17. Wahlperiode 25.09.2017 17/17217 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Martina Fehlner SPD vom 03.05.2017 Zweckentfremdung von Wohnraum durch Vermietungen an Touristen In den letzten Jahren bieten immer mehr Internetportale die Vermittlung von Wohnraum – auch Mietwohnungen – zum Zwecke kurzfristiger Vermietung v. a. an Touristen an. Marktführer sind hier Airbnb und Wimdu. Während des letzten Oktoberfestes übernachteten in München und Umgebung beispielsweise 36.000 Gäste bei Airbnb, bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro waren es sogar laut Medienberichten 86.000 Gäste. Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung: 1. Wie beurteilt die Staatsregierung die derzeitige Entwicklung , dass immer mehr Wohnraum im Freistaat, der nicht offiziell als Ferienwohnung angemeldet ist, über Vermittlungsplattformen wie z. B. Airbnb zur Fremdenbeherbergung vermietet wird? 2. a) Welche Auswirkungen sind in diesem Zusammenhang für den Tourismus in Bayern zu erwarten? b) Welche finanziellen Einbußen sind für die traditionelle Tourismusbranche damit verbunden? c) Wie bewertet die Staatsregierung mittelfristig die Konkurrenz dieser Vermittlungsportale für Hotels, Pensionen und offiziell registrierte Ferienwohnungen in Bayern? 3. a) Wie viele Unterkünfte wurden in Bayern in den letzten fünf Jahren über Internetportale, wie die oben aufgeführten , privat vermietet? b) Welche Schwerpunktgebiete/-regionen sind vor allem betroffen? c) Werden diese Übernachtungszahlen auch in den Tourismus -Statistiken Bayerns aufgeführt? 4. Auf wie hoch schätzt die Staatsregierung die jährliche Summe der vermittelten Mieteinnahmen durch Airbnb & Co. in Bayern? 5. Wie unterscheiden sich solche privaten Unterkünfte von Unterkünften in der Hotellerie und im Tourismusbereich in a) steuerlicher Hinsicht, b) hinsichtlich des Brandschutzes und Baurechts, c) hinsichtlich der Hygienevorschriften? 6. Wie bewertet die Staatsregierung die derzeitigen Regelungen im ZwEWG, die Entziehung von Wohnraum dem Wohnungsmarkt für Fremdenbeherbergungszwecke wirksam zu verhindern? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Antwort des Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie vom 07.06.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat sowie dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege wie folgt beantwortet: 1. Wie beurteilt die Staatsregierung die derzeitige Entwicklung, dass immer mehr Wohnraum im Freistaat , der nicht offiziell als Ferienwohnung angemeldet ist, über Vermittlungsplattformen wie z. B. Airbnb zur Fremden beherbergung vermietet wird? Die Bedeutung der „Sharing Economy“ gerade im Fremdenbeherbergungs bereich ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Immer mehr Menschen bieten ihre Wohnungen auf Plattformen wie Airbnb, Wimdu oder 9flats Touristen und Geschäftsreisenden für kurzzeitige Vermietungen an. Wenngleich die „Sharing Economy“ zur effizienteren und nachhaltigeren Res sourcennutzung und einer profitableren Wohnraumverwertung beiträgt, so befördert diese Form des Teilens der Wohnungen jedoch auch Fehlanreize zulasten ohnehin schon angespannter Mietwohnungsmärkte wie z. B. in der Landeshauptstadt München. Die professionelle Vermarktung von privaten Unterkünften als Ferienwohnungen und Privatappartements betrachtet die Staatsregierung unter dem Aspekt der Zweckentfremdung von Wohnraum daher mit Sorge. Mit ihrem Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Drs. 17/15781) trägt die Staatsregie rung diesen Entwicklungen im Bereich der Fremdenbeherbergung Rech nung: Zum einen wird die Obergrenze für zulässige Fremdenbeherbergungen von bisher sechs Wochen auf acht Wochen angehoben, um der Be deutung der „Sharing Economy“ in der heutigen Zeit – auch für die Touris musbranche – und dem geänderten Urlaubsverhalten der Bürger zu entsprechen . Auf der anderen Seite werden die Ermittlungsmöglichkeiten der Gemeinden mit Wohnraummangel, die eine Zweckentfremdungssatzung erlassen haben, ausgeweitet . Zum Beispiel werden auch den Plattformbe treibern Auskunftspflichten auferlegt, damit die Gemeinden effektiver gegen nicht genehmigungsfähige Zweckentfremdungen vorgehen können. Der Verstoß gegen diese Mitwirkungspflichten kann nach dem Gesetzentwurf mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro geahndet werden und der Buß geldrahmen bei Verstößen gegen das Zweckentfremdungsverbot wird im Vergleich zur jetzigen Rechtslage auf 500.000 Euro verzehnfacht. 2. a) Welche Auswirkungen sind in diesem Zusammenhang für den Tourismus in Bayern zu erwarten? Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17217 Bislang liegen keine unabhängigen Untersuchungen vor, wie sich die Ge schäftsmodelle der „Sharing Economy“ volkswirtschaftlich auswirken. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat eine Studie zur Analyse der „Sharing Economy “ im Wirtschaftsraum Deutschland im Allgemeinen sowie eine Untersuchung der Handlungsoptionen im Einzelsegment „Ver mittlungsdienste für Privatunterkünfte“ ausgeschrieben . Ein Ergebnis wird im Jahr 2018 erwartet. Im Tourismus in Bayern ist seit einigen Jahren eine überdurchschnittlich hohe Nachfrage nach Ferienwohnungen, Ferienhäusern und Ferienzentren zu verzeichnen. Die Zahl der Gästeankünfte in diesem Segment ist von 2012 bis 2016 mit einem Plus von insgesamt 26 Prozent fast doppelt so stark gewachsen wie in der Hotellerie. Die digitalen Vermittlungsportale für Un terkunftsvermietung können diese Entwicklung noch weiter verstärken, denn sie erleichtern den Urlaubern die Suche nach dem passenden Ange bot und bieten den Privat- und Kleinvermietern in Bayern einen zusätzli chen modernen Vertriebskanal. b) Welche finanziellen Einbußen sind für die traditionelle Touris musbranche damit verbunden? Hierzu liegen der Staatsregierung keine Erkenntnisse vor. c) Wie bewertet die Staatsregierung mittelfristig die Konkurrenz dieser Vermittlungsportale für Hotels, Pensionen und offiziell registrierte Ferienwohnungen in Bayern? Die traditionelle Vermietung von Privatzimmern und Ferienwohnungen an Gäste besteht seit jeher und gehört zum notwendigen Tourismusangebot einer Destination. Neu ist vor allem, dass die digitalen Vermittlungsportale die Interaktion zwischen interessierten Vermietern und Gästen erheblich vereinfachen. Nunmehr sind auch solche Vermietungen möglich, die vorher aufgrund von hohen Transaktionskosten, insbesondere hohen Suchkosten, gescheitert wären. Durch die größere Angebotsvielfalt und einfache Infor mations- und Buchungsprozesse sowie Übernahmen kleinerer Plattformen wachsen die Vermittlungsportale zu einer Konkurrenz für die Hotellerie her an. Die Staatsregierung ist der Ansicht, dass ein florierendes Nebeneinander zahlreicher unterschiedlicher Übernachtungsangebote das Erfolgsrezept für das Urlaubsland Bayern ist, da von Camping über Privatvermietung bis hin zur Luxushotellerie alle Gästewünsche bedient werden können. 3. a) Wie viele Unterkünfte wurden in Bayern in den letzten fünf Jah ren über Internetportale, wie die oben aufgeführten, privat vermietet? Hierzu liegen der Staatsregierung keine Erkenntnisse vor. b) Welche Schwerpunktgebiete/-regionen sind vor allem betroffen? Hierzu liegen der Staatsregierung keine Erkenntnisse vor. c) Werden diese Übernachtungszahlen auch in den Tourismus -Statistiken Bayerns aufgeführt? Die statistischen Erhebungen über die Zahl der Ankünfte und Übernachtun gen von Gästen und deren Herkunftsländern gemäß dem Gesetz zur Neu ordnung der Statistik über die Beherbergung im Reiseverkehr (Beherbergungsstatistikgesetz – BeherbStatG) unterscheiden nicht zwischen privater und gewerblicher Vermietung. Entscheidend ist allein die Anzahl der ange botenen Gästebetten. Auskunftspflichtig sind Beherbergungsbetriebe mit zehn oder mehr angebotenen Gästebetten. Ob die einzelnen Betriebe pri vat vermieten und wie sie dies tun – z. B. über ein Internetportal – wird nicht erfasst. 4. Auf wie hoch schätzt die Staatsregierung die jährliche Summe der vermittelten Mieteinnahmen durch Airbnb & Co. in Bayern? Hierzu liegen der Staatsregierung keine Erkenntnisse vor. 5. a) Wie unterscheiden sich solche privaten Unterkünfte von Unter künften in der Hotellerie und im Tourismusbereich in steuerlicher Hinsicht? Die umsatzsteuer- und einkommensteuerrechtliche Behandlung der kurz fristigen Vermietung privater Unterkünfte – z. B. über eine Internetplattform – unterscheidet sich nicht von der steuerlichen Behandlung offiziell ange meldeter Ferienunterkünfte . b) Wie unterscheiden sich solche privaten Unterkünfte von Unter künften in der Hotellerie und im Tourismusbereich hinsichtlich des Brandschutzes und Baurechts? Die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an den Brandschutz stellen sich für Gebäude mit Wohnungen nicht anders dar als für Gebäude mit Fe rienwohnungen. Im Hinblick auf die Ausgestaltung der Rettungswege, die Feuerwiderstandsfähigkeit der tragenden Bauteile und die brandschutztechnische Abtrennung der einzelnen Nutzungseinheiten besteht jeweils kein Unterschied zwischen einer Wohnung und einer Ferienwohnung. Für Betriebe der Hotellerie gilt: Bei kleineren Beherbergungsbetrieben – mit nicht mehr als 12 Betten – gelten im Hinblick auf den bauordnungsrechtli chen Brandschutz die Standardanforderungen der Bayerischen Bauord nung (BayBO), die auch für