehen als Pilotprojekt näherbringen zu können“. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Worin bestand konkret der Formfehler, der zum Ausschluss einer Bietergemeinschaft im Vergabegeschehen der ersten Hauptbaumaßnahmen im westlichen Abschnitt der zweiten Münchner S-Bahn-Stammstrecke führte? b) Wie viele Bieter/Bietergemeinschaften sind im Zuge der Ausschreibung von ersten Hauptbaumaßnahmen im westlichen Abschnitt der zweiten Münchner S-Bahn- Stammstrecke wegen Nichterfüllung der Präqualifikationsvoraussetzungen gescheitert? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. c) Wer hat die Präqualifikationsvoraussetzungen definiert , war die Staatsregierung daran beteiligt bzw. seit wann sind diese Präqualifikationsvoraussetzungen der Staatsregierung bekannt? 2. a) Welche neutrale und fachkundige Stelle hat die vorgelagerte , auftragsunabhängige Prüfung der Eignungsnachweise der Bieter nach der Ausschreibung von ersten Hauptbaumaßnahmen im westlichen Abschnitt der zweiten Münchner S-Bahn-Stammstrecke vorgenommen ? b) Was ist der Staatsregierung bekannt über die Präqualifikation im Jahr 2013, die nach Verlautbarungen von Vertretern der DB AG und der Bauindustrie „keine Firma bestanden“ hätte, welche Unternehmen hatten sich hier beteiligt, wer oder was war die Präqualifizierungsstelle ? 3. Wie beurteilt die Staatsregierung die Tatsache, dass es Gespräche im kleinen Kreis und Vereinbarungen zur Vorbereitung und Abwicklung des Projekts zweite Münchner S-Bahn-Stammstrecke zwischen Vertretern der DB Netz und Funktionären zweier Verbände der Bauindustrie gegeben hat, die gleichzeitig Geschäftsführer /Vorstände/Eigentümer großer Bauunternehmen sind, welche als Auftragnehmer bei Realisierung des Projektes zweite Münchner S-Bahn-Stammstrecke infrage kommen? 4. Wie verträgt sich nach Auffassung der Staatsregierung das o. g. Vorgehen mit nationalem und mit europäischem Zuwendungs-, Vergabe- und Wettbewerbsrecht ? 5. a) Wie vertragen sich nach Auffassung der Staatsregierung Vereinbarungen, das komplexe Projekt „partnerschaftlich abwickeln zu wollen“ (Stichworte: „Balance im Bau“ und „Adjudikation“), und die Initiierung einer Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung konkreter Vorschläge, um der Politik „dieses Vorgehen als Pilotprojekt näherbringen zu können“, mit nationalem und mit europäischem Zuwendungs-, Vergabe- und Wettbewerbsrecht ? b) Kennt die Staatsregierung den einschlägigen Briefwechsel aus dem vorletzten Jahr zwischen dem Präsidenten des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB), Herrn B., und dem damaligen stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden und Infrastrukturvorstand der DB AG, Herrn K.? c) Was ist der Staatsregierung über die oben genannte Arbeitsgruppe bekannt, inwieweit fand die vorgesehene Einbindung der Obersten Baubehörde beim Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hier statt? 6. a) Ist der Staatsregierung bekannt, ob ein Adjudikationsverfahren (Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17215 von Streitigkeiten zwischen Vertragspartnern) zwischen den Auftragnehmern und der DB als Auftraggeberin vereinbart werden soll? b) Wenn ja, kennt die Staatsregierung die zu vereinbarenden Verfahrensregeln? c) Wer soll/sollen der/die Adjudikator(en) sein? 7. Wie beurteilt die Staatsregierung das Vorhaben, ein Adjudikations-Verfahren zu vereinbaren, in dem es bekanntlich um die Klärung von Fragen mit wesentlicher finanzieller Tragweite wie Fragen zu Schadensersatz, Vertragsstrafen oder Höhe der Nachträge geht, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die DB als Auftraggeberin nur zu einem sehr kleinen Teil Geldgeberin des Projekts ist? 8. Verträgt sich nach Auffassung der Staatsregierung das Vereinbaren und Bestreiten eines Adjudikations-Verfahrens bei Realisierung des öffentlichen Bauprojekts 2. Münchner S-Bahn-Stammstrecke mit nationalem und mit europäischem Zuwendungs-, Vergabe- und Wettbewerbsrecht? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 30.05.2017 Nach Rückfrage bei der Deutschen Bahn als Maßnahmenträgerin für die 2. Stammstrecke wird die Schriftliche Anfrage wie folgt beantwortet: 1. a) Worin bestand konkret der Formfehler, der zum Ausschluss einer Bietergemeinschaft im Vergabegeschehen der ersten Hauptbaumaßnahmen im westlichen Abschnitt der zweiten Münchner S- Bahn-Stammstrecke führte? Die Frage bezieht sich auf ein laufendes Vergabeverfahren der Deutschen Bahn und kann daher nicht beantwortet werden . b) Wie viele Bieter/Bietergemeinschaften sind im Zuge der Ausschreibung von ersten Hauptbaumaßnahmen im westlichen Abschnitt der zweiten Münchner S-Bahn-Stammstrecke wegen Nichterfüllung der Präqualifikationsvoraussetzungen gescheitert ? Die Frage bezieht sich auf ein laufendes Vergabeverfahren der Deutschen Bahn und kann daher nicht beantwortet werden . c) Wer hat die Präqualifikationsvoraussetzungen definiert , war die Staatsregierung daran beteiligt bzw. seit wann sind diese Präqualifikationsvoraussetzungen der Staatsregierung bekannt? Die Eignungskriterien wurden durch die Deutsche Bahn als Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes festgelegt. 