Wohngebäude gelten. Ab einer Größenordnung von mehr als 12 Betten zählen Beherbergungsstätten zu den sogenannten „Sonderbauten“ (Art. 2 Abs. 4 Nr. 8 BayBO). Bei solchen Gebäuden kann die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen der Baugenehmigung einzelfallbezo gen weitere Anforderungen stellen, als in der BayBO selbst enthalten sind, soweit es im konkreten Fall zur Abwehr von Gefahren oder Nachteilen er forderlich ist (Art. 54 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO). Für größere Beherbergungsstätten gibt es eine Spezialvorschrift in Form der Beherbergungs stättenverordnung (BStättV). Sie erfasst Beherbergungsbetriebe mit mehr als 30 Gastbetten und enthält für diese Gebäude spezielle Anforderungen insbesondere an die Rettungswegführung, die brandschutztechnische Ab trennung der einzelnen Zimmer, die anlagentechnische Brandfrüherken nung und die Alarmierung der Gäste im Gefahrenfall . Sie enthält auch Be triebsvorschriften, die die Bay- BO für Gebäude mit Wohnungen oder Feri enwohnungen nicht vorsieht. Aus bauplanungsrechtlicher Sicht gilt Folgendes: Bei „privaten Unterkünf ten”, also (dauergenutzte) Wohnungen im privaten Bereich, handelt es sich nach den Nutzungskategorien der Baunutzungsverordnung (BauNVO) um „Wohngebäude”, die in allen Baugebieten zulässig sind mit Ausnahme von Gewerbe-, Industrie- und Kerngebieten (hier sind in der Regel nur Woh nungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter zulässig). Unterkünfte in der Hotellerie und im Touris musbereich sind als „Betriebe des Beherbergungs- Drucksache 17/17217 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 gewerbes“ hingegen in Wohngebieten nur ausnahmsweise , in allen anderen Baugebieten aber all gemein zulässig. Ferienwohnungen wurden mittlerweile durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stär kung des neuen Zusammenlebens in der Stadt vom 4. Mai 2017 (BGBI 2017 Teil 1 Nr. 25, S. 1057, in Kraft seit 13. Mai 2017) in § 13a BauNVO ausdrücklich geregelt: Sie werden demnach grundsätzlich als sog. nicht störende Gewerbebetriebe eingestuft (§ 13a Satz 1 BauNVO), können in bestimmten Fällen aber Betrieben des Beherbergungsgewerbes zuzuord nen sein (§ 13a Satz 2 BauNVO). Als Gewerbebetriebe sind Ferienwohnungen demnach in Kleinsiedlungsgebieten (§ 2 Abs. 3 Nr. 4 BauNVO) und allgemeinen Wohngebieten (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) ausnahmsweise zulässig, in besonderen Wohngebieten (§ 4a Abs. 2 Nr. 3 BauNVO), Dorf gebieten (§ 5 Abs. 2 Nr. 6 BauNVO), Mischgebieten (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO), Urbanen Gebieten (§ 6a Abs. 2 Nr. 4 BauN- VO) und Kerngebie ten (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO) sind sie allgemein zulässig. c) Wie unterscheiden sich solche privaten Unterkünfte von Unter künften in der Hotellerie und im Tourismusbereich hinsichtlich der Hygienevorschriften? Unterkünfte in der Hotellerie und im Tourismusbereich unterliegen gemäß § 36 Infektionsschutzgesetz (lfSG) und Art. 16 des Gesetzes über den öf fentlichen Gesundheits- und Veterinärdienst, die Ernährung und den Ver braucherschutz sowie die Lebensmittelüberwachung (GDVG) nicht der infektionshygienischen Überwachung durch die Gesundheitsbehörden . Inso fern unterscheiden sich diese nicht von privaten Unterkünften. Gemäß § 16 lfSG kann die zuständige Gesundheitsbehörde die notwendi gen Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemein heit drohenden Gefahren treffen, wenn Tatsachen festgestellt werden, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können, oder wenn anzunehmen ist, dass solche Tatsachen vorliegen, z. B. im Zusammenhang mit der Meldung eines gehäuften Auftretens einer Infektionskrankheit. 6. Wie bewertet die Staatsregierung die derzeitigen Regelungen im Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnungen (ZwEWG), die Entziehung von Wohnraum dem Wohnungsmarkt für Frem denbeherbergungszwecke wirksam zu verhindern ? Die Kurzzeitvermietungen der „Sharing Economy“ sind vom derzeit gelten den ZwEWG vom 10. Dezember 2007, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. März 2013, grundsätzlich bereits erfasst. Gleichwohl haben die Erfah rungen der Praxis der letzten Jahre im Vollzug sowie die neueren Entwick lungen im Bereich der internetgestützten, kurzzeitigen Vermietung von Pri vatunterkünften an Touristen und der Vermietung an sog. Medizintouristen einen Änderungsbedarf der Regelung aufgezeigt. Diesem Änderungsbedarf wird mit dem Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Geset zes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Drs. 17/15781) Rechnung getragen (siehe dazu Antwort zu Frage 1).