2. a) Welche neutrale und fachkundige Stelle hat die vorgelagerte, auftragsunabhängige Prüfung der Eignungsnachweise der Bieter nach der Ausschreibung von ersten Hauptbaumaßnahmen im westlichen Abschnitt der zweiten Münchner S- Bahn-Stammstrecke vorgenommen? Die Frage bezieht sich auf ein laufendes Vergabeverfahren der Deutschen Bahn und kann daher nicht beantwortet werden . b) Was ist der Staatsregierung bekannt über die Präqualifikation im Jahr 2013, die nach Verlautbarungen von Vertretern der DB AG und der Bauindustrie „keine Firma bestanden“ hätte, welche Unternehmen hatten sich hier beteiligt, wer oder was war die Präqualifizierungsstelle? Eine Präqualifikation (oder Eignungsprüfung) aus dem Jahr 2013 ist der Staatsregierung nicht bekannt. 3. Wie beurteilt die Staatsregierung die Tatsache, dass es Gespräche im kleinen Kreis und Vereinbarungen zur Vorbereitung und Abwicklung des Projektes zweite Münchner S-Bahn-Stammstrecke zwischen Vertretern der DB Netz und Funktionären zweier Verbände der Bauindustrie gegeben hat, die gleichzeitig Geschäftsführer/Vorstände/ Eigentümer großer Bauunternehmen sind, welche als Auftragnehmer bei Realisierung des Projekts zweite Münchner S-Bahn-Stammstrecke infrage kommen? Der Staatsregierung sind vorgenannte Gespräche und Vereinbarungen nicht bekannt. Es gibt allerdings Gespräche, wie in der Antwort zu Frage 5 a ausgeführt, zum Thema partnerschaftliche Projektabwicklung zwischen dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, der Deutschen Bahn und dem Deutschen Bauindustrieverband . 4. Wie verträgt sich nach Auffassung der Staatsregierung das o. g. Vorgehen mit nationalem und mit europäischem Zuwendungs-, Vergabe- und Wettbewerbsrecht ? Die Einhaltung des Zuwendungs-, Vergabe- und Wettbewerbsrechts wird im Projekt 2. Stammstrecke durch das Eisenbahn-Bundesamt bei Antragstellung auf Fördermittel geprüft. 5. a) Wie vertragen sich nach Auffassung der Staatsregierung Vereinbarungen, das komplexe Projekt „partnerschaftlich abwickeln zu wollen“ (Stichworte : „Balance im Bau“ und „Adjudikation“), und die Initiierung einer Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung konkreter Vorschläge, um der Politik „dieses Vorgehen als Pilotprojekt näherbringen zu können“, mit nationalem und mit europäischem Zuwendungs -, Vergabe- und Wettbewerbsrecht? Die von der Deutschen Bahn (DB) in den Ausschreibungen vorgesehenen Instrumentarien stehen nach Auskunft der DB im Einklang mit geltendem nationalem und europäischem Zuwendungs-, Vergabe- und Wettbewerbsrecht. Modelle wie „Balance im Bau“ und „Adjudikation“ sieht die DB nicht vor. b) Kennt die Staatsregierung den einschlägigen Briefwechsel aus dem vorletzten Jahr zwischen dem Präsidenten des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB), Herrn B., und dem da- Drucksache 17/17215 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 maligen stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden und Infrastrukturvorstand der DB AG, Herrn K.? Der Briefwechsel ist der Staatsregierung nicht bekannt. c) Was ist der Staatsregierung über die oben genannte Arbeitsgruppe bekannt, inwieweit fand die vorgesehene Einbindung der Obersten Baubehörde beim Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hier statt? Der Staatsregierung ist bekannt, dass auf Initiative des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur eine Reformkommission zum Bau von Großprojekten eingerichtet wurde. Der Ergebnisbericht der Reformkommission, welcher sich mit Großprojekten bundesweit auseinandersetzt, kann auf der Homepage des Bundesverkehrsministeriums eingesehen werden. 6. a) Ist der Staatsregierung bekannt, ob ein Adjudikations -Verfahren (Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten zwischen Vertragspartnern ) zwischen den Auftragnehmern und der DB als Auftraggeberin vereinbart werden soll? b) Wenn ja, kennt die Staatsregierung die zu vereinbarenden Verfahrensregeln? c) Wer soll/sollen der/die Adjudikator(en) sein? Zu den Fragen 6 a, b und c kann zusammenfassend geantwortet werden, dass nach Auskunft der Deutschen Bahn kein Adjudikationsverfahren vereinbart wurde. 7. Wie beurteilt die Staatsregierung das Vorhaben, ein Adjudikations-Verfahren zu vereinbaren, in dem es bekanntlich um die Klärung von Fragen mit wesentlicher finanzieller Tragweite wie Fragen zu Schadensersatz, Vertragsstrafen oder Höhe der Nachträge geht, vor dem Hintergrund der Tatsache , dass die DB als Auftraggeberin nur zu einem sehr kleinen Teil Geldgeberin des Projekts ist? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 6 a, b und c verwiesen . 8. Verträgt sich nach Auffassung der Staatsregierung das Vereinbaren und Bestreiten eines Adjudikations -Verfahrens bei Realisierung des öffentlichen Bauprojekts zweite Münchner S-Bahn-Stammstrecke mit nationalem und mit europäischem Zuwendungs -, Vergabe- und Wettbewerbsrecht? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 6 a, b und c verwiesen .